Die Villa des Baldenwegerhofs und
Wilhelm Furtwängler
Elke
Kamprad
u.a.
aus: Badische Zeitung, Sa, 10. Apr 2021
Einst sollte auch ein Star-Dirigent hier einziehen
Spannend ist auch die Tatsache, dass damals beinahe der
bedeutende Dirigent Wilhelm Furtwängler (1886 bis 1954) in die
Baldenweger Villa eingezogen wäre.
1922 wurde der 36-jährige Furtwängler Chefdirigent der Berliner
Philharmoniker. Zusammen wurden sie weltberühmt, feierten
triumphale Erfolge – und steckten dennoch 1933 kurz vor dem
Bankrott. Hitlers Propagandaminister Goebbels übernahm nur zu
gerne die Finanzierung dieses hervorragenden Klangkörpers und
machte es zum werbewirksamen Botschafter deutscher Kultur. Es
gibt Fotos, auf denen Furtwängler im Angesicht von Hakenkreuz
und Hitlerportrait dirigiert.
Furtwängler setzte sich aber auch für seine jüdischen
Orchestermusiker und politisch verfolgte Komponisten ein. Schon
1934 kam es zum Eklat: Die NS-Machthaber hatten die Uraufführung
von Paul Hindemiths Oper "Mathis der Maler" verboten, woraufhin
Furtwängler sein Amt als Chefdirigent der Berliner
Philharmoniker und der Staatsoper niederlegte.
Ein Jahr später kehrte er zurück, allerdings nur als
Gastdirigent und ohne offizielle Ämter zu übernehmen. Für
Furtwängler begann die Gratwanderung zwischen seinem Wunsch,
deutscher Musik und Kultur zu dienen und andererseits, im
politischen Unrechtssystem zu überleben. Hier könnte auch die
Antwort liegen, warum Furtwängler nie Besitzer der Baldenweger
Villa wurde.
Hitler machte Furtwängler Angebote
Mitten im Krieg, 1943, heiratete der weltberühmte Dirigent zum
zweiten Mal: die jung verwitwete Elisabeth Ackermann mit ihren
vier Kindern. Als Hitler erfuhr, dass Furtwängler nun für sich
und seine Familie ein bombensicheres Refugium suchte, ließ er
ihm Angebote machen in der Absicht, den vielreisenden Star
stärker an Deutschland zu binden.
Doch das Haus am bayerischen See lehnte Furtwängler ab, weil er
sich in einem Haus aus vermutlich ehemaligem Judenvermögen nicht
wohl fühlen würde. "In einer Zeit, wo so viele Deutsche durch
den Krieg um Haus und Heim gebracht werden, könnte ich nicht das
Geschenk eines eigenen Hauses annehmen", erklärte sich
Furtwängler später im Entnazifizierungsprozess noch weiter dazu.
Auch Reichskanzlei-Chef Martin Bormann hatte ein würdiges
Dirigenten-Domizil gefunden: die Baldenweger Villa. Immerhin
hatte Furtwängler schon dreizehn Mal in Freiburg gastiert und
seine Familie stammte ursprünglich aus Furtwangen, vom
Furtwänglehof in Katzensteig. Doch der Dirigent griff auch hier
nicht zu und ließ sich Zeit mit der Antwort auf das Angebot.
Ende Oktober 1943 schrieb er Freiburgs Oberbürgermeister Hummel,
dass er aufgrund von zahlreichen Dirigierverpflichtungen und
Reisen bisher keine Zeit gehabt habe, früher zu antworten.
Furtwängler zögerte
Überhaupt schob er das Projekt auf die lange Bank: "Zu dieser
Zeit ist es mir unmöglich, dem Projekt, das sehr schön klingt,
näherzutreten, da ich es mir unbedingt selber ansehen möchte,
bevor ich einen Entschluss fasse." Er werde frühestens im
nächsten Frühjahr nach Freiburg fahren können, schrieb er.
