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Umwälzungen im Zeichen der Zähringer Klostergründungen
in St. Peter und St. Märgen 
Die Blütezeit der Burg Falkenstein

Aus: Hans Konrad Schneider Fritz Röhrl 
Zauberisches Dreisamtal
Lieblingstal im Schwarzwald 
Verlag Karl Schillinger Freiburg im Breisgau, 1983

Wenn um das Jahr 1000 der Filmschnitt der Zähringergeschichte beginnt, liegt die keltisch-alemannisch-fränkische Vorzeit weit zurück, besteht die gefestigte Lebensordnung des mittelalterlichen Reichs. Im Dreisamtal steht das Kloster St.Gallen schon über zwei Jahrhunderte in Besitz und großem Ansehen, die lange Verwaltungsperiode macht das Kloster zum ersten Talpfleger, zum Schöpfer der kirchlichen Neuordnung und Begründer der Großpfarrei Kirchzarten. Vögte betreiben die Klosterrechte St.Gallens oder Einsiedelns, Meier- und Dinghöfe bewirtschaften das Klostergut. Daneben bestehen vielzählige, kleine Territorialeinheiten des Ortsadels, der das Land beherrscht. Landsitze und Bauerngüter sorgen für die materielle Basis der Talbewohner und der berechtigten Herren im weiten Umfeld. Die Talordnung hat etwas »Provinzielles«, das Tal steht nicht unter einer einheitlichen Herrschaftshand, liegt nicht im Nahbereich eines großen Machtzentrums, ist eher vielfach geteilte Peripherie. Noch um die Jahrtausendwende werden Regalien wie das Bergrecht im Schwarzwald, der Wildbann am Dreisamunterlauf über beträchtliche Distanz an den Bischof von Basel vergeben. 

Die Abseitslage ändert sich mit der Umsiedlung der Zähringer in den Breisgau. Sofort nach ihrer »Einwanderung« nehmen die Zähringer direkten Einfluß auf das Dreisamtal, und sie lassen es 1218 in völlig veränderten Verhältnissen und neuen Interessensphären zurück. Die Zähringer Zäsur bildet eine Zeitwende für das Dreisamtal. 
Die Zähringer zählten um das Jahr 1000 zu den bedeutendsten Adelsfamilien; schon die Vorfahren hatten das Amt der Breisgaugrafen inne und standen zur Herzogserhebung an; Kaiser Heinrich II. verlieh den Zähringern die Anwartschaft auf das Herzogtum Schwaben ohne Wort zu halten; 1061 wurde ein Zähringer indessen zum Herzog in Kärnten bestellt ohne das Amt auszuüben. 1092 wählte die Adelspartei den Zähringer Berthold II. zum »Gegenherzog« in Schwaben ohne daß er sich durchsetzen konnte. Dennoch erreichte das Geschlecht zweifellos mehr als einen »leeren Herzogtitel«. Die Zähringer hatten bei ihrer Übersiedlung aus ihrer Altbesitzung bei Weilheim unter Teck. Großes mit der Landschaft vor. Die Erbschaft der rheinfeldischen Güter, die der von Berthold unterstützte Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden den Zähringern hinterließ, gab diesem am Oberrhein zusätzlichen Besitz und damit neue Möglichkeiten. Der Entschluß zu einem Herrschaftsausbau, zu einer neuen Stammes- und Territorialpolitik, das ist das »Handgepäck«, mit welchem die Zähringer ihr Interessenzentrum in den Breisgau verlagern. Dies kommt ihren Ämtern in Burgund, in der Schweiz entgegen. Ihr Ziel bleibt, im Schwarzwald stärker Fuß zu fassen und den Oberrhein über den Schwarzwald hinweg mit der Baar zu verbinden, ein einheitlich-zähringisches Territorium aufzubauen. 
Die Frage nach dem Reichtum der Zähringer wird  oftmals volkstümlich beantwortet: nach der Überlieferung sollen die Zähringer als Köhler, als Nutzer der Wälder, als Ausbeuter der Silberschätze des Breisgaus reich geworden sein:
»Nun hat es sich in dieser Zeit begeben, daß ein solcher Köhler an einem gewissen Ort im Walde Holz geschlagen, den Haufen mit dortigem Grund und Boden bedeckt und solchen ausgebrannt hat. Als er nun die Kohlen wegräumte, fand er am Boden eine schwere geschmolzene Masse, und so er sie genau besichtiget, ist es gutes Silber gewesen. Also hat er fürder immerdar an demselben Orte Kohlen gebrannt, wieder mit derselben Erde bedeckt und abermal Silber gefunden; solches hat er auch bei sich behalten und einen großen Schatz Silber zusammengebracht.« 

