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Die Naturschutzgebiete im Regierungsbezirk Freiburg Herausgegeben vom Regierungspräsidium
Freiburg in Zusammenarbeit mit der Bezirksstelle für Naturschutz und
Landschaftspflege Freiburg Sigmaringen: Thorbecke. 1998 ISBN 3-7995-5171-9
Wandert man von den Hochflächen um
St. Peter nach Freiburg, durchquert man auf seinem Weg hinab ins
Breisgau ausgedehnte Wälder. Auf halber Strecke befindet sich das
Naturschutzgebiet "Bannwald Konventwald“. Es liegt in große Mischwälder
eingebettet an den Süd- und Südosthängen des 865 m hohen Flaunsers. Der
Konventwald ist ein Schutzgebiet, das weder durch besondere
Pflanzenvorkommen noch durch eine herausragende Landschaft
von sich reden macht. Vielmehr ist es ein eher unscheinbares Waldstück,
das den »normalen« Waldtyp des westlichen, zur Oberrheinebene
abfallenden Schwarzwaldes repräsentiert. Der Name des Konventwaldes
geht auf seinen ehemaligen Besitzer zurück: Als Klosterwald war er in
Besitz des Convents von St. Peter; erst durch die Säkularisation im
vorigen Jahrhundert ging er in Staatsbesitz über. Seit seiner
Ausweisung als Bannwald unterliegt er keinerlei Nutzung. Vielmehr dient
er der wissenschaftlichen Forschung, die an seinem Beispiel die
ungestörte, vom Menschen weitgehend unbeeinflußte Waldentwicklung zum
„Urwald von morgen“ studieren will. Die Forstliche Versuchs- und
Forschungsanstalt in Freiburg hat zu diesem Zweck eine umfangreiche
Meßstation im Naturschutzgebiet eingerichtet.
Den geologischen Untergrund des Konventwaldes bilden die sogenannten
"Paragneise“. Dieses Silikatgestein verwittert gut und hinterläßt einen
vergleichsweise nährstoffreichen, für die Pflanzen gut zu
durchwurzelnden Boden. Trotz der oft steilen Hänge ist er im Bannwald
recht tiefgründig. Nur auf den etwas erhöhten Rücken ist er etwas
dünner, während in den Mulden des Gebiets das Bodenmaterial angereichen
ist. Der Boden ist dort deshalb merklich mächtiger.
Im Konventwald haben wir einen
montanen, ca. 140jährigen Buchen-Tannenwald aus Naturverjüngung vor
uns. Die südexponierten Hänge, die sich über die breiten Geländerücken
erstrecken, sind weitgehend von Buchenwald bedeckt. Die Tanne ist zwar
diesen Beständen beigemischt, taucht aber am häufigsten im sogenannten
Unterstand auf, wo der schattenertragende Nadelbaum über Jahrzehnte
unter dem Kronendach der Buchen verharren kann. Nur abschnittsweise
übernimmt er einen größeren Anteil an der Baumschicht. Durch den
flachgründigen Boden ist der Standort recht trocken. Dieser ist
spärlich mit krautigen Pflanzen bedeckt, die alle die Tendenz zur
Herdenbildung haben. Insbesondere der Wald-Schwingel (Festuca altissima)
bildet an den raren Sonnenplätzen unter dem ansonsten geschlossenen
Laubdach dichtere Vegetationsflecken aus. Im Gegensatz dazu steht der Sauerklee (Oxalis acetosella); er bevorzugt als zartes Pflänzchen die schattigeren Bereiche, die nur selten von Sonnenstrahlen überstrichen werden.
In den oberen Abschnitten des
Naturschutzgebiets bleibt der Waldboden über weite Abschnitte völlig
ohne schützende Vegetationsdecke, auch fehlt die schwer zersetzbare
Buchenstreuauflage - sie wird aus den vergleichsweise exponierten
Stellen weggeweht. Hier haben wir, gemessen an der Wuchsleistung der
Buche, die schlechteste Standortvariante des Konventwaldes vor uns. Die
Draht-Schmiele (Avenella flexuosa), ein herdenbildendes Waldgras mit schmalen, leicht glänzenden Halmen, und die Weiße Hainsimse (Luzula luzuloides)
gehören zu den wenigen Arten, die auf dem armen, vielleicht durch eine
weit zurückliegende Weidenutzung verhagerten Waldboden ihr Auskommen
finden.
