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Der Bindenschild Österreichs über dem Dreisamtal 
Das »Land Breisgau« und seine Eigenheiten 

Aus: Hans Konrad Schneider Fritz Röhrl 
Zauberisches Dreisamtal
Lieblingstal im Schwarzwald 
Verlag Karl Schillinger Freiburg im Breisgau,
1983

Eine neue Zeitwende läßt die Zähringerzeit und die Unruhen der Zähringernachfolge vergessen; das Dreisamtal schmückte sich seit dem 14. und 15. Jahrhundert mit dem Bindenschild Österreichs. Unter der neuen Landesherrschaft genießt Vorderösterreich Privilegien und Freiheiten, die den Breisgau »zur allerfreiesten Landschaft der Christenheit« machen. 

Wie es dazu kam, daß sich das Haus Habsburg im Breisgau ausbreitete, ist noch immer ein Geschichtsthema unter Historikern. Im Freiburger Raum stand Habsburg ja zunächst abseits, hier war Altzähringer Land; als die Zähringer 1218 ausstarben, folgten ihnen als Erben unter allerlei Einschränkungen der alten Zähringer Position die Grafen von Urach nach, die sich später Grafen von Freiburg nannten. In der Stadt und ihrer Umgebung hatten sich die Freiburggrafen durchgesetzt, sie waren vielfach berechtigt, waren Ortsherren und Lehnsherren, Vögte von St. Peter und Stadtherrn von Freiburg. Dann entwickelte sich jedoch zwischen Freiburg und seinen Grafen ein bitter-ernster Kampf und Krieg, der schließlich so hart geführt wurde, daß »in sieben Jahren um die Stadt kein Pflug in die Erde kam«. Die Freiburger ruinierten das Grafenschloß auf der Burghalde, wurden aber selbst in einer Schlacht vor Endingen ruiniert. Durch mehrfache Vermittlung, auch durch Unterstützung der Habsburger, verglichen sich die Kontrahenten. Die Grafen gaben die Stadt frei, tauschten sie gegen die Herrschaft Badenweiler, und Freiburg stand vor der Wahl eines neuen Stadtherrn. Die Selbstübergabe Freiburgs 1368 an das Haus Habsburg öffnete Österreich nach allen Zusammenhängen nicht nur die Stadttore, sondern auch den Weg in den umliegenden Breisgau: »Die Herrschaft Freyburg, und nach ihrem Beyspiele, die ganze Landgrafschaft Breisgau, begibt sich unter den Schutz der Herzöge Albrecht IH. und Leopold IH. von Österreich«, resumieren bestimmte Geschichtsquellen. Aber dies ist bereits eine Verkürzung der Abläufe; wichtig war der Besitz der Landgrafschaft im Breisgau, aber um diese stand es damals schlecht. Gerade erst war sie als Mitgift, als nutzbares Heiratsgut geteilt und gehandelt worden; als Ehebeisteuer war der untere Teil, die »untere Landgrafschaft« erst vor wenigen Jahrzehnten in die Hände der Grafen von Freiburg geraten, die diese Rechtsposition in der Ausgleichung mit Freiburg ausdrücklich für sich behielten. Aber da war eine etwas ältere Belehnungszusicherung Kaiser Karls IV., wonach die Herrschaft Freiburg und die Landgrafschaft für immer miteinander verbunden sein sollten; und dann ergab sich, daß die Grafen von Freiburg, nunmehr Herren von Badenweiler, auch diese Rechte alsbald an das Haus Österreich verpfänden mußten. Schließlich half Österreich auch mit faktischer Durchsetzung nach, wo Zweifel hätten aufkommen können. Bald schon übte Habsburg jedenfalls die Rechtsmacht des Landgrafen im Breisgau aus, dies war die entscheidende Grundlage für die entstehende sog. Landeshoheit im modern-staatsrechtlichen Sinne. 

Bereits im 13. Jahrhundert hatte sich in ähnlicher Weise das berühmte Benediktinerstift St. Blasien dem Schirm Habsburg unterstellt; es galt seidem als »Liebling Österreichs«. Einmal im Land, verstand es Habsburg nunmehr, sich durch Landerwerb und Oberlehensherrschaft im Dreisamtal wie im Breisgau weiter auszudehnen. 1368 hatte sich Freiburg als Vorort der Landschaft unter österreichischen Schutz begeben, 1375 nahm Herzog Leopold die Vogtei über St. Märgen an, 1489 verkaufte die Familie Snewlin ihre Herrschaft Wiesneck an Österreich und erhielt sie zu Unterlehen zurück, 1528 unterstellte sich St. Peter österreichischer Huld, St. Wilhelm wird alsbald österreichisches Territorium. So gilt die österreichische Landesherrschaft im gesamten Talgebiet mit Ausnahme geringer, späterer Zuerwerbungen im 15. Jahrhundert bereits als gefestigt. 

Waren damit die Breisgauer durchweg Österreicher geworden, so lebten sie nunmehr unter einer österreichisch-breisgauischen Landesverfassung mit bemerkenswerten Eigenheiten, deren Gewicht im Dreisamtal deutlich wird. Allein schon durch die räumliche Abgesetztheit genoß die Provinz ein eigenständiges Leben; das »Konglomerat von zusammengeklaubten und -gestuckten Herrschaften« ließ ein Staatswesen im einheitlichen Sinne in den vorderen Landen nie entstehen. Ritterschaften, Prälaten und Städte konnten sich in ihren Kleinterritorien als »Unterhoheiten« in einer herrschaftlichen Zwischenposition bewegen, hatten ihren eigenen, hoheitlichen Rechtsstatus, der die Dreisamtäler nicht nur zu »Österreichern«, »Vorderösterreichern«, sondern zugleich zu Untertanen der Herrschaften von Sickingen, von Kageneck, von Neveu, des Klosters St. Peter oder der Stadt Freiburg machte. Als »kleine Souveräne eines unsouveränen Ländchens« werden die Herrschaften zutreffend bezeichnet, die im Dreikurienlandtag der Prälaten, des Adels und der Städte und Landschaften einen direkten Einfluß auf alle Verwaltungsgeschäfte der Provinz ausübten. 
»Überall sonst, außer in der Gesetzgebung, im Gerichtswesen, in der Landesverteidigung, der Polizei, der Steuer, den Regalien mußte die Regierung mit den Dominien teilen«. 