Als aber der Kaiser in Spannungen geriet ob seiner Herrschaft, »fügte sich der Köhler mit ettlichen Burden Silber zu dem Kaiser und begehrte an ihn, daß er ihm die Tochter gebe und dazu die Gegend umher; so wolle er ihm einen solchen Schatz von Silber überliefern, daß er damit sein Reich wieder gewinne.« 

In nüchterner Betrachtung kennzeichnet die Zähringerzeit ein Machtaufbau in einer neuen, wegweisenden, modernen Politik der Entwicklung. Dazu zählt eine Burgenausrüstung des Landes, dazu zählen Städte- und Marktgründungen, dazu zählen Landgewinn und Neuordnung, dazu zählen Klosterneueröffnungen und ihr Einsatz in der Kolonisation, dazu zählt eine aufgeschlossene Verkehrspolitik mit Straßenbauten und Straßenbewehrungen. Der Ausbau der Burg und Herrschaft Falkenstein, die Einrichtung des Klosters St. Peter, die Stadtgründung von Freiburg, die Pflege der verkehrlichen Schwarzwaldklammer vom Dreisamtal zur Zähringer-Baar sind Dreisamtäler Akzente im großräumigen Konzept des Zähringer Staatsaufbaus. Wie auf dem Schachbrett scheint sich die Ausbaupolitik sinnfällig abzuspielen, bekommt jeder Zug seine taktische Aufgabe, hat jede Figur ihren Wert. In konsequenten Entwicklungsschritten erfährt die Aufbaupolitik der Zähringer einen dynamischen, fast militanten Start im Breisgau und das Dreisamtal liegt mitten im »Bebenzentrum« eines neuen Unruheherds. 

Eine geschichtswendende Begebenheit für das Tal berührt die nördliche Höhengalerie; dort auf den Vorhöhen des Bergkranzes ums Dreisamtal gründet Berthold II. von Zähringen 1093 das zähringische Hauskloster St.Peter und unterstreicht damit die Unumstößlichkeit der Herrschaftsverlagerung in den Breisgau, die Festigkeit des zähringischen Machtwillens. Papst Urban Il. gab dem Kloster bereitwillig päpstlichen Schutz und eine Verfassung mit ungewöhnlichen Privilegien; schließlich zählten die Päpste die Zähringer zu ihrer Partei. 

