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Hofsgrund als Kurort

Aus: Freiburger Zeitung - 9.Juli 1933 - Badische Chronik

Vor zwei Jahren war ich gelegentlich eines Erholungsaufenthaltes im Haldengasthaus zum ersten Male in Hofsgrund, obwohl ich seit meiner frühesten Jugend, Ende der 60er Jahre, hier in Freiburg ansässig bin, mich also zu den alten Freiburgern rechnen darf.

Der Grund für diesen verspäteten Besuch ist leicht ersichtlich. Hofsgrund liegt nicht auf dem Touristenpſad nach den begehrenswerteren Ausflugszielen des Schwarzwaldes. Es bietet oder bot bisher nichts, was die Mühe des Zuwanderns gegenüber anderen leichter erreichbaren Punkten aufwiegen könnte. Es ist, so verlockend und anscheinend leicht erreichbar es unterhalb des Schauinslandgipfels liegt, für einen Ausflug in dieses Gebiet nicht gerade bequem ach noch zum Mitnehmen.

Als ich mich damals auf der Halde befand, hatte ich genügend Zeit, das bisher Versäumte nachzuholen. Ich lernte bei dieser Gelegenheit die beschwerliche Steilheit des Abstiegs und Wiederaufstiegs kennen, da ich die in weitem Bogen an der Nordseite des Südhangs hinabführende Landstraße nicht benutzen wollte. Ich kam bis in die Gegend der etwa in der Mitte des Grundes gegen den Nordhang zu malerisch gelegenen Kapelle. Im Gegensatz zu der sonstigen Erfahrung sah ich hier nichts von einer gastlichen Stätte, die zu einer Erfrischung eingeladen hätte. Das einzige Gasthaus zum Hof liegt weiter talabwärts und hatte bisher keine Veranlassung, sich auf sogenannten Fremdenverkehr einzurichten. 

Der Bericht in der Freiburger Zeitung über eine Versammlung der Schauinslandbahn-AG., in welcher der Plan erörtert wurde, Hofsgrund zu einem Kurort zu entwickeln, erregte daher meine Aufmerksamkeit und ſorderte zur persönlichen Nachprüfung auf, und ich beschloß, Hofsgrund zum Ausflugsziel zu nehmen. Bevor ich die Eindrücke meines zweimaligen Besuches schildere, möchte ich hervorheben, daß Herr Stadtarzt Pflüger in der damaligen Sitzung die klimatischen Vorzüge von Hofsgrund für seine Eignung zum Kurort bereits gebührend begründet hat und daß ich mich diesem Urteil aus berufenem Munde voll anschließe. Ebenso ist die dringende Notwendigkeit der Herstellung eines besseren und bequemeren Zugangsweges von der Bergstation aus über jeden Zweifel erhaben,

Ich machte mich an einem Sonntag nachmittag mit der Schwebebahn nach dem Schauinsland auſ und bestieg den Gipfel, um zunächst aus der Vogelperspektive das Objekt zu besichtigen. Da lag es von der Sonne beschienen mit seinen zerstreuten Höfen und dem Kirchlein friedlich in seinem frischgrünen Grunde, während die angrenzenden Höhen infolge der legten andauernden Trockenheit bereits vorwinterlich graugrämlich dagegen abstachen. Die alten Buchen, durch die mich der Weg zunächst abwärts führte, zeigten einen kräftigen, von Wind und Wetter kaum beeinflußten Wuchs und waren nur wenig mit Flechten bewachsen, ein Zeichen, daß Nebelfeuchtigkeit hier nicht die Vorherrschaft führt. Ich achtete mehr auf den Baumwuchs. Leider gibt es nur wenig Bäume im Dorf, dieselben stehen meist direkt bei den Höfen. Auch diese zeigten ungestörten Wuchs und volle Blätterkronen. Das saubere Höfchen, zu dem ich weiterhin über das steile und steinige Weidfeld gelangte, trug. vor den Fenstern der Ost- und Südseite einen Schmuck von Blumen in leuchtenden Farben, die ihnen die Kraft der natürlichen Höhensonne verliehen hatte. In den Gärtchen, die ich weiterhin sah und die, soviel ich beobachtete, an der Ostseite der Gehöfte lagen, konnte ich meist ein üppiges Durcheinander von Gemüse, und Blumenstauden feststellen. Selbstverständlich fehlten an der Einzäunung nicht die Johannisbeersträucher, deren letzte Früchte gerade noch geerntet wurden. Rings herum im Weidfeld und in den Wiesen zerstreut lagen größere und kleinere Kartoffelfelder und auch und auch vereinzelte Stoppelfelder von abgeerntetem Getreide. Wie mir auf Befragen mitgeteilt wurde, dient deren Frucht aber nur zum Hühnerfutter. Das einzige Haferfeld, das ich noch bemerken konnte, ganz oben am Westhang, die Halme waren noch grün, sie wurden aber doch schon vorsorglich mit der Sichel abgeschnitten. Das Ergebnis meiner Beobachtungen am Pflanzenwuchs fassen sich dahin zusammen, daß derselbe bei einer Höhenlage von 1000 bis 1200 Meter auf das Vorhandensein eines wind- und nebelgeschützten Klimas hinweist.

