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Die Höllentalstraße
Ihre Erschließung und ihre Bedeutung für den
Handelsverkehr vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert

von
Alfons Schäfer

 I.

Die Straßenforschung gehört fast allgemein zu den vernachlässigten Themen der Landesgeschichte. Das hängt in erster Linie mit der Quellenlage zusammen. Vor dem 18. Jahrhundert finden sich spezielle Nachrichten über Herstellung und Reparatur von Straßen ganz selten, und auch dann meist im Zusammenhang mit anderen Materien wie Geleit, Zoll, Weggeld und ähnlichen Betreffen. Besondere Sachakten über das Straßenwesen sind bei den Territorien (und Städten) in der Regel erst mit dem Beginn eines planmäßigen Straßenbaus, also ebenfalls vom 18. Jahrhundert an, entstanden.

 Im Gegensatz dazu ist für den Südschwarzwald der Überlieferungsstand ausnehmend günstig, weil im Villinger und Freiburger Stadtarchiv Urkunden über den Bau der sogenannten Wagensteigstraße zwischen beiden Städten vom Jahre 1310 an Auskunft geben. Für keine Straße über den Schwarzwald sind vergleichbare direkte Zeugnisse aus so früher Zeit vorhanden. Christian Roder hat die Geschichte dieser Verbindung vorwiegend aufgrund der Villinger Quellen schon 1890 in für die damalige Zeit vorbildlicher Weise dargestellt 1.

Die gute Kenntnis der Wagensteigstraße hat aber dazu geführt, daß ihre Bedeutung vielfach überschätzt und die der Höllentalstraße meist zu gering veranschlagt wurde. Die allgemeine Auffassung ging dahin, daß es sich bei der Verbindung durch das Höllental "nur um einen Fußgänger-, Reiter- oder höchstens für leichtere Fuhrwerke geeigneten Weg gehandelt haben" kann, der erst 1770 für die Brautfahrt Marie Antoinettes, der Dauphine, zu einer Fahrstraße ausgebaut wurde 2.

1 Ch. Roder: die Verkehrswege zwischen Villingen und dem Breisgau, hauptsächlich Freiburg, seit dem Mittelalter, in: ZGO 83,1890, S. 505 - 533
   2 So zuletzt F. Schaub: Über Verkehrslinien im schwäbisch-alemannischen Raum im 17. und 18. Jahrhundert, in: Alemannisches Jahrbuch 1953, S. 338. - Mit der Höllentalstraße befaßten sich insbesondere F. Schaub, ebenda, S. 336 ff.; J. L. Wohleb: Die Höllentalstraße im Wandel der Zeiten, in: Die Heimat. Blätter für Baar und Schwarzwald 1935, S. 6/7; X. S. Bader: Kürnburg,

Es wird sich im Laufe unserer Untersuchung herausstellen, daß dies ein krasses Fehlurteil ist. Bei der Straßenforschung kommt es vielleicht mehr noch als bei anderen Zweigen der Forschung darauf an, nicht eine einzelne Verbindung isoliert zu betrachten, sondern sie in einem größeren Zusammenhang und im Vergleich mit den benachbarten Verkehrswegen zu sehen, um derartige Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Die Quellen über die Höllentalstraße sind keineswegs so spärlich, wie es nach den bisherigen Darstellungen den Anschein hat. Es ist hierfür vor allem das Sickingische Archiv, das im Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrt wird, noch nicht genügend ausgewertet worden". Allerdings setzen direkte Nachrichten erst vom 14. Jahrhundert ein. Für die vorausgehende Zeit und insbesondere zur Bestimmung der Entstehungszeit der Höllentalstraße sind aber sichere Anhaltspunkte mit Hilfe verschiedener landesgeschichtlicher Untersuchungsmethoden zu gewinnen.

Die Straße durch das Höllental ist wegen ihrer landschaftlichen Schönheit in der ganzen Welt bekannt und berührnt. Eisenbahn und moderner Straßenbau haben ihr den Schrecken genommen, den die Menschen früherer Zeiten empfanden, wenn sie diese Route zur Überquerung des Schwarzwaldes benutzten. Der Name Höllental reicht jedoch kaum über 200 Jahre zurür‑k. Er findet sich erstmals 1671 in einem Bericht des kaiserlichen Ingenieurs Elias Gumpp, der im Auftrag des Freiburger Kommandanten die Schwarzwaldpässe für Maßnahmen der habsburgischen Landesverteidigung zu inspizieren hatte4. Gemeint ist mit dieser Bezeichnung nur der kurze Abschnitt vom "Hirschsprung" an, wo die Felswände schluchtartig zusammenrücken. Vorher hieß die Straße jahrhundertelang Jalkensteiner Tal", Jalkensteiner Steig" oder Jalkensteiner Landstraße"5.

Zindelstein und Warenburg. Stützpunkte der Zähringerherrschaft über Baar und Schwarzwald, in: Schauinsland, Jahrlauf 64, 1937, S. 121 L; H. Büttner: Die Entstehung der Höllentalstraße, in: Alemannische Heimat, Beilage zur Freiburger Tagespost, 6. Jg., 1939; K. Mader: Freiburg i. Breisgau. Ein Beitrag zur Stadtgeographie (wie Anm. 21), S. 19 ff.; W. Stülpnagel, in: Amtliche Kreisbeschreibung Freiburg i. Breisgau, Stadtkreis und Landkreis, 1, 1965, Kapitel: "Straßen und Verkehr", S. 370 ff.

3 Diese Auswertung wird dadurch erschwert, daß das Sickingische Archiv, soweit es ins Generallandesarchiv gelangte, keinen geschlossenen Bestand mehr bildet. Die Urkunden sind in die Abteilungen 21 (Vereinigte Breisgauer Archive) und 44 (Lehens‑ und Adelsarchiv) eingereiht und überwiegend nach Ortsbetreffen auseinander gerissen worden. Die Akten befinden sich in der Sammelabteilung 229 unter den einzelnen Orten; die für uns wichtigsten unter Falkensteig.
4
Siehe unten S. 140.
5
Wir bringen nur eine Auswahl der Belege. 1379: Straße fur die Nuwen stat und fur Valkenstain das thal (FUB 2, 39, 311); 1388: straße und tal fur die vesty Vatekenstein (Schreiber, Freiburger UB, 11, 1, 59); 1511 und 1560 (in Urkunden Kaiser Maximilians und Kaiser Ferdinands) strasse durch das Valckenstaine‑r tahl (GLA 21/132, 1511 111 13 und 1560 IV 10); 1560: landstraße durch das Falkensteiner tal (GLA 229/27892); 1656: in dem tal gegen der steig (GLA 79/3204);

Diese ursprüngliche, bis 1306 zurückzuverfolgende Bezeichnung weist auf ein Adelsgeschlecht hin, das für die Erschließung des schwierigsten Stückes dieser Verbindung über den Schwarzwald eine entscheidende Rolle spielte: auf die Herren von Falkenstein. Ihre Burg erhebt sich unmittelbar vor der engsten Stelle am Eintritt in das FelsentaL Schon der Augenschein lehrt, daß die Burg von Anfang an in Verbindung mit der Straße gestanden haben muß. Ihre Aufgabe kann an diesem Punkte keine andere gewesen sein, als die unter ihr vorbeiziehende Straße zu beschützen und zu beherrschen. Mt den Herren von Falkenstein muß sich daher befassen, wer zu der wichtigen Frage über das Alter dieser Straße eine sichere Aussage machen will.

Das Geschlecht tritt mit zwei Namen erstmals in der Regierungszeit Herzog Bertholds III. von Zähringen zwischen 1111 und 1122 durch Schenkungen an das zähringische Hauskloster St. Peter in das Licht der Geschichte 6. Um 1150 wird ein Mtglied ausdrücklich als zur Ministerialität des Zähringerherzogs gehörend bezeichnet 7. Im Verlaufe des 12. Jahrhunderts werden in drei bis vier Generationen jeweils mehrere Angehörige der Familie ‑ wiederum vorwiegend bei Schenkungen an St. Peter ‑ greifbar 8.

1671: in der Falekenberger (!) staig, so man erst durch die gToße Hölle hindurch muß (J. L. Wohleb: Die Anfänge des Erdwehrbaues auf dem Schwarzwald, in: ZGO 92,1940, S. 263); 1688: in der enge, so die Höll genannt (J. L. Wohleb: Die Sicherung der Heerstraßen des Südschwarzwaldes im 17. Jahrhundert, in: ZGO 95, 1943, S. 413); 1709: straße unter der Steig und Höll (GLA 229/27889); 1715: straß in der Falkensteig und Höll (ebenda). Von da an verliert sich dle Bezeichnung Falkensteig und Falkensteiner Tal und der Name Hölle setzt sich für den ganzen Abschnitt vom Hirschsprung bis nach Hinterzarten durch.

