zum Inhaltsverzeichnis

Das Gasthaus „zum Himmelreich‘“ —
ein Denkmal bäuerlicher Kultur in Kirchzarten

Von
HEINZ NIENHAUS
Schauinsland 2005, Seite 71 bis 78


Obwohl nicht exakt nachweisbar, spricht vieles dafür, dass die Anfänge des Hofeuts „Himmelreich“, im östlichen Dreisamtal am Eingang von Höllen- und Wagensteigtal gelegen, in einem engen Zusammenhang mit der Erschließung des Schwarzwaldes stehen. Hierfür waren Straßen erforderlich, die ihrerseits auf bestimmte siedlungsgeschichtliche Voraussetzungen angewiesen waren. Ohne ausreichende Hilfs-, Vorspann-, Rast- und Übernachtungsstationen, die natürlich nicht völlig isoliert, ohne jegliche eigene landwirtschaftliche Grundlage oder landwirtschaftliches Hinterland existieren konnten, war das Reisen in damaliger Zeit kaum möglich. Bei Unwetter, Unfällen oder Schäden am Gefährt usw. waren die Fuhrleute und Reisenden auf schnellste Hilfe angewiesen. Auch mussten die Straßen ständig durch die Anwohner überwacht und bei Überflutung, Steinschlag oder umgestürzten Bäumen kurzfristig wieder passierbar gemacht werden. Das galt auch für das Wagensteigtal und insbesondere für die durch ausgedehnte Waldungen und tiefe Felsschluchten führende, schon um 1100 verkehrstechnisch genutzte Höllentalstraße (1) deren Trasse in damaliger Zeit sowohl den Straßenbauern als auch Reisenden einiges abverlangte.

1. Vgl. ALFONS SCHAFER: Die Höllentalstraße, Ihre Erschließung und ihre Bedeutung für den Handelsverkehr vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. In: Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft. Festschrift für Clemens Bauer zum 75. Geburtstag. Hg. von ERICH HASSINGER. Berlin 1974, S. 111-151, hier $. 125 und 146.
 
NienhausAbb1
Abb.1 Das Gasthaus „zum Himmelreich“ am Eingang des Höllentals in Kirchzarten-Burg um 1900. Das kaminlose Dach ist noch vollständig mit Holzschindeln gedeckt (Nienhaus)


Schon im 14. Jahrhundert wird von einem Kölner und Löwen Lehen im östlichen Zartener Becken am Eingang der Passstraße berichtet,(2) die übrigens erst im 17. Jahrhundert zu ihrem Namen Höllentalstraße kam.(3) Bei den erwähnten Lehen handelt es sich mit einem Höchstmaß an Wahrscheinlichkeit um das schon 1505 als Himelrych bezeichnete Hofgut,
(4) dessen Besitzer um diese Zeit relativ oft wechselten.(5)

