zum Inhaltsverzeichnis

Schloß Weiler 
Beitrag von Dr. E Breckel zur Denkschrift
50 Jahre Herz-Jesu-Priester in Stegen
1929-1979





Als am 8. Mai des Jahres 1929 Herz-Jesu-Priester in der Kapelle des Schlosses Weiler zum erstenmal die hl. Messe feierten — von diesem Tag an datiert die Berechnung des 50jährigen Jubiläums — hatte man noch nicht vor, sich auf lange Zeit hier niederzulassen. Graf Philipp von Kageneck, selbst Priester, der letzte aus einer Reihe von 14 Priestern, die die Kagenecks hervorbrachten, hatte die Herz-Jesu-Priester nach Stegen geholt, um das leerstehende Schloß wieder einer Verwendung zuzuführen und einer Ordensgemeinschaft einen Dienst zu erweisen. Am 14. Dezember 1928 wurde ein auf zwölf Jahre befristeter Pachtvertrag geschlossen. Das Haus sollte zunächst als Land- und Erholungsheim für das in Freiburg eben eröffnete Studienhaus dienen. Initiator war der damalige Rektor des Studienhauses, P. K. Schuster. Obwohl also zunächst nur an eine kurze Verweildauer gedacht war, entwickelte sich dennoch sofort bei den Patres ein besonderes Verhältnis zum Genius loci. Die geschichtliche Entwicklung des Dreisamtales fasziniert nun allerdings jeden, der einmal an irgendeiner Stelle den Zugang zu ihr gefunden hat. Anlaß zum Forschen bietet das Schloß mit seiner Kapelle allemal; so ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß sich unter den Aufzeichnungen der Patres, die während der vergangenen 50 Jahre hier lebten, viele Einzelnotizen zur Stegener Geschichte finden. So hat zum Beispiel P. Notermann, um nur einen namentlich zu nennen, mitten im Zweiten Weltkrieg (1943) Zeit gefunden für einen kurzen geschichtlichen Abriß. Die Arbeiten wurden aber nie zusammengefaßt, geschweige denn zu einem Abschluß gebracht. Das liegt wahrscheinlich daran, daß das einzelne Ordensmitglied selten über einen längeren Zeitraum am gleichen Ort bleibt, der Umfang und die Vielschichtigkeit des Stoffes aber vermutlich eine jahrzehntelange Vertiefung erfordert.
Zur Ergänzung dieser aus Liebhaberei gefertigten Notizen kann man glücklicherweise auf eine Reihe heimatgeschichtlicher Arbeiten zurückgreifen. Eschbacher Pfarrer haben zu verschiedenen Zeiten durch ihre Detailkenntnis der Heimatgeschichte zur Klärung von Zusammenhängen beigetragen. Solch ein Kenner war um 1900 Pfarrer Gustenhofer, so ein Kenner ist heute Pfarrer Hog. Sehr informativ ist sein kurzer Abriß der Fluß- und Straßenverhältnisse im Dreisamtal (1978, maschinenschriftlich). Intime Kenner der Ortsgeschichte sind ex officio auch die Ratschreiber und Lehrer. Die tägliche Beschäftigung mit Grundbüchern, Standesamtsregistern usw. läßt wahrscheinlich mit geradezu innerer Notwendigkeit die Frage nach der geschichtlichen Begründung der Gegenwart laut werden. Bestes Beispiel dafür ist die Chronik des ehemaligen Ratschreibers und Bürgermeisters M. Walter von Stegen. Lassen wir ihn selbst seine historiographische Neigung erklären: „Als ich im Jahre 1894 zum Ratschreiber der hiesigen Gemeinde ernannt wurde und dadurch Einsicht in unsere Gemeinderegistratur bekommen hatte, steigerte sich in mir das Interesse und die Liebe zu meiner Heimat. Schon damals wurde in mir der Gedanke wach, mich mit den vorzeitigen Verhältnissen unserer Gemeinde etwas näher zu befassen" (Chronik Seite 3). Diese innere Ergriffenheit des Bürgermeisters Walter macht seine Chronik zu einer hochinteressanten Lektüre, die besonders kenntnisreich in der Darstellung der Hof- und Hausgeschichte ist. Weitere heimatkundliche Darstellungen verdanken wir dem Ratschreiber der Gemeinde Sankt Peter, Herrn K. Weber, und dem Ratschreiber der ehemaligen Gemeinde Eschbach, Herrn H. Schwär, aus deren Feder Beiträge zur Eschbacher Chronik stammen, die anläßlich der Schulhauseinweihung 1967 entstanden ist. In ihr hat außerdem Schulleiter Graf die Entwicklung des Schulunterrichts in Eschbach dargestellt. Immer heranzuziehen ist natürlich die Chronik, die Kirchzarten 1966 zu seiner 1200-Jahr-Feier herausgegeben hat. Hauptsächlich diesen Quellen sind die folgenden Ausführungen verpflichtet; sie verstehen sich als einen Versuch, die Neugier des Lesers zu wecken und zum Erforschen historischer Zusammenhänge anzuregen. 
