Die
Eröffnung der Höllentalbahn im Jahre 1887
Geschichtliches aus den Aufzeichnungen eines maßgebend
Beteiligten
Paul Tritscheller
Alemannische
Heimat Nummer 11 Freiburg i. Br., den 15. Juni 1937 4.
Jahrgang
Am 21. Mai jährte sich zum 50. Male der Tag, an dem im Jahre
1887 die Höllentalbahn feierlich ihrer Bestimmung übergeben
wurde. An dieser Stelle können wir aus den Aufzeichnungen des
damaligen Land- und Reichstagsabgeordneten, Fabrikanten Paul
Tritscheller aus Lenzkirch, der sich um die Erbauung der Bahn
große Verdienste erworben hat, eine dokumentarische. Darstellung
der Ereignisse um die Erbauung und die Eröffnungsfeier der
Höllentalbahn wiedergeben. Es ist mancherlei Interessantes zur
Geschichte des Schwarzwaldes darin enthalten. Paul Tritscheller
schreibt in seinen Aufzeichnungen:
Ein Ereignis, welches mich wegen der Größe und Schwierigkeit der
Durchführung mit Befangenheit erfaßte, deren Hingabe für die
Verwirklichung mir aber im Interesse meiner Heimat und des von
der Natur so stiefmütterlich bedachten Schwarzwaldes als eine
ebenso bedeutsame als dankbare Lebensaufgabe erschien, und der
ich mich mit aller Vorliebe und mit unwiderstehlichem Drange in
der Folge hingab, bildete die auf Sonntag, den 17. Februar 1861,
in den Kaufhaussaal nach Freiburg einberufene freiwillige
Versammlung zur Besprechung der Erbauung der Höllentalbahn.
Der Bericht des Stadtrats von Freiburg an den Bürgerausschuß vom
23. Januar 1883, welchen ich verfaßte, besagt u. a.: „Die
Versammlung gestaltete sich zu einer großartigen und erhebenden
sowohl durch den Ernst, der die Verhandlung auszeichnete als
auch die überaus zahlreiche Beteiligung nicht allein aus
Freiburg und vielen Orten des Breisgaus, des Schwarzwalds und
der Baar, sondern auch von hervorragenden Persönlichkeiten aus
dem Elsaß, speziell Kolmar und Münster, aus Württemberg (Ulm),
die alle gekommen waren, ihr Interesse an der wichtigen Frage
wahrzunehmen.“
Die Vertreter von Freiburg sowohl als vom Schwarzwald und der
Baar empfahlen ein gemeinsames Vorgehen für den Bau der Linie
Freiburg—Neustadt—Donaueschingen. Kolmar, das den Durchstich der
Vogesen von Münster über Geradmer nach Epinal, im Anschluß an
die Chaumont - Pariser Bahn nicht bloß für durchführbar sondern
für unausbleiblich erachtete, verhieß energische Schritte für
die Erstellung eines Anschlusses von Kolmar an den Rhein.
Breisach für die Fortsetzung bis Freiburg, während Vorstand und
Vertreter der städtischen Eisenbahnkommission von Ulm in großen
Zügen vornehmlich auf die Wichtigkeit der ins Auge zu fassenden
größeren Linie Donaueschingen - Ulm hinwies, deren Fortsetzung
nach Augsburg in Arbeit und von da über München und Salzburg bis
Wien in Betrieb sei.
Zur Wachhaltung und Unterstützung meiner Bestrebungen für
erstmalige Erbauung der Höllentalbahn führte ich ein
außergewöhnlich indirektes Moment ins Treffen. Ich stand nämlich
mit dem Maire von Kolmar wegen des damit zusammenhängenden
Projektes des Durchschnitts der Vogesen als Kettenglied der
einstmaligen Linie Freiburg—Breisach—Kolmar—Münster—Remiremont
in Verbindung. In einem Briefe setzte mir derselbe unter
Beifügung der Vertragsabschriften eingehend auseinander, daß die
sämtlichen Linien Chaumont—Epinal—Remiremont—Münster—Kolmar
teils in Betrieb, teils in Bau, teils gesetzlich festgestellt
seien.