Der nach Osten orientierte
Hang dagegen ist schattiger und besitzt einen deutlich frischeren
Boden. Vor allem am Unterhang hält das zur Oberfläche drängende
Grundwasser den tiefgründigen Boden ganzjährig feucht, so daß unter dem
dichten Schirm der Buchen und Tannen eine besser entwickelte
Bodenvegetation vorhanden ist. Die jährlich anfallende Laubund
Nadelstreu wird wegen der günstigen Bedingungen besser abgebaut und die
darin enthaltenen Nährstoffe den Pflanzen wieder zur Verfügung
gestellt. Goldnessel (Lamium galeobdolon), Aronstab (Arum maculatum), Hexenkraut (Circaea lutetiana), Waldmeister (Galium odoratum), Rühr-mich-nicht-an (Impatiens noIi-tangere) und Breitblättriger Domfam (Dryopteris dilatata) zeigen die guten Standortbedingungen an. Gruppen von Fuchs’ Greiskraut (Senecio fuchsii)
schließlich wachsen an den etwas verlichteten Stellen, besonders dann,
wenn die Lücken zwischen den Baumkronen über einige Jahre beständig
sind. Dies ist jedoch nicht häufig der Fall, weil beim Ausfall eines
Baumes dessen Nachbarn durch vermehrtes Wachstum ihrer Äste den
Zwischenraum bald wieder schließen. Zahlreich ist der Buchenjungwuchs,
der sich abschnittsweise zu einer dichten Schicht zusammenschließt.
Seltener ist die Tannenverjüngung, die unter dem Verbiß durch den hohen
Wild bestand zu leiden hat;
ein Hinweis darauf, daß nicht alle Vorgänge im Bannwald vom Menschen
völlig unbeeinflußt stattfinden und deshalb "natürlich“ sind.
Im Wald verteilt befindet sich
überall Totholz. Es ist jedoch nicht sehr häufig, da der Wald noch
nicht seine „Altersphase“ erreicht hat. Das meiste geht wohl auf
Blitzeinschläge, Eisbruch und Sturmwurf zurück. Von abgebrochenen
Bäumen steht oft nur ein morscher, teils zerfetzter Stamm, in dessen
Holz die madensuchenden Spechte zahlreiche Löcher gehackt haben und
Pilze ihre Fruchtkörper ausbilden. Am Boden liegen die herabgefallenen
Gipfelstücke, oft überzogen von einem Moos- oder Flechtenteppich. Ein
aufmerksamer Beobachter kann alle möglichen Zerfallsstufen des
frischen, hellfarbigen, noch festen Holzes bis hin zum dunkelbraunen,
mürben, leicht zerbröselnden Material beobachten.
Im Bannwald gibt es eine
breite Hangmulde. Hier tritt in kleineren Quellen Grundwasser an die
Oberfläche, durchsickert den Boden und sammelt sich schließlich in
einem kleinen Bächlein. An diesen feuchteren Standorten gedeihen die
Frühjahrsblüher Bär-Lauch (Allium ursinum), Frühlings-Scharbockskraut (Ficaria verna) und Hohler Lerchensporn (Corydalis cava).
Sie nutzen die ersten Wannen Tage des Frühlings zum Wachstum und haben
ihren jährlichen Lebenszyklus bereits abgeschlossen, wenn die Laubbäume
ihr Blätterdach entfalten. Die großkronigen Buchen, zu denen sich hier
auch der Berg-Ahom gesellt, stehen recht weit voneinander entfernt, so
daß der Eindruck eines hallenanigen Waldes entsteht. Vor allem die
schuttreiche Sohle der Hangmulde wird von den Bäumen gemieden. An ihrem
Grunde fließt in einer engen Rinne ein kleiner Bach. Er hat sich im
beweglichen Schutt bereits in einige Anne aufgeteilt. Auf dem groben
Material wachsen im dunklen Schatten der hochgewachsenen Bäume
Hänge-Segge (Carex pendula), Gegenblättriges Milzkraut (Chzysosplenium oppositzfolium), Wald-Stemmiere (Stellaria nemorum) und Waldziest (Stachys sylvatica). P. Lutz