Die vielfältigsten historischen Entwicklungen kreuzen und überlagern sich im Dreisamtal, mancherlei Zeugnisse erinnern den Kundigen daran und helfen ihm, die Gegenwart zu deuten, der Unkundige wird in vielen Fällen Vorgänge nicht richtig einordnen, es fehlt ihr das geistige Kontinuum. Als im April 1976 die durch die Gemeindereform neugebildete Gemeinde Stegen ein eigenes Wappen suchte, wurde weiteren Kreisen das historische Kräftefeld des Ortes bewußt. Erinnerten doch die zur Wappengestaltung vorgeschlagenen Elemente an die alten Herrschaftsverhältnisse auf der Nordseite des Dreisamtales: Sickinger (Wittental mit Falkenbühl und Baldenwegerhof) und alle Schloßherren zu Weiler, als da sind Kageneck, Moser, Reischach und Schnewelin, ja sogar St. Peter (für Eschbach und oberes Rechtenbach) wurden in Wappensegmenten zu einer neuen Einheit zusammengefügt. Daß man sich schließlich für ein sprechendes Wappen in der Kombination von Steg (gleich Stegen) und stilisierten Naturelementen (Espe, nicht Esche [!] und Bach gleich Eschbach) entschied, war ein fairer Kompromiß; denn nur durch geradezu gewalttätige Manipulierung der Geschichte hätte man bei einem so großen Angebot von Herrschaftsverhältnissen ein historisches Wappen schaffen können. Dabei war sicher nur ganz wenigen Mitbürgern bewußt, daß die letzte Gemeindereform solange noch nicht zurücklag. Ihr eigentlicher Urheber war Napoleon und der Wiener Kongreß (1814/15), der bestimmte, daß lebensfähige Verwaltungseinheiten(l) gebildet werden sollten. Verhandlungen begannen in der Folge ab 1827, aber erst 1890 fanden sie ihren Abschluß mit dem Ergebnis, daß die bislang zu Stegen gehörenden Häuser im Reckenberg zu Eschbach kamen und im Austausch dafür die Rechtenbacher Höfe nach Stegen. Nur wer das weiß, kann die vermeintliche
Außenlage des alten Rat- und Schulhauses von Stegen erklären, dessen Ausführung 1876/77 erfolgte, also noch vor der Reform.
Zum Ortsnamen „Stegen" ist grundsätzlich anzumerken, daß man die von der alten Villinger Landstraße im Sumpfgebiet zwischen Eschbach und Rechtenbach abzweigende Verbindung nach St. Peter nur über Bohlen, also einen Steg, bewerkstelligen konnte. Die Häuser im dortigen Gebiet werden in Dokumenten bezeichnet als „die Höfe bei den Stegen". Erst etwa um 1830 herum verwendete man das Wort auch für das Schloß Weiler. Daß die Ortsbezeichnung „Eschbach" mit Eschen nichts zu tun hat, sondern mit „Aspen" = Espen = Zitterpappeln, die noch heute den Bachrand säumen, weiß der Volksmund unbewußt noch genauer als der vergangenheitslose Zeitgenosse, wenn er von „Eschpe" spricht. (Das Phänomen der im Dialekt unbewußt tradierten Geschichte läßt sich auch noch an anderen Beispielen zeigen und verdiente eine nähere Darstellung.)
Wenden wir uns nach diesem zeitgenössischen Einstieg der Vergangenheit zu
und beginnen wir bei den letzten Schloßherrn, den Grafen von Kageneck. Sie überließen den Herz-Jesu-Priestern ihr Schloß pachtweise, nachdem es über 200 Jahre kontinuierlich sich in ihrem Besitz befunden hatte. Unglücksfälle führten zu ungünstigen familiären Konstellationen und schließlich zum Aussterben der Stegener Linie. Das Kruzifix zwischen Zarten und Kirchzarten erinnert an den tödlichen Unfall, den Graf Franz von Kageneck 1895 beim Ausritt auf einem neu gekauften Pferd erlitt (die Witwe ließ das Pferd nach dem Unfall erschießen und im Schloßpark verscharren). Des Grafen Sohn Heinrich, der ab 1946 die Schloßverwaltung übernommen hatte, verunglückte im Jahre 1957. Der schon eingangs erwähnte Bruder des Grafen Franz, Philipp von Kageneck, holte die Herz-Jesu-Priester wohl nicht zuletzt auch deshalb nach Stegen, weil es sonst leergestanden hätte und verkommen wäre. Die Witwe des verunglückten Grafen hatte sich darin nicht mehr wohlgefühlt und war nach Baden-Baden verzogen. Nach ihrem Tode (1926) wurde sie in die Schloßkapelle überführt und neben ihrem Manne begraben. Kurzfristig wechselnde Pächter trugen auch nicht zur Werterhaltung bei.