Ich nahm Anlaß, mich um die massenhaft eingelaufenen Petitionen
mit aller Wärme anzunehmen. Ich beherrschte das ganze Material
um so sicherer, als ich selbst. der Verfasser dieser
gleichlautenden gedruckten Bittschriften war und im weiteren
alle Ansichten und Einwendungen genau kannte, die sowohl im
Schoße der Kommission als von seiten der Regierung erhoben
wurden. Und ebenso wie ich in der Kommission für diese
Lebensfrage des Schwarzwaldes eingetreten war, geschah dies
neuerdings in der öffentlichen Kammerverhandlung, in welcher die
zweite Kammer (März 1870) den Antrag mit Stimmeneinhelligkeit
annahm:
„Es seien die Petitionen aus Freiburg und 122 anderen Gemeinden
der großherzoglichen Regierung dringlich dahin zu empfehlen, daß
bald tunlichst erschöpfende Untersuchungen zur Auffindung der
zweckmäßigsten, den Anforderungen von Bau und Betrieb möglichst
entsprechenden Richtungslinie zwischen Freiburg und
Donaueschingen vorgenommen werden möchten.“
Alle bis zum Jahre 1872- eingereichten Bittgesuche erstreckten
sich auf die durchlaufende Bahn
Freiburg—Neustadt—Donaueschingen. Die Gemeinden des Schwarzwalds
und der
Baar, von der Ansicht geleitet, die großherzogliche Regierung
würde sich eher bereit finden, auf der sowohl kürzeren als
billigeren Strecke Donaueschingen—Neustadt einen Schienenstrang
in das Zentrum des Schwarzwalds zu gewähren, einigte man sich
tatsächlich auf eine Petition in diesem Sinne. Es wurde der
Regierung das erforderliche Gelände auf der ganzen Strecke
Donaueschingen—Neustadt unentgeltlich zur Verfügung gestellt und
überdies ein Baudarlehen von 500 000 Gulden zu 4 Prozent. In
letzter Stunde noch entschlossen sich die Stadt Freiburg und
mitinteressierten Gemeinden, um auch fernerhin in Gemeinschaft
mit dem Schwarzwald und der Baar die wichtige Bahnfrage ihrer
Verwirklichung entgegenzuführen, der Bittschrift beizutreten,
infolge welchen Entschlusses man sich auf folgendes Petitum
einigte:
1. Es möchten erschöpfende Untersuchungen der ganzen Linie
Freiburg—Donaueschingen vorgenommen und
2. der Bau dieser Linie noch in gegenwärtiger Budgetperiode auf
beiden Endpunkten begonnen werden.
Im Juni 1871 wurde mir das Vergnügen zu teil, mit dem
Generalreichspostmeister Dr. Stephan am Titisee
zusammenzutreffen, der mir die Gefälligkeit erwies, mir in
Sachen der Höllentalbahn dienlich zu sein.
In einem Zeitraum von 20 Jahren Regierung und Kammern immer von
neuem auf die Verpflichtung aufmerksam zu machen, daß sie dem
Schwarzwald einen Schienenverbindung mit dem Weltbahnnetz
schulden, und daß die Kosten einer Bahn längst durch die von
diesem Landesteile der Staatskasse zugeführten Steuern
vorausbezahlt und erstattet seien, geschah mittelst der
Petitionen von 1861 und 1863, der Denkschrift von 1865 und der
weiter nachgefolgten Petitionen von 1872, 1874, 1876, 1879 und
1881. Es sei noch erwähnt, daß dem Landtage von 1881 die
wahrheitsgetreue Lage des Schwarzwalds in einem förmlichen
Notschrei wie folgt geschildert wurde:
„Unsere industriellen Etablissemente arbeiten fortgesetzt nur
annähernd mit der halben Arbeiterzahl. Die Fabrikinhaber fristen
das Dasein der letzteren zu erniedrigten Löhnen, nur um Arbeit
und Verdienst zu geben, ohne selbst zu verdienen. Die Gewerbe
stocken. Der Warenverkehr hat abgenommen. Häuser, Grund und
Boden sind entwertet wie nie zuvor. Die Holzpreise sind die
niedrigsten seit vielen Jahren. Die bemittelteren Klassen ziehen
fort. Die guten Arbeiter wandern aus. Dies ist das betrübende
Bild des Schwarzwalds, dessen steter Rückgang und Verfall ihn
unaufhaltsam der Verarmung und Entvölkerung überliefert, wenn
nicht tatsächlich Gerechtigkeit geübt wird von seiten der
Regierung und der Volksvertretung, wie dies anderen Landesteilen
gegenüber längst geschehen ist.“
Dem Landtage wurde mit Datum Karlsruhe, den 5. Januar 1882 der
Gesetzentwurf für Erbauung der Höllentalbahn Freiburg—Neustadt
zur Beratung und Zustimmung vorgelegt, welch freudiges Ereignis
im Schwarzwald bis in die entlegenste Hütte mit Jubel vernommen
wurde.