Um 1560 kam es zu einer interessanten juristischen Auseinandersetzung, aus deren schriftlichem Niederschlag zu entnehmen ist, dass das Hofgut „Himmelreich“ zu dieser Zeit - vielleicht auch schon früher — auch als Wirtshaus (Herberge) genutzt wurde.
(6) Das Gericht hatte folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Thoman Lindenmeyer, sesshaft in Himmelreich, besaß unter anderem vier Jucherten Matten, die so genannten Mühlenmatten, die — so meinte Paul Duffner aus Kirchzarten — zu seinem Gut gehörten, Deshalb klagte er Eigentumsansprüche ein, Lindenmeyer setzte dem entgegen, er habe die herberg im Himmelreich mit ihrer zugehördt von Jacob Ferber gekauft und zwar gemäß einem Kaufbrief, den er bey handen habe. In diesem Brief waren neben Lindenmeyers erkauftem übrigen Besitz auch die strittigen vier Jucherten Matten aufgeführt. Duffner hingegen vertrat die Auffassung, das könne nicht rechtens sein, da die Matten schon vor zwey oder drey hundert Jaren zu seinen Guettern gehördt hätten. Um Duffner die Möglichkeit zu bieten, eindeutige Beweise für seine Argumentation vorzulegen, vertagte man die Verhandlung. Bei dem erneuten Termin legte Duffner ein Urbar des Klosters Günterstal aus dem Jahre 1530 vor, worin u.a. sein Gut mit den besagten Matten eingetragen war. Darüber hinaus konnte er nachweisen, dass seinerzeit Zinsen für das gesamte Gut — also auch für die strittigen Matten — an das Kloster gezahlt worden waren. Duffner glaubte damit den Beweis erbracht zu haben, dass die Matten — auch dreißig Jahre danach — nur sein Eigentum sein könnten. Das Gericht schloss sich dieser Argumentation jedoch nicht an und entschied gegen Duffner. Nach dem Urteil aus dem Jahre 1563 blieben die Matten im Eigentum des Thoman Lindenmeyer, der — so das Gericht — die umstrittenen Matten rechtmäßig von Jacob Ferber erworben hätte. Dieser Jacob Ferber war Vormund von Anna Vischer, deren Vater Wilhelm das Hofgut und Gasthaus „zum Himmelreich“ vor Ferber besessen hatte.
Alte Akten belegen, dass Vischer bei Abschluss des Kaufvertrags zwischen Ferber und Lindenmeyer im Jahre 1540 als Zeuge auftrat.
(7)
 
Am 4. Oktober 1589 trat Thoman Lindenmeyer das Hofgut an seinen Sohn Ulrich ab, der es aber schon am 13. Februar 1593 an Mathis Toller aus Kirchzarten verkaufte.
(8) Zum Hofgut gehörten schon damals zwei heuser samt dem steine steckle, was darinnen nutt und nagel fest .., das kürchlein, auch die Schmide samt müle und müllengeschirr (9)

2.
Stadtarchiv Freiburg (Stadt AF}, B4 Nr. 11: Ernüwrung und Bereinigung [der] höf und güter der ... herren bur-
germeisters und rats der statt Friburg eigentum järlicher zinsen, gülten, gevellen und rechten [in] Sant Merien,
Wagensteig, Varenberg, Breitnow, Zarten, Burg, Kolenbach, Bickenrüti, Wvlerspach, Oberriet, Kilchzarten, Ge-
ristal, Wisnegk, Wytental und Attental. 1502. Diese Pergamenthandschrifi enthält auch Hinweise auf Lehen und
Güter dieses Gebiets aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Karı. Morsch: Geschichte des Gasthauses zum Him-
melreich. In: Alemannische Heimat 4, 1937, Nr. 5.
3. Der Name Höllental ıst abgeleitet aus einem im Jahre 1671 verfassten Bericht des kaiserlichen Ingenieurs Elias Gumpp. der im Auftrag des Freiburger Kommandanten die Schwarzwaldpässe für Maßnahmen der habsburgischen Landesverteidigung zu inspizieren hatte. Gumpp schreibt u.a.: /n der Falckenberger Staig, so man erst durch die große Hölle hindurch muß, könnte entweder hier vornen das alte Schloß (Falkenstein) in erwas zugerichtet oder aber besser hinten in der Enge der Steig bewahrt werden oder gar droben auf der Steig, wie mans am besten befindet, Vgl. SCHÄFER (wie Anm. 1). $. 140.
4. StadtAF, Al VIHa, Talvogtei, Blatt 138: ... Jörg Höflin genannt Swab, Vogt in Himmelreich, hält uf dem gut genannt Himelrych ... dinggericht und spricht zu Recht .... 12. November 1503.
5. Ebd., Blätter 58, 79, 98f., 138 und 1671.
6. Ebd., Blatt 190; MortscH (wie Anm. 2).
7. StadtAF, Al VIlla, Talvogtei, Blätter 168 und 184; Morsch (wie Anm. 2).
8. MortscH (wie Anm. 2).
9. Ebd,