Belehnt worden sind die Kagenecks mit Schloß Weiler im Jahre 1702; sie konnten sich also genau in der kleinen Verschnaufpause installieren, die Ludwig XIV. sich in seiner Reunionspolitik gerade im Frieden von Rijswijk (1697) hatte gönnen müssen, wobei er allerdings seine Erfolge im Elsaß behaupten konnte. Dorther kamen die Kagenecks ursprünglich; ihr Wappen zeigt im roten Schild einen rechts-schrägen Silberbalken, ein Heidenmännlein ziert ab 1467 den Helm anstelle eines gekrönten Löwen in früherer Zeit; der Wahlspruch heißt „in valore virtus", die Stammburg liegt nicht weit von Colmar, in Straßburg zählt das Geschlecht zur magistrablen Schicht der Stadt. Eine Glasmalerei in der Schloßkapelle erinnert so an Ritter Stefan von Kageneck, der am 9. Juli 1386 in der Schlacht zu Sempach blieb, und an Arbogast, der die Straßburger Fahne in der Schlacht bei Dornach trug (1499), wo er tapfer kämpfend fiel. Auf der Fahne, die Arbogast trägt, ist die Madonna von Straßburg zu erkennen, sitzend, mit ausgestreckten Armen, das Jesuskind auf dem Schoß. Die Glasfenster kamen allerdings erst 1841 in die Kapelle, als sich der Gründer der Stegener Linie, Graf Philipp Josef von Kageneck, an die Renovierung der trostlosen Gebäude machte. Das Weilersche Schloß befand sich nämlich bei der Übernahme 1702 infolge des Niedergangs im Dreißigjährigen Krieg in einer üblen Verfassung, wie eine eigens einberufene Kommission feststellte. Deshalb bekamen die Kagenecks Weiler auch zum halben Preis, mieden es aber verständlicherweise nach Möglichkeit.
Bald nach 1700 gingen die Kriegsrüstungen allerdings schon wieder weiter und die Bauern des Dreisamtales mußten gewaltige Leistungen erbringen, um eine Verteidigungslinie vom Schauinsland ins Tal hinunter und auf der anderen Bergseite zum Roßkopf wieder hinauf zu erstellen (Spanndienste waren in Eschbach nebenbei bemerkt auch noch für den Neubau des Klosters St. Peter zu leisten). Nun, die Gegenwehr gegen Ludwig war auf die Dauer zwecklos, 1713 mußte Freiburg den Franzosen die Tore öffnen, kam aber schon ein Jahr später im Frieden von Rastatt an das Haus Habsburg zurück. Mit von der Partie waren die Kagenecks wieder, als 1744 Ludwig XV. im Österreichischen Erbfolgekrieg zur Unterstützung Preußens zwei Monate lang Freiburg beschießen ließ. Kamen sie doch zu der zweifelhaften Ehre, ihr Stammschloß in Munzingen dem König abtreten zu dürfen, sie selbst zogen sich während dieser Zeit in die Schweiz zurück. Von Munzingen aus machte sich die königliche Gesellschaft auch einmal zu einem Vergnügen besonderer Art auf:
man zog auf den Lorettoberg, um sich von dort am Bombardement zu ergötzen, nachdem zuvor den Verteidigern Freiburgs die Zusicherung abgehandelt worden war, den Lorettoberg während des königlichen Aufenthaltes nicht zu beschießen; als Gegenleistung versprach man, den Münsterturm zu schonen und gnädigst um ihn herumzuschießen.
Mit dem letztendlichen Erfolg der Landesmutter Maria Theresia (Huldigung am 1.Mai 1745) begann für den Breisgauer Adel die letzte Phase seiner politischen Blüte. Die Kagenecks nehmen auch hier wieder Anteil und sind bei spektakulären Ereignissen in vorderster Reihe zu finden. Als die 15jährige Kaisertochter Marie-Antoinette 1770 nach Paris zog, um durch ihre Heirat mit dem französischen Thronfolger den Versöhnungswillen beider Völker zu dokumentieren, kam sie auf ihrem Weg durchs eigens für sie gangbar gemachte Höllental auch nach Freiburg. Dort wohnte sie, man ist schon gar nicht mehr überrascht, im Stadthaus der Kagenecks (Salzstraße 5), dem nämlichen, in dem 1754 als zehntes Kind eine Kageneck geboren wurde, die ihrerseits die Mutter des späteren Staatskanzlers Fürst Metternich werden sollte (letzterer wohnte 1813 im gleichen Haus).
