Holzmarie,
Ölgemälde von Herbert Koch
aus dem „Löfflerstüble” im Pflegeheim Kirchzarten
Skizze vom Bild links
Maria Meier aus Stegen, bekannt als "Holzmarie" starb 1969 im
Alter von 75 Jahren, aber in Erinnerung vieler Stegener Einwohner
ist sie heute noch sehr sehr lebendig. Eine Stegener Bürgerin war
gerne bereit zu erzählen, was noch in Erinnerung war: Die
Holzmarie wohnte auf dem Holzberg in ihrem alten Schwarzwaldhaus
ohne Stromanschluss. Leute vom Dorf die keine eigene Rauchkammer
hatten, brachten Speck
und Würste der Holzmarie zum Räuchern. In ihrer Küche mit offenem
Rauchfang war es so dunkel, dass man sie kaum sehen konnte. Wenn
man in die Küche kam, musste man immer rufen „Holzmarie, wo bist
Du?” - und meistens stand sie dann hinter dem Herd.
Im Winter ging man dann hoch mit dem Schlitten, um den fertig
geräucherten Speck abzuholen. Bei dieser Gelegenheit bot die
Holzmarie gerne von ihrem guten Most an und manch einer kam den
schmalen Weg vom Berg nicht mehr nüchtern herunter. So war einmal
der Schlitten mit samt dem Speck umgefallen und die Holzmarie
betrachtete das Spektakel voller Freude von ihrem Fenster aus und
„lachte dabei ganze Schollen“!
Die Holzmarie hatte einen Hund, Katzen, Hühner, Ziegen und Schafe.
Die Katzen durften in ihrem Bett schlafen, wo sie manchmal auch
ihre Jungen zur Welt brachten oder sie lagen in einem alten
Kinderwagen.
Für die Dorfjugend war das Haus der Holzmarie ein echter
Treffpunkt, denn sie war bei ihr immer willkommen. Für die Kleinen
hatte sie Würfelzucker parat und die Größeren bekamen Most. Dabei
nahm sie es mit dem Alter nicht so genau, wer Most trinken wollte,
bekam ihn auch. Und dann freute sie sich immer riesig, wenn die
jungen Burschen von ihrem Most leicht besäuselt waren.
Einmal kam der neue Pfarrer aus Kirchzarten zu ihr und wollte sich
vorstellen, denn Rechtenbach, Ober- und Unterbirken gehörten
damals zur Pfarrei Kirchzarten. Als er an die Haustüre klopfte
hörte er von drinnen „Kumm nu rei, du Lumpeseggel", worauf der
Pfarrer erstaunt meinte, „so was sagt man nicht". Die Holzmarie
war aber nicht verlegen, sie sagte: „ich habe nicht gedacht, dass
Sie es sind, ich dachte es sei der Hund, der Lumpenhund!“
Gekocht hat die Holzmarie nie so richtig. Sie bekam oft ein Stück
Speck oder als sie krank war, brachten die Leute Essen und Suppe.
Sie aß alles, nur keine Hühnersuppe. Eines Tages kochte doch
jemand eine Hühnersuppe für sie, ohne es ihr zu sagen. Die
Holzmarie verzehrte die Suppe mit großem Genuss und meinte
hinterher, es wäre die beste Suppe gewesen, die sie je gegessen
hätte... Ihre Wehwehchen kurierte sie mit Saridon-Tabletten, die
sie Schachtelweise verbrauchte. Einmal aber wurde sie so krank,
dass sie ins Krankenhaus musste. Was dort so passierte, das
erfahren Sie in dem folgenden Zeitungsartikel aus der Badischen
Zeitung vom 18. August 1966:
IPunkt Dreisamtal August 2008
BZ vom Donnerstag, den 18. August 1966 Nr.189
Die " Holzmarie" wieder daheim - Das Stegener Original hat seine
Operation überstanden !