6 Die Brüder Walther und Kuno de Falehensteina schenken Besitz in Weller (G. Stegen, Kr. Freiburg), in Berlachen im Kappeler Tal (Kr. Freiburg) und in Gundelfingen (Kr. Freiburg): Nr. 85 und 86 bei E. Fleig: Handschriftliche, wirtschaftsgeschichtliche und verfassungsgeschichtliche Studien zur Geschichte des Klosters St. Peter auf dem Schwarzwald (1908, künftig zit. Fleig); ebenso datiert von F. v. Weech: Der Rotulus Sanpetrinus, in: Freiburger Diözesanarchiv 15 (1882), S. 149, und A. Krieger: Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Baden. I, Sp. 567. ‑ Th. Mayer: Die Besiedlung und Erfassung des Schwarzwaldes im Hochmittelalter, in: ZGO 91,1939, S. 512 setzt die Erbauung der Burg Falkenstein aufgrund einer von ihm vorgenommenen falschen Datierung von Fleig Nr. 85 und 86 in das "3. oder 4. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts". ‑ Die frühe Datierung wird auch dadurch gestützt, daß Kuno von Falkenstein 1148 oder 1152 mit seinem Neffen Egilolf von Blankenberg genannt wird (Fleig, Nr. 147, S. 119). Ein solcher tritt aber mehrfach schon zwischen 1112 und 1122 urkundlich in Erscheinung. Sowohl bei Kuno von Falkenstein wie bei Egilolf von Blankenberg besteht die Möglichkeit, daß es sich 1148 bzw. 1152 jeweils um den zweiten urkundlich genannten Träger dieses Namens in ihren Familien handelt. Aber gerade auch wenn dies zutrifft, muß man die ältesten Namensträger beider Ministerialgeschlechter bis in die Zeit um 1100 zurückdatieren.
7
Reginhard: de domo ducis (Fleig, Nr. 144, S. 119).
8
Belege bei A. Krieger: Topographisches Wörterbuch I, Sp. 567 ff. ‑ vgl. auch M. Weber: Kirchzarten 1, 1966, S. 191 ff. ‑ Familienbesitz begegnet vor 1200 in Berlachen, Gundelfingen,‑Merdingen, Nordweil und Weller.

Die Burg Falkenstein am Eingang zur Höllentalschlucht muß demnach bereits um 1100 errichtet worden sein. Zu diesem frühen Zeitansatz führen aber nicht nur die urkundlich überlieferten Nachrichten über das erste Auftreten des Geschlechtes, er entspricht sowohl der allgemeinen Entwicklung wie auch vollkommen dem Bild, das der Rotulus Sanpetrinus über die Ministerialität im Umkreis der Zähringer für diese Periode vermittelt. In die gleiche Richtung weisen aber auch die Ergebnisse, welche die Betrachtung der Siedlungsgeschichte der Falkensteinischen Herrschaft liefert.

Schon bisher nahm die Forschung an, daß die Falkensteiner vor der Erbauung ihrer Burg am Eingang zum Höllental ihren Sitz im Zartener Becken hatten. Die topographischen Karten verzeichnen in der Gemarkung Wittental auf einem kleinen aber einen weiten Blick gewährenden Hügel beim Wohnplatz Baldenweger Hof den Burgstall Falkenbühl. Das ganze Gelände um die Burg - die sich bezeichnenderweise unmittelbar an das Hofgut anschloß und wohl nur aus einem Wohnturm bestand - befand sich zusammen mit den beiden Höfen im Besitz der Herren von Falkensteing. Zu Falkenbühl "unter der Linde" wurde noch 1459 Gericht gehalten. Die Situation des Wohnturmes beim Meierhof paßt vorzüglich zu einem Adelssitz im Altsiedelland vor der Erbauung der Höhenburgen. Die bei ihnen sitzenden Adelsgeschlechter nannten sich noch nicht nach der Burg, sondern nach dem Ort, zu dem diese gehörte. Derartige Anlagen trugen im allgemeinen zunächst keinen eigenen Namen 10. Insofern ist es zweifelhaft, ob der Name Falkenbühl die ursprüngliche Bezeichnung des Burgsitzes ist und ob es sich nicht vielmehr um eine vom Namen Falkenstein abgeleitete sekundäre Form handelt 11. Schon von der Topographie her ist es jedoch völlig auszuschließen, daß der Falkenbühl je den Namen Falkenstein getragen habe und dieser von hier auf die Burg im Höllental übertragen worden wäre.

Daß Hof und Burg Falkenbühl mit hoher Wahrscheinlichkeit der ältere Sitz der Falkensteiner waren, wird noch durch einen weiteren wichtigen Tatbestand erhärtet. Mit den Falkensteinern eng verwandt waren in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Herren von Weiler. Diese hatten ihren namengebenden Sitz - ebenfalls auf einer kleinen Erhöhung und im Anschluß an einen Wirtschaftshof - nur etwa einen Kilometer vom Falkenbühl entfernt, in Weiler auf Gemarkung Stegen. Die Falkensteiner Höfe zu Baldenweg grenzten nicht nur an das Hofgut Weiler unmittelbar an, die Herren von Falkenstein waren auch selbst zu Weiler bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts begütert. Andererseits - und dies führt wieder unmittelbar zum Thema "Höllental" zurück - hatte Reginhard von Weiler mitten im Rodungsgebiet der Falkensteiner Besitz: er schenkte zwischen 1122 und 1152 eine Hufe zu Hinterzarten und die Hälfte des Sees am Feldberg an das Kloster St. Peter 12.

Die Familien Falkenstein und von Weiler waren so eng miteinander verflochten, daß man den Eindruck gewinnt, es handle sich um zwei Linien eines einzigen Geschlechts, das sich etwa um 1100 erst getrennt hat 13. Zu dieser Auffassung trägt besonders bei, daß die Herren von Weiler um 1125 - wie schon bemerkt  nicht nur in Hinterzarten begütert waren, sondern auch Anteil am Feldsee hatten und die Falkensteiner genau in diesem Anteil ihre Besitznachfolger waren. Die geschlossene, durch Rodung erworbene Herrschaft der Falkensteiner "auf den Wald" reichte vom östlichen Rande des Zartener Beckens bis zum Titisee, dessen südwestlicher Teil noch dazu gehörte, und folgte von da dem Seebach entlang mitten durch den Feldsee hindurch bis auf die Höhe des Feldbergs. Die Ostgrenze ihres Territoriums verlief über Steig und Breitnau bis zum Turner und Hohlen Graben im Norden. Sie umschloß somit die Gemarkungen, Hinterzarten, einen Teil der Gemarkung Feldberg sowie die von Falkensteig, Breitnau und Steig 14.

9 Die ältesten Urkunden über diese Höfe in: GLA 66/9837 und 9838. Sie lassen sich als Lehen des Klosters St. Märgen bis auf Georg von Falkenstein - erstmals erwähnt 1287 - zurückverfolgen. Herrn Dr. W. Stülpnagel, Freiburg i. Br., danke ich herzlich dafür, daß er mir Einblick gewährt hat In sein druckfertiges Manuskript der Amtlichen Kreisbeschreibung, Freiburg i. Br. Bd. II über die Gemeinde Wittental (mit Falkenbühl).
10 Vgl. dazu H. M. Maurer: Bauformen der hochmittelalterlichen Adelsburg in Südwestdeutschland, in: ZGO 115, 1967, S. 66; ders.: Die Entstehung der hochmittelalterlichen Adelsburg in Südwestdeutschland, in: ZGO
117, 1969, S. 324.
11 Dies legt auch eine Urkunde von 1423 in GLA 66/9837 nahe, wo es heißt: an dem obern hoff in Baldenweg, den man jetz nennet Valkenbühel. 1408 ist erstmals die Rede von dem haus Falkenbühl. Das erste Mal ist der Hof mit dem Turm, das zweite Mal allein der Wohnturm gemeint.
12 Fleig, Nr. 127 (S. 116): Idem Reginhardus (de Wilare) cum uxore sua S. mansum unum apud villam Zartun et dimidiam partem laci (!) ad Veltperk nobis tradidit. Die Schenkung erfolgte unter Herzog Konrad (1122 - 1152); sie ist von A. Krieger: Topographisches Wörterbuch I, Sp. 984 zwischen 1122 - 1132 datiert, von F. Hefele: Freiburger Urkundenbuch I, 7 auf "um 1130”. Hefele identifiziert Zartun irrig mit Zarten Kr. Freiburg (statt Hinterzarten).
13 Weitere Verwandte der Falkensteiner waren die Herren von Blankenberg (Fleig, Nr. 147, S. 119). Von Anfang an treten sie gemeinsam mit den Herren von Weiler auf. Die Blankenberger sind zusamrnen mit den Falkensteinem in Gundelfingen begütert. Schon zu Anfang des 12. Jahrhunderts können wir hier beobachten, wie ein Zweig der Familie sich nach der Burg Staufen im Breisgau benannte (Fleig, Nr. 48, 48 a, 49, 120). Zwischen 1112 und 1122 schenkte ein Mitglied dieses Geschlechts seinen Anteil - ein Drittel - im Rodungsgebiet von Oberried an St. Peter, wahrscheinlich im Bereich zwischen Zastler und Höllental, der später der Linie Falkenstein-Bickenreute gehörte (Fleig, Nr. 50, 55, 24). Der sich nach Staufen benennende Zweig war außerdem im Ibental begütert, also in unmittelbarer Nachbarschaft der Falkensteiner und der Herren von Weiler zu Stegen (Fleig, Nr. 15, S. 104).
14 Vgl. E. Liehl: Der Feldberg als Siedlungsraum, in: Der Feldberg im Schwarzwald, hrsg. von K. Müller, 1948, S. 501 ff. Ders: Woher kommt der Name
Ravennaschlucht? Ein Beitrag zur Namens‑ und Siedlungsgeschichte des Höllenlals, in: Schau‑ins‑Land 72, 1954, S. 98 ff. ‑ Ders.: St. Oswald im Höllental und die Errichtung der Pfarrei Hinterzarten im 18. Jh., in: Alemannisches Jahrbuch 1957, S. 273 ff.; darin: Karte über "Die Falkensteinische Herrschaft auf dem Wald", S. 275.