Die vorderösterreichische Provinz Breisgau besaß deutliche Züge der Autonomie und in der Versammlung der Stände ihr »regierendes Kollegium«. Den »Reichsunmittelbaren ebenbürtig« bezeichnete sich die breisgauische Ritterschaft, nachdem ihr seit 1567 im Gerichtswesen Vorrechte und seit 1666 ein eigenes Gericht, die sog. »Priminstanz« zugebilligt worden waren. Selbst die Mitglieder der obersten ernannten Provinzadministration wurden fast ausschließlich aus den Kreisen der landsässigen Adelsfamilien rekrutiert, und schließlich profitierte das Land von der habsburgischen Art staatlichen Umtreibens, die wesentliche Bereiche gerne grundsätzlich den,Ständen allein überließ. 

Die Provinzselbstbehauptung, die zur Provinzselbständigkeit hin angelegt war, wurde jedoch immer mehr zur Eigentümlichkeit, je mehr in allen Territorien rundum die absolute Stellung des einen Landesfürsten als Staatsverkörperung selbstverständlich wurde.

Auch in moderner Sicht bedeutet der Landständetag Vorderösterreichs eine höchst beachtenswerte Sonderlichkeit, eine politische Bühne der örtlichen Vertretung und Repräsentation, ein Forum der Diskussion und Mitentscheidung, eine Ebene des Aushandelns, ein Stand breiter Mitverantwortung, ein Organ der Mitentscheidung und der Machtbegrenzung und damit etwas sehr Aktuelles, wenn die Landstände auch nicht dem heutigen Parlamentarismus entsprachen. Auf dem Weg »von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament« bleiben sie eine gewichtige Etappe, und Vorderösterreich steht mit seiner Verfassungsgeschichte sehr ansehnlich neben der bekannten württembergischen Tradition vorparlamentarischer Formen, die das Sprichwort im Auge hat, wenn es sagt: 
»Nur Württemberg und England seien überkommene demokratische Gemeinwesen«.

Vorderösterreich besitzt eine gleichbedeutsame Einrichtung parlamentarischer Vorform.
  Der »Große Rat« des Breisgaus umfaßte im 17. Jahrhundert, nachdem das »elsäßische Gestade« an Frankreich abgetreten worden war, 15 Mitglieder des Prälatenstands, etwa 25 Familien als Angehörige des Ritterstandes und 13 Städte und 6 Herrschaften als Stand der »Landschaften und Städte.« Den »Dreisamtälern« kamen wiederholt Führungsrollen in diesem Gremium zu.

Unter Abt Blasius III. Bender übernahm das berühmte Schwarzwälder Benediktinerstift St. Blasien im Jahre 1725 das verarmte Wilhelmitenkloster Oberried und seine Talherrschaft Ölgemälde eines von vier monumentalen Abtportraits aus dem heutigen Pfarrhaus Oberried 

Bezeichnend für die Verfassung und das Leben des Landes ist, daß hier keine glanzvolle »Hofburg« eines Residenten des Landesherrn entstand, daß aber dafür selbstbewußte Herrensitze, Stadtpalais, machtvolle Klöster und Stadthäuser errichtet wurden, kleine Glanzschlösser, wie kaum irgendwo sonst im Umland. 

Die landständische Vertretung blieb andererseits vor Fehlentwicklungen nicht verschont. Mit dem Bauernkrieg war offenbar geworden, daß die Bauernschaft in diesem Mitsprachesystem vernachlässigt war. Die »Kleinfürsten«, nicht die Landeseinwohner waren repräsentiert. Eine Mitvertretung im Dritten Stand wurde angestrebt, scheiterte jedoch. Ein anderer Mißstand wurde unter Maria Theresia ruchbar. Die ständige Regierungsselbständigkeit hatte offenbar eine geordnete Finanzverwaltung untergraben, die Mißwirtschaft führte nahezu zur Verwaltungsunfähigkeit. Die Kriege mit ihren immensen Lasten spielten sicherlich eine Rolle, aber ebenso Sorglosigkeit im Finanziellen, eine Vielzahl widerstreitender Territorialmeinungen, ein Pat kleinräumiger Interessen; dies prägte zusammen mit der österreichisch-behäbigen Lebensart schließlich einen Verwaltungsstil, den Eberhard Gothein als »Zustand behaglicher Anarchie« kennzeichnet. So geriet die vorderösterreichische Selbstherrlichkeit schon vor ihrer gewaltsamen Beseitigung durch Baden im Jahre 1806 in eigenverschuldeten Verruf. 

Die letzten Jahre des Bindenschildes über dem Dreisamtal beginnen schon vor der napoleonischen Neuordnung in einer Entfremdung des politischen Wiens von den Ländereien »draußen«, die noch immer auf die alten Beteuerungsformeln als »erstes und ältestes Patrimonium«, als »österreichische Stammlande« vertrauten. Nicht nur von Minister Cobenzl, Friedensunterhändler von Campoformio (1797) und Luneville (1801), sagt man, daß er gar nicht mehr gewußt habe, wo Vorderösterreich liege. Es gibt gescheite Ausdeutungen der Gründe, warum das Interesse Österreichs am Breisgau erlahmte, warum der Breisgau Österreich gleichgültig, wenn nicht lästig wurde. Der Sinn als Brücke nach Burgund, seine Aufgabe der Verzahnung und Verklammerung österreichischer Lande mit dem deutschen Reich gingen verloren, als Kaiser Franz II. auf die deutsche Krone verzichtete. Schließlich war der Breisgau im Kalkül der Arrondierungspolitik nur noch Tauschobjekt, »so wertvoll wie Oberbayern und Niederbayern«. Vorderösterreich war damit abgeschrieben, bevor dies in den Übergabeartikeln der Friedensverträge sichtbar wurde. 