Stegen. Sie ist 72 Jahre alt die Maria Meier auf dem Holzberg, ein
Stegener Original wie es weit und breit kein zweites gibt. Wer
einmal ihre Bekanntschaft gemacht hat und es sind ihrer gar nicht
viel in Stadt und Land, dem wir ihre uriger Art für Dauer in
Erinnerung bleiben. Von ihrem „Hüsli" aus haben ihre Besucher eine
großartige Fernsicht weit über die Stadt hinaus, deren Türme an
manchen Tagen zum Greifen nahe sind, über den Tuniberg bis zu den
Vogesen im Elsaß.
Aber fast ein Vierteljahr pilgerten ihre Bekanten nicht auf den
Holzberg, sie besuchten die „Holzmarie", unter diesem Namen ist
sie bekannt, in der Freiburger Klinik. Mit einer ernsten Krankheit
-wohl der ersten in ihrem Leben- war sie dort aufgenommen worden.
Und es gab Tage, an denen die Kinder dem Lehrer in der Schule ganz
nachdenklich erzählten, daß es gar nicht gut um sie steht. Aber
die Holzmarie hat alles überstanden.
Wie Gott will, sagte sie jedesmal zu ihren Besuchern, deren es an
einem Sonntagnachmittag an die 30 waren. Auch die Erholungszeit in
Elzach ging vorbei und so lief vor kurzem die Nachricht durch das
Dorf, sie sei wieder daheim. Und die es weitersagten, freuten sich
herzlich darüber. Noch ein wenig blaß, empfing sie uns, zeigte
gleich voll Stolz ihren neuen Liegestuhl, den ihr ein bekannter
Pfarrer geschenkt hatte und in dem sie sich noch gar nicht richtig
wohl fühlte, denn zum „muddle" muß man am Tisch sitzen. Und daran
mag man den Zustand ihrer Gesundheit erkennen: „s Mul goht wieder
wie g'schmiert". Was es nicht alles zu erzählen gab! Von der
Krankenschwester beispielsweise, die ihr die Spritzen
verabreichte. Wenn ihr "mer weh duet, entweder du i fluche oder
loß en plar ab". Sie wird wohl beites gemacht haben, je nach dem!
Wem kommen nicht die Tränen der Heiterkeit, wenn er erfährt, daß
sie im Operationssaal die Ärzte mit dem Ruf erschreckte: Jesses,
worum hen ihr denn d´Gosche verbunden?"
Und wieviel Spaß gar der Herr Professor mit ihr gehabt hatte, dem
sie, als er ihr die Klammern entfernte, die Geschichte von ihrem
Schafbock „Lumpenbock" erzählen mußte: "Der het ganze Scholle über
mein Ranze herglacht"! Aber am schalkigsten ist doch die Sache mit
der Bluttransfusion gewesen. Als das Blut so langsam tropfte,
fragte sie, warum denn das Blut so dunkel sei? Ha, weil das doch
von einem Neger sei! Wie sei sie erschrocken darüber und hätte
stündlich erwartet jetzt selber dunkle Hautfarbe zu kriegen. Was
der Doktor zu hören bekam, als sie den Scherz merkte!
Das Schönste aber bei Ihrer Geschichte ist, daß die Zuhörer nie
recht wissen ob sie nicht von der Holzmarie auf den Arm genommen
werden. Oh, Holzmarie! die Stegner sind allesamt froh, daß sie
wieder in ihrem Häusle sein kann, allen voran der Clemens, ein
junger Mann, der ihr in ihrer Freizeit viele Stunden Gesellschaft
leistet und ihr auch sonst bei der Arbeit hilft. Und da ist auch
noch die Käte, die ihr in diesen Wochen die Arbeit tat und auch
jetzt noch tut, bis sie wieder allein dazu fähig ist. Gern sei ihr
Wunsch erfüllt, ihnen die ihr in den Tagen ihrer Krankheit eine
Freude bereitet haben.
Wir aber wünschen der Holzmarie weiter gute Genesung und noch
viele Jahre in guter Gesundheit. Wenn die Ferien vorbei sind, der
erste Ausflug der Schüler wird zu der Holzmarie sein. Und alle
werden muksmäuschenstill sein, denn ihre Geschichten sind halt
doch am schönsten.
Herbert Koch, Stegen