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Inhaltsverzeichnis
Der Baldenweger in der Geschichte
Reicht
die St.-Martins-Hofkapelle in die fränkisch-alemannische
Zeit zurück?
Ähnlich wie
fast alle großen Schwarzwälder Bauernhöfe kann auch der
Baldenweger Hof im vorderen Dreisamtale auf ein sehr hohes Alter
zurückschauen. Er geht, wenn die Erklärung aus seinem Namen ihre
Richtigkeit hat, auf einen Alemannen Baldo oder Baldhart, das
heißt der Kühne, Trotzige, zurück, der seinen Hof an einem,
vielleicht sehr alten Wege erbaut hat. In früheren Zeiten besaß
allerdings der Ausdruck Weg in einem solchen Zusammenhange eher
die Bedeutung von bewohntem Ort, so daß Baldenweg mehr dem Sinne
einer Ortschaft des Baldo gleichkäme. Diese Deutung liegt auch
deswegen näher, weil zu dieser Siedlung immer noch einige Höfe
dazugehörten, von denen der sogenannte obere Hof, das spätere
Schloß Falkenbühl,. der wichtigste war. Wahrscheinlich bildeten
in der ältesten Zeit Falkenbühl und Baldenweger Hof eine
Einheit, bis sich schließlich das zuerst nur feste Haus als
eigenes, wenn auch nur kleines Schloßgut abtrennte. Jahrhunderte
lang gehörte es den im Höllental wohnhaften Falkensteinern, die
es im Jahre 1423 an den reichen Freiburger Bürger Konrad Tegenly
abgaben, der es aber bald wieder weiterverkaufte. Im Jahre 1517
geht dann Schloß Falkenbühl .und Baldenweger Hof an die Herren
von Landeck über und von diesen an die Sickinger in Ebnet, die
ihren gesamten Besitz am 9.· März 1809 an den damals
neugeschaffenen badischen Staat verkauften, während ihre
Besitzer es vorzogen, nach Österreich auszuwandern.
Was uns an dem Baldenweger Hof am meisten interessiert, ist
seine Hofkapelle zum hl. Martin. Fast zu jedem großen und alten
Schwarzwälder Bauernhofe gehört eine Kapelle, und man kann auch
umgekehrt sagen, jeder Schwarzwaldhof, dessen Hofbestand eine
Kapelle aufweist, reicht geschichtlich bis in frühe
Besiedelungszeiten zurück. Wenn auch die eigentliche Besiedelung
des Schwarzwaldes erst durch die Rodungstätigkeit der Klöster
etwa vom Jahre 1000 an beginnt, so trafen diese ersten
Klostergründer doch schon eine Reihe größerer und kleinerer
Bauerngüter an. Die Besiedelung muß also an geeigneten Plätzen
doch schon sehr frühzeitig begonnen haben. Die üblichen
Hofkapellen dienten nun weniger der eigentlichen Seelsorge,
sondern mehr dem Eigengebrauch der Bewohner des Hofes und der
umliegenden Gütchen, die bei schlechter Witterung oder bei hohem
Schnee im Winter die weitentfernte Pfarrkirche nicht besuchen
konnten und hier ihre Sonntagsandacht hielten. In der Regel sind
sie keinem besonderen Heiligen geweiht, und ihre Pflege hängt
von dem mehr oder weniger großen Interesse des Hofbesitzers ab,
dem das kleine Glöckchen in dieser Kapelle zum wichtigen
Betzeitläuten dient, um die ,,Völker" zum Mittagessen und zum
Feierabend zu rufen. Hofkapellen aber mit einem eigenen
Kirchenheiligen haben siedelungs- wie kirchengeschichtlich ihre
besondere Bedeutung, die desto größer ist, je früher man die
Kapelle und je bestimmter man den Kapellenheiligen für eine
gewisse Zeitepoche festzustellen vermag.
Nun gibt uns eine Urkunde vom Jahre 1765 von der Kapelle auf dem
Baldenweger Hof - allerdings die einzige Urkunde über. diese
Kapelle - die Nachricht, sie sei in diesem Jahre dem hl. Martin
geweiht worden. Nun ist wohl kaum anzunehmen, daß es sich um
einen Neubau der Kapelle mit einer ersten Konsekration
·handelte, sondern eher um eine Renovierung der alten
St.-Martins-Kapelle mit der üblichen Neukonsekration. Das geht
auch daraus hervor, daß, wie eine Nachricht vom Beginn des
19.Jahrhunderts besagt, sie bald darauf baufällig und am
zusammenfallen gewesen sei, was doch bei einer neuen Kapelle
nach einem kurzen Menschenalter wohl nicht der Fall gewesen
wäre. Der vernachlässigte Zustand erklärt sich daraus, daß die
Pächter nach dem Jahre 1809 sich kaum mehr um die Kapelle
kümmerten und sie nach und nach verfallen ließen, bis sie zum
Abbruch reif war. Man hat sie daraufhin abgetragen, heute ist
auch der letzte Rest davon verschwunden, und Erinnerungen daran
sind bei der Talbevölkerung ebenfalls nicht mehr vorhanden.