Eine mittelalterliche Fernverkehrsstraße war gerade im Waldgebiet auf bestimmte siedlungsgeschichtliche Voraussetzungen angewiesen. Man brauchte in bestimmten Abständen Vorspann‑ und Übernachtungsstationen, welche ihrerseits nicht ganz isoliert, nicht ohne jegliche eigene landwirtschaftliche Grundlage oder landwirtschaftliches Hinterland bestehen konnten". Man war auf Hilfe bei Unwetter, Unglück an Mensch und Gespann, Schaden am Gefährt, angewiesen. Man brauchte auch Leute in der Nähe, die die Straße reparierten. Das letztere war bei den besonderen Gegebenheiten der Höllentalstraße, wie gerade die späteren Verhältnisse veranschaulichen, ein Gesichtspunkt, der nicht unterschätzt werden darf. Der nüttelalterliche Verkehr mied daher größere unbesiedelte Strecken und nahm lieber schwierige Straßenverhältnisse in Kauf. Die Besiedlung des südlichen Hochschwarzwaldes war die wichtigste Bedingung für einen nennenswerten Verkehr, vor allem für den Handelsverkehr.

Diese Aufgabe war um 1100 gelöst. Der Siedlungsvorstoß der Falkensteiner aus dem Breisgau traf zur gleichen Zeit am Titisee mit Erfassungsvorgängen zusammen, die vom Südosten und Osten her ausgingen.

Bereits vor 1112 hatte das Kloster Allerheiligen zu Schaffhausen das predium Saig mit Kirche und dem halben Titisee als Zubehör von einem Adeligen geschenkt bekommen".

15 Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen von R. Nierhaus: Rönlische Straßenverbindungen durch den Schwarzwald, in: Studien zur südwestdeutschen Landeskunde, Festschrift F. Huttenlocher, 1963, S. 253 ff.; jetzt auch in Badische Fundberichte 23, 1967, S .124. Nierhaus hat ein für alle Mal mit der Vorstellung von einer römischen Straßenverbindung über den südlichen Schwarzwald aufgeräurnt und auch zwingend die Annahme Th. Mayers (ZGO 1939, S. 500 ff., 513 Anin. 3) widerlegt, daß vom Zartener Becken aus eine mittelalterliche Fernverkehrsstraße auf den Bergkamm südlich des Höllentals über den Hinterwaldkopf ins Feldberginassiv und weiter nach SchaffhausenZürich und ins Bodenseegebiet geführt habe, die als eine frühe Verbindung zwischen dem St. Gallischen Kirchzarten und dem Kloster selbst anzusehen sei.
16 Die Schenkung erfolgte 1111/1112: item predium Bernhardi et uxoris Berthe in Seegga cum lacu Titunse. Die Kirche wird 1149 erwähnt. Da aber nach dem Schenkungsverzeichnis des Klosters Allerheiligen von ca. 1150 Bernhard und seine Frau hannd geben sant Salvator das gut, daz genant wird Secka, die kilchen doselbs und den halben Titinsee und anders mer, so darzu gehoret, ist die Kirche wohl schon in der Schenkung 1111/1112 inbegriffen (F. L. Baumann: Die ältesten Urkunden von Allerheiligen in Schaffhausen, = Quellen zur Schweizer Geschichte 111, 1883, S. 136). Sie ist später Filiale von Lenzkirch. ‑ Spätere Beschreibungen der Herrschaft Saig: Fürstenbergisches Urkundenbuch 2, 262; 7, 193. ‑ H. Büttner: Die Anfänge der Herrschaft Lenzkircli, in: Schriften des Vereins für die Geschichte der Baar 21, 1940, S. 99 ‑ 125; ders.: Allerheiligen in Schaffhausen und die Erschließung des Schwarzwaldes im 12. Jh., in: Schaffhauser Beiträge zur vaterländ. Geschichte 17, 1940, S. 7 bis 30. ‑ Es ist Büttner nicht zuzustimmen, wenn er annimmt, daß die Straße von Schaffhausen "am Ende des 11. Jahrhunderts wohl zunädist über Grafenhausen nach Saig und dem Titiseell tührte und die Route über Bonndorf erst "jüngeren Datums" sei, aufgekommen mit dem Entstehen und der zunehmenden Größe und Bedeutung dieses Ortes (Die Anfänge der Herrschaft Lenzkirch, S. 115). Er übersah sowohl die besondere Verkehrsgunst des Bonndorfer Grabens wie auch die Tatsache, daß der Ort schon in der Merowingerzeit besiedelt war.

Auch Lenzkirch bestand spätestens in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und ebenso Gündetwangen, der nächste Ort an der Straße nach Schaffhausen, dessen Kirche sich 1157 im Besitz des Klosters St. Blasien befand. Daran an schließt sich das Gebiet des sogenannten Bonndorfer Grabens: altbesiedelte Gäuplatten mit Höhen bis zu 900 m, die sich in den Hochschwarzwald vorschieben und den Übergang über das Gebirge wesentlich erleichtern17. Es ist daher keine Frage, daß die Orte Bonndorf und Wellendingen, obwohl sie urkundlich erst im 13. Jahrhundert genannt werden, nicht jünger sein können als die im Innern des Schwarzwaldes gelegenen vorgenannten Siedlungen Saig, Lenzkirch und Gündelwangen. Sie reichen sogar erheblich weiter, nämlich sicher bis ins 7. Jahrhundert zurück, da sowohl in Bonndorf wie in Wellendingen merowingerzeitliche Grabfunde zu verzeichnen sind"'. Über Titisee, Saig, Lenzkirch, Gündelwangen, Bonndorf, Wellendingen, von hier über den sogenannten Dünnsteig in auffallend gerader Richtung über die Alphöfe nach Stühlingen, Schleitheim verlief die alte ‑ als via regia ‑ bezeichnete Landstraße vom Breisgau durch das Höllental nach Schaffhausen und von da weiter nach Zürich oder zum Bodensee".

Beim Wirtshaus zum Schwarzen Bären am Titisee zweigte von der Schaffhausener Straße die alte Route über Neustadt ab, wo sie sich ihrerseits in die nach Villingen und in die über Löffingen zur Baar und Donau führenden Verbindungen gabelte. Die ursprüngliche Fahrstraße von Villingen in den Breisgau verlief über Neustadt durch das Höllental (Villingen‑Fischerhof‑Bregenbach‑Eisenbach‑Neustadt) 20.

17 F. Huttenlocher: Naturräumliche Gliederung von Baden‑Württemberg. Beiwort zum Historischen Atlas von Baden‑Württemberg, Karte 11, 4,1972, S. 7.
18 F. Garscha: Die Alemannen in Südbaden, Katalog der Grabfunde, Römisch‑Gennanische Kommission des deutschen archäologischen Instituts zu Frankfurt a. M. Serie A, Bd. 11, 1970, S. 27/28 (Bonndorf), 283 (Wellendingen). ‑ Bonndorf ist die Mutterkirche von Wellendingen; auch dies unterstreicht das Alter und die Bedeutung des Ortes.
19 Die Bezeichnung via regia flndet sich erst bei dem vielgereisten Abt Georg Gaisser von St. Georgen in den Jahren 1634 und 1638.1634 ritt er von Villingen über Neustadt, Lenzkirch nach Sr‑haffhausen. Er verwendet die Bezeichnung via regia erst, als er von Neustadt kommend bei Lenzkirch auf die nach Sr‑haffhausen führende Straße stößt; F. J. Mone: Quellensammlung zur badischen Landesgeschichte, Bd. 2, 1854, S. 587. 1638 bezeir‑hnet er ebenso die Straße durch das Höllental als via regia, que in Brisgaudiam iter est (Mone: Quellensammlung 2,363).
20 Siehe unten S. 130.
 

Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts wurde auf Initiative der Stadt Villingen die sogenannte Wagensteigstraße über das Urachtal, den Hohlen Graben und den Turner für den Wagenverkehr ausgebaut. Sicher war diese Strecke schon lange vorher für den Verkehr von Mensch und Reitern sowie für Saumpferde erschlossen. Ihr Ausbau zur Fahrstraße erfolgte aber erst nach 1310 im vollen Licht der schriftlichen Überlieferung, die im Villinger Stadtarchiv vollständig erhalten ist. In unserem Zusammenhang ist die Tatsache von erheblicher Bedeutung, daß vor 1310 ‑ und teilweise auch noch nachher ‑ der Wagenverkehr aus Richtung Villingen zum Breisgau über Neustadt und das Höllental gegangen ist.

Damit ist die alte Streitfrage, welcher Straße ‑ der Wagensteigroute oder der Höllentalroute ‑ der zeitliche Vorrang zukomme, von der urkundlichen Überlieferung her eindeutig beantwortet. Von geographischer Sicht aus war Karl Mader schon 1926 in seiner von historischer Seite leider zu wenig beachteten Arbeit zur gleichen Auffassung gelangt. Er faßt seine Beweisführung folgendermaßen zusammen: "Die Höllentalstraße steht morphologisch nicht schlechter da als die Hohle Graben‑Straße (= Wagensteigstraße). Sie hat im Gegenteil noch den Vorzug der leichteren Auffindbarkeit. Dazu kommt der Vorteil, daß sie den kürzeren Weg durch das Waldgebiet darstellt. Es ist daher aus der Untersuchung der natürlichen Verhältnisse zu schließen, daß die Höllentalstraße die ältere Verkehrslinie ist 21 

Hier ist allerdings einzuflechten, daß es immer wieder vorkam, daß die Höllentalstraße in ihrem unteren Abschnitt durch starke Unwetter zerstört und für den Wagenverkehr unpassierbar gemacht wurde. In solchen Fällen wurde der Verkehr von Hinterzarten aus über Breitnau zum Turner und durch das Wagensteigtal in den Breisgau geführt. Aber nach jeder Reparatur wurde diese "Umleitung" wieder untersagt und die Höllentalstraße in ihre alten Rechte als ausschließliche Landstraße für den Güterverkehr von Neustadt und Lenzkirch her in den Breisgau wieder eingesetzt 22.

21 K. Mader: Freiburg im Breisgau. Ein Beitrag zur Stadtgeographie, = Badische Geographische Abhandlungen 2,1926, S. 19 ff.; Zitat auf
S. 21.
22 Vgl. unten S. 134 für die Zeit um 1450; ferner GLA 4/1141 (1511); GLA 21/ 132 (1560 IV 10) und GLA 229/27892 (1560). ‑ Vgl. auch einen Berir‑ht vom Ende des 17. Jahrhunderts (ZGO 95, 1943, S.. 419): "Der Ort Turner besteht aus vier voneinander entlegenen Häusern und einer Kapelle. Hier wendet sich der Weg nach Neustadt (über Breitnau) rechterhand, die Villinger Straße nach der Linken.

Seit wann die Strecke Villingen‑Neustadt‑Höllental vom Wagenverkehr benutzt wurde, dafür lassen sich keine siedlungsgeschichtlichen Anhaltspunkte gewinnen. Anders verhält es sich mit der Straße über Neustadt‑Löffingen‑Baar. Hier sprechen alle Indizien dafür, daß von den alten Großgemarkungen Bräunlingen und Löffingen aus die Erschließung um 1100 bereits bis Neustadt vorgedrungen war. 1123 ist Friedenweiler ‑ vier Kilometer östlich von Neustadt gelegen ‑ bereits als Dorf genannt, das damals schon eine Kirche mit eigenem Zehntbezirk besaß 23. Die Gründung von Neustadt selbst, die zwischen 1240 und 1250 anzusetzen ist, kann nicht im siedlungsleeren Raum erfolgt sein. Das wäre allenfalls bei einer ausschließlich dem Bergbau dienenden Stadtgründung denkbar. Sie hatte nach den Gegebenheiten des fürstenbergischen Territoriums an dieser Stelle die Aufgabe, einen wirtschaftlichen, administrativen und kirchlichen Mittelpunkt zu bilden. Der Platz war hierfür am Schnittpunkt der Villinger und der Baaremer Straße vorzüglich gewählt 24.

23 K. S. Bader: Das Benediktinerinnenklostere Friedenweiler und die Erschließung des südöstlichen Schwarzwaldes, in* ZGO gl, 1939, S. 39 ff. ‑ Hinsichtlich des Ortsnamens wie auch der Pfarrei und der gesamten Frühgeschichte interpretieren wir die Urkunde von 1123 über Friedenweiler folgendermaßen: Der Name ist keine monastische Bezeichnung im Sinne des locus amoenus wie etwa bei den Zisterzienserinnenklöstern Lichtental, Seligental, Schöntal, Gnadental, Wonnental u. a. Eine solche rnit einem Weiler‑Namen gebildete Forin wäre eine einzig dastehende Erscheinung. Es handelt sich vielmehr um einen alten Weller‑Namen, der mit einem Personennamen als Bestimmungswort gebildet ist. Zugrunde liegt diesem wohl der Personenname Fridaberth. Ein solcher erscheint im Jahre 851 in dem Nachbarort Rötenbach (St. Galler Urkunclenbuch 11, 35) und 838 in der Muttersiedlung Löfflngen (ebenda 1, 35). Ein Ort Fridabreteswilare ist 788 im Thurgau belegt, einen anderen Weilerort (Göschweiler) gibt es in der Nachbarschaft von Friedenweiler, auf der gemeinsamen Muttergemarkung Löffingen entstanden, ebenfalls schon im 9. Jahrhundert. Die lautgeschichtliche Entwicklung von Fridabreteswilare zu Friden‑ vl wilare braucht nicht weiter zu stören; es gibt bei Ortsnamen durchaus entsprechende Fälle, etwa Tagebrechteswilare > Dabensweiler, Degetsweiler (vgl. W. Göbel: Neustadt, S. 60). Friedenweller besaß 1123 schon eine Kirche mit eigenem Zehntrecht. Denn die Reichenau trat 1123 an St. Georgen ab: quicquid visus est habere in villa Fridenwilare nuncupata et Leftngen eum terris, pratis, aecclesia, deeimis, aedifteiis, paseuis, silvis, aquis aquarumque decursibus... Mit aecclesia kann nur die Kirche in Friedenweiler bezeichnet sein, denn die Löfflnger Kirche gehörte nicht der Reichenau, sondern dem Kloster St. Gallen. Die Pertinenzformeln führen zwar regelmäßig alles andere Zubehör "formelhaft" auf, niemals jedoch die Kirche, wenn diese nicht tatsächlich inbegriffen Ist. Friedenweiler wurde außerdem als Villa = Dorf bezeichnet, denn nuneupata bezieht sich auf die vorausgehende villa Fridenwilare. Man könnte allenfalls zugestehen, daß es apö m~sou sowohl auf Friedenweiler wie auf Löfflngen zu beziehen ist. Wahrscheinlich ist Löfflngen in der Urkunde nur genannt, weil Friedenweiler als Ausbauort damals noch zur Mark und als Filiale zur Pfarrei Löffingen gehörte und damit Rechte von LÖfflngen (in Friedenweiler) tangiert vrurden, denn Reichenauer Besitz wird in dem St. Gallischen Löfflngen später niemals mehr erwähnt. Auch die Tatsache, daß Friedenweiler 1139 als praedium bezeichnet wurde, kann nicht so interpretiert werden, daß damit 1123 lediglich ein Grundstück oder ein Tal, aber keine Siedlung Gegenstand des Tauschgeschäfts gewesen war. Praedium bezeichnet im 11./12. Jahrhundert ganz im Gegenteil sehr oft besonders große Komplexe, die nicht nur eine, sondern mehrere ganze Siedlungen urnfassen.
24 H. Büttner: Egino von Urach‑Freiburg, der Erbe der Zähringer und Ahnherr des Hauses Fürstenberg, = Veröffentlichungen aus dem F. F. Archiv 6, 1939, S. 4; W. Göbel: Chronik und Familiengeschichte von Neustadt, 1951, mit bemerkenswerten siedlungsgeschichtlichen Ergebnissen, S. 46 ff. ‑ K. S. Bader: Villingen und die Städtegründungen der Grafen von Urach‑Fürstenberg im südöstlichen Schwarzwald, in: Villingen und die Westbaar, hrsg. von W. Müller, 1972, S. 78 f. Allerdings ist die Auffassung (ebenda, S. 89) abzulehnen, daß Neustadt Knotenpunkt für eine Nord‑Südroute von Villingen nach Schaffhausen gewesen sei. Der Warenverkehr von Villingen nach Schaffhausen ging stets über Klengen‑Donaueschingen‑Hüflngen‑ Zollhaus‑Schaffhausen.
25 GLA 66/1250 fol. 20.
 

