Kirchzartener Tal, 18. Februar 1909.
Im Jahre 1902 wurde an Fastnacht in Kirchzarten der Auszug des Ritters
Kuno zum fünften Kreuzzug (1228) aufgeführt. Seit jener Zeit kamen
andere historische Stücke. So: Die Sohn wird mein Rächer sein (Ort der
Handlung: Kyburg); ferner während der letzten Weihnachtsfeiertage:
Peter Mayer, der Wirt an der Mahr und an Fasnacht 1908: Der Durchzug
der Prinzessin Antoinette zur Aufführung. Alle diese Veranstaltungen
fanden allgemein anerkannten Beifall. Heuer, am Fastnachtsmontag soll
nun die Rückkehr Ritter Kunos gefeiert werden. Dem historischen
Fastnachtszug ist folgende Idee zugrunde gelegt: Rückkehr Ritter Kunos
oder Der Pilger nach der Falkensteig und das Ringwunder. . Ritter Kuno
zieht ins heilige Land, teilt beim Abschied von seiner Gemahlin Ida
seinen Ehering in zwei Teile und bedeutet ihr, dass sie, wenn er
innerhalb 7 Jahre nicht zurückkehre, ihn für tot halten und eine zweite
Ehe eingehen könne. Viele Ritter, darunter auch Jung Kyburg, warben um
die Hand Idas. Letzterer versicherte der um ihren Gemahl Trauernden,
Kuno sei im hl. Lande verstorben, worauf sie ihm ihre Hand versprach.
Die Talvogtei Kirchzarten, die Gemeindebehörde, an der Spitze der
Talvogt von und zu Guldenglanz, sowie die stolzen Ritter aus der Gegend
holen sie in stattlichem Zuge von 250 bis 300 Personen in den Trachten
damaliger Zeit mit 30 bis 40 Pferden und gezierten Wagen zur Trauung
ab. (Ankunft 1 Uhr beim Bahnhof.) Während dann der stattliche
Huldigungszug der Braut vor dem Rathause auf der großartig geschmückten
Tribüne die Glückwünsche darbringt, ihr einen Ehrentrunk bietet und
schmucke Mädchen Geschenke überreichen, kommen wandernde Pilger
talaufwärts. Einer von ihnen erbittet sich aus der Hand der Braut einen
stärkenden Trunk, den sie ihm in huldvoller Weise reicht. Den Becher
gibt er ihr dankend mit einem halben Ring, den er als Kleinod treu
bewahrt und gehütet, im Pokale zurück. Ida betrachtet den halben Ring
und legt ebenfalls einen halben Ring in den Becher. Sie erkennt in dem
Pilger ihren Gemahl Kuno von Falkensteig. Ganz Kirchzarten trifft emsig
die nötigen Vorbereitungen und scheut dabei weder Arbeit noch Geld.
Wohl schwerlich dürfte jemand, der am Fastnachtsmontag seine Schritte
nach Kirchzarten lenkt, ob des Gebotenen enttäuscht sein. Für Witz und
Humor ist reichlich Sorge getragen. Der heurige Fastnachtszug wird
denen früherer Jahre in keiner Weise nachstehen, eher wird er sie noch
übertreffen
Freiburger Zeitung am Samstag den 20. Februar 1909
Historischer Fastnachtszug in Kirchzarten.
Kirchzarten, 28. Februar 1909
Von Berg und Tal, zu Fuß und Wagen, strömten gestern die Leute herbei,
um den großen Fastnachtszug zu sehen; auch aus Freiburg brachten die
Eisenbahnzüge viele Zuschauer, sodaß das schaulustige Publikum nach
Tausenden zählte.
