zum Inhaltsverzeichnis

Wann erbe ich endlich?
Eine starke Frau: Susanna Dengler
aus:
Hermann Althaus
Kreuze, Bildstöcke, Grenzsteine im Dreisamtal und dessen Umgebung.
Schillinger Verlag Freiburg 2002


Das älteste steinerne Hochkreuz am Hofgut Himmelreich (1688)
Schnell vergeht die Zeit - die wenigsten Dreisamtäler kennen noch den alten Verlauf der Straße ins Wagensteigtal beim Hofgut Himmelreich, als am Eingang der Straße nach Buchenbach dieses älteste steinerne Hochkreuz stand. Es wurde zunächst in die Nähe der dann später ebenfalls versetzten Jakobuskapelle verbracht und dann noch einmal auf das Areal des alten Gasthauses Himmelreich versetzt, in dem ja bereits Marie Antoinette 1770 auf ihrer Hochzeits-Fahrt nach Frankreich abgestiegen war.

Der erste Hinweis auf dem schlichten Stein-Kreuz stammt aus dem Jahr 1688, ein weiterer von 1851, der letzte von 1988, als die „Fauler-Erben“ den Hof erwarben. Der kleine metallene Kruzifixus könnte in der Werkstatt am „Hohlen Graben“, eine frühe Gießerei zwischen St.Märgen und Waldau, gearbeitet worden sein.

Die Inschrift greift tief in die Dreisamtäler Ortsgeschichte zurück.
Man liest auf dem Sockel:

DIS CREITZ HAT JAKOB/ RAPENNECKER ZUE MACH/ EN LASEN WIE AUCH/ DURCH SEIN HAUSFR/AUW SUSANNA DENGLER/IN AUF GERICHT WORD/ EN ANO 1688

Darunter: RENOVIERT / DURCH PETER HAUSER / UND SEINE EHEFRAU/MARIA RUH/ 1851
Auf der Rückseite liest man: Restauriert 1988 (durch die Fauler-Erben).

Diese Susanna Dengler, von der auf dem Kreuz die Rede ist, muß eine lebenslustige und lebenstüchtige Frau gewesen sein. Sie war dreimal verheiratet, stammt aus dem Gasthaus Fortuna (das damals noch „zum Rindsfuß“ hieß) und war lange Zeit auch die Wirtin im Gasthaus „Himmelreich“. Sie hatte 1635 den Sohn des Sonnenwirts von Kirchzarten geehelicht, Matthias Dotter, der aber schon wenige Jahre später {vor 1644) verstarb. So sieht sie sich nach einem neuen Mann um und findet den Witwer Jakob Rappenecker, Bauer und Wirt vom Gasthaus Himmelreich. Zur Beseitigung von Kriegsschäden hatte er beim Kapellenfonds 50 Gulden Schulden gemacht, versorgt dafür aber auch die St.Jakobuskapelle am Hof in Himmelreich. Er hat bereits vier Kinder aus erster Ehe, mit ihr zeugt er sechs weitere Kinder.
Als ihr Mann Jakob Rappenecker 1672 (2.1.) stirbt, heiratet sie zum dritten Mal nur 8 Monate (7. 8. 1672) später, inzwischen 57 Jahre alt, den zehn Jahre jüngeren Witwer Christian Winterhalder, Wirtssohn vom Viertäler-Altenweg bei Neustadt. Wer will ihr das verdenken: alleinstehend mit einer so großen Kinderschar. Der eigentliche Nachfolger auf dem Hof sollte nach altem Anerbenrecht der Sohn Matthias Rappenecker, jüngster Sohn ihres verstorbenen zweiten Mannes, sein, der bei der dritten Heirat seiner Mutter bereits 28 Jahre alt ist und den Hof übernehmen könnte. Doch seine Mutter Susanna gibt das Heft nicht aus der Hand, und so muß der Sohn für den (jungen) Stiefvater arbeiten bis dieser 1684 stirbt. Aber immer noch will sich die Mutter nicht vom Regiment über Hof und Gaststätte trennen, obwohl der Sohn Matthias 1687 die Kirchzartener Gastwirtstochter Ottilia Steinhart geheiratet hat. Erst kurz vor dem Tode der Mutter (1688) kommt er mit 44 Jahren in den Besitz seiner Erbschaft und läßt das Kreuz, das sein Vater Jakob Rappenecker selig versprochen hatte, in Erfüllung des Gelübdes unten „an der Wagensteige” errichten.

Auf dem Hintergrund der Kenntnisse um die Familiengeschichte, die Oskar Hog aus Wagensteig Punkt für Punkt aus den Kirchenbüchern belegen kann und freundlicherweise zur Verfügung stellte, ist es auch interessant, daß man offenbar innerhalb der Gastwirtsfamilien „unter sich blieb“, denn mindestens vier Mal finden sich Gastwirtskinder zur Ehe zusammen. Und auch die „Trauerzeit“ ist relativ kurz: man heiratet noch im gleichen Jahr und gebiert nach sechs Monaten bereits das nächste Kind. Aber es ist auch eine schwere Zeit: der dreißigjährige Krieg (1618-48) hat das Dreisamtal nicht verschont. Schwedische, französische und kaiserliche Truppen zogen umher und machten das Land unsicher. Der Kampf ums Überleben war jeden Tag neu zu führen. Die „Hausfrauw Susanna Denglerin“ hat sich dabei bewährt.

Am Gasthaus und Hofgut Himmelreich steht das vielleicht älteste steinerne Hochkreuz im Dreisamtal von 1688, Aus der Inschrift im Sockel läßt sich eine interessante Familiengeschichte entnehmen.