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Künstlerisches und Literarisches Lob des Dreisamtals
Aus: Hans Konrad Schneider Fritz Röhrl 
Zauberisches Dreisamtal
Lieblingstal im Schwarzwald 
Verlag Karl Schillinger Freiburg im Breisgau,
1983

Der Bewunderungsruf »Zauberisches Dreisamtal« blieb nicht das einzige Liebeswort für das sonnenheitere Talland; im literarischen Lob der Jahrhunderte hat dieses lockende Schwarzwaldtal vielfache Wertschätzung erfahren, sich Zuneigung und stete Sympathien erworben; wieder und wieder bekannten sich Schriftsteller, Maler und Dichter, heimische Künstler, prominente Besucher, Feriengäste, Kurzurlauber und Durchreisende zum Dreisamtal als ihrem Lieblingstal im Schwarzwald. Solche Referenzen zählen ebenso wie die ungestüme Begeisterung eines unbekannt gebliebenen Maljüngers - zitiert nach einer Zeitschrift von 1868 - : 
»Dies endlich sei eine Gegend, welche abzumalen der Mühe wert wäre!« 

Johann Wolfgang von Goethe, im Reisefach gerne als Blickfang bemüht, hat im Herbst 1779 einen Ausflug ins Dreisamtal unternommen; »hinter Freiburg in die Hölle, einen guten Tag mit Schlossers und den Mädels«, vermerkt er beeindruckt in einer Tagesnotiz. Als gut 50 Jahre später Frau Marianne von Willemer Goethes Freundin, als »Suleika« seines »West-östlichen Divans« bekannt geworden ihm ihre Reiseerlebnisse aus dem »überaus schönen Höllental« schildert, erinnert sich Goethe seiner eigenen Eindrücke, und er schreibt ihr im Juni 1829, daß sich unter seinen Blättern eine »ziemlich ausgeführte Skizze eines Felsen im Höllenthal« findet. Diese Felsenzeichnung Goethes ist überraschend effektvoll, zeigt aber leider kein Abbild der Natur in der landeskundlich erhofften Fotografiegenauigkeit. Goethes Lust am Zeichnen fand jedoch Nacheiferer; dies bescherte dem Dreisamtal sogar eine Portraitstudie von königlicher Hand: Die Frau Großherzogin von Baden Ihre Königliche Hoheit »saß auf einem großen Stein am Bach, von wo aus sie den Standpunkt zu einer Zeichnung nahm« so berichtet ein Chronist im September 1811.

Die treffsichere Kennzeichnung des Dreisamtals in den Poesieblättern der Erzähler, in Dichtkunst und Malerei bietet dem Talbesucher manches befolgenswerte Wegzeichen. Hermann Hesse, der Literatur-Nobel-Preisträger von 1946, bekennt von seinen Reisetagen: »Ich habe nie viel Geschichte gelernt, sondern mein Wissen alles aus den Dichtern bezogen und war über die Geheimnisse eines Ortes besser vertraut als selbst die dortigen Professoren!« 

Überaus lesenswert sind die im letzten Jahrhundert entstandenen Landschaftsbilder französischer Schriftsteller wie Fernand Gueymards Essay über den Schwarzwald mit dem humorigen Titel »Au pays du Kirschwasser« »Im Kirschwasserland«: »... tournonsnous les yeux vers l`Orient...« »... öffnet sich gegen Osten das freundlich-lachende und fruchtbare Tal der Dreisam gerade soviel, um uns verlockend zu bezaubern mit der Sicht auf die vielfarbenen Zebrastreifen seiner wohlgepflegten Felder, mit dem Anblick seiner staubhellen Straßen, die es wie weiße Schmuckbänder durchziehen, und seiner feist-saftigen Wiesen, in denen sich der Flußlauf mit seinen eisfrischen Fluten schieferartig abzeichnet, mit der Aussicht auf den Ziergarten schöner Baumgruppen, auf die Berghänge, welche dichte und dunkle Wälder polstern, auf die kahlgelichteten, unbewaldeten Gebirgsstöcke des Hintergrunds, in welche sich der teuflische Weg des Höllentals hineinbohrt....«