Die Siedlungsgeschichte sollte hier nur insoweit skizziert werden, als sie für das Thema Straße und Verkehr notwendig ist. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß um 1100 klar erkennbar etwa gleichzeitig am Titisee Siedlungsvorstöße äus verschiedenen Richtungen zusammengetroffen sind:
a) der der Falkensteiner vom Westen her,
b) ein zweiter unter Beteiligung mehrerer Adelsfamilien über Bonndorf, Lenzkirch und Saig aus dem Südosten und
c)  ein dritter über Friedenweiler und Neustadt aus dem Osten, dessen Träger an der Basis nicht mehr unmittelbar zu greifen sind, die aber gleich wie die Falkensteiner unter der Kontrolle der Zähringer an diesem Kolonisationsunternehmen mitgewirkt haben.

Die Besiedlung schuf jedoch nur die Voraussetzungen für den Verkehr; sie beweist nicht, daß um 1100 tatsächlich schon Pilger und Kaufleute, Ritter und Mönche durch das Höllental an die Donau, den Hochrhein und den Bodensee gezogen sind und ein Güteraustausch zwischen diesen Landschaften stattgefunden hat, wie dies vom 14. Jahrhundert an die Urkunden belegen. Doch auch hierfür gibt es sichere Anhaltspunkte.

Da ist zunächst noch einmal auf den Standort der Burg Falkenstein selbst hinzuweisen. Wenn ihr eine Schutzfunktion für die falkensteinische Herrschaft auf dem Wald zukommen würde, dann müßte sie in deren Zentrum, in Breitnau oder Hinterzarten, stehen. So aber befindet sie sich vor der engsten Stelle der Höllentalstraße, der alten Falkensteiner Landstraße, die sie beherrschte und bewachte, wo nachweislich seit 1306 bis ins 19. Jahrhundert durch die Falkensteiner und ihre Rechtsnachfolger zugleich der Zoll erhoben wurde. Bezeichnend‑erweise existierte im Spätmittelalter direkt unterhalb der Burg nur ein Wirtshaus mit Herberge, Ställen, Mühle und Backofen, auch dies mit ein Zeichen für ihre ausschließliche Zuordnung zur Straße25.

Außer durch die Funktionsbestimmung der Burg, die schon ausreir‑hen würde, um der Höllentalstraße für deren Erbauungszeit um 1100 eine Verkehrsbedeutung zuzumessen, wird diese aber auch noch durch andere, bisher nicht im Zusammenhang beachtete geschichtliche Zeugnisse überzeugend erhellt. Schon bisher wurde auf die frühe Entstehung der St. Oswaldkapelte (1148) im Höllental unmittelbar vor der schwersten Steigung hingewiesen 26. Deren Bedeutung wurde sogar in einer Hinsicht überschätzt, da man sie zu Unrecht als die Mutterkirche der falkensteinischen Herrschaft auf dem Wald ansah 27. Diese Annahme kann eindeutig widerlegt werden. Die dem hl. Johannes d. T. geweihte Kirche in Breitnau ist die ecclesia matrix der St. Oswaldkapelle im Höllental, der Kirche in Hinterzarten und auch ‑was bisher unbekannt war ‑ der Burgkapelle auf Falkenstein 28. Ober‑ und unterhalb der St. Oswaldkapelle befanden sich ursprünglich jeweils zwei oder drei Bauerngüter, die im Spätmittelalter bereits zu je einem großen Gut, dem späteren Posthaltergut und dem Sternenwirtsgut, zusammengelegt waren. Von hier an mußte Vorspann genommen werden, so daß anzunehmen ist, daß diese leistungsfähigen Güter von Anfang an diese Aufgabe versahen bzw. ihr sogar die Entstehung verdankten.

Bei St. Oswald befand sich der Friedhof für die Bewohner des ganzen Höllentales, von Alpersbach und von Hinterzarten. Es war dies gewiß darin begründet, daß die Toten leichter in die für die meisten Höfe talwärts gelegene Filialkirche gebracht werden konnten als zur hochgelegenen und weitentfernten Mutterkirche in Breitnau.

26 F. Schaub (wie Aran. 2), S. 338. ‑ E. Liehl: St. Oswald im I‑löllental (wie Anm. 14), S. 276.
27 E. Liehl (wie Anm. 14), S. 277.
28 Die Gründe, die E. Liehl (wle Amn. 14), S. 276 ff. in seiner im übrigen sehr verdienstvollen Arbeit dafür anführt, sind kirchenrechtlich nicht stichhaltig. Die älteste Siedlung der Falkensteiner biIdeten nicht die Höfe um St. Oswald im Höllental, sondern es war dies eindeutig das durch Bodenverhältnisse und Klima bevorzugte Breitnau, danach folgten Hinterzarten, Alpersbach und die Höfe Im Höllental. Soweit die Quellen zurückreichen, war Breitnau kirchlicher und Verwaltungsmittelpunkt der falkensteinischen Herrschaft auf dem Wald. Im ältesten Urbar von 1446 heißt es, daß aus den alten Rödeln die Rechte der gemeind zu Breittnöw und andern zincken, die zu dem selben kilchspel gon B‑reittnöw gehoerend aufgezeichnet worden sind. Hinterzarten, Alpersbach und die Höfe von der Burg Falkenstein an im Höllental (spätere Vogtei Steig) werden als Zinken bezeichnet. Im Liber decimationis des Bistums Konstanz erscheint Breitnau bereits 1275 als gut dotierte Pfarrei. Die Kirche beflndet sich In bevorzugter Lage im "Vorderhof" von Breitnau imnitten des Widemgutes, das nach beiden Seiten quer durch die Gernarkung verläuft (vgl. auch E. Liehl, S. 275 und 291, Arim. 6). Das Pfarrgut muß schon bei der Siedlungsgründung ausgeschieden und der geplanten Kirche zugewiesen worden sein. Außerdem besaß die Kirche zu Breitnau ein Bauerngut zu Schallstadt, dessen andere Hälfte St. Peter gehörte und somit wohl auf die gleichen Stifter ‑ wohl im 12. Jahrhundert ‑ zurückgeht. ‑ Dagegen hatte St. Oswald außer dem Friedhof keinen Grundbesitz, sondem nur Einkünfte aus Meß‑ und Jahrzeitstiftungen (Liehl, S. 295. Anm. 14). ‑ In GLA 21/132 (1460 1 17) wird berichtet, daß die Kapellenpfründe St. Nikolaus in der Burg Falkenstein ursprünglich in die Leutkirche zu Breitnau als eine rechte Tochter gehört habe, aber von Konrad von Falkenstein nach Kirchzarten "gelegt" worden sei, wo die Falkensteiner 1344 eine Frührneßpfründe gestiftet hatten. Die Nikolauskapelle in der Burg Falkenstein (ein klein eapellen) habe sich im Teil der Linie von Bickenreute befunden und sei allein von dieser Linie mit ihrem Gut gestiftet ‑worden. Darin sei etwenn auf einem Betstein Messe gehalten worden.

Man ist versucht zu glauben, daß die Gründung St. Oswalds im Jahre 1148 nicht nur mit der kirchlichen Versorgung der im Umkreis verstreuten Einzelhöfe zusammenhängt, sondern auch etwas mit dem Verkehr auf der Straße zu tun hat. St. Oswald galt als Schützer der Kreuzfahrer, als Schnitter‑ und Viehpatron 29. Das Kloster St. Gallen, dem die Kirche und der Dinghof zu Kirchzarten gehörten, besaß Oswald Reliquien. Die Errichtung der Kapelle an dieser Stelle kann daher verschiedene Motive haben. Sie kann von einem Teilnehmer des 2. Kreuzzuges, zu dem Bernhard von Clairvaux 1146 den Breisgauer Adel in Freiburg i. Br. aufrief, vielleicht zum Dank für glückliche Heimkehr gestiftet worden sein. Das Gründungsdatum 1148 läßt an einen solchen Zusammenhang denken. Andererseits begann unmittelbar hinter der Kapelle der jähe, ja halsbrecherische Aufstieg durch das Löffeltal und in umgekehrter Richtung der Eintritt in das eigentliche Höllental. Bei St. Oswald befand sich wie gesagt die Vorspannstation. St. Oswald als Patron des Viehes würde daher in doppelter Hinsicht passen: als Schutzheiliger der Zug‑, Reit‑ und Saumtiere wie auch für das Vieh der Bauern, die in der Nähe der Kapelle in Alpersbach und Hinterzarten siedelten und hier ihren Begräbnisplatz hatten.