Diese Entwicklung konnte auch eine anhängliche Leutseligkeit des alten Kaisers nicht umstürzen. Im Breisgau zeigte sich noch lange eine geradezu uneinsichtige Ergebenheit, und die Wehmut um die alte Ordnung läßt sich vielleicht am ehesten mit dem Gefühl für den Wert eines »Unikums«, mit der Liebe zu einem »Oldtimer« vergleichen. Der Traum vom Wiederaufleben der österreichischen Vergangenheit, der »guten Zeit«, den Abt Ignaz Speckle und mit ihm viele andere träumten, blieb noch 10, 12 Jahre nach dem badischen »Einfall« wach, nährte sogar noch 1818 neue Hoffnungen. Die Erwartung blieb jedoch ein Trugbild. Abt Speckle verspürte eindringlich die Feindseligkeit einer Zeit, die ihm seine Welt genommen hatte. »Ich bin mir beinahe fremd daselbst« sagte er schon 1825 von seinem  88  St. Peter und dem neuen Staatswesen. 

1816 werden durch Akt der badischen Finanzhoheit die alten, vorderösterreichischen Münzen außer Kurs gesetzt; als Begründung fügt die neue Administration an: »Weil sie keine Heimat mehr haben.« 

Von der Paßwehr zur Schwarzwaldlinie - Kriegszeiten im Dreisamtal 

»Obwohl es scheinet als hätte die Natur die schwarzwaldischen Gebirge zu einer vormauer und Rempart denen dahinterliegenden Ländern, vornehmlich aber dem schwäbischen Kreis als nächstangrenzender Provinz wider.die noch stehende feindliche französische invasiones und Verheerungen setzen wollen ...«, 
beginnt ein Visitationsbericht des Jahres 1710 über die ausgedehnten Schanzungen im Schwarzwald mit dem Erkundungsziel, »in was für einem stand sich selbige Linie befinde, und bei einem attaquirenden Feind für avantage und desavantage zu besorgen«., 

Zu derartigen zeitgenössischen Untersuchungen muß man greifen, wenn man auch nur einigermaßen die Bedeutung der Schwarzwaldpässe und Verteidigungslinien im nachhinein erfassen will, zumal in einer Zeit, da doch die Scharmützel und Schlachten von 1700 allenfalls spielerisch mit Zinnfiguren nachgestellt werden. Die Reste der Schwarzwaldlinien und Dreisamtalbefestigungen sind nur vereinzelt noch aufzuspüren, liegen versteckt, verfallen, überwachsen, eingeebnet und bleiben dennoch für ein waches Auge von außerordentlichem landeskundlichen Interesse. »Schwedenschanze«, »Franzosenschanze«, »Linienweg«, »Schanzenhäusle«, »Alte Schanzen« sind immer wiederkehrende Flurnamen und Ortsbezeichnungen, die im ganzen Dreisamtal von Ebnet bis hinauf zum Hohlen Graben die Vielzahl solcher Wehrbauten dokumentieren. 

Der geschichtliche Anfang der Dreisamtalverschanzungen liegt nach Auskunft von Kennern in einer kaiserlichen Anweisung von 1620, »die Pässe auf dem Schwarzwald also zurüsten, bauen, verhauen, versehen und besetzen zu lassen, daß sie unserm Haus und dem ganzen Land zu gutem Jetzo und künftigem sicherlich verwahrt werden mögen.« 

Der Befehl führt unmittelbar zur Verwahrung des Falkensteiner Tals, zur Befestigung des Höllentalpasses und zu vergleichbaren Absicherungen des Wegs durchs Kinzigtal. Anordnungen ergehen, daß die Straßen »von oben herab von der Neustadt durchs Josental und Turner bis in die Wagensteige oder St. Märgen zu auf den Eschbach oder Ibental mit gebührender Vorsehung verwahrt würden.« 

Die Schwierigkeiten eines solchen Verteidigungsbaus verdeutlicht die Erwägung, daß die Arbeiten in Fron durch die Talbauern ausgeführt werden mußten,  daß Wachdienst und Verteidigung vorwiegend der Landmiliz zukommen sollte. 1631 bewilligen die vorderösterreichischen Landstände »1000 Mannschaften und 150 Pferd sowohlen zu werben als 6 Monat lang zu unterhalten.« Für jeden wird täglich ein zweipfündiges Kommißbrot und ein Ensisheimer Maß Wein ausgegeben. Der dreißigjährige Krieg bringt Elend und Jammer ins Dreisamtal. Schon 1620 muß man mit dem Mansfeldischen Vorstoß an den Oberrhein fürchten, daß sich »der ganze Kriegsschwall in die Vorlande ergießen werde.« 1632 streckt der schwedische Feldmarschall Gustav Horn erstmals seine Hand gegen Freiburg aus, im Dezember 1632 überschwemmen Schweden den Breisgau, Freiburg wird ein erstes Mal belagert und genommen. Mit einer Geldzahlung von ungeheuerlichen 30 000 fl wurde für diesmal das Schlimmste abgewendet, »allein des Quälens, Stehlens und Plünderns, Verheerens und Brennens auf dem platten Lande war kein Ende.«

Nach Abzug der schwedischen Haupttruppen steht das Land lange beiderseitigen Streifpartien offen; Schweden überfielen St. Peter, wo sie das vorhandene Vieh wegtrieben und alles verwüsteten. Die Kaiserlichen können das Land nicht mehr genügend schützen. Schon 1633 macht General Markgraf Wilhelm von Baden auf der Suche nach militärischer Stützung merkwürdige Erfahrungen:
»Der mürrische Generalissimus Wallenstein war etwas übel disponiert. Er wie seine Hauptleute hatten keine rechte Kenntnis von der Lage in den Vorlanden.«

1634 mußte sich Freiburg ein zweites Mal den Schweden ausliefern. Das Land war schlimmer als im Vorjahr zugerichtet, alles bis auf den letzten Löffel wurde hingegeben. Wenige Felder waren bebaut, die meisten konnten nicht angebaut werden, weil die Soldaten der einen oder anderen Partei täglich streiften. Die Drangsale dauerten für Stadt und Land an; viermal wurde Freiburg im dreißigjährigen Krieg belagert und wechselte siebenmal die Herrschaft.