Gegen Ende des Jahrhunderts trübte sich das Verhältnis der Bauernschaft des Dreisamtals zum Hause Habsburg unter dem Eindruck und den Auswirkungen der Reformpolitik Kaiser Josephs. So berichtet die Chronik von einer Verschwörung am Sebastianstag 1777 in Kirchzarten unter maßgeblicher Beteiligung des Stegener Vogtes. Wenig später mußten sogar Abgaben Rechtenbacher Bauern durch Militär eingetrieben werden. Die führenden Schichten empfanden anders; denn als sich Napoleon, als Geburtshelfer des Großherzogtums Baden betätigte und diesem im Frieden von Preßburg (Dezember 1805) den Breisgau zuschlug, bricht der Präsident der Ständekammer bei Bekanntwerden dieser Nachricht öffentlich in Tränen aus — so entsetzlich empfand man das Ausscheiden Österreichs. Kuriosum der Geschichte: die Bewohner des Dreisamtales, die bislang für Habsburg gegen Frankreich kämpften, durften nun ihre Haut für Napoleon zu Markte tragen. Begeisterung hat dies nicht ausgelöst, das Ende war noch bitterer als der Anfang. Anders als zum Beispiel die Sickinger, die auf Grund der geänderten politischen Verhältnisse wegzogen, arrangierten sich die Kagenecks mit der Situation und blieben. Schloß Weiler ist von dem badischen Archiv-Rath J. B. Kolb im Jahre 1816 mit folgendem Eintrag in sein „Historisch statistisch-topographisches Lexikon von dem Ght. Baden" aufgenommen worden (den vollständigen Titel zu zitieren wäre zwar amüsant, aber seitenfüllend):
Weiler, ein Schlößchen bey dem Weiler Stegen im Bezirksamte St. Peter. Ein Ast der Familie Schnewlin hatte in älteren Zeiten hier seinen Sitz und nannte sich Schnewlin von Weiler. Nachdem diese Familie erloschen, kam dieser Ort als Lehen von der Herrschaft zu Fryburg an Ulrich Marine (?); da aber auch dieses Geschlecht im 16. Jh. erloschen, an den Euchari v. Reischach, sodann an den Justinian Moser, beider Rechte Lehrer. Endlich wieder an das Haus Österreich, von welchem 1700 das Haus Kageneck belehnt worden ist." (S. 360) Ersparen wir uns, den in die Gegenwart weisenden Zug dieser Angaben auszubauen, obwohl noch manches Ereignis unsere Aufmerksamkeit verdiente, füllen wir lieber das dürre Skelett der Informationen zur Vergangenheit mit Leben. Gehen wir diesmal chronologisch vor und zitieren zu den Schnewlin aus Bader, Gesch. der Stadt Freiburg (1883, S. 365, Bd. 1);
„Als wahrer Typus eines solchen Ritteradels glänzten damals zu Freiburg die Schnewelin. Sie waren im Gefolge des Grafen von Urach dahin gekommen, hatten alsbald das Schuldheißen-Amt erlangt, behaupteten sich darin gleichsam erblich, erwarben eine Reihe adeliger Besitzungen in allen Theilen der Landschaft und vermehrten sich wie der Sand am Meere.
Zu Freiburg besaß die Familie mehrere Höfe und Häuser, während ihr auswärts die Burgen und Herrschaften Wieseneck und Weiler im Zartener Thal, sodann die .wilde Schnewburg' bei Oberried, die ,neue Schnewburg' auf dem Schinberge und das Wasserhaus Schnewfelden bei Emmendingen zugehörten.
Die Hauptäste des schnewelinischen Stammbaumes waren der von Freiburg (die Schuldheiße, Bärenlappe, Kotze, Kolmanne, lmhofe), von Wiseneck, Landeck, Weiler und Bollsweil, mit welch letzterem das ganze Geschlecht im Jahre 1833 abgedorrt.
Um diese Stadt (Freiburg), ihre zweite Heimat, erwarben sich die Schnewlin als Schuldheißen, als Bürgermeister und Ratsherren wol manches Verdienst;
außerdem haben sie 1252 das Wilhelmitenkloster Maria-Kron zu Oberried reichlich bewidmet und 1346 mit einem Opfer von 250 Marken Silbers den Grund zur Kartause oberhalb Freiburg gelegt, wie auch 1572 die Hochschule daselbst durch ansehnlichste Stiftungen gefördert. Das und Ähnliches muß man ihnen lassen; sonst aber lieferte ihr zahlreiches Geschlecht die .bösesten Buben' des ganzen BreisgauerAdel."