An diesem- Nachmittag kam ich auch nur bis zur Mitte des Dorfes und versäumte es nicht, einen Blick in das helle, freundliche Innere der alten Kapelle zu tun. Sie stammt aus dem Anſang  des 18. Jahrhunderts und enthält ein farbiges zwei Meter hohes Holzrelief aus dem 16. Jahrhundert, das sich früher in einem Freiburger Kloster befunden haben soll und die Heiligen Laurentius-und Jacobus darstellt,

Da ich keine Zeit mehr hatte, auch den unteren Teil des Dorfes kennenzulernen, entschloß ich mich, an einem der nächsten Nachmittage Hofsgrund vom Oberrieder Tal aus über den Steinwasen zu besuchen. Die steinige, schmale Fahrstraße führt durch das anmutige Tälchen mit schönen Rückblicken auf das St. Wilhelmstal und den Feldberg ziemlich steil. aufwärts. Der Ausblick auf Hofsgrund öffnet sich ziemlich unvermittelt nach einer baumbestandenen Verengerung des Tals. Die Straße wird bei den ersten Höſen steinfrei und ist nach modernen Grundsätzen gepflegt. Die Höfe sind wesentlich größer als im Oberdorf, besonders in einem rechtsgelegenen kleinen Seitentälchen liegt ein großer Hof. Das Tal ist noch ziemlich eng und hat rasch ansteigende Wände, die zum Teil mit Wald bestanden sind. Der munter in den Wiesen abwärts fließende Bach wird an einer Stelle durch ein solides Wehr gestaut, der Stauweiher ist aber nur klein und soviel mir schien in der Mitte und nach abwärts ziemlich tief. Daher wohl die Tafel, welche das Durchschreiten der Wiesen und das Baden verbietet. Immerhin, wie man sieht, ist die Möglichkeit zur Einrichtung eines Strandbades, meines Erachtens weiter talaufwärts, gegeben. Doch das wäre eine spätere Sorge.

Ich möchte noch einen Eindruck mitteilen, der sich mir bot gerade als sich mir der Ausblick auf Hofsgrund öffnete. Ich sah, wie über die gegenüber liegenden Höhen des Westrandes Nebel herunter kamen und in das Tal einzudringen suchten. Doch sie kamen nicht weit, da waren ſsie auch schon von der aus der Talmulde aufsteigenden trockeneren und wärmeren Luft aufgezehrt.

Das Tal von Hofsgrund stellt eine große, geräumige Mulde dar. Die Umrandungen liegen 100 bis 200 Meter über dem Grunde und geben völligen Schutz gegen Süden, Westen und Norden. Nur gegen Osten ist das Tal offen, die gegenüberliegenden Wände des Oberrieder Tals und das Feldbergmassiv wehren aber auch hier ein allzu ungehindertes Vordringen des Windes ab. In dieser Mulde staut sich die vom Tal aufsteigende wärmere Luft, und im Sommer kann es wohl darin recht warm werden, wenn die Wärme von den Wänden in das Innere zurückgeworfen wird, Doch die Luft ist jedenfalls trocken und rein und nicht drückend. Die Sonne scheint schon vom frühen Morgen durch das offene Tal herein, verschwindet allerdings auch früher hinter der Westwand. Schöne Sonnenuntergänge gibt es also keine, dafür aber  schönere Aufgänge. Bei dem Mangel an Durchgangsverkehr herrscht den Tag über idyllische Ruhe.

So hätte Hofsgrund als Kurort sicher viele Vorzüge, die sich noch weiterhin verbessern lassen. Den Nachteilen läßt sich abhelfen durch Anlage bequemerer Zugangswege von oben zum Ort und im Unterdorf zum Walde. Im Winter ist das Skigelände besonders für Anfänger geeignet. Für die Verbesserungen auch der Unterkunftsmöglichkeiten müssen in erster Linie die Hoſsgrunder selbst aufkommen. Daß bei den gegenwärtigen schlechten Geldverhältnissen nicht rasche und vollständige Ergebnisse erzielt werden können, wird vernünftigerweise niemand erwarten. Aber mit einem bestimmten Ziel vor Augen und bei beharrlicher Ausdauer dasselbe zu erreichen, wird das der Allgemeinheit sowie den Hofsgrundern selbst zugutekommende Werk schließlich von bestem Erfolg gekrönt werden. Darum dem alten Bergmannsdörfchen Hofsgrund als Kurort: Glück auf !