Besondere Ereignisse in der Wagensteige, die Vorfälle an der »Letze«, der Schutzwehr von Wagensteig, gehören in diese Zeit. Das Tal war an seiner Engstelle, vielleicht hinter der Talmündung des Spirzendobels beim alten Vogtshof, durch eine Befestigung abgeriegelt worden. Die Talgemeinden oberhalb der Letze übernahmen die Wache und genossen dafür Befreiung von der Quartiernahme. Da ließ 1637 ein Streit um die ungenügende Qualität der Brotabgabe die Soldaten auf die bisher ungeschorenen Höfe oberhalb der Letze aufmerksam werden. Piccolomini’sche Reiter verlangten am 17. und 18.10.1637 Einlaß, wurden aber zurückgewiesen. Es kam zu einer regelrechten Verschwörung der Bewohner der »Exklave« gegen die drohende Letzeverletzung durch die Kaiserlichen. Als diese erneut Einlaß in den Sperrbezirk verlangten, entstand ein Getümmel, Reiter wurden vom Pferd gestoßen, ein Knecht vom Turner durch einen Pistolenschuß verletzt, dann setzte eine unerbittliche Jagd auf die Soldaten ein. »Schlagt zu, sonst schlagen wir euch!« ermunterten sich die Bauern untereinander. Von den Soldaten blieben da 32 Mann tot zurück, 25 Pferde wurden weggetrieben und in den Spirzen bzw. den Schweighöfen untergestellt. Eine scharfe Untersuchung der Vorfälle bestimmte die Sühne; die Talbewohner mußten sich der Ersatzforderung des Obristwachtmeisters des Piccolominischen Regiments beugen und 1000 Reichstaler Entschädigungssumme zahlen. Die Hälfte davon gab die Herrschaft Sickingen, ein Viertel das Kloster St. Peter. Die Überlieferung steht als Beispiel für die unsäglichen Bedrängnisse der Kriegszeiten. Die Schilderung entstammt genauen Recherchen des Freiburger Historikers Heinrich Schreiber vom Jahr 1845, ähnliche Vorfälle meldet Pfarrer Gießler in der Oberrieder Chronik. 

1638 gerät Freiburg für längere Zeit in die Hände des Herzogs Bernhard von Weimar. Die Geschichte vermerkt auch die Kuriosität, daß nach der Einnahme der Stadt der Oberrieder Prior Mathäus Deck mit Talbauern dem besetzten Freiburg auf eigene Faust zu Hilfe eilt; er stößt jedoch auf aufmerksame Posten, die ihn zurückschlagen; seine impulsive Aktion provoziert nur noch hartnäckigere Plünderungen, noch grausigere Verwüstungen in den anstoßenden Tälern. Gleich nach der Stadteinnahme schickt Bernhard von Weimar an die 2000 Mann zu Fuß und Pferd nach Falkensteig, um den Paß für militärische Bewegungen von allerlei Hindernissen und Befestigungswerken zu räumen. Schon 1639 zieht Herzog Bernhard mit seinem Hauptheer über den Hohlen Graben nach Villingen, dies dürfte zugleich einer der ersten großen Heereszüge vom Dreisamtal über den hohen Schwarzwald gewesen sein, wie sie im 17.und 18. Jahrhundert nur allzuoft vorkamen. Die geschichtliche Hoffnung Herzog Bernhards, zwischen den Blöcken Frankreich und Deutschland ein neues Herzogtum zu begründen, ist bekannt, Herzog Bernhard verstarb jedoch unerwartet 1639 in Neuenburg. 

In Vorderösterreich machte man sich in diesen Kriegstagen bereits mit dem Gedanken vertraut, daß die Vorlande der Krone Frankreichs überlassen werden könnten. Der Feldzug der »chur-bayrischen-Reichs-Armada« unter Feldmarschall Franz von Mercy in den Breisgau und seine große Schlacht vor Freiburg vom 3.-5.8.1644 gegen Marschall Henri Vicomte de Turenne und Marschall Louis de Bourbon, Duc d’Enghien haben das Land und die Stadt vor dem Schicksal des Elsaß bewahrt. Dieser Kampf der bayerischen und französischen Heere gegeneinander gehörte zu den blutigsten Gemetzel des 30jährigen Krieges. Allein 10 700 Mann, darunter besonders viele höhere Offiziere, sind in diesen Tagen gefallen! Berühmt blieb der Einsatzbefehl Turennes: »encore mille« »Noch Tausend«. 