Von Anfang an war klar, daß die Klostergründung nicht nur zum Mausoleum eines machtbewußten Fürstengeschlechts bestimmt war, sondern in zähringischer Strategie Aufgaben der Kolonisation, der Erschließung bisher unwegsamer und unbebauter Landflächen im Schwarzwaldinnern zu übernehmen hatte. Eine frühe Gebietsbeschreibung des 12. Jahrhunderts im sog. »Rotulus Sanpetrinus« besagt, daß das Kloster noch weit außerhalb seiner Sichtweite die ganze Kammlinie des Dreisamtals vom Flaunser über Kapfenberg bis zum Hohlen Graben in seine Hand bekommt, daß sein Ausstattungsgut aber zugleich in die Talkerben hinunterreicht und einen großen Teil des unteren Dreisamtals mit seiner Grundherrschaft erfaßt. Wirtschaftsgüter, Lehenshöfe in Eschbach, Unter und Oberibental und Rechtenbach dienten dem Kloster als Anteil seiner Lebensbasis. Über eine 700-jährige Epoche hinweg ist das Höhenkloster damit zugleich Landeigner und Talherr im unteren Dreisamtal. Dem Talbesucher begegnet diese bedeutsame Herrschaftsposition in den Rechtsordnungen, den Dingrodeln und Polizeiordnungen von St. Peter für seine Talbesitzungen, in der Gerichtsherrschaft, dem Zehntrecht und Lehenssystem, aber auch in seinem fürsorgenden Engagement für Schule und Wohlfahrt in Eschbach, für ein geordnetes Leben im Tal. 
Der Zeitlauf der Klostergeschichte zeigt wechselvolle Jahre, aber kontinuierliches Niveau. Am 1.7.1093 hielten Hirsauer Mönche in St. Peter Einzug, das Kloster war den reformatorischen Zielen von Cluny und Hirsau verpflichtet. Viermal brannte das Kloster ab und wurde neu errichtet, der letzte, barocke Neubau von 1724-1727 traf eine besonders glückliche Stimmung als Äußerung der klösterlichen Würde, der weltlichen Macht und der religiösen Freude. Seit 1528 besaß das Haus Österreich die klösterlichen Vogteirechte, St. Peter war mit seinen Gebieten in die vorderösterreichischen Lande inkorporiert. Über 713 Jahre blieb St. Peter ein blühendes Stift, dessen Abt im 18. Jahrhundert eine Führungsrolle der Prälaten im Breisgau errang. Der 56. Abt Ignaz Speckle mußte dann am 10. Oktober 1806 schwermütigen Herzens den schwersten Schicksalschlag in seinen Memoiren verzeichnen, die Aufhebung der weltlichen Herrschaft im Dreisamtal und die Auslöschung der klösterlichen Ordensgemeinschaft durch ein alles vernichtendes staatliches Dekret. 

St.Peter auf dem Schwarzwald das »Hauptkloster des Dreisamtals« Radierung von J.M. Schermer, Freiburg, um 1800

Die gängige Geschichtsdeutung stellt auch die Gegengründung des Hohenbergischen Klosters St. Märgen auf dem Schwarzwald in den Zusammenhang mit der Zähringer Entwicklungspolitik. Die Grafen von Haigerloch-Wiesneck, deren Nachfolgestamm sich Grafen von Hohenberg nannte, besaßen im Tal bereits umfangreiche Rechte als Vögte des Klosters St. Gallen und bedeutende Eigengüter, sie galten als gleiche Interessenten am Aufbau eines größeren, zusammenhängen 79 den Territoriums im Schwarzwald wie die Zähringer. 1118 versuchten die Hohenberger, mit dem zähringischen Entwicklungsvorstoß gleichzuziehen; sie gründeten ihrerseits auf den Höhen oberhalb Wagensteig ein Augustiner-Chorherrenstift St. Marien und setzten damit den zweiten Akzent der Zähringer Zeit im Dreisamtal. Die Gründung gilt als Akt der Rivalität und Abgrenzung, die sich offenbarende Gegnerschaft der Zähringer und Hohenberger erschütterte das Dreisamtal ernsthaft. 

Die Anfangsgeschichte des Klosters St. Märgen zeigt deutliche Parallelen zum Geschichtslauf St. Peters, auch der Lebensgang St.Märgens wird untrennbar mit dem unteren Dreisamtal verbunden. Wie St. Peter erhält St. Märgen die Stellung eines Talherren im Dreisamtal, die bedeutsame Position eines kleinen »Souveräns« in einem Territorium, das vom Hohlen Graben als höchstem Punkt bis in die Talniederung herunterreicht. Mittelpunkt des klösterlichen Landes war Zarten mit seinem Dinghof, weitere Besitzungen lagen in Kirchzarten, in Burg, Attental, Dietenbach, Birkenreute, Wagensteig, Erlenbach, in den Spirzen und am Turner. Die weiteren Schicksalslinien St.Märgens verlaufen jedoch wankend und schwankend und sehr viel ungünstiger als die St. Peters. Zur viermaligen Brandkatastrophe tritt ein mehrmaliger Stillstand des klösterlichen Lebens, ein Todeskampf mit den eigenen Vögten, den Herrn von Wiesneck, die Auslagerung des Klosters nach Freiburg und schlußendlich der Verkauf der gesamten Talherrschaft an die Stadt. 