Auf die erhaltene Mitteilung hin, daß am 15. April die
Gesetzesvorlage in der zweiten Kammer zur Verhandlung kommen
werde, verfügte ich mich am 10. nach Karlsruhe, um gemeinsam mit
den Stadtvorständen von Freiburg und Neustadt und einer
zahlreichen Abordnung dem Erbgroßherzog und den Ministern den
Dank des Schwarzwaldes kund zu tun, aber auch um die
Unterstützung meiner alten Freunde und vormaligen Kollegen
anzurufen, gleich so wie dies bei den ultramontanen Mitgliedern
der Kammer von anderer Seite zu geschehen hatte. Doch ist es mir
nicht schwer gefallen, auch einzelnen Herren jener Partei aufs
Zimmer zu steigen, um sie — und zwar mit Erfolg — für die
Zustimmung der Regierungsvorlage zu gewinnen. Nach einer langen
und erregten Debatte, die an obigem Tage (15.) von früh 9 Uhr
bis in die Nacht hinein dauerte, wurde schließlich der
Gesetzentwurf für Erbauung der Bahn in namentlicher Abstimmung
mit 37 gegen 21 Stimmen angenommen. Bei Verkündigung dieses
Resultats, das hundertfach von der überfüllten Tribüne
mitkontrolliert wurde, entleerte sich der Sitzungssaal in
förmlich überstürzender Weise. Alles eilte dem Telegraphen zu,
um die Nachricht ins Land zu senden. Wohl selten dürfte dieses
Amt einen Andrang von Depeschen erlebt haben wie bei diesem
Anlasse.
Schon zu jener Zeit, als Oberingenieur Günther im Auftrage der
für Erbauung der Höllentalbahn eingetretenen Gemeinden des
Schwarzwalds seine Linie traciert und mit einem Wegchen
erkennbar gemacht hatte, beging ich dieselbe in anderweitiger
Begleitung. Die Schluchten und Einschnitte, die das Gebirg
durchfuhren und die überbrückt werden sollten, machten die
Begehung seiner projektierten Linie vorerst zu einer äußerst
schwierigen. Sein Projekt wurde ja, weil auf durchgehender
Normalbahn fußend, aufgegeben. Anders war es, als nach
gesetzlicher Feststellung der Bahnausführung von 1883 an von
Freiburg-Wiehre bis ins „Himmelreich“ die Zugrichtung an ihren
Profilen überall von der Straße aus ersichtlich war und von da
an aufwärts zuerst ein an die Felsen gemalter weißer dicker
Strich hinweglief und die Bahnlinie bezeichnete, an der nach und
nach an den verschiedensten Punkten hoch oben auf
halsbrecherischen Gerüsten arbeitsame, gebräunte und typisch
gekleidete Italiener an den Felsen bohrten, minierten und
sprengten, um ebene Spur für die Bahn zu gewinnen. Ich habe
während der nahezu vierjährigen Bauzeit immer mit steigendem
Interesse und mit wachsenden Gefühlen von Wonne und Befriedigung
die Landstraße durch das Höllental auf und ab befahren, die
hochinteressante Talüberbrückung der Ravennaschlucht beim
„Sternen“ von der Fundamentierung der 36 Meter hohen Pfeiler des
großen Viadukts an bis zur Erstellung der mächtigen Gerüste und
dann die Fertigstellung der in rundem Bogen laufenden
Ueberschienung kontrolliert. Auch die Eintreibung der Stollen zu
den als lange Gewölbe ausgemauerten sieben Tunnel mit den
gequaderten schönen Ein-und Ausfahrtpforten mit Freude und
Bewunderung einen nach dem anderen erstehen und schließlich die
Hochbauten der Bahnhöfe mit ihren Anlagen der Vollendung
entgegengehen sehen, bis endlich nach soundsoviel Probefahrten,
deren ich einer auf Einladung und in Gesellschaft des Herrn
Generaldirektors beiwohnte, der Tag der den ganzen Schwarzwald
hochbeglückenden Bahneröffnung auf den 21. Mai 1887 amtlich
festgesetzt war. Der Festausschuß und Gemeinderat von Neustadt
hatte mich mit der Bitte und dem Auftrag beehrt bei dem in
Neustadt stattfindenden Festmahle den Toast auf seine Königliche
Hoheit den Großherzog auszubringen und den ehrerbietigster Dank
im Namen des Schwarzwalds auszusprechen für der diesem
Landesteil gewährten Anschluß an das große Weltbahnnetz. Auf der
ganzen Linie hatte sich alsbald die rührigste Tätigkeit
entfaltet in Ausschmückung der verschiedenen Anhaltepunkte,
speziell der Hauptstationen Freiburg-Wiehre, Titisee und
Neustadt. Schon unterm 14. Mai gelangte ich in Besitz der
Einladung zur Teilnahme an der Eröffnungsfeier, laut welcher der
Extrazug des Großherzogs, der großherzoglichen Prinzen, des
Staatsministeriums, der Abgeordneten der ersten und zweiten
Kammer, der Generalität und der höherer Staatsdiener und
besonders geladenen Festgästen um 6.30 Uhr in Karlsruhe, der
Festzug aber um 9.20 Uhr in Freiburg abzufahren vorgesehen war,
um sodann 1.15 Uhr in Neustadt anzulangen. Die Teilnehmer von
Lenzkirch hatten sich dem um 12.50 Uhr an der Station Titisee
ankommenden Festzuge anzuschließen.