Von Turenne soll angesichts der Dreisamtäler Besonderheit der Plan erwogen worden sein, »alle Zugänge des Schwarzwalds zu besetzen, jede Zufahrt abzuschneiden« und so das feindliche Heer im Dreisamtal auszuhungern. Als es den Franzosen jedenfalls nicht gelang, im tosenden Kampf vor Freiburg die Überhand zu gewinnen, versucht Turenne in einer neuen taktischen Einstellung, der bayerischen Armee die rückwärtigen Verbindungen, die Rückzugslinie ins bayerische Mutterland abzuschneiden. Über einen Eilaufstieg durchs Glottertal will er als erster den Höhenkamm am Hohlen Graben besetzen. Mercy durchschaut den Schachzug rechtzeitig und zieht ebenso zum Hohlen Graben. So kommt es in jenem August 1644 geradezu zu einem offenen Wettrennen zweier Armeen um die Einnahme des Hohlen Grabens; die bayerische Armee eilt durchs Dreisamtal und wählt den Aufstieg über Stegen-EschbachSt. Peter, über Burg-Ibental-St. Märgen und über Buchenbach-Wagensteig-Hohlen Graben. Mercy erreicht die Höhen als erster, gehetzt muß er seine Bagage im Stich lassen, doch der Abzug ins freie Hinterland steht ihm offen. Die Schanzen mögen sich nicht in einem guten Zustand befunden haben, Mercy verweilt erst gar nicht, sondern eilt sofort weiter Richtung Villingen. Auch die Franzosen ziehen ab, auch sie haben mit dem großen Heer im ausgesogenen und ausgelaugten Breisgau keine Bleibe mehr. Burg Wiesneck wird von französischen Rückzüglern zerstört, das Kloster St. Peter angezündet. Der Westfälische Friede von 1648 sollte das Land beruhigen; die Geschichte aber muß eingestehen, daß die Zeit bis 1815 trotz der sich rasch aneinanderreihenden Friedensschlüsse eigentlich ohne Frieden blieb, die Franzosenkriege brandeten nirgendwo so wie im Rheinland und im Schwarzwald, am Oberrhein. 

Neue Bedeutung gewinnt die Landschaftsbarriere des Schwarzwaldes, als die Franzosen 1677 Freiburg besetzen und im Friede von Nymwegen das Territorium mit den Talorten anektieren. Das Dreisamtal wurde damit zum am weitesten vorgeschobenen Punkt östlich des Rheins im französischen Staatsgebiet. Am Hohlen Graben stehen sich nunmehr die Mächte gegenüber, und andauernde Grenzkämpfe kennzeichnen die lokalen Geschehnisse. St. Peter und St. Märgen geraten wiederholt »zwischen die Fronten«, 1678 geht das Kloster St. Märgen in Flammen auf. Die strategische Bedeutung dieser französischen Landnahme im Tal war augenfällig, da sich hinter der Gebirgsschwelle die freie Operationsmöglichkeit nach Osten in Richtung Bayern und bis vor Wien öffnet.
»Selbst bei Annahme schlechtester Wegverhältnisse stand einem Operationskorps von Kirchzarten aus nach zwei Stunden die Straße nach Wien offen.« 

Die jüngste Schwarzwaldlinie riegelte das Dreisamtal im Westen in der "Freiburger Enge" ab.
Ausschnitt aus der bekannten Breisgaukarte von Homann von 1718.



Wie wichtig Frankreich die Paßbesetzung war, zeigen seine Bemühungen um den weiteren Zugewinn der südlichen Dreisamtalhöhen und der Feldbergflanke. Dieses Gebiet war Territorium der »Oberrieder« und damit nicht Teil des an Frankreich abgetretenen Dreisamtals; das Wilhelmitenkloster war jedoch schon seit 1507 nach Freiburg gezogen und stand unter städtischer Vogtei. Frankreich bestellte seinen Interessen gemäß dem Wilhelmitenkonvent einen französischen Prior, der den Zugriff in das Klostergebiet des Oberriedertals vorbereiten sollte. Gerade dieser Schachzug wurde jedoch vereitelt, indem die Oberrieder am Gründonnerstag 1682 Freiburg »mit Sack und Pack« verließen und wieder hinauf zogen in das österreichisch verbliebene südliche Dreisamtal. 

Die Schanzen und Linien im Dreisamtal wurden über die Jahrzehnte hinweg bis ins 19. Jahrhundert immer wieder erneuert und ausgebaut. Die Hauptfestung war der Hohle Graben, der wegen seiner strategischen Lage an der Hauptübergangstelle als Angelpunkt des Verteidigungssystems galt. Immer mehr wurden die einzelnen Paßbefestigungen ergänzt und zu einer Kette von Redouten und Schanzen ausgebaut, bis schließlich Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, der »Türkenlouis«, »kommandierender General der Kaiserlichen und Reichsarmee am Oberrhein«, ab 1692 den ganzen Schwarzwaldkamm mit einer einzigen, zusammenhängenden Schwarzwaldlinie überziehen ließ. Mit seinem neuen Öberrheinverteidigungskonzept entstand die über 160 km lange Schwarzwaldlinie vom Hochrhein bis nach Philippsburg. 

Ein wichtiger Teilabschnitt der großen Schwarzwaldbefestigung des 18. Jahrhunderts zog über die Dreisamtalhöhen im Osten, die zusammenhängende Verteidigungslinie folgte weitgehend dem Bergkamm.
Kartenausschnit aus: "Theatrum Belli ad Rhenum superiorem" von 1734 (Homann - Erben)