Der Pfarrort St. Märgen nach der Aufhebung des Augustinerklosters - Stahlstich aus dem Jahr 1850 von Fr. Hablischek nach R. Höfle

Mit der Markt- und Stadtgründung Freiburgs 1120 setzt die Zähringerzeit noch einen weiteren, schweren Schicksalstein für das Dreisamtal. Die Stadt liegt zwar draußen vor dem Torabschluß des Tales, die zähringischen Gründer bestimmten sie jedoch zum Vorort ihres Staates, zur Kaufmannstadt, zum Wirtschaftszentrum und damit zum Einflußfaktor für das Umland. Mit der Zähringer Stadtgründung von 1120 ist dem Dreisamtal somit ein neuer, ein externer Bestimmungsfaktor erwachsen, das Tal ist in ein neues Kraftfeld geraten. Die Talgeschichte muß sich diesen Zusammenhängen stellen. Als Freiburg 1462 vom Stift St.Märgen auch noch weite Gebiete des Tales selbst erwirbt, gerät das Zentrum des Dreisamtals unmittelbar in städtische Hand und wird knapp 350 Jahre direkt stadtfreiburgisches Territorium. 

Die Zähringerzeit ist die Zeit des Ausbaus der Herrschaft Falkenstein. Die Falkensteiner hatten sich als Dienstadel im Dreisamtal in mehreren Positionen seßhaft gemacht, sie waren wohl in größerem Umfange vom Kloster St.Gallen mit Rechten belehnt. Im wesentlichen verwalteten sie jedoch als Ministerialen der Zähringer einen großen, geschlossenen Bezirk »auf dem Wald«, den sie durch Rodung vom unteren Dreisamtalgrund aus eroberten. Beidseitig des Höllentals erstreckte sich die Herrschaft Falkenstein vom östlichen Ende des Zartner Beckens bis an den Titisee. 1148 entstand im oberen Höllental bereits die St.Oswaldkapelle; nordwärts stieß das Territorium der Falkensteiner über Steig und Breitnau bis zur Grenze von St.Märgen beim Turner und Hohlen Graben; nach Süden folgte die äußerste Linie dem Seebach, stieg über den Feldsee auf die Höhen des Feldbergs, schwenkte zum Rinken, schloß Zastler mit ein und erreichte über Weilersbach wieder die Talebene. Dieser weite Herrschaftskomplex »an und auf dem Schwarzwald« geriet später in die neureichen Hände der Herren von Snewlin-Landeck und kam schließlich durch Erbfall an die Freiherrn von Sickingen, die die Machtstellung der Talherrn noch 1800 innehatten. Weiteren, mehr zerstreuten Lehensbesitz hatten die Falkensteiner in Kirchzarten, in Burg, Baldenweg, Kappel, Weilersbach, Eschbach und Attental; die genauen Abgrenzungen sind gelegentlich fließend, die Falkensteiner veräußern, verkaufen, verpfänden, verschenken Rechte und Güter im ganzen Tal. Zur Zähringerzeit waren die Falkensteiner wahrlich die »großen Herren« im Dreisamtal. Sagen ranken sich denn um Burg Falkenstein und ihre Geschichte. Beispiele wahrer Ritterlichkeit sind überliefert; dies spiegelt sich in der Volksmeinung, daß »noch heute der Ritter als freundlicher Alter erscheint und den Wanderer, der vielleicht durch Irrlicht getäuscht oder von Kobolden geneckt wurde, der auf wüster Heide oder in wild verwachsenem Walde des Weges Spur verlor, auf den rechten Pfad zurückbringt.« 

Die früher noch recht ansehnlichen Reste des Burgturms von Bubenstein. Im Müttelgrund hoch über dem Falkensteintunnel liegt die völlig versteckte Burgstelle der Hauptburg Falkenstein.
Aus einer Reportage über die Eröffnung der Höllentalbahn in der Illustrierten Zeitung vom Juli 1887