Der 20. Mai, als der Tag vor der Eröffnung der Bahn, brachte mir
persönlich eine überaus große und freudige Ueberraschung, die
mir, da sie als eine besondere Auszeichnung sowohl von seiten
des mir gnädigst gesinnten Landesfürsten als auch der Mitglieder
seines Ministeriums anzusehen war, eine außerordentliche
Genugtuung gab. Mit der Morgenpost gelangte ein Schreiben großen
Formats und mit dem Siegel des großherzoglichen
Finanzministeriums versehen, folgenden Inhalts an mich:
Friedrich, von Gottes Gnaden Großherzog von Baden, Herzog von
Zähringen.
Wir haben gnädigst bewogen gefunden, dem Fabrikanten Paul
Tritscheller in Lenzkirch den Titel „Kommerzienrat“ zu verliehen
und versichere ihn dessen durch gegenwärtige, von Uns
eigenhändig unterzeichnete mit dem Staatssiegel versehene
Urkunde.
Gegeben Karlsruhe den 16. Mai 1887.
(Siegel) (gez.:) Friedrich.
Schon am frühen Morgen des hochwichtigen Tages war alles auf den
Beinen, um der Station Titisee zuzueilen, heute das schrillende
Dampfroß erstmals daherschnauben zu sehen, das in bekränztem
Festzuge den Landesfürsten mit zahlreichem Hofstaate und Gefolge
in unsere Mitte führen sollte. Der kleine Bahnhof der Station
Titisee-Lenzkirh war reich geschmückt und mit passenden
Inschriften versehen. Ringsum denselben trugen hohe Masten
Schilder mit den Namen all der Ortschaften, die hier ihren
Anschluß für Personen- und Güterbeförderung zu finden hatten.
Die Ehrenpforte am Bahnhof hatte eine Fortsetzung von
venezianischen Masten längs der Straße bis zu den
reichgeschmückten Gasthöfen am Titisee und zur Terrasse des
Schwarzwaldhotels, wo viele Kähne schön verziert und beflaggt
ankerten. Selbst der Lux, der höchste Punkt des Hochfirst,
winkte von hohem Tannenwipfel mit riesiger, flatternder Fahne
zur freudetrunkenen Volksmenge seinen Gruß hernieder. Gespann um
Gespann rückte an und Fußgänger in Menge. Unsere Lenzkircher
Festjungfrauen, die in den verschiedenfarbigsten, mit reichen
Goldstickereien verzierten Sammtmiedern und Kappen erschienen,
machten in ihrer schmucken Wäldertracht den besten Eindruck, und
in den Gasthöfen war ein fröhlich Treiben und Grüßen.
Die Zeit zur Aufstellung am Bahnhofe war allmählich
nähergerückt. Ich wollte gerade dorthin folgen, als ein
Unglücksbote bestürzt heraneilte, es sei meinem Freunde Franz
Joseph Faller, den ich kurz zuvor noch im großen Saal des Hotel
Jaeger gesehen hatte, ein Unfall zugestoßen. Durch den Verlust
eines der hervorragendsten Festteilnehmer hatte die Festfreude
einen niederschmetternden Druck erfahren und doch war geboten,
sich aufzuraffen. Wie mir zu Mute war, in solch bedrückter
Stimmung den Großherzog zu empfangen, bleibt mir unvergeßlich.