Julius Heffner »Rauhreif bei Kirchzarten« (1936). Im Besitz der Sparkasse in Kirchzarten 


Immer wieder entdeckten kunstbedeutsame Maler wie Emil Lugo (1840-1902), wie der Wahl-Kirchzartner Johannes Thiel (Hans-Thoma-Preisträger des Jahres 1960) und andere bekannte Malkünstler den Reiz des Dreisamlandes und der Schwarzwaldhöhen, die Strenge der flachen Talebene, die Idylle des Dreisamufers, die Schönheit des Schwarzwaldhofs, die Charakterkraft der bäuerlichen Szene. Julius Heffner (1877-1951) nannte sich in Stolz »Maler des Kirchzartner Tals«; seine Talstimmungen bei Oberried, im Wittental, am Ufer des Krummbachs zeugen ebenso sehr von einer naturdurchdrungenen Persönlichkeit des Malers wie von einer ausdruckstarken Landschaft; Albrecht Dürer wußte um diese Zwiesicht des Kunstschaffens: »Die Kunst steckt wahrhaftig in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie!« Überraschend ist das Thema »Postkutschenüberfall im Höllental«, ein Schnappschußbild voll Witz und Fantasie von E. Guerard. Die glanzvolle Dreisamtalgalerie erinnert ebenso an Hermann Dischler (1866-1935), den »Schneemaler«, der mit packend-direkten Naturreportagen als erster den Schwarzwaldwinter »entdeckte« und auf den Höhen ums Dreisamtal, am Feldberg und bei Hinterzarten die Winterhärte und Winterschönheit des Schwarzwalds dokumentierte. Dischler, Maler von über 1600 Bildern, zumeist Winterlandschaften, ist wie kein anderer fasziniert von der unglaublichen Größe dieser Natur und vernarrt in den »Zauber von Farbe, Schnee und Kälte«:

 Joe Dunne, Bleistiftskizze »Hof in Wittental« (1980) 

»Kommen von Westen die roten, warmen Strahlen der untergehenden Sonne, während vom Zenit oben das kalte Blau des Himmels auf das Schneefeld geworfen wird, dann ergibt sich ein fabelhafter Wechsel von kalten und warmen Tönen, denen keine Palette der Welt gewachsen ist!«

Aber auch die jüngste Künstlergeneration z.T. in den ersten Schritten wie der junge Joe Dunne aus Dublin findet ihre Anregungen, findet unverbrauchte Motive im Wittental, in den Schwarzwaldhöfen von Dietenbach, in den Berghängen des Zastlertals, in den grünen Talauen von Buchenbach, im Ibental, am Krummbach, im »zauberischen Dreisamtal«.

»Zauber der Natur« bleibt das Schlüsselwort der Landschaftsschilderungen. Otto von Eisengrein begeistert sich 1885 für den »holden Zauber dieser wunderbaren Gottesnatur«, Heinrich Schreiber findet 1825 seine Erholungsruhe »in wirklich zauberischer Waldeinsamkeit«; ein anderer Talbesucher des Jahres 1858, Johann Georg Friedrich Pflüger, bewundert den »Zauberschlag«, mit dem sich das felsensteile Höllental zum ausgebreiteten Himmelreich öffnet. 

Von jeher zeigt sich der Talzauber in seinem vollen Reichtum jedoch nur bestimmten »Dreisamtalmenschen« und verbirgt sich vor allzu zudringlichen Schatzräubern. Sonnen sich doch nach alter Talsage die begehrten Pretiosen der untergegangenen Wilden Schneeburg bei St. Wilhelm nur an bestimmten Tagen und geben sich nur bestimmten »Talgünstlingen« zu erkennen; sollte je ein Erkletterer des Burgfelsens einmal versuchen, Glitzer und Glanz zu ergreifen, all’ die verborgene Schönheit für sich allein zu erhaschen, sieht er sich sogleich genarrt; unversehens versteigt er sich, tritt fehl und findet statt des begehrten Juwels nur nackten Fels und starre Schroffen.