Konrad von Falkenstein (»Ritter Kuno«), der im »Münster« von Kirchzarten begraben ist, bewährt sich als Idealbild des mittelalterlichen Ritters. 
»Als der Hl. Bernhard von Clairvaux am Oberrhein das Kreuz predigte, beschloß auch Kuno von Alt-Falkenstein in’s Heilige Land zu ziehen. Schon jahrelang hatte er in kinderloser Ehe gelebt und hoffte zuversichtlich, daß ihm der Himmel für seine Kreuzfahrt einen Erben schenken werde. So nahm er denn schweren Herzens Abschied von seiner Gemahlin Ida, brach zum Zeichen gegenseitiger Treue den Ehering und überreichte ihr die eine Hälfte mit den Worten, sie solle sieben Jahre lang auf seine Rückkunft warten, nach deren Verlauf aber dürfe sie als zuverlässig annehmen, daß er gefallen und somit ihre Ehe aufgelöst sei. Unter bitteren Tränen beschwor ihm Ida, was er verlangte, und alsbald eilte Kuno, sich dem großen Heereszuge anzuschließen. 

Aber Krankheiten, Mangel an Lebensmittel und das Schwert der Sarazenen richteten furchtbare Verheerungen unter den Pilgern an. Der Ritter Kuno selbst geriet in die Gefangenschaft der Türken. Zwar bot der Sultan,
der den tapferen Kämpfer zu gewinnen suchte, demselben anfänglich die Hand seiner Tochter an; als jedoch Kuno diese mit Abscheu ausschlug, zwang ihn der ergrimmte Vater zu den niedrigsten Arbeiten, ließ ihn sogar wie ein Zugvieh vor den Pflug spannen und die Geißel des Sklaventreibers über ihn schwingen. In solchem Elend vergingen sieben Jahre, als es endlich dem Ritter gelang, aus seinem Gefängnis zu entfliehen. Aber noch waren seine Prüfungen nicht zu Ende. Unkundig der Wege irrte er umher, und nur eine endlose Sandwüste breitete sich vor dem Ritter aus. 
Erschöpft fiel jetzt Kuno in einen schweren Schlaf, und wie er aus beängstigenden Träumen auffuhr, in denen er sah, wie seine Gemahlin nach langem Widerstande nun doch gezwungen wurde, einem der übermütigen Nachbarn die Hand zu geben, da stand der Böse leibhaft vor ihm und bestätigte ihm grinsend, was er im Traume gesehen. Voll Sehnsucht nach der Heimat und der Gemahlin ging er schließlich auf den Vorschlag des Bösen ein, ihm seine Seele zu verschreiben, wenn er auf der weiten Fahrt in die Heimat einschlafe. Augenblicklich öffnete sich ein tiefer Spalt in der Erde, unter Flammen und Rauch stieg ein Löwe empor, den Kuno sofort bestieg, und auf dem er hoch über Meer und Land dahinflog. Aber der Weg aus dem gelobten Lande bis an den Schwarzwald ist weit, und unmerklich wurde, so sehr er sich auch dagegen sträubte, der erschöpfte Ritter vom Schlafe beschlichen. Aber sieh! da fliegt aus den Wolken ein Falke herab, der sich auf seinen Kopf setzt und mit Schnabel und Flügeln den Ritter wach erhält. Schon wurde der Münsterturm zu Freiburg sichtbar. Dann ging es flugs das Kirchzartner Tal hinauf, durch das Himmelreich in die Höllenschlucht, wo der Löwe, ergrimmt, um seine Beute gebracht zu sein, den Ritter am Fuß seiner Feste brüllend absetzte und verschwand. So einsam es nun in der Tiefe war, so lärmend ging es oben zu, wo sich bereits die Hochzeitsgäste dem rauschenden Jubel hingaben. 

