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Der “Immeschnieder”
Alte SchwarzwäIder lmkerei im Dreisamtal und anderswo

Von W i l h e l m S c h r ö d e r. Ebnet bei Freiburg, Steinhalde 33

Die Alemannen, ein Teil des großen germanischen Stammes der Sueben (Schwaben), brachten in der Völkerwanderungszeit den schon in ihrer alten Heimat im heutigen Mecklenburg im Gebrauch gewesenen Bienenkorb, den "Rumpf", in ihre neuen Wohnsitze, woselbst diese ehrwürdige Bienenwohnung bis zur Einführung des Mobilbetriebs in hölzernen Kasten im Gebrauch war. Der Bienenkorb heißt übrigens in Mecklenburg auch heute noch „Rump“. In Alemannien, insbesondere im Schwarzwald, war der Rumpf teilweise noch bis über die letzte Jahrhundertwende hinaus die landesübliche Bienenwohnung. Auf jedem Hof, bei jeder Taglöhnerhütte stand ein Bienenstand, oftmals nur aus einem breiten Brett, der „Immenbank“, bestehend, die meist in Stockwerkshöhe, nur vom Kammerfenster aus erreichbar, angebracht war und so auch vor Diebstahl geschützt.

Solche "Immenbänke“, wenn auch jetzt unbesetzt, kann man sogar heute noch da und dort antreffen, oft aber nur noch die Balkenköpfe, auf denen die Bretter auflagen. Bis vor wenigen Jahren hatte der Christenhermeshof auf der Spirzen noch seine Immenbank; am Haus des Schreinermeisters Rombach in St. Peter ist sie noch zu sehen und am Haus Dilger (früher Ketterer) in Wittental, Haus Attentalstraße 1, ragten bis zur letzten Renovierung vor ein paar Jahren noch die Auflagebalken aus der Wand (siehe Bild). Mein Imkerfreund Friedrich Drescher in Breitnau (Ravennaschlucht) hatte bis zu seinem Tod auf der Immenbank vor seinem Kammerfenster einen Rumpf und zwei Bogenstülper stehen.



Haus Attentalstr. 1 in Wittental mit den Auflagebalken für die früher 
vorhanden gewesenen Immenbank


In der Regel bearbeitete der Bauer seine Bienenvölker nicht selbst, sondern überließ diese Arbeit dem sogenannten "lmmeschnieder“, meist einem kleinen Handwerker oder Taglöhner, der sich mit dieser Arbeit einen zusätzlichen Verdienst verschaffte. Nur das Einfangen und Einlogieren der anfallenden Schwärme erfolgte in der Regel durch den Bauern oder sein Angehörigen.

Neben freier Verpflegung, mit Brot, Speck, Most und Schnaps an den Behandlungstagen erhielt der Immen schneider oft das anfallende Wachs, auf welches der Bienenhalter meist verzichtete, seit er keine Wachs zehnten und Wachsbußen zu entrichten hatte. Das Ausschneiden der Honigwaben aus den Rümpfen erfolgte meist im Frühjahr, in sehr guten Honigjahren auch im Herbst. Dabei wurde der Rumpf umgedreht und in eine „Zaine“ (Kartoffelkorb) gestellt. Es wurden nur die rückwärtigen Honigwaben ausgeschnitten und dann der Rumpf mit der ausgeschnittenen Seite nach vorn wieder auf das mit einer Flugrinne versehene Bodenbrett gestellt. Die Lücke wurde von den Bienen bald wieder ausgebaut. Im nächsten Jahr kam dann die andere Hälfte "ans Messer“. So wurde der Wabenbau laufend erneuert. Da man eine Zuckerfütterung damals noch nicht kannte, gingen in schlechten Honigjahren (wie 1963!) öfters Völker ein, besonders diejenigen, die zu scharf beschnitten worden waren; man sagte dann: „Die sin abgstande."

Der Tag, an dem der "lmmeschnieder" zur Behandlung (zum Regiere") der Völker erschien, verwandelte das ganze Haus sozusagen in einen Bienenstock; alles mußte mit zugreifen, selbst Frau und Kinder. Aber man tat es gern; der Tag der Honigernte war ein Festtag für die ganze Familie.

Anläßlich der Generaluntersuchung der Bienenvölker in der Gemeinde Wittental im Herbst 1962 entdeckte ich im Bienenhaus des Imkers Otto Walter ein altes Imkerbild, auf dem ein "Immeschnieder" bei seiner Arbeit dargestellt ist. Der Schöpfer dieses Bildes ist nicht bekannt, doch ließen sich sämtliche auf dem Bild befindlichen Personen noch feststellen, weil die jüngeren davon noch am Leben sind. Das nach dem alten Foto reproduzierte Bild ist hier wiedergegeben und zeigt das Wohnhaus des Landwirts und Altratschreibers Wilhelm Fehr in Wittental, Haus Nr. 28 mit der alten, jetzt leider verschwundene doppelten Immenbank. 




Der „Immenschnieder“ Wilhelm Zähringer bei der Arbeit am Immenstand 
des Max Fehr in Wittental.
Die Aufnahme entstand 1904. Reproduktion A. Bank, Kirchzarten


Es sind dargestellt 
(von links nach rechts): 
Josef Zähringer +, Bahnarbeiter in Kirchzarten, 
Max Fehr +, „der Draier“, damaliger Eigentümer des Anwesens, 
Kind Sofie Fehr +, 
Wilhelm Fehr, jetziger Eigentümer des Anwesens, 
Heinrich Fehr + (gefallen), 
auf der Leiter Theodor Zähringer +, der „Immeschnieder" 
Wilhelm Zähringer +, genannt „Waldweber", 
Max Fehr, Landwirt in Kirchzarten. 