Von der Zwingburg hinter Oberried, im Bereich des St.-Wilhelmer-Tales, der „neuen oder wilden Schneeburg", gingen die schlimmsten Belästigungen aus. Lassen wir diese „bösen Buben", über deren Aussterben wahrscheinlich niemand zu große Trauer empfand, in Frieden ruhen und wenden uns dem nächsten Besitzer zu.
Mit dem bei Kolb zitierten „Ulrich Marine" ist Hans Ulrich Mayer von Wyler gemeint; der Name erscheint auch als Doppelname Meier-Niessen. Die Familie stellt in Freiburg im 13. Jahrhundert Ratsmitglieder, 1321 versieht ein als „Edelknecht" bezeichneter Heinrich Meyer Niessen von Wyler zusammen mit Graf Konrad von Freiburg ein Schiedsrichteramt zwischen verschiedenen Adligen und im 15. Jahrhundert stellt die Familie einen Bürgermeister. Der letzte Träger dieses Namens stirbt 1480, seine Witwe heiratet Junker Hans v. Reischach, der 1486 mit der Herrschaft belehnt wird.
In der Zeit der Reischacher fielen manche unerfreuliche Ereignisse. So hauste im Bauernkrieg (1525) der berühmt-berüchtigte „Schwarzwälder Haufe" übel im Tal. Noch vor diesem Ereignis — man ist fast versucht zu sagen, noch rechtzeitig, damit sich auch das Zerstören lohnte — hatte Eucharius von Reischach den durch eine Unwetterkatastrophe vernichteten Meierhof durch ein festes Schloß ersetzen lassen. Gleichzeitig mit dem Schloß erweiterten die Reischacher auch die Schloßkapelle, indem sie an die von den Schnewelin erbaute Kapelle ein Langhaus anfügten. Der Turm befand sich in der Mitte, der Eingang war auf der rechten, der Frauenseite. Ein Dingrodel aus dem Jahre 1520 zeigt uns, daß die Reischacher Ordnung hielten. Es ist danach verboten das Abschießen von wilden Tieren und Vögeln bei Besserung (= Strafe) von 3 Pfund Pfennig (1 Pfund Pfennig = 12 Gulden);
item Fischen in des Junkers Wassern, wobei man sportlich fair nach Schwierigkeitsgrad die Strafe staffelte: bei Tag kostete das unerlaubte Fischen 1 Pfund, bei Nacht 3 Pfund. Das Weylersche Hochgericht (Malefizgericht) befand sich übrigens auf dem sogenannten Spitzenberg beim Nadelhof, dem späteren Galgenbühl. Die Bestimmung, daß entlaufenes Kriegsvolk nicht zu beherbergen sei, so man nicht ein Pfund Strafe zahlen wolle, erinnert uns wieder an den Bauernkrieg. In seinem Verlauf wurde Schloß Wiesneck völlig zerstört; da das Sebastiansbild in der Kapelle, das in jeder Beziehung wohl wertvollste Kunstwerk der Schloßkapelle, das Schloß noch unzerstört zeigt, muß es vor dessen Zerstörung entstanden sein, also vor 1525. Daß in so unsicheren Zeiten die R. sich im Wappen ziemlich martialisch gaben, versteht sich; zu bewundern ist der helmbewehrte Eberkopf auf dem Grenzstein, den man links vom Eingang des neuen Rathauses aufgestellt hat. Nach rund 100 Jahren erlischt auch dieses Geschlecht schon wieder, und auch dem folgenden, der Familie Moser, die um 1600 mit Weiler belehnt und gleichzeitig geadelt wurde, sollte es nicht besser ergehen.