Da meldete der Torwart einen Pilger, der aus dem gelobten Land komme und um einen erquickenden Trunk bitte. Da füllte Ida trotz des Widerstrebens der Gäste einen Becher mit Wein. Den leerte der Fremde auf einen Zug und legte den halben Goldring zum Danke hinein. Wie nun der Torwart den Becher seiner Gebieterin zurückbrachte, da erblickte sie des Pilgers Hochzeitsgabe; voller Ahnung warf auch sie den sorgsam aufbewahrten halben Ehering in den Becher, und siehe! die beiden Hälften vereinigten sich zu einem untrennbaren Ganzen. 

Da eilte sie überglücklich mit dem Ehering hinaus an die Pforte und sank, um Verzeihung und Wiederaufnahme flehend, vor dem längst tot geglaubten Gemahl nieder. Während dieser sie unter Freudentränen emporhob, zerstreuten sich die unberufenen Gäste, und nur der treue Falke fuhr fort, die Wiedervermählten zu umkreisen, ehe er in die höheren Lüfte zurückkehrte.
Fortan wurde ihnen auch reicher Kindersegen zuteil; ein Bild des rettenden Falken, schnäbelnd und mit geschwungenen Flügeln, nahm Kuno aus Dankbarkeit, wie noch alte Pergamentbriefe ausweisen, in sein und seiner Nachkommen Rittersiegel auf!« 

Konrad von Falkenstein, Herr über Kirchzarten, starb am 13. Mai 1343 und fand in der Kirchzartner Kirche ein würdiges Grabmal. Das lebensgroße Bild des Kirchzartner Ortsherrn ziert ein Wappenschild mit dem schwingenden, rüttelden Falken. Anders als die Sage ist die Grabplatte ein realistisches Zeugnis der Dreisamtäler Welt. Die beeindruckende Ritterfigur gilt als authentisches Abbild der mittelalterlichen Ritterrüstung, als Zeugnis der Kunst der Harnischschmiede und als Dokument der Heraldik. Die Sage mag andeuten, daß der Falkensteiner vielleicht anfangs des 14. Jahrhunderts kämpfend ins Heilige Land pilgerte; »Kuno soll nach seinem Tode sogar heilig gesprochen worden sein«, fügt eine Fabel der Erzählung an. 

Anders verläuft die Geschichte der jüngeren Generationen der Falkensteiner. Ende des 14. Jahrhunderts gelten sie schlechtweg als Raubritter schlimmster Sorte. Gustav Schwab sieht zwar in diesen Geschichtsberichten noch Züge eines romantischen Gemäldes: 
»Ein malerischer Fels, welcher die ganz zerfallenen Trümmer der uralten Burg Falkenstein trägt, schließt die grandiose Felspartie. Von ihr erzählt eine geschichtliche Sage, die des schauerlichen Bergspalts, dessen letzter Vorposten sie ist, vollkommen würdig erscheint, und von der sich der Berichterstatter, der sie aus dem Munde des Volkes vernommen hat, nur so viel erinnert, daß von wilden Rittern hier ein gefangener Knecht unmenschlich über die Zinnen gestürzt worden.« 

Heinrich Hansjakob bäumt sich sogar mit ganzer Seelenentrüstung dagegen auf, wie doch die wehklagenden Greueltaten der Falkensteiner so milde bestraft worden seien. 