Außerdem war ein Weinwagen mit fünf Fässern im Kaufpreis von 2.920 Gulden inbegriffen — eine für die damalige Zeit sehr hohe Summe.(10)

Über das steine steckle und dem kürchlein, das den Namen des heilige Jakobus trägt, wird 1937 wie folgt berichtet (vgl. Abb. 3):

„... Im zweiten Stock des ‚steine steckle’ befand sich ein besonders schönes Zimmer, in welchem der Talvogt Gericht gehalten hatte. Das ‚kürchlein’, das sich ebenfalls noch beim Hof befindet, liegt etwas abseits an der Straße und ist leider heute durch die immer mehr sich verbreiternde Landstraße etwas unanschlich geworden. Diese kleine Kapelle hatte wie auch verschiedene andere Kapellen des Tales einen Kapellenfonds, der sich aus gelegentlichen Stiftungen und aus den Erträgnissen des Opferstocks zusammensetzte, Die Bauern der umliegenden Höfe borgten gerne bei diesen Kapellenfonds Geld, sofern solches gerade vorhanden war.”
(11)
 

NienhausAbb3
Abb.3 Das in Teilbereichen modernisierte Gasthaus „zum Himmelreich” mit der Jakobuskapelle an ihrem ursprünglichen Standort um 1950. Die Kapelle wurde zwischenzeitlich zweimal versetzt und befindet sich nun auf der gegenüber liegenden Straßenseite, links neben dem Gasthaus (Nienhaus)

 
10. Kirchzarten: Geographie — Geschichte — Gegenwart. Festbuch zur Zwölfhundertjahrfeier. Hg. von GUNTHER HASELIER. Kirchzarten 1966, 5. 473.
11 Motsch (wie Anm. 2}.
12 Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald/Liste der Kulturdenkmale, I. Die Bau- und Kunstdenkmale des ehemaligen Kreises Freiburg. Hg. vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg — Außenstelle Freiburg und Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Freiburg 1974, 5. 55.


Beide Objekte, d.h. das steine steckle und das kürchlein, — nach Einschätzung der staatlichen Denkmalschützer im 16. Jahrhundert erbaut (12) — blieben bis heute erhalten, wenngleich sie in dien letzten Jahrzehnten einige mehr oder weniger gravierende Änderungen über sich ergehen lassen mussten. In den 1960/70er-Jahren waren beide Bauwerke — inzwischen zu Kulturdenkmalen herangereift — oftmals Gegenstand öffentlich geführter Diskussionen. Gründe dafür bot der kontinuierliche Ausbau der Bundesstraße 31, dem die historischen Gebäude im Wege standen.(13) Den Vertretern des Regierungspräsidiums Südbaden, des Amtes für Staatliche Denkmalpflege, des Straßenbauamtes Freiburg und des Eigentümers des Hofguts, der Erbengemeinschaft Fauler, blieb keine andere Wahl, als nach Lösungen zu suchen, die von allen Beteiligten akzeptiert werden konnten. Während einige für den Abbruch beider Gebäude plädierten, wollten andere sie wegen des historischen Wertes lediglich um einige Meter versetzen. Die Presse griff diese Thematik, die schon wegen der hier eingeplanten Verwendung von Steuergeldern einigen Zündstoff bot, dankbar auf, berichtete in regelmäßigen Abständen über den Stand der Verhandlungen und bezog so die Öffentlichkeit in die Diskussionen mit ein. Bezüglich der Kapelle einigte man sich relativ schnell: Sie wurde abgebrochen und unter Verwendung der alten Ärchitekturteile, gewissermaßen als Kopie, nur wenige Meter von ihrem ursprünglichen Standort entfernt an der Böschung der B31 neu errichtet und 1963 eingeweiht.(14) Allerdings war das keine Lösung von Dauer; bereits 1985 sah man die Notwendigkeit, die Kapelle erneut zu versetzen.(15) Einerseits stand wieder einmal eine Verbreiterung der B 31 an, andererseits war die Kapelle jenseits der stark frequentierten Bundesstraße vom zugehörigen Gasthaus praktisch abgetrennt. Um sie gefahrlos erreichen zu können und sie enger in das denkmalgeschützte Hofensemble einzubeziehen, entschloss man sich letztendlich, sie auf die segenüberliegende Straßenseite, relativ nahe dem alten Schwarzwaldhaus und dem steine steckle, zu versetzen. Dort befindet sie sich seit 1986. (16)