Die Errichtung der St. Oswaldkapelle an dieser Stelle im Höllental im Jahre 1148 ist somit bemerkenswert. Ohne das nur zufällig überlieferte Weihedatum würde schwerlich jemand an eine so frühe Datierung denken. Die Gründung steht wohl im Zusammenhang mit dem Verkehr auf der Straße durch die gefährliche Talschlucht, eine zwingende Aussage ist in dieser Hinsicht jedoch nicht möglich.

Glücklicherweise gibt ein anderes Patrozinium eindeutige Hinweise: das des hl. Nikolaus, des Patrons der Schiffer und der reisenden Kaufleute 30. Es erscheint in ganz auffallender Weise sowohl an mehreren Stellen der Höllentalstraße und deren Fortsetzung nach Schaffhausen wie auch im Verlauf der alten Verbindung vom Breisgau über den Schwarzwald nach Villingen. 

29 M. Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, 7, Sp. 1296.
30 Zur Nikolausverehrung allgemein vgl. K. Meisen: Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendland, 1931. ‑ Im Bereich des ehemaligen Landes Baden ist St. Nikolaus Hauptpatron von 33 Pfarrkirchen, Mitpatron bei 5 Pfarrkirchen; Hauptpatron bei mindestens 54 Kapellen, Mitpatron bei mindestens 5 Kapellen. Dazu ist Nikolaus in 49 Kirchen als Altarpatron, in 10 Fällen als Altarkompatron nachzuweisen. Bei den Nikolauskirchen flnden sich mehrere Beispiele, die geradezu zwingend und frappierend auf den Zusammenhang zwischen dem Patron der Schiffer, Flößer und der reisenden Kaufleute und der wirtschafts‑ und verkehrsgeschichtlichen Bedeutung des betreffenden Ortes hinweisen.

Die älteste urkundliche Erwähnung steht im Zusammenhang mit der Gründung des Klosters St. Märgen, von dem es 1121 heißt, daß es in einem Tal bei einer St. Nikolauskapelle gelegen sei 31. Die Kapelle kann an dieser Stelle nicht der Seelsorge ihre Entstehung verdanken, sondern sie muß eindeutig mit der Straße von Villingen über Urach Kalte Herberge‑Turner‑St.Märgen in Verbindung stehen. Die Nikolauskapelle befand sich an der Wegscheide, wo die Straße sich einerseits nach St. Peter und weiter ins Glottertal und andererseits ins Wagensteigtal hinab verzweigte. Sie wird von Karl Mader als "die idealste Straßenführung über den Schwarzwald beschrieben, da sie über die Scheidelinie der nördlich und südlich gerichteten Täler zieht" und somit keinen Paß, sondern eine Schwelle überquert 32. An dieser Straße gibt es noch zwei dem hl. Nikolaus geweihte Gotteshäuser. Das erste, eine Nikolauskapelle, steht im Wagensteigtal selbst, bezeichnenderweise an der Stelle, wo 1125 der Hof ze Waginstat genannt wird, der heutige Metzgerbauernhof, von wo aus Vorspann genommen werden mußte 33. Die nächste Nikolauskirche besitzt Waldau, zwischen Hohlem Graben und Kalter Herberge gelegen. Zwar wird die St. Nikolauskapelle in Waldau, das damals noch Filiale von Neukirch war, erst 1411 34 urkundlich erwähnt, jedoch ist mit einem weit höheren Alter dieser Kapelle zu rechnen.

Doch kommen wir zurück zur Höllentalstraße selbst. Das erste Nikolauspatrozinium befand sich hier bei der aus einigen wenigen Höfen bestehenden Gemeinde Falkensteig unterhalb der Burg Falkenstein. Im Hinblick auf die nächste Kirche an dieser Straße, die 1148 errichtete St. Oswaldkapelle, könnte die Nikolauskapelle bei der Zollstation unterhalb der Burg kurz vor dem Eintritt ins Höllental durchaus ins 12. Jahrhundert zurückreir‑hen. Jünger ist dagegen wohl die Nikolauskapelle auf der Burg Falkenstein selbst 35. Ebenso ist die Kapelle in Hinterzarten, bei der Nikolaus nur Mitpatron ist, erst im Spätmittelalter erbaut. Jedoch muß bei ihr mit einem Vorgängerbau gerechnet werden 36.

31 W. Müller: Die Klöster St. Märgen und Allerheiligen, Freiburg i. Br., in: Freiburger Diözesanarchiv 89, 1969, S. 11 f. Die Stelle lautet in der Urkunde von 1121 (Schöpflin: Historia Zaringo‑Badensis V, 61): eum quidam terminos per convalles circa capellam s. Nicolai extendere vellent. In der päpstlichen Bestätigung von 1136 (ZGO 31, 1879, S. 297): eum quidam ... circa capellas (!) s. Nicolai extendere vellent. ‑ Im Kloster St. Märgen wurde 1316 eine Nikolauskapelle eingeweiht (A. Krieger: Topographisches Wörterbuch 1, Sp. 764). ‑ In Berau (Kr. Waldshut) wurde 1117 die Klosterkirche dem hl. Nikolaus geweiht (wie Anm. 50, S. 76).
32 K. Mader: Freiburg im Breisgau. Ein Beitrag zur Stadtgeographie, = Badische Geographische Abhandlungen 2,1926, S. 20, Arun. 2.
33 M. Weber: Kirchzarten ‑ Geographie, Geschichte, Gegenwart 1, 1966, S.131. ‑
34 GLA 65/529, S. 100 ‑ 14/42 (1411 V 21).
35 Vgl. oben Amn. 28.
36 A. Krieger: Topographisches Wörterbuch I, Sp. 985.
 

Eine ähnliche Lage an einer wichtigen Straßengabel wie die 1121 erwähnte Nikolauskapelle bei St. Märgen weist die diesem Heiligen geweihte Kapelle beim Wirtshaus zum Schwarzen Bären vor Titisee auf. Sie dient heute noch als Friedhofskirche 37. Unmittelbar vorher zweigte von der Route nach Neustadt die Straße nach Lenzkirch‑Bonndorf-Schaffhausen ab. Am aussagekräftigsten ist für unsere Fragestellung jedoch die Nikolauskirche von Lenzkirch. Schon der Name hebt die kirchliche Bedeutung des Ortes hervor. Er hat um 1100 schon existiert, denn in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts tritt ein nach ihm sich benennender zähringischer Ministeriale de Lendischilicha auf". Es besteht kein Grund, hier einen Patrozinienwechsel anzunehmen, vielmehr spricht jede Logik dafür, daß die Kirche, die dem Siedlungsverband den Namen gab, gleich bei ihrer Entstehung an der Straße von Breisgau an den Hochrhein das Nikolauspatrozinium im Hinblick auf die an ihr vorbeiziehenden Kaufleute und Pilger erhielt, für die nun die schwierigste Etappe der Schwarzwaldüberquerung begann.

Von Wellendingen bei Bonndorf verlief die Schaffhauser Straße über den sogenannnten Dünnsteig in auffallend gerader Richtung über die Alp auf Stühlingen zu". Dieser Weg weist auf eine künstlich geschaffene Anlage hin. Es gibt Anzeichen, daß er erst durch die Herren von Lupfen als Inhaber der Landvogtei (1256) und späteren Landgrafschaft Stühlingen (ab 1296) im Spätmittelalter angelegt wurde. 1424 verhandelte der Rat von Schaffhausen mit den Herren von Lupfen "von wegen des lantfridens und der strass über den wald zu machen1140. UM 1300 reichte die Herrschaft der Herren von Lupfen, Landgrafen zu Stühlingen, noch einmal bis zum Titisee. Die ursprüngliche Landstraße nach Schaffhausen und dem Bodensee scheint wie üblich über die alten Siedlungen und zwar von Bonndorf über Münchingen, Lausheim, Schleitheim Schaffhausen einerseits und andererseits in etwas nördlicher Richtung über Fützen, Randen, Tengen, Blumenfeld, Radolfzell zum Bodenseegebiet verlaufen zu sein. Auf dieser Route finden sich noch Nikolauspatrozinien zu Lausheim (und dessen Filiale Blumegg) sowie in Tengen 41.

