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Grundherrliche Rechtsstreite der Grafen von Kageneck in Stegen



Annalen der Großherzogl. Badischen Gerichte.  Jahrgang 13, 1845, Nr. 23, Seite 184

V.
Beweis der unvordenklichen Verjährung. Eideszurückschiebung.

Der Grundherr Graf von Kageneck hatte die Gemeinde Stegen und Unteribenthal aus Anlaß der Ablösung der Herrenfrohnden wegen eines von jenen Gemeinden bestrittenen Frohndrechts belangt und unter anderm die Erwerbung des fraglichen Rechtes auf die unvordenkliche Verjährung gegründet. Zum Beweise dieses Titels bediente er sich der Eideszuschiebung an die Gemeinden, welche sodann den Eid zurückschoben.

Diese Eideszurückschiebung wurde vom Il. Senate des Oberhofgerichts für unzulässig erklärt aus folgenden Gründen:
„Eine Eideszurückschiebung kann nach L. R. G. 1362 und §. 584 der P. O. überhaupt nur statt finden, wenn die Thatsache, welche der Eid betrifft, beiden Theilen gemeinschaftlich ist und es darf nach §. 591 d. P. O. bei der Zurückschiebung vom Gegner nur verlangt werden, daß er die Wahrheit des Beweissatzes beschwöre, dessen Nichtwahrsein oder Nichtwissen dem Rückschiebenden auf den Eid gegeben war.

Es muß also der zurückgeschobene Eid immer der Formel nach ein Wahrheitseid sein, über bloßes Wissen oder nicht Wissen ist in diesem Falle der Eid nicht zulässig.

Im vorliegenden Falle würde demnach die Formel des dem Kläger zurückzuschiebenden Eides in der Hauptsache darin bestehen:
„Es sei wahr, daß er die betreffenden Frohndleistungen empfangen habe,“
und ferner:
"es sei wahr, daß jene Frohnden ihm wirklich seit unvordenklicher Zeit, von 1810 zurück gerechnet, geleistet wurden.“

Zum Wesen der Unvordenklichkeit gehört aber, daß die Leistungen, welche in Frage liegen, über Menschengedenken hinausreichen und ein Anfangspunkt der betreffenden Uebung, beziehungsweise ein vorgänigiger entgegengesetzter Zustand, nicht bekannt ist. - Hiernach würde es an sich schon undenkbar sein, daß wiederkehrende Leistungen einem einzelnen Menschen gegenüber seit unvordenklicher Zeit statt hatten. Jeden Falles wäre aber dem einzelnen Menschen gegenüber ein Anfangspunkt der Leistungen gegeben, denn wenn das fragliche Individuum das höchstmögliche Lebensalter erreicht hätte, wenn der Empfänger sich eines besondern Zeitpunktes des Beginnens der Leistung auch nicht erinnerte, und sein Wissen der stattgefundenen Leistungen selbst bis in seine frühesten Jahre zurückrichte, so würde für ihn jener Anfangspunkt doch keinen Falles weiter, als die Stunde seiner Geburt, rückwärts liegen.

Unter diesen Umständen läßt sich von dem jetzigen Kläger ein Wahrheitseid über eine während seiner Lebenddauer stattgehabte unvordenkliche Leistung rechtlich nicht fordern. Ueber Begebenheiten, welche vor seiner Zeit statt hatten, ist ohnehin nach §. 574 der P. O. die Auferlegung eines Wahrbeitseides nicht zulässig.

Wenn anuch in der Klage die „Grundherrschaft“ von Kageneck als klagender Theil genannt wurde, so ist doch eine Grundherrschaft keine rnoralische Person, nur das jeweilige physische Individuum, welches die Grundherrschaft besitzt, ist der Inhaber der grundherrlichen Rechte und daher in der Lage, Ansprüche, wie der vorliegende, zu verfolgen. Der jetzige Grundherr, welcher die Vollmacht zur Prozeßführung ausgestellt hat, erscheint daher als der Kläger. Wenn derselbe auch seinen Besitzstand, verbunden mit dem seiner Vorfahren, geltend machen darf, so ist er gleichwohl gesetzlich nicht schuldig, über die Wahrheit behaupteter Handlungen seiner Vorfahren zu schwören.

Aus diesen Gründen und abgesehen davon, daß die Formel, in welcher der Eid zurückgeschoben wurde, nicht einmal durchaus auf Leistung eines Wahrheitseides gerichtet ist, mußte die Zurückschiebung für unstatthaft erklärt werden.

Kirn.

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Annalen der Großherzogl. Badischen Gerichte. Jahrgang 13, 1845, Nr. 30 Seite 234

III. Grundherrschaft von Kageneck gegen die Gesmeinden Stegen und Unteribenthal, Frohndrecht betreffend.
In diesem Falle wurde die Eideszurückschiebung für unstatthaft erklärt, weil die zu beschwörende Thatsache weder beiden Theilen gemeinschaftlich, noch der Kläger und Relat ins Stande war, einen Wahrheitseid darüber ablegen zu können.

Annalen von 1845. Nr. 23.
Dieser Entscheidung liegt ungefähr dieselbe Ansicht zum Grunde, welche der Verf. in den Annalen von 1841 Nr. 40 aufgestellt hat. Sie findet eine besondere Stütze
in der mehrgedachten Verordnung von 1803, welche einerseits das Beweisthema der unvordenklichen Verjährung normirt, und andererseits die hiebei zulässigen Beweismittel bezeichnet. Das Beweisthema selbst zeigt, daß es nur durch die Aussagen einer Mehrheit von Zeugen erschöpft werden kann; gelingt dies aber nicht vollständig, so ist die Zuerkennung eines Notheides vorbehalten. Indem nun die Verordnung, in Erwägung der eigenthümlichen Verhältnisse bei der Immemorialpräseription principaliter nur den Zeugenbeweis und zu dessen Ergänzung den Notheid zuläßt, schließt sie eo ipso alle anderen Beweismittel als unanwendbar aus. Oui dicit de uno, negat de altero. Dieses spezielle Gesetz ist durch die allgemeinen Vorschriften des Civils- und Prozeß-Rechts über den Haupteid nicht abgeändert oder aufgehoben.
Landrechtssatz 6. c.
Durch Eidesdelation kann daher, unserm Dafürhalten nach, die unfürdenkliche Verjährung schlechterdings nicht erwiesen werden.

Bayer.

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Grossherzoglich-Badisches Staats- und Regierungs-Blatt XLVII, 1836, Seite 328

Bekanntmachung.

Die Ausübung der Forst- und Jagdpolizei in der gräflich von Kageneck´schen Grundherrschaft betreffend.

Der Graf Philipp von Kageneck hat mit Zustimmung seiner Agnaten auf das Recht zur Ausübung der Jagd- und Forstpolizei in den zu seiner Grundherrschaft gehörigen Gemarkungen Stegen, Unteribenthal und Munzingen verzichtet. Dies wird mit dem Anfügen bekannt gemacht, daß die beiden erstgenannten Gemarkungen zu obigem Behufe der landesherrlichen Bezirksforstei St.Peter, letztere dagegen der landesherrlichen Bezirksforstei Wendlingen zugetheilt werden.

Carlsruhe den 12. Oktober 1836.

Ministerium des Innern.
Winter