Die Diskussionen um das Verlegen oder den Abbruch des steine steckle (später oftmals als Stöckle, Speicher, Zehntscheuer, Pferdestall, gelegentlich auch Wohngebäude bezeichnet) waren weit lebhafter und emotionaler als die um das Versetzen der Jakobuskapelle. Das Stöckle ist ein zweigeschossiges steinernes Gebäude mit Satteldach, dessen Traufseite der B 31 zugekehrt ist. In der hinteren Giebelwand gibt es zweimal drei gestaffelte Gruppenfenster mit hohlkehlig abgefassten Gewänden, die angeblich von der Burgruine Wiesneck stammen sollen. Über den außerordentlichen kulturhistorischen Wert dieses Gebäudes und der gesamten Hofanlage — so der ehemalige Hauptkonservator Hesselbacher — informiert ein Gutachten des bekannten Bauforschers und Gründers des Freilichtmuseums „Vogtsbauernhof“ in Gutach, Studienprofessor Hermann Schilli.
(17)

Im Jahre 1961 erklärte sich das Staatliche Amt für Denkmalpflege Freiburg i.Br. mit dem Abbruch und Wiederaufbau des Gebäudes in historisch getreuer Form an anderer Stelle des Hofguts einverstanden.
(18) Jedoch war das Vorhaben bis 1973, vermutlich der hohen Kosten wegen, noch immer nicht realisiert. Von den gleichen Denkmalschützern wurde nun vehement gegen das Versetzen des Gebäudes Einspruch erhoben.(19)

13. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg — Außenstelle Freiburg (LDA), Bau- und Kunstdenkmalpflege, Inventarisation, Akte Hofgut Himmelreich, Kirchzarten: Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Südbaden Nr. VA 762-4331 vom 10. Februar 1961.
14 Badische Zeitung vom 30./31. März 1963: Bildbericht o. T.; Stuttgarter Zeitung vom 22, Mai 1963, S. 18: Die verschobene Himmelreichkapelle.
15 LDA, Akte Hofgut Hıimmelreich, Kirchzarten: Brief des Architekturbüros K. Kellermann + J. Jäger an das Landesdenkmalamt Freiburg vom 19. März 1985.
16 Badische Zeitung vom 4. Dezember 1986: Jakobuskapelle dient wieder als Andachtsraum.
17 LDA, Akte Hofgut Himmelreich, Kirchzarten: Gutachten des Studienprofessors Hermann Schilli zum Gasthaus Himmelreich in Burg, vom 27.12.1960; Brief: Staatliches Amt für Denkmalpflege, Freiburg i.Br. an das Regierungspräsidium Südbaden als Obere Denkmalschutzbehörde Freiburg i.Br.. vom 20, April 1961, Betr.: Ausbau der Bundesstraße 31 beim Ortsteil Himmelreich der Gemeinde Burg (Landkreis Freiburg).
18 LDA, Akte Hofgut Himmelreich, Kirchzarten: Brief vom 20. April 1961.
19 LDA, Akte Hofgut Himmelreich, Kirchzarten: Aktennotiz von Hesselbacher an Meckes vom 9. August 1973.