Was also ist an der Geschichte, die so vielfältig unter sucht, mit Urkunden belegt wurde und die dennoch zur Sage wurde? Der gravierendste Fall befaßt sich mit der Heirat eines Mädchens des Kirchzartner Tales mit einem Hintersassen von Freiburg; die Hochzeit erfolgte gegen den Willen des Vaters des Mädchens und wohl gegen die Vorstellungen der Herren von Falkenstein, der die Familie zu leibeigen gehörte. Total verarmt der Mann war als Knecht ohnehin nicht begütert mußte das Mädchen nach Jahren bei ihrem noch immer zürnenden Vater um Unterstützung bitten; ein Kleidungsstück, das ihr vom Bruder ohne Wissen des Vaters mitleidvoll ausgehändigt wurde, gab der Vater als gestohlen aus; sein Schwiegersohn wurde darauf vor Gericht gezerrt. Der auf der Wahrheit beruhende Freispruch weckte umsomehr unversöhnliche Rache. Nach Beratung mit den Falkensteinern lauerte der Schwiegervater nunmehr mit mehreren Kumpanen seiner Tochter und ihrem Mann auf, überwältigte beide und führte sie gefangen auf die Burg Falkenstein. Die Tochter, die in diesen Handgreiflichkeiten übelst behandelt worden war, hatte auf Burg Falkenstein eine Fehlgeburt; sie konnte sich davon machen und trug das tote Kind nach Kirchzarten zum Begräbnis. Dann aber erhob sie Klage in Freiburg. Die feindlich gesinnten Gesellen beratschlagten derweil über ihren Mann und stießen ihn, nachdem Ritter Dietrich von Falkenstein ihn ihnen überantwortet hatte, von den höchsten Zinnen der Burg in die Talschlucht, wo er beim Sturz umkam. Seine Frau erfuhr nach Tagen davon, suchte den Leichnam unter der Burg, fand den Zerschmetterten und zog ihn den Weg hinauf bis zur St.Oswaldkapelle im Falkensteiner Tal, wo sie ihn beerdigte.

»Vmbe dis klein ding sint die vorgenannten grossen mörde beschehen!
« schließt die Urkunde über diesen Rechtsbruch in der unverstellten mittelalterlichen Sprache, die Untersuchungsakten geben einen äußerst exakten und plastischen Beschrieb. 

Weitere Untaten wurden bekannt, die Bilanz, das Vorstrafenregister der Falkensteiner sieht sich aus diesem Blickwinkel recht unverbesserlich an. So wird berichtet, daß Ritter Künin gewalttätig eine von ihm begehrte Frau auf Schloß Falkenstein entführte, um sich an der in der Gefangenschaft willenlos Gewordenen zu vergehen. Ihr gelang es, nachdem sie sich scheinbar in ihr Los fügte, den Freiburger Markt zu besuchen, wo sie alsbald Alarm schlug; auf dem Rückweg verstreute sie Erbsen als Wegmarkierung bis vor das Tor der Burg. So konnten die Freiburger das Gewaltnest aufspüren und das Burgtor aufsprengen, den Ritter unschädlich  84  machen. Diese Legende knüpft an den Vorfall an, daß Ritter Künin lange Zeit mit der Frau seines Knechtes, eines Mannes aus Wittental, der im Raufhandel von seinen Mitknechten im eigenen Haus umgebracht wurde, Umgang hatte. 

Fälle der Wegelagerei und des Raubrittertums sind endlich in einer Freiburger Anklageschrift an das Rottweiler Hofgericht zusammengestellt. Pfaffen aus dem Gelderland, Rompilgern wurde ebenso Geld abgenommen wie einem Boten von Mailand, einem Kaufmann aus Flandern, einem »Spediteur« auf dem Weg von Köln nach Como, weiteren Rompilgern aus Holland und Flandern. Fuhrknechte aus Munderkingen, aus Waldshut und Ehingen wurden des Transportguts Salz, Wein und dergl. beraubt, Scholaren, Mönchen, Nonnen und Juden wurde ihr Geld weggenommen. Der angeblich gefallene Schandspruch »Schweig! Verzagte Minner und barmherzige Räuber tun nie gut!« gilt als bester Beweis skrupelloser Kaltblütigkeit. 

Dennoch bleibt einiges zur Verteidigung der Falkensteiner zu sagen. Schon die Anklage Freiburgs gibt Hinweise, die die meisten Vorfälle in den Zeitrahmen stellen: Es war die Zeit heftigster Auseinandersetzungen zwischen dem herrschaftshungrigen Adel und neuartigen Städtebündnissen zur Selbstbehauptung und zum Verfolg eigener Territorialinteressen. Werner von Falkenstein war in diesem Streit »Diener des edlen Herrn von Wirtenberg« geworden und unternahm seine Fehde und Raubzüge von Burg Falkenstein aus im Rahmen des Kriegsüblichen. 