Wie man sieht, ist das Bild „gestellt“. Der Immeschnieder" hat den Sonntagsstaat angelegt mit Tschoben, Hut und „Vatermörder“. Den zu behandelnden „Rumpf " hat er in einer „Zaine“ auf der Bank vor sich stehen, während sein Gehilfe mit einem Handraucher den nötigen Rauch macht. Das Rauchgerät ist eine Blechröhre, mit Blasebalg versehen, meist mit Heublumen, Tannennadeln und Moderholz gefüllt. Der Gehilfe auf der Leiter, Zähringers Sohn Theodor („der Honigsüß“ genannt) reicht die Körbe zu.

Der in Kirchzarten verstorbene Hauptlehrer Friedrich August Metzger, s. Z. Lehrer in Wittental, hat in dem 1907 erschienenen Werk von J. M. Roth, „Bienen und Bienenzucht in Baden“, einen solchen Arbeitstag an den Bienen aus eigener Anschauung beschrieben. Für den nördlichen Landesteil tat dies Carl Friedrich Hektor Jägerschmid in seinem Buch „Das Murgtal“, gedruckt 1800 in Nürnberg. Hierin wird die Imkerei im oberen Murgtal, speziell auf dem sogen. Ebersbronn bei Raumünzach, so beschrieben, wie sie vor jetzt über 160 Jahren betrieben wurde. Die Titelvignette des Jägerschmidschen Buches ist hier als Schlußvignette wiedergegeben.

Die Immenschneider hatten gewöhnlich ihren festen Kundenkreis im Bereich ihres Wohnsitzes; und darüber hinaus. Der „Haldenkarle", Karl Hummel von Stegen, arbeitete in Stegen, Eschbach, Ebnet und Zarten. Nach seinem Tod 1912 fand man in der Asche im Keller seiner Behausung 2200 Mark in Goldstücken. Die Imkerei und das Immenschneiden müssen also in jener Zeit doch etwas eingebracht haben. Im Glottertal bearbeitete zu Anfang des 19. Jahrhunderts Josef Strecker die Bienen, gleichzeitig der bekannte Lehrer und Bienenvater Johannes Sailer in Heuweiler (1772 bis 1844), der auch als Wanderredner in den Ämtern Waldkirch, Emmendingen und Freiburg bienenkundlichen Unterricht erteilte. Der letzte Immenschneider in Heuweiler war Hans Disch, der „Weberhans". Im Hexental war bis in unsere Tage hinein als Immenschneider tätig der Schmied Josef Schneider, der „Schneiderschmied", mit dem zusammen ich selbst in den zwanziger Jahren an Bienenständen arbeiten durfte.

Der Immenschneider arbeitete gewöhnlich ohne Schleier und Handschuhe; er band sich höchstens die Hosenbeine und die Ärmel zu und zog eine Zipfelkappe über den Kopf. Der „Schneiderschmied" hatte noch eine besondere Methode, um nicht gestochen zu werden. Er trieb das ganze Volk mit stinkendem Rauch aus dem Kasten und konnte so an den völlig unbesetzten Waben arbeiten, während das ganze Volk außen an der Kastenwand hing. Sein Behandlungsgeheimnis gab er nicht preis, und seinen Smoker hütete er mit Argusaugen. In einem unbewachten Augenblick konnte ich aber doch einmal einen Blick in seine Vorratskiste tun. Und was sah ich? Alte Wollsocken, gefüllt mit Hornspänen von Klauen und Hufen. Daher der höllische Gestank ! Ich möchte aber dieses Radikalmittel niemand empfehlen, denn selbst in dem geschleuderten Honig ist der Geruch der verbrannten Hornspäne noch wahrzunehmen.

Heute imkern wir mit anderen Methoden; wir müssen aber bekennen, daß die Immenschneider, in gewissem Sinne die Vorläufer unserer heutigen Bienensachverständigen und Bienenzuchtberater, ganze Kerle waren und ihr Handwerk verstanden, das sie vielfach mit dem Nimbus des Geheimnisvollen zu umgeben versuchten. An der Aufklärung ihrer Kundschaft war ihnen (abgesehen von dem erwähnten Lehrer Sailer) kaum etwas gelegen, denn sie suchten aus ihrem Handwerk ein Monopol zu machen.

Die Aufklärung der Imker kam von anderer Seite. Im Jahre 1805 verfaßte ein Ungenannter (in der Vorrede nennt er sich Euer Freund»), ein im Jahre 1806 bei Xaver Rosset in Freiburg gedrucktes Bienenbüchlein, „gewidmet dem Land- und Thalmanne“, welches alles enthält, was der damalige Korbimker an Kenntnissen zum Betrieb der Bienenzucht benötigte.

Hieraus bringe ich vielleicht später einmal etwas zur Unterhaltung und zum Nachdenken.

Bekannter ist das Büchlein „Kurze Anleitung zur nützlichen Bienenzucht, besonders für den Landmann und die Schulen“, verfaßt von Pfarrer Johann Baptist Vogelbacher, damals in Horben, später in Unteralpfen. Dieses Bienenbüchlein, welches vier Auflagen erlebte, wurde 1833 von der badischen Regierung kostenlos an die Lehrer verteilt. Fürwahr eine zweckmäßige und weitsichtige Förderung unserer volkswirtschaftlich so notwendigen Imkerei.

Aus : Südwestdeutscher Imker Nr. 10, 15. Jahrgang, Oktober 1963, Seite 306-307