Andere Schätze erblühen hundertfach in allen Talwinkeln und bleiben fast verborgen. »Zauberformeln« erschließen die Begegnung mit dem Wälderbauern, der erst nach langer Weile den ihn fragenden Fremden stirnrunzelnd und in Hintersinnen anwirrscht: »Sind ’r vom Amt?« Aber das ist ja nur bärbeißiger Auftakt zu einer knorrigen, lebensprallen Dorfgeschichte. Berthold Auerbach (1812-1882), der beschlagene Schwarzwälder Dorfreporter, fand in dem aus Oberried stammenden Ebneter Löwenwirt Josef Zipfel den rechten, originellen Sonderling, um dessen herzensliebe Grobheit sich Anekdoten nur so ranken, und er portraitierte ihn in seinen vielgelesenen Schwarzwälder Bauerngeschichten und Dorferzählungen; so geriet Ebnet in das Augenmerk der literarischen Welt. Des Löwenwirts Ausspruch »Suffet Wii, bigott!« wurde ohnehin landauf, landab zum vielbefolgten, volkstümlichen Motto. Emil Gött, Dichter, Idealit und alemannischer Erzähler (1864-1908), zeichnet mit der »Zinken-Marei« und der »Kalten Seppe« aus Zarten zwei Dreisamtäler Originale in seine Burleske einer Wallfahrt nach St. Ottilien. Anekdotisches entsprudelt täglich aufs Neue dem Talgrund, das Dreisamtal hat noch manche Episode im Trieb.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            

Anders verspürt Alban Stolz, volkstümlicher Schreiber und renomierter Theologieprofessor, einen Hauch des Talwandels in den »Witterungen der Seele«: »Ich schien mir selbst ein wilder Jäger, stürmend gegen den Sturm!« umschreibt er einentags seinen Winterspaziergang nach Kappel Wonne verklärt ihm anderntags den Besuch in Buchenbach: »Und auch in mir war Frühling!«. Auf dem Giersberg bei Kirchzarten träumter sich 1846 in stimmungsvolles Sehnen: 
»... erblickte ich mit Erstaunen die schöne Lage und Aussicht dieser Kapelle und des Hauses daneben. Wie sehr wünschte ich, an einem solchen einsamen Ort zu wohnen.« 

Wenn aber gar ein hochwürdigster Prälat der römischen Kirche, Abt Ignaz Speckle, neugierig »durch die Hölle« reist, »um diese einmal zu sehen« und sie dann »in der Tat sehenswert findet«, läßt solches Lob selbst ernsthafte Textkritiker schmunzeln.

Noch zahlreiche andere Schriftsteller wie der gelehrte sanktblasianer Fürstabt Martin Gerbert, der badische Dichterliebling Josef Viktor von Scheffel, der Schwarzwaldbiograph Wilhelm Jensen verschenken ihre Komplimente an das Dreisamtal und bestätigen die Einschätzung: »Landschaft von feinem Zauber«. 

Josef Bader, der Dreisamtalwanderer von 1858, beschließt sein Landschaftsgemälde mit ebenso gekonntem Federstrich wie innerlich beschwingtem Herzen; im Rückblick seiner Wanderstrecke von Freiburg entlang der Dreisam durchs Zartner Becken, durch Himmelreich und Höllental zieht er auf der Anhöhe bei Höllsteig den Schlußstrich unter seinen Wandertag mit dem liebevolle Eingeständnis, »daß diese Bergschlucht malerisch-landschaftlich das schönste all’ unserer schönen Täler sei« »ein in sich vollendetes Gemälde!«

 Emil Lugo: »Dreisamidylle« (1884) Im Besitz der staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

»Waschküchennebel« in wenigen Momenten den Berg nachtfinster einhüllen können.
»Selbst Leute, die ihr Leben auf dem Berg zugebracht haben, setzen sich, wenn plötzlich Nebel einfällt, nieder, geduldig abwartend, da der Geist sie bestenfalls im Kreise herumtreiben würde«, meint einer der Talchronisten.