Zwischenzeitlich hatte sich 1971 wieder einmal einer der zahlreichen tödlichen Unfälle an der Zehntscheuer ereignet. Ein leerer Tanklastzug war in das Gebäude gerast. Der Fahrer starb noch am Unfallort; das Stöckle wurde schwer beschädigt. Dieser Unfall löste große öffentliche Diskussionen aus, an denen sich auch die Medien mit gelegentlich recht kontroversen Kommentaren beteiligten.(20) Obwohl die öffentliche Meinung mehrheitlich für den Abbruch, d.h. gegen den Wiederaufbau des Stöckle am ursprünglichen Standort unter Einsatz von Steuergeldern, tendierte und sich nach Meldungen der Deutschen Presseagentur auch die
Denkmalpflege inzwischen dazu durchgerungen hatte, vom Wiederaufbau am ursprünglichen Platz abzusehen und das Gebäude einige Meter vom Fahrbahnrand entfernt neu zu errichten,
(21) verblieb das strittige Objekt letztendlich bis zum heutigen Tag am ursprünglichen Standort. Wegen des Unfallschadens musste es allerdings um rund 1,5 m gekürzt werden. (22)
 
Zurück zum Zentrum des Hofensembles, dem alten Schwarzwälder Bauernhaus mit der Gastwirtschaft. Auch vor dem Dreisam- und Höllental machten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges nicht Halt. Im Wechsel durchziehende schwedische, kaiserliche und seit 1637 auch französische Truppen plünderten, raubten und brandschatzten. Den Bewohnern blieb kaum eine andere Wahl, als möglichst rasch in die ausgedehnten und unwegsamen Wälder am Feldberg zu fliehen, wobei nur das Allernötigste und selbstverständlich die Wertsachen mitgenommen wurden. Bevorzugte Verstecke bot das Gebiet über Älbersbach.
(23) In dieser unwegsamen Gegend war man vor marodierenden Soldaten relativ sicher. Wie es dem Hofgut und Gasthaus „zum Himmelreich“ während der Kriegsjahre erging, ist nicht überliefert.

Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges war Jakob Rappenecker Wirt im „Himmelreich“. Im Jahre 1644 heiratete er Susanne Dengler, die Tochter des Wirts des Gasthauses „zum Rindsfuß“ in Kirchzarten — heute Hotel „Fortuna“. Er selbst stammte aus dem Weiler Brand. Offenbar um Kriegsschäden zu beheben, nahm Rappenecker um 1650 ein Darlehen von 50 Gulden bei dem Fonds der Jakobuskapelle auf, wofür er jährlich 22 Gulden Zinsen zahlte, sich verpflichtete, die Kapelle angemessen zu erhalten, dem Priester beim Gottesdienst behilflich zu sein und ihn anschließend zu bewirten. Die diesbezüglichen Verhandlungen führte er mit dem Talvogt Christoph Schal und dem Kirchzartener Vogt Georg Steinhart; sie waren Pfleger des Kirchenfonds.
(24) In diesem Zusammenhang ist eine Notiz im Kirchzartener Kirchenbuch aus der Zeit um 1765 interessant. Danach wurde am 25. Juli, dem Tag des Apostels Jakobus, eine Messe in der Kapelle gefeiert, bei der der „Himmelreich“-Wirt, wie mehr als hundert Jahre zuvor festgelegt, immer noch gehalten war, den Priester zu unterstützen, ihm seinen Aufwand angemessen zu vergüten und ihn zu verköstigen.

Im November 1665 richtete Jakob Rappenecker ein 3-tägiges Freischießen aus, zu dem Einladungen an alle Hofeigner der benachbarten Weiler ergingen.
(25) Offenbar waren die Sorgen und Nöte des Krieges inzwischen schon so weit überwunden, dass man sich wieder den Freuden des Lebens zuwandte.