»Als ir wissent umb den krieg, den die herren und die stette des bundes wider einander gehebt hant, das niemant die straße noch das tal für dieselb vesty Valkenstein uf noch abe gewandelen mocht, und wenne er die begreiff, die zuo den stetten des bundes gehörtent, so schatzte er sü, als in semlichen kriegen gewonlich ist.« 

Mißgriffe, eindeutige Maßüberschreitungen und Exzesse finden auch nach heutigem Rechtsgefühl gewiß keine Entschuldigung. Das mittelalterliche Fehderecht, das Faustrecht, die Auswirkung der Leibeigenschaft sind heute jedoch nur schwer verständlich. So muß man wohl Josef Bader folgen, der vorsichtig die Korrektur der »glatten Raubrittersage« einleitet. Auch Max Weber, der tiefblickende Talgeschichtler, macht in der 1966 von Guenther Haselier herausgegebenen Talchronik deutlich: 
»Die Raubrittergeschichten, die im Zusammenhang mit der Zerstörung der Wilden Schneeburg erzählt werden, dürften ebenso in den Bereich der Fantasie gehören wie jene bei der Burg Falkenstein. Sicher aber spielte in beiden Fällen das Streben der Stadt nach der Herrschaft eine Rolle!« 

Die Falkensteiner erduldeten wegen ihrer Mißgriffe, wegen ihres übertriebenen Faustrechts einen Achtspruch des Hofgerichts von Rottweil, zu dessen Vollstreckung die Bürger von Freiburg nach Falkensteig zogen und die Burg 1390 für immer zerstörten. Als 1414 die Nachkommen um eine Neubaubewilligung eingaben, wurde ihnen dies vom Rat der Stadt abgeschlagen: »hant daruff erkannt, daz man die vesti nit widerumb buwen sölle, nach den bösen, üblen, reuplichen und schädelichen getätten so darab beschehen sint.«  Diese Spätwirkung ist wohl weniger eine Folge der Rechtsverurteilung als eher Ausdruck politischer Durchsetzung der Stadt. Die Falkensteiner standen noch Jahre in Freiburg in ehrenvollen Ämtern, die Nachfahren wurden 1497 geradezu rehabilitiert, als zwei Falkensteiner den Himmel trugen, unter dem Kaiser Maximilian in Freiburg Einzug hielt. 

Die Familie der Falkensteiner war jedoch in andere Nöte geraten, in eine ausgemachte wirtschaftliche Krise. 1272 verkauft ein Familienzweig von der Neuen Falkenstein den Kirchensatz von Kappel an die Freiburger Kommende des Deutschen Ordens, 1394 erwirbt Hanmann Snewlin von Landeck Güter auf dem Wald und im Kirchzartner Tal zu Pfand. Die Zerstörung der Burg im Höllental setzt ein Zeichen; nach dem Zwischenfall begann ein Ausverkauf des gesamten, auch über das Dreisamtal hinausreichenden Besitztums. Hanmann Snewlin von Landeck erwirbt 1407 die Dreisamtäler Ländereien, Burgstall und Turm zu Falkenstein mit Straße und Zoll zu Falkenstein und zu Burg, die Güter von Ebnet aufwärts bis zum Feldberg über Breitnau und Hinterzarten. Die Falkensteiner hören auf, eine reichbegüterte Familie des Dreisamtals zu sein, sie werden vom Freiburger Patriziergeschlecht der »Snewlin von Landeck zu Wiesneck« abgelöst ein neues Geschichtskapitel des Tales beginnt. 

Die Zähringerzeit bricht 1218 mit dem Tode des letzten Zähringerherzogs Berthold V. plötzlich ab. Die Zähringer Zeitzeichen wirken jedoch fort. Das Dreisamtal gerät im Verlauf der Zähringerzeit in neue Machtkreise, unterliegt einer vollständigen Veränderung seiner Geschichtsfaktoren, steht fortan im Bann neuer Geschlechter und im unmittelbaren Einfluß des Talklosters St.Peter, der Gegengründung St.Märgen und der »Dreisamtalhauptstadt« Freiburg