Der Aufbau der Schanzen und Linien ist in verschiedenen Darstellungen berichtet; die Anlage bestand aus vier Abschnitten: Verhau Graben Wall Weg. Verhau, das war ein meist 100 m tiefes Baumhindernis, als Verfäll, d.h. aus ganzen Baumstämmen angelegt, oder als Verhack eingerichtet, d.h. aus Geäst und zerhacktem Gestrüpp gebildet. Die Bäume wurden mit dem ganzen Astwerk übereinandergelegt, unter sich verklammert und tief im Boden verankert. Dieses Wegehindernis lag so tief, daß von der Randhöhe des dahinterliegenden Walls freie Sicht und freies Schußfeld gewahrt blieben. Am Verhau schloß sich ein ca. 3 m tiefer Graben an mit gut 5 m oberer Breite und steiler Böschung. Der Bodenaushub schuf auf der Gegenseite den Wall. Fußangeln, Pallisaden waren zusätzliche Hindernisse. Zwischen Grabensohle und Wallkante bestand ein Höhenunterschied von ca. 6 m. Hinter dem durchgängig mit Brustwehren versehenen Wallermöglichten breite Wege eine rasche Verschiebung der zur Verteidigung aufgerufenen Truppen; eine nur geringe Wachmannschaft sollte feindliche Verbände jedenfalls so lange aufhalten, bis die regulären Verbände an den Angriffspunkt nach vorne gebracht werden könnten. In regelmäßigen Abständen waren die Linien mit Schanzen, Redouten und Posten ausgestattet. Im Innern der Schanzen stand ein Blockhaus als Wachhaus für die Besatzung. Allerdings verfielen die Bauwerke nur allzu rasch, verfaulte das Holz, stürzten die Wänden nach, geriet das Schanzwerk in desolaten Zustand. Zugleich stellte sich das Problem, »die Schanzen und Verhaue dezimierten den Waldbestand, die Verfällung der ohnehin sehr eröffneten Wälder sei mehr schädlich als vorträglich.« 

1707-1710 wurde die ältere Ostlinie der Schwarzwaldbefestigung durch eine zweite Westlinie ergänzt, die dem Talriegel Kybfelsen - Roßkopf folgte und den Kamm Feldberg - Schauinsland - Freiburg - Flaunser bewehrte. Diese »Freiburger Linie« lief von der St.Wilhelmer Hütte über die rechte Flanke des St.Wilhelmertals, querte das Tal unten in der Schlucht bei der hohen Brücke, stieg zum Schauinsland auf und folgte dem Kamm Kohlerhau - Sohlacker hinunter in den Talhals des Dreisamtals; dort durchquerte die Linie die Talenge in der Nähe des Nägelesees mit einer Talsperre vom Mösle, vorbei am Gasthaus »Zum Schiff«, zur Dreisam. Westlich der Kartause stieg die Linie wieder zum Roßkopf auf und zog sich über Flaunser und Ländle Richtung Platten, wo sie an die ältere Ostlinie anschloß. Damit war das Dreisamtal von einem rundum gezogenen Verteidigungsring umgeben, war zu einem Festungskessel,  zu einer Großfestung geworden. Dennoch gereichte das ungeheure Werk nie so recht zu militärischem Nutzen. Die erste Feuerprobe verlor die damals noch unvollendete Talsperre schon 1704, als der französische Marschall Camille d’Hostun, Duc de Tallard an Freiburg vorbei über den Heerweg Dreisamtal-WagensteigTurner nach Bayern vordrang. Tallard ließ einen 7000 Mann starken Truppenteil mit Reiterei auf einem neu gegrabenen Umgehungsweg Lorettoberg - Günterstal - Sohlacker - Kapplertal - Dreisamtal um das Schußfeld Freiburgs herumziehen, andere Truppenteile entkamen entlang des Waldsaums am Bromberg. Im spanischen Erbfolgekrieg 1702-1705 waren über 11000 Mann Landsturm für die gesamte Verteidigungsfront eingeteilt. Die Linie bestand jedoch auch die zweite Feuerprobe nicht. 1707 war Markgraf Ludwig Wilhelm gestorben, Prinz Eugen von Savoyen hatte die Nachfolge angetreten. Sein Abschnittskommandant Marquis de Vaubonne gab bei einem französischem Ansturm unter Marschall Louis Hector de Villars die Verschanzungen am Roßkopf allzu schnell auf und hielt nicht einmal die Höhenfestung am Hohlen Graben, die mit 4000 Mann besetzt war. Freiburg mußte sich ein weiteres Mal französischer Besatzung übergeben.

Nach fachlichem Urteil hatten sich die ungeheuerlichen Verschanzungen des Schwarzwalds und des Dreisamtals militärisch nicht rentiert und waren kriegstechnisch spätestens um 1800 überholt. Freiburg war als »Hauptbefestigung« bereits 1744 aus dem Ring ausgebrochen. Die Vauban’sche Befestigung, die schon 1677 als »la dernière folie de Louis XIV« »letzte Torheit Ludwigs XIV.« bezeichnet worden war, wurde nach erneuter Stadteinnahme unter Marschall Francois Franquetot de Coigny 1744 wiederum von französischen Ingenieuren gesprengt und geschleift. Die Befestigung wurde nach gewissem Zögern der österreichischen Kriegstechniker nicht wieder aufgebaut. Die Belagerung von 1744 bleibt mit einer anderen, außerordentlichen, kriegstechnischen Leistung erwähnenswert: Marschall de Coigny ließ die gesamte Dreisam in wenigen Tagen über einen 2000 m langen, 33 Fuß breiten und 6 Fuß tiefen Kanal ableiten. 

Die Schanzen im Schwarzwald werden in den Koalitionskriegen nach 1800 nochmals erneuert; Ignaz Speckle berichtet von ziemlich drastischen Schanzarbeiten in St. Märgen im Sommer 1815: 
»Zu St. Märgen wird fortwährend geschanzt, ein Teil des Gottesackers wird zur Schanze verwandt, die Toten ausgegraben.« 

Kriegszeiten haben dem Land auch später Spuren eingebrannt, als die Schanzen ums Dreisamtal bereits verrotteten. Der Oberrhein blieb über Jahrhunderte eine stete politische Krisenzone. 