37 M. Weber: BevöIkerungsgeschldite im Hochschwarzwald. Quellen und Forschungen aus dem Raum von Lenzkirch, 1953, S. 36 (Abbildung). 
38 Fleig (wie Anin. 6), S. 115; H. Büttner: Die Anfänge der Herrschaft Lenzkirch, in: Schriften des Vereins für die Geschichte und Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Landschaften 21,1940, S. 115 f.
 39 Vgl. Bad. Fundberichte 17, 1948, S. 367; in Wellendingen wurde ein Stück der alten Fernstraße durch das Höllental zum Hochrhein auch archäologisch nachgewiesen (Bad. Fundberichte 23,1967, S. 124, Anm. 9).

40
K. Schlb: Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, 1972, S. 140.
41 A. Krieger: Topographisches Wörterbuch II, Sp. 38 (Lausheim); ebenda I, Sp. 222 (Blumegg).

Es gibt in Südwestdeutschland keine andere Straße, die eine solche Reihung von Nikolauskirchen und ‑kapellen aufzuweisen hat. Es kommt darin ebenso sehr der Grad der Schwierigkeit dieser Verbindung über den Schwarzwald zum Ausdruck wie ihre Bedeutung für den Verkehr der Kaufleute und Pilger. Wenn auch nicht alle der dem hl. Nikolaus an dieser Straße geweihten Gotteshäuser gleichzeitig entstanden sind, so gehen doch einige von ihnen mit Bestimmtheit in die Zeit um 1100 zurück.

Mehrere Forschungszweige ‑ Burgenbau, Siedlungsgeschichte und Patrozinienkunde ‑ führen somit von verschiedenen Ansätzen her zu einem gleichlautenden Ergebnis: Um 1100 war das Höllental als Verbindung vom Breisgau zum Hochrhein und zum Bodensee erschlossen und wurde für den Fernverkehr in nicht unbeträchtlichem Maße benutzt. Um die gleiche Zeit waren aber auch für die Route über das spätere Neustadt und Löffingen zur Baar und Donau hin sowie wahrscheinlich auch für die Strecke Neustadt‑Villingen die siedlungsgeschichtlichen Vorbedingungen für einen Wagenverkehr geschaffen. Die deutlicheren Daten der Siedlungsgeschichte, die auffallende Häufung der Nikolauspatrozinien wie auch die Tatsache, daß nur für die Straße Höllental-Lenzkirch‑Schaffhausen die Bezeichnung via regia überliefert ist, scheinen auf die größere Bedeutung und das höhere Alter dieser Verbindung hinzuweisen. 

Um 1100 waren aber auch andere entscheidende Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Austausch über den Schwarzwald hinweg, ja sogar für eine Einbeziehung der Straßen über den Schwarzwald in den Fernverkehr geschaffen. Vielfach wird die Meinung vertreten, daß die etwa gleichzeitige Stadtgründung von Freiburg und Villingen durch Herzog Konrad von Zähringen um 1120 zuletzt wegen des Verkehrs vom Breisgau zur Baar erfolgt sei. Das ist in dieser Form sicher nicht zutreffend. Der Austausch setzt eine wirtschaftliche Spannung oder ein Gefälle voraus. Eine solche Spannung hat für die Zeit um 1120 zwischen beiden Städten und Landschaften noch nicht bestanden, sie hat sich vielmehr durch die Gründung der beiden Städte erst allmählich ‑ frühestens bis zum Ende des 12. Jahrhunderts ‑ entwickelt. Ein Wirtschaftsgefälle bestand aber schon um 1100 zwischen dem Breisgau und dem Bodenseegebiet. Die wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen der letzten Jahrzehnte haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß man im Umkreis des Bodensees "die Formung entwickelter Wirtschaft weit ins 12. Jahrhundert und vielleicht noch weiter zurück" (H. Arninann) datieren muß 42. Es ist hier an erster Stelle Konstanz zu nennen, dessen überragende wirtschaftliche Bedeutung sich in einem bis ins 10. Jahrhundert zurückreichenden Fernhandel kund tut 43.

42 H. Aumann: Die Anfänge der Leinenindustrie des Bodenseegebietes, in: Alemannisches Jahrbuch 1953, S. 302.
43 Ebenda, S. 290 f.

Aber auch Schaffhausen verdient Beachtung, das um 1100 eine ansehnliche Marktsiedlung war und bereits vor 1120 eine Befestigung besaß 44. Ähnliches gilt für Zürich, das Otto von Freising für die Zeit um 1100 als nobilissimum Sueviae oppidum bezeichnet und wohl als die älteste planmäßige Stadtanlage der Zähringer anzusprer‑hen ist 45. St. Gallen wird 1121 ebenfalls schon als civitas bezeichnet 46. In Radolfzell gründete die Abtei Reichenau im Jahre 1100 eine vom alten Dorf rechtlich und räumlich geschiedene Marktsiedlung, in der sich Kaufleute und Handwerker nach dem ius fori niederlassen sollten 47. Parallel zur wirtschaftlichen reicht also auch die städtische Entwicklung im Bodenseegebiet in ihren entscheidenden Ansätzen bis in die Zeit um 1100 zurück.

Wir haben oben festgestellt, daß gewichtige Indizien für die Priorität der Route Höllental‑Lenzkirch‑Bonndorf nach Schaffhausen(‑Zürich) und zum Bodenseegebiet sprechen. In die gleiche Richtung weisen aber auch die wirtschaftlichen Zielpunkte vom Breisgau aus, so daß die bisherige Argumentation dadurch eine weitere wesentliche Stütze erhält.

Die Erschließung des Schwarzwaldes für den Verkehr läßt sich schließlich nicht ohne einen kurzen Blick auf die politischen Kräfte beurteilen. Wir haben schon gesehen, daß die Herren von Falkenstein, die um 1100 durch das Höllental bis zum Titisee vorgedrungen waren, als Ministeriale der Herzöge von Zähringen sicher belegt sind. 1123 erwarben die Zähringer die Vogtei über den Ort Friedenweiler und damit über das kurz danach an dieser Stelle errichtete, von St. Georgen abhängige Benediktinerinnenkloster 48. Zu Anfang des 12. Jahrhunderts begegnet ein Adeliger von Lenzkirch im Gefolge der Zähringer. Die Herrschaft Saig, zu welcher der halbe Titisee und das Gebiet vom Südosten bis zum Feldberg hinauf gehörte, wurde kurz nach 1100 von einem Adligen, der dieses Gebiet erschlossen und die Kirche errichtet hatte, aber offensichtlich nicht zu der zähringischen Ministerialenschaft gehörte, an das Kloster Schaffhausen geschenkt 49. Erst mit der Vogtei über Schaffhausen, die König Philipp von Schwaben 1197/98 dem letzten Zähringerherzog überließ, erwarb dieser die Herrschaft über Saig. Auch die Errichtung der Burg Urach bei Lenzkirch scheint erst in diese Spätphase der Zähringerherrschaft zu fallen.  

44 K. Schib (wie Anm. 40), S. 48 ff.
45 Vgl. unten Anm. 51.
46 H. Amrnann (wie Anm. 42), S. 293.
47 R. Feger: Auf dem Weg vom Markt zur Stadt, in‑. ZGO 106,1958, S. 17 ff.
48 K. S. Bader: Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler (wie Anm. 23), s. 39 ff.
49 Siehe oben Arun. 16.

Weitere Stützpunkte an dieser Straße besaßen die Zähringer aber aufgrund der Vogtei über St. Blasien, die sie unmittelbar nach 1125 erwerben konnten. Ganz entscheidend ist jedoch die Tatsache, daß die Zähringer um die Mitte des 11. Jahrhunderts und dann wiederum von etwa 1110 an die Grafschaft Alpgau, der altbesiedelten Landschaft an der Südostabdachung des Schwarzwaldes, d. h. etwa im Gebiet zwischen Alb und Wutach, innehatten.  Schon kurz vor 1100 läßt sich eine führende Stellung der Zähringer gegenüber dem Adel dieser Landschaft konstatieren 50. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Zähringer seit 1090/92 die Herrschaft über Zürich besaßen, dort alsbald danach ‑ nach Büttner zwischen 1090/92 und 1098 ‑ die planmäßige Marktsiedlung rechts der Limmat abwärts vom Großmünster anlegten und befestigten". Zürich war der politisch, wirtschaftlich und militärisch bedeutsamste Stützpunkt, den die Zähringer wohl um diese Zeit überhaupt besaßen. Im Frühjahr 1120 versuchte Herzog Konrad von Zähringen, Kloster und Markt Schaffhausen gewaltsam unter seine Herrschaft zu bringen. Es liegt in der Natur der Sache, daß er ein ganz vitales Interesse daran haben mußte, eine Verbindung zwischen seinen Herrschaftszentren im Breisgau und im Alpgau und weiter zum Hochrhein und zu seinem Stützpunkt Zürich zu schaffe1152. Der Versuch, das Kloster Schaffhausen, dessen Besitz sich im Nordwesten bis zum Schluchsee, Feldberg und Titisee und im Süden in den Thur‑ und Zürichgau hinein erstreckte, seiner Herrschaft 1120 einzugliedern, zeigt deutlich die Richtung der zähringischen Interessen 51.