St. Martin als-Kirchenpatron reicht in-die frühesten Zeiten
alemannisch-fränkischer Christianisierung zurück, die Verehrung
des hl. Martin, mit all seinem reichen Brauchtum stammt aus
Frankreich, wo er in der .Stadt Tours um das Jahr 350 als
Bischof und als Heiliger gestorben ist. In den Jahrhunderten
nach der Schlacht bei Zülpich (496), in der die Alemannen von
den Franken besiegt wurden und der Frankenkönig Chlodwich sich
zum Christentum bekehrt hat, begann im Alemannenland eine
eifrige fränkische Missionierung, die besonders von schottisch -
irischen Mönchen unterstützt wurde. Sie nahmen auf der Reise von
ihrem Heimatland durch Gallien die Verehrung fränkischer
Heiliger mit und pflanzten sie behutsam bei den Alemannen ein,
die bisher dem Christentum ziemlich ablehnend, wenn nicht gar
feindlich gegenüberstanden. Eigenartig ist nun, daß die ganz in
der Nähe liegende Kirche zu Ebnet - sie ist erst seit dem Jahre
1632 Pfarrkirche- die beiden geradezu typischen fränkischen
Heiligen Hilarius (aus Poitiers) und Remigius (aus Reims) als
Kirchenpatrone aufweist, womit ebenfalls gesagt werden darf, daß
ihre Gründung in die fränkische Missionierungszeit fällt. Eine
Legende erzählt, der hl. Fridolin habe aus Poitiers einige
Hilarius-Reliquien mitgenommen und an geeigneten Orten auf
seinem Wege an den Oberrhein Hilariuskirchen gegründet. Die alte
Kirche in Zarten dagegen ist dem hl. Johannes dem Täufer und der
hl. Margarete geweiht, offenbar also eine Taufkirche. Sie ist
schon im 9. Jahrhundert erwähnt und dürfte wohl eine Eigenkirche
der Markgenossenschaft Zarten, die um jene Zeit ebenfalls
mehrfach nachgewiesen ist, gewesen sein. Ob und welche
Zusammenhänge zwischen diesen drei Kirchen in ihren
Gründungszeiten vorhanden sind, kann, da jegliches
Urkundenmaterial hierüber schweigt, nicht mehr aufgezeigt
werden. Es mag jedoch sein, daß die Zartener etwas älter ist als
die beiden andern. Erst als das Kloster St. Gallen durch
mehrfache Güterschenkungen im Dreisamtal größeren politischen
und seelsorgerischen Einfluß gewann, errichtete dieses Kloster
eine eigene Kirche, und damit wurde Kirchzarten der politische
Mittelpunkt des Tales auf Jahrhunderte hinaus. Man erzählt sich
noch, man habe damals die Ruinen eines Römerturmes zum Bau der
Kirche benützt, während die Alemannen diese für sie unheimlichen
Stätten ängstlich mieden und entfernt von ihnen ihre Höfe und
Kirchen bauten.
Nur in aller Kürze konnte von dem hohen Alter der
St.-Martins-Kapelle und des Baldenweger Hofes berichtet werden.
Vielleicht brächte eine genaue Sichtung der allerdings nicht im
Überfluß vorhandenen Urkunden und Akten noch eine weitere
Klärung. Ob aber der Baldenweger Hof in seiner Frühzeit ein
fränkischer oder königlicher Fronhof und wie die kirchliche und
politische Stellung zur Zartener Mark war, wann und unter
welchen Umständen er an die Falkensteiner überging, sind Fragen,
auf die uns die Urkunden immer die Antwort schuldig bleiben
werden. Jedenfalls konnte das hohe Alter nicht daran hindern,
daß heute der Baldenweger Hof zu einer der modernsten Stätten
Landwirtschaftlicher Forschungs- und Beratungstätigkeit geworden
ist, von der viel Segen und viel wertvolle Anregung in unser
südbadisches Landvolk hinausgehen. (M.)
Badische Zeitung vom
11.10.1955