Nun muss man wissen, dass Familie Furtwängler zu diesem
Zeitpunkt bereits einen neuen Wohnort bezogen hatte: Schloss
Achleiten bei Linz, in Österreich. Furtwänglers Bruder Walther
hatte den Kontakt zur Schlossbesitzerin Bernarda von Aichinger
hergestellt. Gerne überließ sie Furtwänglers eine Etage in ihrem
Rittergut, da sie ohnehin verpflichtet worden wäre,
"Ausgebombte" einzuquartieren. Furtwänglers Sekretärin schickte
dann Ende November 1943 die Pläne und Ansichten der Villa zurück
nach Freiburg. Und Furtwängler kam nie nach Wittental.
Bormann übrigens hatte im Schwarzwald noch eine andere schmucke
Villa gefunden: am Schluchsee. Er ließ sie im besagten Jahr 1943
mit Material von Hitlers Baustelle am Obersalzberg für seine
eigene 10-köpfige Familie samt Personal umbauen. Ehefrau Gerda
war dann bis 1950 Besitzerin der ehemals jüdischen Villa am
Schluchsee. Sie hatte dem Fahrradzubehör-Fabrikanten Siegfried
Menke gehört, der unter nationalsozialistischem Druck
zwangsverkaufen musste und nach Argentinien auswanderte.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Aus dem Staatsarchiv Freiburg
Aus der Korrespondenz
Freiburg, 28. September 1943
Ministerialrat Dr. von H u m m e l hat heute mit einem Begleiter
dem
Herrn Oberbürgermeister Besuch gemacht. Der Herr
Oberbürgermeister hat
seinen Vorschlag, den er unterm l8. d.Mts. an den Gauleiter
richtete,
mit Herrn Ministerialrat Dr. von Hummel besprochen und ihm dabei
die
Akten des Bezirksamts mit den Plänen der zum Baldenwegerhof
gehörigen
Villa auf Gemarkung Wittental ausgehändigt. Hierauf ist im
Auftrag des
Herrn Oberbürgermeisters Oberbaudirektor Dr.Schlippe mit den
beiden
Herren nach dem Baldenwegerhof gefahren, um das Landhaus zu
besichtigen. Wie Herr Dr.Schlippe mitteilt, war Ministerialrat
Dr. von
Hummel von dem Anwesen begeistert. Er wird demnächst in der
Angelegenheit wieder von sich hören lassen.
Beschluss.
W.v. in 14 Tagen. (Dann auch Rückfordern der bezirksamtlichen
Akten.)
D.O.B.M.Abt.I
J.A. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
REICHSLEITER MARTIN
BORMANN
Der persönliche Referent
München 33, den 21.10. 1943 Führerbau
An den Herrn Oberbürgermeister
der Stadt Freiburg;
Freiburg i. Breisgau.
Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister!
Die Pläne und Unterlagen betreffend das Haus bei Kirchzarten
übersandte
ich Herrn Generalmusikdirektor Furtwängler mit der Bitte, das
Anwesen
bei nächster Gelegenheit zu besichtigen. Nach Lage der Dinge
rechne ich
persönlich sehr damit, daß Herr Generalmusikdirektor Furtwängler
diesen
Vorschlag annimmt. Ich werde Sie unterrichten, sobald mir eine
endgültige Stellungnahme zugegangen ist.
Hitler Gruß !
Ihr sehr ergebener
(Unterschrift H. von Hummel) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
REICHSLEITER MARTIN BORMANN
Der persönliche Referent
München 33, den 25.10. 1943 Führerbau
An den Herrn Oberbürgermeister
der Stadt Freiburg;
Freiburg i. Breisgau.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Ihr Schreiben vom 18. Oktober 1943 hat sich mit meinem Schreiber
vom
21.10.1945 gekreuzt. Ich habe Herrn Generalmusikdirektor
Furtwängler
gebeten, mir die Bauakten und Originalpläne zurückzuschicken,
damit ich
sie Ihnen zuleiten kann.
Hitler - Gruß !
Ihr
(Unterschrift: H. von Hummel Freiburg, 29. Oktober 1943
Beschluss W.V. nach 6 Wochen. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Potsdam, 28.10.43
Viktoriastraße 36.
Sehr verehrter Herr Dr. von Hummel,
ich erhielt Ihren Brief und die Pläne bei meiner Anwesenheit in
München, als ich gerade aus der Schweiz zurückgekehrt war. Ich
hatte
seitdem in Wien so viel zu tun, dass ich erst heute dazu komme,
Ihnen
für Ihre liebenswürdigen Bemühungen zu danken. Es ist jetzt
gerade die
Hochflut meiner Dirigierverpflichtungen und ich glaube, meine
Zeit ist
so disponiert, dass jeder Tag – ja jede Stunde durch Proben,
Konzerte,
Reisen usw. in Anspruch genommen ist.