Die Betrachtung des Wetters darf sich jedoch nicht allein auf die Darstellung der Ungunst von Hochwasser, Schnee, Regen, Gewitter, Hitze, Dürre, Trockenheit beschränken. Das Dreisamtal ist wie kaum eine Landschaft witterungsverwoben, aber nicht ausschließlich von klimatischen Nachteilen geprägt. Umgekehrt haben seriöse Berichte, Gutachten und Untersuchungen die Vorzüge der Luftreinheit und des erholsamen Klimas bestätigt. Es geht dabei nicht um einen »Sympathie-Eid« und nicht um persönliches Wohlbehagen. Immerhin hat das Land am Oberrhein gegenüber seinen theoretischen »Sollwerten« der Lage unter 48° nördlicher Breite ein Plus, eine »übergebührliche Bevorzugung« erfahren, wie sie einem wesentlich südlicherem Klima entspricht. Die offizielle Anerkennung der Dreisamtalgemeinden Oberried und Buchenbach mit allen ihren Ortsteilen als Erholungsort und die Einstufung des Kernorts Kirchzarten als Luftkurort ist im übrigen ein beredtes Zeugnis. In den Klimastufen erreicht das Dreisamtal durchweg die vorteilhafte Zuordnung zu den angenehmen Klimaklassen des Schonklimas und reizmilden Klimas; wer. sie sucht, findet reizstarke Einflüsse in den Hochlagen über 1000 m Höhe. Auch ein Lob wie das von Adolf Kiepert von 1891 bringt das Dreisamtal nicht in Verlegenheit:

 »Welch ein Unterschied gegen die aufregende, staubige und windige Luft an der Riviera, die ich durch 9-jährigen Aufenthalt so gründlich kennen gelernt.« 

Im übrigen geben einige lokale Besonderheiten dem Wetter einen leicht eigenständigen Ruf. So charakterisiert ein durch den kurzen Weg des Steilabfalls geweckter Talwind anschaulich beschrieben als »abreißende Luftlawine« das Höllental und Dreisamtal; der »Höllentäler« ist geradezu eine häusliche Berühmtheit. Auch der Föhn nimmt gelegentlich lokale Dreisamtalform an. 

Im gesamten ist der Dreisamtäler nicht klima- und wetterscheu; die alte Wetterregel sagt, daß es Glück und Reichtum verheißt, wenn es der Braut in den Kranz regnet.

In allen Heimsuchungen der Natur fühlt sich der Dreisamtäler religiös angesprochen. Aus den verschiedenen, persönlichen Anliegen um gedeihliches Wetter, um Verschonung von Sturm, Hagel, Flut, Frost, Dürre und Schädlingen oder anderem Unheil sind die vielen Bittprozessionen der Talbewohner entstanden, Wallfahrten nach St.Märgen, St.Peter, auf den Lindenberg, zur Ohmenkapelle, nach Oberried, auf den Giersberg. Der sog. »Hagelfirtig« war ein heiliggehaltener Tag. 

In allen Jahrhunderten gab der Schwarzwälder seinem Haus eine oft roh geschnitzte und holprig geformte Weiheschrift, einen Haussegen. Dieses Hauszeichen, an vielen Höfen behütet und bewahrt, verdeutlicht die elementare Abhängigkeit der Hofbewohner von den Widrigkeiten des Wetters und den Feindseligkeiten der Natur. Die Inschrift vom Herrenbachhof oberhalb Wagensteig vom Jahr 1891 bezeugt die Dreisamtäler Wetterfühligkeit:
»DAS HAUS STET IN GOTES HANTEN ‚ BEHIETS GOT VOR / FEIR, WASER VND WIND. BEHIETS GOT DER VATER VND GOT / DER SOHN VND GOT DER HEILIGER GEIST«