(20) Badische Zeitung vom 7. November 1960: Denkmäler bäuerlicher Kultur; ebd. vom 9. September 1971: Tanklastzug raste in ein Wohnhaus — Ein Toter; ebd. vom 14. September 1971: Wiederaufbau an anderer Stelle; ebd. vom 15. September 1971: Noch keine Entscheidung getroffen: Breisgauer Nachrichten vom 18./19. September 1971: Nicht mehr am gleichen Fleck / Für bessere Sicht am Himmelreich.
(21) Breisgauer Nachrichten vom 18./19. September 1971.
(22) LDA, Akte Hofgut Himmelreich, Kirchzarten: Brief des Hans Stromeyer (Erbengemeinschaft Fauler) an das Landratsamt Freiburg vom 9. Juni 1972, AZ TA - 622.3, Betr.: Unerlaubtes Bauen der Erbengemeinschaft Fau-
ler auf dem Grundstück Lgb. Nr. $1 (Gasthaus Himmelreich) der Gemarkung Burg.
(23) MOTSCH (wie Anm. 2).
(24) Ebd.
(25) HASELIER (wie Anm. 10}, 8. 473.

Am 2. Januar 1672 starb Jakob Rappenecker im Älter von 65 Jahren. Seine Witwe Susanne fühlte sich offenbar noch recht rüstig, denn sie übergab den Hof nicht ihrem immerhin schon 28-jährigen Sohn Mathias, sondern heiratete nur ein halbes Jahr später Christian Winterhalter, dessen Vater Mathis Würth und Gastgäb im Alten Weg, Neustädter Amts war. Und auch diesen, ihren zweiten Ehemann, überlebte sie: Er starb am 10. Juni 1684. Sie zog sich aber immer noch nicht vollständig zurück. Zwar übergab sie ihrem Sohn jetzt den Hof, behielt sich aber die mehrere Meisterschaft vor. Erst ein Jahr vor ihrem Tod wurde das Gut 1688 endgültig auf Mathias Rappenecker überschrieben. Dabei wurde der Wert mit 2.750 Gulden beziffert.(26)

Eine Schwester des Mathias Rappenecker war mit dem Schmied Jakob Schlemmer verheiratet, der die zum Hof gehörende Schmiede von seinem Schwiegervater gepachtet hatte. Hierfür musste er jährlich 45 Gulden zahlen und die vier Pferde seines Schwiegervaters kostenlos beschlagen.
(27)
 
Mathias Rappenecker war nur wenige Jahre Wirt im „Himmelreich“; schon am 5. Februar 1694 starb er. Seine Witwe Ottilia, geborene Steiert, mit der er drei Kinder hatte, verehelichte sich am 10. August 1694 mit Andreas Strohmeier aus Bleibach. Da Christian Rappenecker, der einzige Sohn aus erster Ehe, früh verstarb, erhielt die Tochter Susanne das Hofgut. Sie heiratete den Kirchzartener Ochsenwirt Johann Steiert, der den „Ochsen“ am 10. Juni 1728 an Michael Wangler verpachtete und zu seiner Frau auf das stattlichere Gasthaus „zum Himmelreich“ zog. Noch im gleichen Jahr überschrieb ihm sein Schwiegervater Andreas Strohmeier das gesamte Hofgut. Der Übergabevertrag gibt zu erkennen, was im Einzelnen zu dem stattlichen Hof gehörte:

Erstlich ein groß wirtshaus sambt gerechtigkeit, doplet, auch einfache Scheuren und Stallung, darinnen zwey keller und ein neugewölbter. Item ein neugebauene schmitten, nebst Stallung undt Scheuren sambt schmitten werkhzeug, Amboß, auch all Ibriges Im gueten Standt. Item ein neugebauene Mahlmihlin mit zwey Gängen sambt darzue gehörigen Mihlingeschirr. Item Ein mit Stainen gemeuertes Hauß sambt zwey kellern — das alte „staine steckle" vor der Wirtschaft — Item ein von Stainen aufgeführtes bachhauß sambt einer angesetzten behaltnus. Item ein spichert. Item ein dreyfach gebauter schweine stahl undt holtzhauß. Item ein Kirchlein so auch lauth altem kauffbrieff zum Gueth verkaufft worden, welches der Bauer zu unterhalten hat.
(28)
 