Zu dieser Zeit ist es mir unmöglich, dem Projekt, das sehr schön
klingt, näherzutreten, da ich es mir unbedingt selber ansehen
möchte,
bevor ich einen Entschluss fasse. Ich werde, sobald es meine
Zeit
erlaubt, nach Beendigung der Saison - was freilich erst im
Frühjahr
sein kann - nach Freiburg fahren, und werde mir erlauben, Sie
rechtzeitig vorher zu benachrichtigen.
Mit besten Empfehlungen und Hitler - Gruß !
Ihr sehr ergebener
gez. Dr. Wilhelm Furtwängler
(ohne Unterschrift) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
REICHSLEITER MARTIN BORMANN
Der persönliche Referent
München 33, den 4.11. 1943 Führerbau
An den Herrn Oberbürgermeister
der Stadt Freiburg;
Freiburg i.Breisgau.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Im Nachgang zu meinem Schreiben vom 25.l0.1943 darf ich Ihnen in
der
Anlage Abschrift eines Schreibens des Herrn
Generalmusikdirektors
Furtwängler mit der Bitte um Kenntnisnahme übersenden. Ich
glaube
bestimmt, daß das von Ihnen angebotene Anwesen Herrn
Generalmusikdirektor Furtwängler zusagen wird und hoffe, es wird
möglich sein, das Anwesen zu einem früheren Zeitpunkt zu
besichtigen.
Hitler - Gruß !
Ihr sehr ergebener
(Unterschrift: H. v. Hummel) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Abschrift
Potsdam, 6.11.43
Sehr verehrter Herr Dr. von Hummel,
Ihr Schreiben vom 25.0kt. hat sich mit einem Brief Dr.
Furtwänglers an
Sie gekreuzt. Die Pläne, die Sie für das Landratsamt Freiburg
benötigen, befinden sich leider in Achleiten b.
Linz, wohin Frau Furtwängler (Dr. Furtwängler selber ist bis
Weihnachten fortgesetzt unterwegs) erst Mitte November
zurückkehrt. Sie
wird Ihnen dann die Pläne sofort zurücksenden. Während ihrer
Abwesenheit dürfte es schwer sein, die Pläne herauszufinden. Dr.
Furtwängler bedauert sehr, wenn dadurch Ungelegenheiten
entstehen und
sendet Ihnen seine besten Empfehlungen
Ihre sehr ergebene
gez. Frau von Rechenberg
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
REICHSLEITER MARTIN BORMANN
Der persönliche Referent
München 33, den 24.11. 1943 Führerbau
An den Herrn Oberbürgermeister
der Stadt Freiburg;
Freiburg i.Breisgau.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
In der Anlage übersende ich Ihnen Abschrift eines Schreibens der
Sekretärin des Herrn Generalmusikdirektors Furtwängler, Frau von
Rechenberg, dem ich zu entnehmen bitte, daß die von Ihnen
erbetenen
Originalpläne und Originalunterlagen bei nächster Gelegenheit
zurückgesandt werden.
Hitler - Gruß !
Ihr
(Unterschrift: H. v. Hummel) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
REICHSLEITER MARTIN BORMANN
Der persönliche Referent
München 33, den 30.11. 1943 Führerbau
An den Herrn Oberbürgermeister
der Stadt Freiburg;
Freiburg i.Breisgau.
Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister!
Im Nachgange zu meinem Schreiben vom 24.11.1945 übersende ich
Ihnen in
der Anlage die nunmehr eingegangenen Originalunterlagen, die mir
Herr
Generalmusikdirektor Furtwängler heute zustellt
Hitler -Gruß !
Ihr sehr ergebener
(Unterschrift: H. v. Hummel)
Beschluss
l. - R.v. - an das Städt. Polizeiamt zur Rückgabe der Akten und
des Planes an den Landrat Freiburg.
2. Beleg und W.V. nach Woche.
Städt. Hochbauamt
Freiburg i.Br., den 22. Juni 1944
Einbau von 2 Wohnungen auf dem Baldenweger Hof, Gemeinde
Wittental.