Das Schloß Stegen in den 20er Jahren


Auch sie sah keine friedlichen Zeiten auf Schloß Weiler. Im Dreißigjährigen Krieg zogen aller Herren Heere durchs Dreisamtal, bedienten sich um Gotteslohn, wenn es nur dabei blieb. Da hat dem Schloß auch die hohe Umfassungsmauer nichts genützt, die auf dem Sebastiansbild zu sehen ist, die Schweden haben andere Hindernisse genommen. Das bis auf die Grundmauern zerstörte Schloß ließ, um die noch erhaltenen Kellergewölbe zu retten, die „wohlgebohrene Frau Maria Clara Anna Moserin zu Weyler" (Steinplatte über ihrem Grab, früher in der Kapelle, jetzt außerhalb) wieder aufbauen. Dieses Kellergewölbe ist noch heute im damaligen Zustand und beeindruckt durch seine wuchtige Masse und Tiefe. Bei dieser Gelegenheit läßt sich einmal der Bewunderung Ausdruck verleihen für die Fähigkeit der Dreisamtalbewohner, Schicksalsschläge zu verkraften. Mit der Regelmäßigkeit der Gezeiten gingen über die Bevölkerung die Kriegswogen hinweg; waren es nicht die Feinde, so holten sich die Freunde, was zu holen war, getreu der Devise, daß der Krieg sich selbst ernährt. War der Krieg beendet, trieb die Herrschaft wieder unerbittlich ihre Forderungen und Rechte ein. Im Erfinden von Abgaben waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt (zum Beweis einige Titel: Drittelspflicht, Schutzkrone, Besthaupt, Ehrschatz etc.). Am längsten gehalten hat sich wohl die Zehntpflicht, die sich nach und nach zu einer Art Kirchensteuer entwickelte. Der Zehnt für Stegen mit Nadelhof ohne die beiden Birken und Rechtenbach betrug zu Anfang des vorigen Jahrhunderts 68 Sester Roggen, 127 Sester Hafer und 800 Pfund Stroh. Weniger wird es früher auch nicht gewesen sein, dazu kamen noch die Hand- und Spanndienste. Und gerade der Bauernkrieg hat in unserem Bereich zu einer so starken Dezimierung geführt, daß ganze Hofgüter herrenlos leerstanden. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß nur einige wenige Familien Stegens ihre Ahnenreihe in ununterbrochener Folge bis zum Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen können, darüber hinaus offensichtlich mittlerweile keine mehr (dazu M. Walter, S. 72).
Auf die Moser folgten, wie schon dargelegt, die Kagenecks. Somit haben wir den Kreis im historisch hellen Raum geschlossen; es bleibt, daß wir uns wenigstens noch excursweise auf ungesicherteres Terrain begeben.
So mutig allerdings, wie der Chronist Walter, der die Geschichte des Dreisamtales mit der Schöpfung beginnen läßt, wollen wir nicht sein. Auch soll die Steinzeit, ältere wie neuere, außer Betracht bleiben, die Funde sind spärlich, Aussagen dazu sehr hypothetisch. Interessant wird es wieder mit Beginn der Bronzezeit (ab 1800 v. Ch.), als sich auf der Schotterfläche, die sich etwa 10 Meter über die Niederung von Rot- und Wagensteinbach erhebt, Kelten ansiedelten. Die Anlage, später wohl zur Fluchtburg ausgebaut, wies bei einem Umfang von 6 Kilometern eine Fläche von rd. 200 ha auf. Der alexandrinische Wissenschaftler Ptolemäus (Proklamator übrigens des geozentrischen Weltbildes) hat diese Siedlung mit dem Namen Tarodunum (Ochsenburg) im zweiten nachchristlichen Jahrhundert in seine geographische Weltbeschreibung aufgenommen, Beweis genug für ihre überragende Bedeutung. Geblieben sind von den Kelten nur einige Orts- und Landschaftsnamen: Zarten (+ Tarodunum), Dreisam (+ Tragisama = die schnell Fließende), Brugga, Kinzig u. a.
Die Römer prägten ab dem letzten vorchristlichen Jahrhundert keltischer Lebensart ihren Stempel auf. Vermutlich war Tarodunum (und Schloß Weiler!) für sie eine Wach- und/oder Reisestation. Die Römer wurden ihrerseits ab 250 nach Christus von den Alemannen abgelöst. Etwa ab 500 schon erfolgt die fränkische Besitzergreifung, die Einteilung in Gaue (Breisgau) ist für sie typisch. Der Name „Weiler" als ältester germanischer Ortsname im Bereich läßt darauf schließen, daß die fränkische Besitzergreifung des Zartenter Beckens auf der Nordseite begonnen hat. Das kontinuierliche Weiterbestehen einer keltischsprechenden Bevölkerung läßt sich an einer Hofbezeichnung nachweisen (Kirchzartener Chronik S. 101 ff. mit der dort zitierten Literatur). In Oberbirken steht der sogenannte „Nadelhof". Die etymologische Herleitung des Namens führt zunächst zu einem gallo-römischen Substrat „nauda". Dieses Wort bedeutet „Sumpfgegend". Übernahmen die Germanen das Wort vor 700, so wurde das „d" in nauda zu „t", danach nicht mehr. Zwischen 700 und 750 wurde der laut „au" zu „o" umgebildet. In alten Urkunden findet man die Bezeichnung „Nodlen". Daraus läßt sich der Schluß ableiten: „Weil das d noch erhalten ist, das au aber zu o wurde, kann man annehmen, daß zwischen 700 und 750 Germanisch sprechende Menschen hier dieses Wort von einer Bevölkerung übernahmen, welche sich noch der alten keltischen Ausdrücke bediente" (Seite 102) und weiter: „Aus der Anwesenheit einer keltisch-römischen Bevölkerung im Dreisamtal — vielleicht deren Rückzugsgebiet — könnten wir eine Erklärung dafür finden, daß sich hier keine alemannischen Reihengräber, keine alemannischen ... ingen und keine fränkischen ... heim-Orte finden." (S. 104)
Mit diesem wichtigen sprachwissenschaftlichen Beitrag zur Bevölkerungsgeschichte des Dreisamtales soll die historische Rückbesinnung abgeschlossen sein.