Um 1 Uhr stellte sich der Hochzeitszug bei dem Hofgute Brandenburg
(Gemeinde Burg) auf und setzte sich von dort aus in Bewegung. Der
prachtvoll gezierte Brautwagen, in dem die Gräfin Ida und ihr
Edelfräulein saßen, wurde von vier bunt aufgeputzten Schimmeln gezogen
und wurde rechts und links von Landsknechten begleitet. In dem Gefolge
befanden sich ihr Bräutigam, der Ritter von Kyburg, hoch zu Roß, ferner
die befreundeten benachbarten Ritter, wie die Herren von Schnewlin, von
der Wiesneck, umgeben von ihren Knappen; ihnen folgten Burgsoldaten mit
Lanzen, Bogen und einem Geschütze, das von zwei kräftigen Stiere
gezogen wurde. Als der Hochzeitszug bei dem Bahnhofe angekommen war,
wurde er von dem Talvogte von und zu Guldenglanz, den Honaratioren von
Kirchzarten, der Schuljugend und einer tausendköpfigen Menge festlich
empfangen. Namens der Gemeinde Kirchzarten brachte der Talvogt der
Braut die Glückwünsche dar, wofür sie und ihr Bräutigam herzlich
dankten. Unter dem Donner der Geschütze vollzog sich nun der feierlich
Einzug in Kirchzarten: Voraus die Festreiter, dann die Schulkinder und
die Trachtenmädchen, die aus dem ganzen Breisgau und dem benachbarten
Markgräflerlande, herbeigekommen waren, eine Musikkapelle, hierauf die
strammen Schritte der Bürgergarde, drei schmucke Reiter mit der
Burgfahne, der Hochzeitswagen, der ganz besonders die Aufmerksamkeit
auf sich lenkte: hübsch fanden sich dabei die schmucken Pagen in ihren
Rollen, sodaß man glauben konnte, sie hätten schon seit langer Zeit in
Hofdiensten gestanden. In bunter Reihe folgte nun der Wagen der
Burgfräulein und dann die Schar der Landsknechte; ihnen schlossen sich
Bräutigam, Ritter, Burgsoldaten usw. an. Nun war wieder eine
Musikkapelle eingeschalten, auf die der Wagen mit dem Talvogt, dem
breitschultrigen Stadtkommandanten und dem Ratschreiber folgten. Der
Stadtrat von Kirchzarten schloß sich mit seinem Oberhaupte an, worauf
die Wagen mit den Gutsherren von Birkenreute und Attental und die
Zünfte den Schluß bildeten.
Auf dem Kirchplatze allwo eine geräumige Tribüne errichtet war, fand
nun der eigentliche Festakt statt. Der würdige Talvogt hielt eine
Ansprache, worauf die Vorstellung der Gemeindehonoratioren erfolgte.
Die anwesenden Ritter brachten der Gräfin ihre Glückwünsche dar. Ein
Schulkind brachte seine Glückwünsche im Namen seiner Mitschüler in
einem reizenden Gedichte zum Ausdruck.
Plötzlich ertönten Trompetensignale. Es nahten drei Pilger, unter denen
sich unerkannt Ritter Kuno befand. Man reichte ihm den Pokal mit dem
Ehrentrunke, in welchen er die Hälfte eines Ringes legte. Der von ihm
geleerte Pokal wird der Gräfin Ida von Falkenstein gereicht, diese
legte die von ihr als Kleinod aufbewahrte andere Hälfte des Ringes dazu
und nun vereinigten sich die beiden Hälften zu einem ganzen. Die Gräfin
erkennt in dem Pilger, der sich inzwischen seines Pilgerkleides
entledigt hatte und in glänzender Rüstung vor ihr steht, ihren tot
geglaubten Gemahl. Der Ritter von Kyburg, der so nah daran war, die
Gräfin Ida von Falkenstein als seine Gemahlin heimzuführen, bittet den
Ritter Kuno fußfällig um Verzeihung, die ihm dieser auch ritterlich
gewährte.
Nach dem Festakte setzte sich der Zug nochmals durch die dichtbelebten Straßen von Kirchzarten in Bewegung.
Es gebührt den Veranstaltern dieses Festes sowie den mitwirkenden
Personen großer Dank; denn alles klappte gut und jeder Festteilnehmer
dürfte Kirchzarten hochbefriedigt von dem Gesehenen und Gehörten
verlassen haben.