Auf ein gegebenes Signal hin lösten sich die Böller auf dem
sogenannten Hirschbühl, denen jene auf der Saiger Höhe
antworteten und unter den Klängen des „Heil Dir im Siegerkranz“
lief der Festzug in den Bahnhof ein. Der Großherzog schritt
direkt auf mich zu, reichte mir die Hand mit den Worten: „Wir
haben eine recht traurige Nachricht vernehmen müssen“, und
nachdem er sich die näheren Umstände des Trauerfalls hatte
berichten lassen, kamen nacheinander die großherzoglichen
Prinzen Ludwig, Wilhelm und Karl, die Herren Minister Turban,
Ellstädter, Nock sowie Staatsrat Eisenlohr und die vielen
anderen Bekannten des Festzugs, mich zu begrüßen und mir Worte -
der Teilnahme zu widmen, mir aber genügend bedeutete, daß das
Bahneröffnungsfest weder stille stehen noch unterbrochen werden
durfte. Nachdem der Großherzog den Festjungfrauen sowie den
Ausstellung genommenen Korporationen, Krieger- und anderen
Vereinen Aufmerksamkeit erwiesen, dampfte der Festzug unter
erneuten Geschützsalven weiter. Mir war aber so weh ums Herz,
daß ich mich nicht einer einzigen Persönlichkeit zu entsinnen
vermag, mit denen ich im vollbesetzten Wagen nach Neustadt
gelangt bin .
Ich verweilte während der Umfahrt der höchsten Herrschaften und
Festgenossen durch die reich geschmückte Amtsstadt im Bahnhofe,
bei deren Rückkehr der Hofmarschall des Großherzogs, Graf von
Andlau, mich bat, ihm in die Festhalle zum Gabelfrühstück zu
folgen, er habe den Auftrag, mir als Sprecher den Platz an
seiner Rechten, unweit von den höchsten Herrschaften anzuweisen.
Der große Raum der Güterhalle war durchweg mit duftendem
frischem Tannenreis ausgeschlagen, auf deren dunkelgrünen Wänden
sich auf den Tag bezughabende Inschriften zierlich abhoben. Den
Raum selbst füllten an einem mächtigen Hufeisen, in welchem noch
zwei gleich lange Tische angebracht waren, nebst dem Großherzog,
den großherzoglichen Prinzen und den Ministern, die Generalität,
die Mitglieder der ersten und zweiten Kammer, die
Generaldirektion der Staatseisenbahnen und deren technische
Mitglieder, die Elite der Beamten der Verwaltung und der Justiz,
die Vertreter der Städte Freiburg und Neustadt und besonders
geladene Festgäste, deren Augen sich sämtlich auf mich
richteten, als ich mich erhob, um die Festrede zu halten. U.a.
sagte ich, daß wir Bewohner des Schwarzwalds mit regem Interesse
der erfreulichen Entwicklung gefolgt seien, welche unser
Staatswesen, im besonderen das ganze Verkehrsleben in unserem
teuren Heimatlande Baden, durch die Erstellung eines umfassenden
Bahnnetzes erfahren habe. Mit aufmerksamen Blicken hätten wir
gesehen, wie fortgesetzt immer wieder neue Landesteile an dem
mächtigsten Verkehrsmittel unseres erfindungsreichen
Jahrhunderts Anteil nähmen. Der heutige Tag bedeute, daß das
eiserne Band uns von jetzt ab mit allen Städten des Reiches und
des Auslandes direkt verbinde. Zur Bewunderung von Tausenden von
Fremden fände sich die weit vorgerückte Kunsttechnik mit der
Großartigkeit der Natur unseres wildromantischen Höllentales
vereinigt.
Meine Worte hatten sichtlich gezündet; der Tusch, der unter
Geschützsalven den brausenden Hochrufen folgte, war kaum
verklungen, als der Großherzog sich erhob, um für die Worte zu
danken und den Schwarzwald seiner ferneren Fürsorge zu
versichern, wobei er nicht unterließ, Fallers jähen Todes mit
Teilnahme zu gedenken. Hiermit war der offizielle Festakt von
Neustadt beendet, der Großherzog erhob sich von der Tafel.
Nach einem letzten schrillen Abschiedspfiff dampfte unter dem
Zurufe der herbeigeströmten Volksmenge und unter erneutem
Knallen der Böller, der Festzug davon, um ohne Anhalten zur
bestimmten Stunde in Freiburg einzutreffen, wo das von den
Städten Freiburg und Neustadt zur Feier des Tages gebotene
Festmahl im Zähringer Hof der Festgäste harrte. Während der
üppigen Tafel brachte Herr Oberbürgermeister Schuster das Wohl
des Landesfürsten aus, das derselbe in einem patriotischen Hoch
auf die Stadt Freiburg erwiderte, und mit einem Toast auf den
Kaiser, ausgebracht von Staatsminister Turban fanden auf Wunsch
des Großherzogs die Reden ihren Abschluß.