Hinzu kamen noch 36 Juchert Matten, die zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt waren, 56 Juchert Acker und ein großes Stück Wildfeld und Wald. Für das alles zahlte der neue Besitzer Johann Steiert 6.300 Gulden.
(29)
 
Im Rahmen eines Umbaus in den 1930er-Jahren fand man das im Übergabevertrag angeführte behaltnus. Es war eine Art geheimer Raum zwischen zwei Mauern. Derartig versteckte Orte — in der Sprache des Talvolkes G´halt genannt — gibt es auch heute noch auf einigen Höfen. Größere und sicherer ausgebaute behaltnusse sind von Klöstern und städtischen Patrizierhäusern bekannt. Das wieder entdeckte behaltnus am Gasthaus „zum Himmelreich“ wurde natürlich intensivst auf Wertsachen untersucht — doch es war leer.
(30)
 
Um 1750 war Peter Hauser „Himmelreich“-Wirt. Obwohl seine Witwe Maria, geborene Zähringer, am 1. Juni 1771 Michael Frei vom benachbarten „Rainhof* heiratete, und dieser dem Betrieb bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts vorstand, blieb das Hofgut im Besitz der Familie Hauser.
(31) Das änderte sich erst im Jahre 1859, als wiederum ein Peter Hauser das gesamte Gut für 3.000 Gulden an Philipp Anton Fauler, der im Falkensteig ein Eisenwerk betrieb, veräußerte.(32)

26 MOTSCH (wie Anm. 2).
27 Ebd.
28 Ebd.
29 Ebd.
30 Ebd,
31 Vgl. HASELIER (wie Anm. 10), S 474, Morsch (wie Anm. 2).
32 Privatarchiv Erbengemeinschaft Fauler (PAEF), Kaufbrief vom 8. Mai 1859, In einer Kaufurkunde vom Landesamtsrevisionat Freiburg mit Datum vom 24. September 1859 sind alle Verkaufsbedingungen schriftlich fixiert. Dort heißt es u.a.: Peter Hauser und seine sechs volljährigen Kinder, die alle namentlich aufgeführt sind, verkaufen das Hofgut Himmelreich an Ph. Anton Fauler.

Unmittelbar nach diesem Kauf erschien in der „Breisgauer Zeitung” vom 7. August 1859 unter der Nr. 186 eine Verpachtungsanzeige, wonach die Realwirtschaft „Gasthaus zum Himmelreich” an der äußerst stark befahrenen Straße nach Donaueschingen und Schwaben einschließlich aller Matten, Ackerfelder, Oeconomiegebäude und Stallungen zu verpachten sei. Die Übernahme könne ab dem 16. September 1859 erfolgen: Pachtlustige mögen sich im Faulerschen Eisenwerk im Falkensteig bewerben. Bereits am 22. September 1859 wird ein Pachtvertrag zwischen Phil. Anton Fauler und Johann Hauser geschlossen, wobei Hauser während seiner Jahre auf dem Hof im Jahre 1873 mehrfach Einquartierungen von Soldaten über sich ergehen lassen musste.(33) Um 1879/81 wird von einem Pächter Josef Butz berichtet (34) wie lange er blieb, war nicht zu ermitteln.