Man kann somit feststellen, daß die wichtigsten Abschnitte der durch das Höllental führenden Straße samt ihren einzelnen Fortsetzungen sich im 12. Jahrhundert in der Hand der Zähringer bzw. ihrer Ministerialen befanden. Die Verfügungsgewalt der Zähringer über diese Straße beruhte aber letztlich nicht auf diesen Stützpunkten, so wichtig und wertvoll sie im einzelnen auch gewesen sind.

50 H. Maurer: Das Land zwischen Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter ‑ Königtum, Adel und Klöster als politisch wirksame Kräfte, Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte Bd. 16,1965, S. 110 f.
51 H. Büttner: Die Anfänge der Stadt Zürich, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 1, 1951, S. 529 ‑ 544; jetzt auch in: Schwaben uncl Schweiz im frühen und hohen Mittelalter, Gesammelte Aufsätze von H. Büttner, = Vorträge und Forschungen, hrsg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte Bd. 15,1972, S. 315 ‑ 326; ders.: Basel, die Zähringer und die Staufer, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 57, 1958, S. 12 f., ~ Schwaben und Schweiz, S. 216); H. Maurer (wie vorige Amn.), S. 172; ders. in Teil II der Dissertation S. 285 ff.
52 Auch von der Baar, dem alten Hauptzentrum zähringer Herrschaft, verlief die Straße zum Hochrhein und nach Zürich über den Alpgau; H. Maurer (wie Anm. 50), S. 172; ders.: Ein päpstliches Patrimonium auf der Baar, in: ZGO 118,1970, S. 51; jetzt auch in: Villingen und die Westbaar, hrsg. von W. Müller, S.135.
53 Übersicht über den Grundbesitz des Klosters Allerheiligen zu Schaffhausen bei K. Schib (wie Anm. 40), S. 45.

Das Geleitsecht war im 12. Jahrhundert noch eindeutig Königsrecht. Nur der König und in seinem Auftrag die Herzöge hatten es auszuüben, nicht etwa Dynasten im Range von Grafen oder noch kleinere Edelfreie. Die Herrschaft der Zähringer beruhte in einem bestimmten Bereich des Südwestens auf einer herzoglichen oder einer quasiherzoglichen Gewalt. Auf andere Weise lassen sich verschiedene verfassungsrechtliche Erscheinungen der Zähringerherrschaft, so etwa das Verhältnis zahlreicher Dynasten und Edelfreien zu ihnen, nicht erklären 54.

54 Vgl. hierzu auch H. Maurer. Das Land zwischen Schwarzwald und Randen (wie Anm. 50), S. 170 f.

Die Herrschaft über diese Straße blieb den Allodialerben der Zähringer, den Freiburg‑Urachern, auch nach dem Aussterben der Stammlinie im Jahre 1218 erhalten, obwohl Kaiser Friedrich II. ihnen die Vogtei über die Klöster Schaffhausen und St. Blasien entzog.

II.

Nachdem wir auf verschiedenen Wegen den zeitlichen Rahrnen abgesteckt haben, innerhalb dessen die Erschließung der Straße durch das Höllental und ihrer Fortsetzungen über den Schwarzwald zu datieren ist, kommen wir nun zu den urkundlichen Nachrichten, die auf die Benutzung dieser Straße hinweisen. Sie setzen allerdings erst in der Zeit um 1300 ein. Im Jahre 1301 drückte Graf Egon von Freiburg in einem Schreiben an die Stadt Konstanz sein Bedauern darüber aus, daß in seinem Geleit und auf seiner Straße Bürger von Konstanz oder andere Leute Schaden erlitten haben. Er versicherte, alles daran zu setzen, um Abhilfe zu schaffen. Falls ihm dies nicht gelänge, werde er sich an den König und alle seine Freunde wenden, daß sie ihm dazu verhelfen. Andererseits beklagte er sich darüber, daß Konstanzer Bürger wegen vor vielen Jahren bereits "gerichteter Sachen" ihn vor dem geistlichen Gericht ‑ dem Offizial des Bistums Konstanz ‑ belangtenr15. Da wenige Monate später Graf Egon und der Ritter Johann Schnewelin einen "Krieg" zwischen den Kaufleuten von Konstanz und Freiburg durch eine schiedsgerichtliche Entscheidung beilegten, dürfte es sich um Kaufleute von Freiburg gehandelt haben, welche die Konstanzer auf den Straßen des Grafen behelligt hatte 56.

56 F. J. Mone, ZGO 4 (1853), S. 55. 56 Ebenda, S. 56.

Daß dies auf der Strecke von Konstanz nach Freiburg geschehen ist, geht aus einer unmittelbar danach ausgestellten Urkunde hervor, worin Graf Egon von Freiburg und sein Vetter Heinrich von Fürstenberg den Konstanzern und den drei mit ihnen verbündeten Städten ‑ St. Gallen, Zürich, Schaffhausen ‑ einen Geleitsbrief zusagten, der ihnen auf der Straße jegliche Sicherheit bieten sollte 57. Durch die Einbeziehung des Fürstenbergers kann es sich nur um die Straße vom Bodensee über Neustadt und das Höllental oder über Schaffhausen‑Lenzkirch und das Höllental gehandelt haben.

Eindeutig festgelegt ist die Route Neustadt‑Höllental dagegen in einer Urkunde von 1306, als acht Mitglieder der Familie von Falkenstein dem Kloster Friedenweiler bei Neustadt Zollfreiheit zu Falkensteig für den Transport aller Güter gewährten, welche die Nonnen für ihren Eigenbedarf benötigten 58. Es ist dies die erste Erwähnung des Zolles bei der Burg Falkenstein. Die Herren von Falkenstein trugen den Zoll, das Gericht und ihr Recht auf der Straße vom steinernen Brücklein zu Ebnet bis an das fürstenbergische Territorium beim Titisee von den Grafen von Freiburg und danach von den Herzögen von Österreich als Rechtsnachfolger der ersteren zu Lehen 59. Dies zeigt noch einmal deutlich den ursprünglichen Zusammenhang der Erschließung dieser Straße mit den Herzögen von Zähringen. Geleit wurde auf dieser Straße im allgemeinen weder von den Falkensteinern noch von den Fürstenbergern ausgeübt. Der Herr der Straße trug jedoch ‑ wie das oben angeführte Beispiel des Grafen Egon von Freiburg und der Kaufleute von Konstanz demonstriert ‑ die Verantwortung, wenn Kaufleute durch Gewaltanwendung von seiten Dritter Schaden erlitten.

Ebenfalls im Jahre 1306 erließ Graf Heinrich von Fürstenberg dem Kloster Amtenhausen den Zoll und alle Abgaben zu Neustadt, wenn es mit Wagen, Karren, mit Vieh oder zu Fuß die Straße von und nach Neustadt benutzte 60. Diese Vergünstigung hatte nur einen Sinn für den Verkehr des Klosters mit dem Breisgau und seinen dortigen Besitzungen, wobei das Kloster den fürstenbergischen Zoll zu Neustadt passieren mußte. Wichtig ist, daß hier bereits von einem Verkehr mit Wagen die Rede ist, die schwierige Steige hinter Neustadt war also bereits für den schweren Verkehr befahrbar. Die Passage von Vieh kann in doppelter Weise interpretiert werden: einmal der Durchtrieb zum Verkauf, zum andern als Saumtiere mit Kaufmannsgut. Die Benutzung der Straße zu Fuß bezieht sich dagegen eindeutig auf zollbare Waren, die als Traglasten von Menschen befördert wurden.

57 Ebenda, S. 57 ‑ Auf die unsichere Datierung dieser Urkunde hat schon A. Schulte: Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien 1, 1900, S. 392 Anm. 5 hingewiesen. Die Urkunde setzt bereits den Bund der Seestädte voraus, der nach bisheriger Kenntnis erst 1312 geschlossen wurde. Jedoch hat schon R. Feger (Kleine Geschichte der Stadt Konstanz, 1957, S. 115) betont, daß die Quellen über diesen Gegenstand bisher erst mangelhaft erforscht seien.
58 FürstenbergischesUrkundenbuch5,272.
59 GLA 21/87 (1392 11115,16); ebenda (1412 VI 4).
60 Kopie in GLA 229/74247; fehlt im Fürstenbergischen Urkundenbuch.

Schäfer, Alfons.
Die Höllentalstraße.
Ihre Erschließung und ihre Bedeutung für den Handelsverkehr vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert,
in: Erich Hassinger u.a. (Hrg.).
Geschichte. Wirtschaft. Gesellschaft.
Festschrift für Clemens Bauer zum 75.
Geburtstag. Berlin 1974.