Was dem bislang geduldigen Leser noch geschuldet wird, ist ein summarischer Abriß der 50 Jahre Geschichte der Herz-Jesu-Priester in Stegen.
Es wurde eingangs schon erwähnt, daß Schloß Weiler zunächst nur als Dependance des Freiburger Studienhauses gedacht war. Aber schon bald wurde es zur selbständigen Ordensniederlassung und erhielt mit P. Schuster den ersten eigenen Rektor (1933). Unter seiner Leitung wurde das Schloß zur Spätberufenen-Schule ausgebaut. Man bot jungen Männern, die den Wunsch hatten, Priester zu werden, aber aus nicht näher zu bestimmenden Gründen die entsprechende Schulbildung nicht vorweisen konnten, die Gelegenheit, in einem vierjährigen Kurs die Hochschulreife zu erwerben. Damit nahm die unterrichtliche Tätigkeit des Ordens in Stegen ihren Anfang. Das Ziel der Schule war streng auf eine kleine Gruppe des Priesternachwuchses ausgerichtet, immerhin aber haben doch etwa 50 Schüler die Kurse besucht, bis 1936 das NS-Regime die junge Schule schon wieder schloß. Es folgten Jahre mit wechselnder Bestimmung. Von 1936 bis zu Beginn des 2. Weltkrieges fand das Schloß als Noviziat und Scholastikat für den Ordensnachwuchs Verwendung. Schon die ersten Kriegslage brachten dem Haus Einquartierung, 1942 wurden die Soldaten durch Flüchtlinge und Bombengeschädigte aus dem Ruhrgebiet abgelöst. Im Juli 1943 folgte das Schutzengelkinderheim aus Hagen/Eilpe mit etwa 80 Kindern und 10 Schwestern, die sie betreuten. Das Kinderheim blieb bis 1946. Nach der Bombennacht vom 27. November 1944 fanden zahlreiche Obdachlose aus Freiburg in Stegen ihre erste Bleibe. Nach Kriegsende — die Franzosen waren im April 1945 in das Gebiet von Stegen eingerückt — gab die Schließung einer großen ordenseigenen Schule in Holland die Initialzündung zur Wiederaufnahme des Schulbetriebes in Stegen. Mittlerweile hatte es sich als äußerst vorteilhaft herausgestellt, daß man 1941 den Pachtvertrag nach anfänglichem Zögern verlängert hatte. Jetzt konnte man Ausgleich und Ersatz schaffen für das Angebot, das in Holland ausfiel. Damals brauchte man noch das Placet der französischen Militärregierung, damit im September 1945 der Unterricht begonnen werden konnte, und zwar zunächst nur m(t den Klassen Sexta und Quinta. Die Aufbauarbeit leistete der damalige Rektor, P. Dr. H. Middendorf. 1950 führte die Missionsschule Haus Stegen — so hieß die Schule damals und gab damit im Namen die Zielsetzung des ordensinternen Nachwuchses deutlich zu erkennen — die Gymnasialklassen Sexta bis Untersekunda. Das war die Voraussetzung dafür, daß die Schule 1952 nach Errichtung des Landes Baden-Württemberg die staatliche Anerkennung als Progymnasium erhielt.

Schloß Weiler mit Schulbaracke von Westen 1948 Neubau des Internat auf dem Platz der Schulbaracke


Die Raumnot war groß, spielte sich doch der gesamte Schul- und Internatsbetrieb im Schloß ab, dessen Raumangebot seit Jahren nicht mehr ausreichte und durch Schulbaracken behelfsmäßig erweitert wurde. Diese Situation erzwang auch den ersten Schulneubau in den Jahren 1953/54, den P. Rektor G. Haskamp in enger räumlicher Anbindung an das Schloß ausführen ließ. Der Grund für den Bau wurde von den Kagenecks käuflich erworben. (In Parenthese sei angefügt, daß kirchliche Institutionen und die Gemeinde Stegen nicht nur in der Gegenwart und jüngster Vergangenheit von den Kagenecks unschätzbare Förderung erhalten haben, sondern auch in früheren Jahren. Dafür nur wenige Beispiele, sie ließen sich mehren: für den oben erwähnten Schulhausbau 1876 blieben den 326 Einwohnern Stegens 4115,10 Mark eigenanteilige Kosten. Der Graf zahlte daran 2256,18 Mark, die übrigen Steuerzahler teilten sich in den Rest. — Oder: im August 1861 hat Graf Max der Kirchspielgemeinde Eschbach 200 Gulden Übermacht „zur Herstellung eines harmonischen Glockengeläutes" unter der Bedingung, daß ihm „mit seinen Familienangehörigen während des jeweiligen Aufenthaltes in Stegen"[!] beim Besuch des Gottesdienstes in der Pfarrkirche zu Eschbach „zur ungestörten Verehrung Gottes auf der rechten Seite des Langhauses der erste Stuhl" eingeräumt werde [zitiert nach dem Schriftwechsel mit dem Stiftungsrat]. — Zum Bau der Lindenbergkapelle spendete Friedrich v. K. 1000 Gulden etc.)