Im Mai 1891 ist Michael Fehr als „Himmelreich“-Wirt belegt. Nach seinem Tod führte seit Januar 1897 seine Tochter Rosina, die mit Bernhard Vogt verheiratet war, das Gasthaus. Im Jahre 1919 wird von einem Pächter Adolf Zähringer berichtet, den am 18. April 1933 Theodor Fuchs aus Aulendorf ablöste.
(35) Noch im gleichen Jahr wurden die Wirtschaftsräume um einen 82 qm großen Tanzsaal erweitert, wozu man einen Teil der Stallungen entsprechend ausbaute.(36) Dennoch kam es schon kurz nach dieser Umbaumaßnahme im Jahre 1934 zu einem erneuten Pächterwechsel: Maria Ketterer, geborene Vogt, erhielt am 25. Oktober 1934 die Erlaubnis zum Betrieb der Real- und Personalgastwirtschaft „zum Himmelreich“, außerdem war sie berechtigt, öffentliche Tanzbelustigungen bis 12.00 Uhr abzuhalten.(37) Auch nach dem Tod ihres Ehemanns, Metzgermeister Wilhelm Ketterer, blieb Maria Ketterer bis mindestens zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Wirtin im „Himmelreich“, Für das Jahr 1944 war ihr auf Antrag vom Freiburger Landrat zugestanden worden, die Schankwirtschaft vorübergehend an einigen Tagen der Woche zu schließen. Allerdings wird in dem Schreiben des Landrats vom 16. Juni 1944 ausdrücklich vermerkt: Die Unterkunft und Verpflegung von Lufibetroffenen wird von dieser Verfügung nicht berührt und darf keine Unterbrechung erfahren.(38) Mit Luftbetroffenen waren offenbar die aus den Großstädten bzw. Ballungsgebieten „aufs Land“ geflüchteten Menschen gemeint, die von den Bombenangriffen der feindlichen Flugzeuge besonders bedroht oder bereits ausgebombt waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Gasthauses „zum Himmelreich“ mindestens noch vier Pächter: Am 19. März 1955 kam der Buchenbacher Koch Artur Dold, 1967 Günter Schiman und um 1998 Stefan Riehle. Schließlich pachtete im Jahre 2004 die „Hofgut Himmelreich GmbH" mit dem „Verein Netzwerk Diakonie e.V.“ als Alleingesellschafter das Hofgut. Diese Gesellschaft betreibt die historische Hofanlage als Restaurant und Hotel mit 30 Gästebetten: hinzu kommt ein Tagungsbereich mit zwei Tagungsräumen. Die noch relativ junge Gesellschaft wird als so genanntes Integrationsunternehmen geführt, d.h. sie bietet sowohl Mitarbeitern mit geistiger Behinderung (meist Downsyndrom) als auch nicht behinderten Mitarbeitern einen festen Arbeitsplatz. Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, das gesamte Hofensemble mit dem „Stöckle“, der Jakobuskapelle und weiteren Nebengebäuden, das als so genannte Sachgesamtheit unter Denkmalschutz steht, von der Erbengemeinschaft Fauler käuflich zu erwerben, um das zur Zeit noch in der Erprobungsphase befindliche Projekt „Unbekümmert miteinander leben, arbeiten und lernen“ Wirklichkeit werden zu lassen.

33. PAEF, Schriftliche Belege des Quartieramtes für den Monat August 1973: Einquartiert werden 10 Mann und Pferde.
34. PAEF, Schriftverkehr zwischen Pächter Butz und Eigentümer Fauler.
35. Gemeindearchiv Kirchzarten-Burg (GAK), V/2 FN 8: Pachtverträge.
36. Ebd.: Baugenehmigung vom 20, Juni 1933.
37. Ebd.: Amtliche Genehmigung zum Betrieb der Gastwirtschaft durch Maria Ketterer vom 25. Oktober 1934.
38. Ebd.: Schriftliche Mitteilung des Landratsamtes an Maria Ketterer vom 16, Juni 1944.

Aus: Das „Himmelreich“ am Eingang zum Höllental und der „Engel“ im Glottertal. Zur Geschichte, Typologie und Bauzeit von zwei historischen Bauerngasthäusern Von HEINZ NIENHAUS. Schauinsland 2005, Seite 71 - 89