Der 1. Weltkrieg erinnerte sich der Strategie der  Schwarzwaldlinien und Schwarzwaldsperren. Der Schlieffenplan, Operationsplan des deutschen Heeres zu Beginn des Krieges, ließ die Paß- und Gebirgsbefestigung auferstehen und bestimmte das Land zu Füßen des Waldes zum Brandherd eines kontinentalen Großbrandes. Friedrich Meinecke, der bedeutende Historiker, hat die Jahre 1906-1914 in Freiburg verbracht; im Nachhinein erschaudert er:
»Merkwürdig, wie unser Schicksal damals in Freiburg abhing von der Ausführung des großen Schlieffenschen Operationsplanes. ... er wurde bekanntlich verwässert und wir wurden vor einer Invasion bewahrt.«  Von einem Dreisamtäler Chronisten stammt eine  schon zeitlose Besinnung aus den Kriegsjahren ums Jahr 1800:
»Heute unter dem Schutz des kaiserlichen Kommandos, morgen den Einfällen der Franzosen bloßgestellt... und so ist der Krieg immer die Plage des Landes, man mag hernach freundliche oder feindliche Truppen haben.« 

Neuanfang in Wirrnissen
Nur langsam wächst die Liebe zu Baden 

»Und nun ist Breisgau nicht mehr Breisgau« resumiert der resignierende Abt des Klosters von St. Peter, Ignaz Speckle, in seinem Tagebuch, nachdem die Länderneuordnung des Presburger Friedens vom 26.12.1805 den Breisgau dem Großherzogtum Baden zugeschlagen hat. Die Geschichtsfakten sind rasch zusammengestellt: 1797 tauchen die ersten Gerüchte auf, der österreichische Kaiser werde den altösterreichischen Breisgau vertauschen; dann folgt eine beklemmende Zeit bangen Wartens und hektisch aufeinanderfolgender Überraschungen; endlich nimmt Kurbaden, inzwischen Großherzogtum, das Land in Besitz. Am 30.6.1806 ist die feierliche Huldigung an die neue Landesherrschaft. »Vom 1. September fangen die badischen Gesetze ans; »so ist nun die alte Breisgauische Verfassung dahin.« Die neue Zeit hatte freie Bahn. 

Die Geschichte erzählt gerade aus dieser Zeit zahlreiche Absonderlichkeiten. Habsburg führte über die Jahrhunderte eine glücklose Oberrheinpolitik und war der Verlierer der Zeit. In den napoleonischen Neuordnungsplänen wurde Vorderösterreich zeitweise international wie eine freie Verfügungsmasse gehandelt. Das Land wurde 1801 im Frieden von Luneville zerschlagen, das linksrheinische Fricktal am Hochrhein abgetrennt, der übrige Breisgau Herkules III, Herzog von Modena, Massa und Carrara zugeteilt als Entschädigung für dessen Länderverlust bei der Gründung der Zisalpinischen Republik. Von Rotteck stammt der Ausspruch, »die Breisgauer seien gleich einer Schafherde an einen bankrotten Italiener verhandelt worden.« Herkules war aber nicht gesonnen, diesen Ländertausch anzunehmen; so hielten sich ständig neue Gerüchte und Zweifel über die Zukunft und die Franzosen blieben im Land! Malhieß es, Modena sei doch zur Annahme bereit, mal erwartete man die Anektion durch Baden, mal fürchtete man den Zugriff Württembergs oder Bayerns, mal kursierten Gerüchte, der Breisgau könnte Republik und schweizerischer Kanton werden, mal nährten österreichische Freundlichkeiten die vage Hoffnung auf Verbleib bei Habsburg. Herkules hatte seine Gründe für die Ablehnung: der Breisgau war ihm zu klein und die ständische Verfassung des Landes war ihm zuwider. Überlagert wurde die Unsicherheit durch innere Streitfragen; aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses warteten die Malteser auf die Aufhebung der breisgauischen Klöster und darauf, mit deren Territorien abgefunden zu werden. In dieser Lage überstürzt sich plötzlich alles; gerade erklärt sich Herzog Herkules doch zur Annahme des nunmehr um die Ortenau vergrößerten Breisgaus bereit, kaum sind die Übernahmefeierlichkeiten am 2.3.1803 vollzogen, da verstirbt am 14.10.1803 Herkules von Este, »Herr des Breisgaus und der Ortenau«, die Spekulationen beginnen von Neuem. Nächstfälliger Erbe ist Erzherzog Ferdinand, Sproß einer Nebenlinie der Habsburger aber gerade das galt ja als ausgemacht, daß das Land nicht bei Österreich verbleiben soll.»Ein König, ein Kurfürst und ein sich christlich nennender Orden streiten sich ums Land« allenthalben setzt man schon auf den Zuerwerb. Napoleon teilte die Vorliebe für politische Arrangements durch Ehestiftung. Er entlobte Baden und Bayern, band Bayern durch eine neue Ehekombination an sich und ließ Baden seinen Wunsch der Vermählung Prinz Karls mit Fräulein von Beauharnais wissen. Gebietswünsche Badens kamen in den Sondierungen ins Gespräch, Napoleon bot den Breisgau als Mitgift an; als bemängelt wurde, daß Stephanie nicht Angehörige der napoleonischen Familie, sondern nur angeheiratete Nichte des Kaisers sei, war Napoleon rasch entschieden: »Eh bien, je l´adopte« er adoptierte sie. Die Weichen für das Schicksal des Breisgaus im Presburger Frieden waren gestellt. Im Land selbst waren die Wirren noch nicht beendet. »Die Württemberger fürchtet man wie die Hölle« klagt ahnungsvoll Ignaz Speckle; plötzlich galt als gewißlichste Nachricht, daß der Breisgau zwischen Württemberg und Baden sollte aufgeteilt werden. Im Januar 1806 erscheint völlig überraschend eine Königlich-Württembergische Besitznahmekommission in St. Peter, der Abt wird durch Handgelübte auf seine Majestät den württembergischen König eingeschworen. Weitere Nachrichten sind alarmierend: Das württembergische Kommando zieht eine Grenze vom Kandel, das Attental abwärts, nach Ebnet, quer durchs Dreisamtal und südwärts über den Schauinsland und Stohren auf den Belchen und von da bis zum Möhlinbach bei Rheinfelden. Die Württemberger nehmen eiligen Besitz von Zarten und stellen quer zum Dreisamtal ihre neuen Grenzmarkierungen und Hoheitstafeln auf. Knapp eine Woche später erscheint in St. Peter eine Malteserkommission, die das Klosterfür den souveränen Malteserorden reklamiert. Auch diese Aktion ist ernst, die Malteser halten den Anspruch aufrecht, bis sie selbst in dem badischen Zugriff auf Heitersheim überrollt werden. Als dann am 31.1.1806 in Freiburg die badische Gesandtschaft einzieht, hält Württemberg seine Hand über das Dreisamtal, liegt ein Kommando württembergisches Militär in den Talorten. In diesem Moment notiert Ignaz Speckle: »Eine Trennung des Landes wird befürchtet, die Trennung der Gemüter ist bereits geschehen «