oben: Theatersaal in der alten Scheune, die Dezember 65 dem KGI weichen mußte
unten: Beim Abbruch beschädigte Kapellenostwand; ehm. Kapelle, heute Fernsehraum


Der Gebäudekomplex wurde 1960/61 noch um die Pfarrkirche erweitert, erhielt also damals seine heutige Gestalt. Bis in die Mitte der 60er Jahre hat sich das Profil der Schule weder baulich noch inhaltlich verändert, d. h., das altsprachliche Progymnasium führte seine Schüler bis zur Mittleren Reife, danach mußte man die Schule verlassen. Wer zum Abitur weiter wollte, mußte auf eine andere Schule wechseln. Die Schüler verteilten sich in aller Regel auf das Bertoldgymnasium in Freiburg und die Schule Leoninum in Handrup. Die Voraussetzungen zur Vollanstalt schuf man ab Januar 1966. P. Rektor B. Nienhaus errichtete auf dem Platz des alten Ökonomiegebäudes, das dafür abgerissen wurde, einen Schulhausneubau. Auch gab sich die Schule mit Beginn des Jahres 1966 einen neuen Namen und nannte sich nach dem Schutzpatron der Schloßkapelle „Kolleg St. Sebastian". Die Erlaubnis zur Führung eines Vollgymnasium datiert vom 1. April 1966. Betriebsfertig war die neue Schule, d. h. der Zentralbau um den offenen Innenhof herum, mit Beginn des Schuljahres 1967/68. Diesen Teil nennen wir neuerdings KG l, im Unterschied zum 1974 hinzugekommenen KG II; es brachte neue Räume für die Naturwissenschaften, die Musik und einige Klassenzimmer; im Schuljahr 1977/78 konnte KG III in Betrieb genommen werden, das Luft schaffte für die Bereiche Werken, Technik, Zeichnen und Sport. Diese Erweiterungsbauten mußte P. Rektor Dr. Bauer, auf dessen Wirken hin die Schule ihre heutige Form erhielt, nicht etwa zur Abrundung des Programms errichten lassen. Meinte man 1967 noch, für alle Folgezeiten gesorgt zu haben, so vergrößerten sich die Schülerzahlen in den nächsten Jahren rapid. In den Neubau des Jahres 1966 zogen noch 210 Schüler ein; Schülerinnen gab es damals noch nicht. Mädchen wurden erstmals im Mai 1968 zugelassen. Seit damals, es war der Beginn eines Kurzschuljahres, bietet das Kolleg ab Klasse 9 die Wahl zwischen Griechisch und Französisch, während zuvor Griechisch für alle verpflichtend war. Seit 1974 ein Zug mit verstärktem Musikunterricht eingerichtet wurde — diese Erweiterung wurde für die Domsingknaben des Freiburger Münsters unter Leitung von Herrn Domkapellmeister Hug vorgenommen, die seit diesem Zeitpunkt der Schule angegliedert sind — kann man außerdem statt einer Sprache auch Musik als Kernfach (ab Klasse 9) wählen. Die Erweiterung des Unterrichtsangebots, das explosionsartige Anwachsen der Bevölkerung im Dreisamtal und viele andere Gründe führten zu einer so starken Entwicklung der Schülerzahlen, wie sie niemand zu prognostizieren gewagt hätte. Aus den 9 Klassen des Schuljahres 1967/68 wurden bis heute 26 Klassen, den 210 Schülern von damals stehen momentan 624 gegenüber, statt der 21 Kollegen von damals unterrichten heute 45. Wir hoffen in aller Bescheidenheit, daß sich in der verstärkten Wahl unserer Schule auch die Anerkennung für die erzieherische Leistung des Kollegs ausdrückt und fühlen uns gleichzeitig diesem Vertrauensbeweis in unserer Arbeit verpflichtet. E. Breckel