I. An den Herrn Landrat des Landkreises I u. II, Freiburg i.Br.
Im Speicher des zweigeschossigen Wohn- und Verwaltungsgebäudes
auf dem
der Allgemeinen Stiftungsverwaltung gehörigen Baldenweger Hof in
der
Gemeinde Wittental sollen für umzusiedelnde verheiratete
Deutsch-Russen
2 Wohnungen mit je Küche und 2 Zimmern eingebaut werden. Dieser
Speicherraum ist für den beabsichtigten Wohnungseinbau besonders
gut
geeignet, weil die Gaubenfenster schon vorhanden sind und somit
ein
Aufreißen der Dachfläche zur Aufstellung neuer Gauben nicht
nötig ist.
Hierdurch wird auch außer einer Materialersparnis eine
Kostenverbilligung erreicht. Die Bausumme beträgt für beide
Wohnungen
3360.- RM, somit für eine Wohnung lt. Beiliegenden
Kostenüberschlag
1680.- RM.
In der Anlage legen wir den Antrag auf Ausnahme vom Bauverbot
nebst den
nötigen Unterlagen vor, mit der Bitte um baupolizeiliche
Genehmigung
und Zuweisung der in dem Antrag auf Ausnahme vom Bauverbot
aufgeführten
erforderlichen Baumaterialien und zwar
a) Baueisen 130 kg
c) NE-Metalle
1. Alu 9 kg;
6. Walz Zink 4 kg
d) Bauholz (Schnittholz) 2,00 cbm
f) Holzfaserplatten 160.- qm
n) Glas 2,00 qm
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
IMMOBILIENBÜRO Lambert Wehrle
FREIBURG IM BREISGAU
ADOLF HITLER STRASSE 240
TELEFON 7029
25. Juli 44
Herrn Oberbürgermeister
Dr. Franz K e r b e r
Freiburg i/Brsg.
Schönererstr. 26
Betrifft: Baldenwegerhof
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister !
Im Nachgang zu meınem Schreiben v. 14. Ds. erlaube ich mir
ergänzend
bekanntzugeben, dass der bereits genannte Herr Haselbach als
ernsthafter und raschentschlossener Kaufinteressent für den
Baldenwegerhof, bereits in Freiburg i. Br. Maria Theresienstr.
12
seinen Wohnsitz hat.
Herr Haselbach hat mich gebeten der Hofeigentümerin als evtl.
Verkäuferin nachstehendes bekanntzugeben.
Herr Haselbach ist 1892 geboren, derzeitiger Pächter des 128 ha
grossen
Gutshofes der Stadt Freiburg in Schlesien. Das Pachtverhältnis
muss
aufgegeben werden, da die Stadt den grössten Teil des Geländes
für
Behelfsheime zur Verfügung stellen muss. Der dortige
Oberbürgermeister
(Träger des goldenen Ehrenzeichens der NSDAP) gibt Ihnen gerne
über
Herrn Haselbach jede gewünschte Auskunft.
Der Bewerber hat nebenbei in Schlesien Süssmost aus Aepfel und
Kirschen
hergestellt, und beabsichtigt im zusagenden Falle auf dem
Baldenwegerhof in grösserem Umfange Schattenmorellen
anzupflanzen, um
Kirschsüssmost herzustellen. Natürlich kommt nur eine
Selbstbewirtschaftung in Frage. Bezügl. Lieferung würde Herr H.
sich
verpflichten seine Erzeugnisse auch weiter hin bei den
städtischen
Einrichtungen ( Altersheim ) abzusetzen.
Nach Mitteilung des Herrn Haselbach ist auch die dortige
Gauwaltung der
DAF stark daran interessiert, dass H. H. die Möglichkeıt zum
Erwerb
eines Hofgutes hat. Der Bewerber würde den gewünschten Kaufpreis
in bar
leisten.
Beim Zustandekommen hat sich Herr H. zur Einführung bereit
erklärt,
der Stadt Freiburg als grosser Kunstfreund für den Theaterfond
RM
100.000.-- zur Verfügung zu stellen.
In Erwartung einer geschätzten Rückäusserung, bzw.
Einbestellung, zeichne ich mit
Hitler - Gruß !
Wehrle