Diplomatische erst können die Lage klären. Ein Auslegungsstreit über den Presburger Frieden ist Anlaß der Krise; der Teil des Breisgaus, der »in den Württembergischen Besitzungen eingeschlossen ist und östlich einer Linie vom Schlegelberg zum Mohlbach liegt«, soll Württemberg zufallen, das übrige Land Baden gehören. Der badische Bevollmächtigte Freiherr von Reizenstein meint, daß sich auf seinen Karten derlei Angaben wie »Mohlbach« nicht fänden; Talleyrands topographische Karte war offensichtlich ebenso fehlerhaft. Der mit der Grenzfrage befaßte französische Bürokrat ließ durchblicken, die Grenzziehung sei »überschnellt« worden, da man ihm für die Aushandlung mit Bayern, Württemberg und Baden nicht mehr als 27 Stunden Zeit gelassen habe. Nunmehr fällt erneut Frankreich die Rolle der Abklärung zu, Speckle beobachtet einen französischen General und eine Kommission, die sich im Gelände um die Grenzziehung bemühen. Endlich gilt die Wasserscheide im umstrittenen Terrain als neue Markierung. Württemberg muß sich mit dem Erwerb von Villingen und Bräunlingen zufrieden geben und aus dem Dreisamtal wieder abrücken. Markgraf Wilhelm von Baden läßt seine Leser miterleben, wie eine solche Grenzziehung von Napoleon diktiert wird: 

»Da es zwischen Baden und Württemberg wegen einiger Orte zu Differenzen gekommen war, habe man in Karlsruhe dem Kaiser bei seiner Ankunft bitter geklagt. Napoleon habe sich darauf sofort eine Karte geben lassen, die Grenze mit einem Tintenstift bezeichnet, und darauf hinweisend das Blatt mit den Worten zurückgegeben: 
»C’est pour vous, et cela pour les autres! Arrangezvous!« Dies hier gehört Ihnen, und das hier den anderen! Richten Sie sich danach! 

Nach solchen Vorspielen kommt es am 15. April 1806 zur feierlichen Zeremonie, in welcher der französische Intendant Monard das Land dem badischen Kommissär Hofrichter von Drais für den Großherzog übergibt; französisch werden die Ansprachen im Münster gehalten, die Zeichen dokumentieren, daß dieses neue Baden ein französisches Kind ist. Mit der vorläufigen Besitznahme durch Baden war auch das Kloster St. Peter bereits kurzerhand aufgelöst worden. Dem Prälaten wurde sogleich und eindringlich jede Ausübung irgendwelcher territorialer Rechte untersagt. Die Anordnungen gegenüber den anderen Landsassen waren nicht anders direkt und unverhohlen. Die alte Verfassung des Landes galt als automatisch außer Kraft gesetzt; die Klöster waren erloschen, die Landesrepräsentation gegenstandslos. Die Neuordnung entrückte jeden Gedanken der Provinzautonomie. Freiburg, das sich seit 1805 offiziell Landeshauptstadt nannte, erhielt in der neuen Verwaltung lediglich eine zentralistisch eingerichtete Unterbehörde, eine »prefecture ä la mode francaise«. Mancher erinnerte sich da des Worts Talleyrands: »Nur wer vor 1789 gelebt hat, weiß eigentlich, was leben heißt!« Die Freiherrn von Sickingen, ehemals Herren zu Ebnet, Breitnau und Hinterzarten, verkauften ihren ganzen Breisgauischen Besitz und zogen fort; »sie wollten keinem anderen Herrn als dem Kaiser dienen«, gilt als Zeugnis ihrer Betroffenheit und manche Gedankenbrücken sprechen dafür, daß sie es tatsächlich so meinten. 

So begann für den Breisgau, für Freiburg und das Dreisamtal die badische Zeit als Neuordnung aus französischer Hand. Für Österreich blieb die Preisgabe der vorderen Lande ein Tauschgeschäft mit Wiedergewinn Salzburgs und des Innviertels. Badische Notizen decken 1818 noch weiträumigere Zusammenhänge der Streitfrage um den kleinen Breisgau mit dem politischen Geschick des Freistaats Krakau auf; im übrigen schloß russische Protektion auf dem Aachener Kongreß 1818 jedes Rütteln am badischen Besitzstand aus. Die Hoffnung auf Revision zerschlug sich. Baden seinerseits ging im Altösterreichischen nicht zimperlich gegen »Österreichtümelei« vor; als Breisgauer 1814 nach Basel wallfahrten, um Kaiser Franz eine Petition aufRückkehr.des Breisgaus zu übergeben, ließ die Regierung ein Regiment badischer Soldaten in Freiburg einrücken, »um die Freiburger mores zu lehren«. 

Daß Baden da die Liebe der Breisgauer nur langsam gewinnen konnte, sollte nicht verwundern. Auch konfessionelle Vorbehalte waren nicht ohne Einfluß. Die persönliche Integrität des hochangesehenen Großherzogs Karl Friedrich gab Vertrauen in die Zukunft. So konnte Karl von Rotteck die Altösterreicher ermutigen: »Der Breisgau habe einen guten Fürsten verloren, um den besten zu gewinnen!«