Aus der Geschichte der Pfarrei und der Pfarrkirche in Kirchzarten |
Pfarrer Jakob Saur Alemannische Heimat, Nr. 8, 1936 |
l. Entstehung und Entwicklung der Pfarrei.
Kirchzarten ist eine der ältesten Breisgaupfarreien. Schon im 8.
Jahrhundert hatte das Kloster St.Gallen im Dreisamtai
Liegenschaftsbesitz und ließ um das Jahr 800 unweit des alten Tarodunum
eine St.Gallus-Kirche erstellen, die teilweise erhaltene Vorläuferin
der heutigen Pfarrkirche von Kirchzarte.
Die Urkunden berichten, daß St.Gallen in der Zarduner Marke bereits
unter dem König Pipin eine Pfarrei gründete, welche sich zwischen den
Gebirgen Kandel-Gißibel, Stohren-Feldberg bis an den Dittisen
erstreckte. Dankbar für die erhaltene Lehre haben die Gläubigen
vielfach den Mönchen ihre Güter zur Verfügung gestellt. Im Jahre 765
schenkte urkundlich ein gewisser Trudpert dem Kloster St.Gallen seinen
Knecht Waldkozo nebst Feldern und Wald in der Zarduna-Mark. Weiter wird
berichtet über eine Schenkung vom Jahre 791 von einem Waltger und dann
aus dem Jahre 816, wo ein Gotzbert seine Güter dem Kloster schenkte.
Dazu kamen mit der Zeit all die Frohnhöfe die ihre Abgaben an den
Dinghof für das Kloster abliefern mußten. In Zarten wird heute noch ein
Hof des Bauern Max Bank als der Dinghof bezeichnet. Noch eine Schenkung
an das Kloster St.Gallen vom 2. April 848 ist in den Urkunden
verzeichnet. Die Urkunde lautet: „Ich Suoto übergebe, da es den meisten
bekannt ist, daß mein Vater Emerit einen Teil seines Erbes beim Dorfe
Zarten, das am ,,Stouphenberg liegt“, den Neubruch an das Kloster
St.Gallen übertragen hat freilich unter der Bedingung, daß ich es
wieder zurückbekomme, nun meinerseits diesen Teil dem Kloster in
gleicher Weise zum Heile und ewigen Nutzen meiner Seele.“
Aus diesen Angaben geht zur Genüge hervor, daß die Pfarrei Kirchzarten
genügend Einkünfte erhielt, um Geistliche zu unterhalten und die
Seelsorge zu ermöglichen.
Später ging die Seelsorge an das Kloster Einsiedeln über, was Urkunden
vom Jahre 972 und 984 besagen. Diesen Uebergang bestätigen Otto II. und
Otto III., doch behielt St.Gallen den Dinghof.
Die Einkünfte des Klosters gingen bei den unheilvollen Wirken des
Investiturstreites teilweise verloren, da St.Gallen auf seiten des
Kaisers Heinrich lV. stand, während Reichenau und der Markgraf von
Zähringen zum Papste hielten. In diesem Kampfe zwischen Kaiser und
Papst fiel der Markgraf von Zähringen in den Breisgau ein und
verwüstete die Güter des Klosters, zog von den Lehnsleuten die
Einkünfte ein, sodaß auf viele Jahre hinaus dem Kloster keine
Zinsfrüchte zukamen. Erst als das Wormser Konkordat vom Jahre 1122 die
Streitigkeiten beigelegt hatte, erhielt das Kloster seine Einkünfte
wieder.
Nun erhob sich eine andere Schwierigkeit für das Kloster. Die Abtei St.
Märgen, die im Jahre 1118 von den Grafen von Hohenberg auf Wiesneck als
Gegenpol zu dem Zähringischen Hauskloster St.Peter (1098) gegründet
worden war, führten erbitterte Kämpfe wegen des Zehnten mit der St.
Galluskirche. In der Vereinbarung zwischen St.Gallen und dem Grafen
Konrad von Hohenberg vom Jahre 1125 wurde der Pfarrsprengel genau
abgegrenzt. Die Pfarrkirche in Zardune war nicht mehr in der ganzen
Umgegend zehntberechtigt, sondern nur bis ans Gebirge, wo die
Wagensteige beginnt, während die Marienzelle (St.Märgen) alle bebauten
Grundstücke und alle Neubrüche über die Berge mit dem Zehnten belegen
durfte.
Mittlerweile waren auch andere Herren und Herrschaften ins Tal
eingezogen und hatten Besitzungen sich erworben: die Herren von Landeck
und Blumeneck, von Kageneck, von Reischach, von Wittenbach, von
Sickingen, von Neveu, von Pfirdt, der Deutschorden, die
Johanniter-Commende von Freiburg und die Stadt Freiburg selbst, das
Kloster St.Blasien, St.Peter und St.Märgen. Sie alle hatten mehr oder
minder Begierden nach den Gütern des Klosters. Auch mußte die Pfarrei
von dem Zehnteinkommen laut Beschluß der II. Synode von Lyon 1274 sechs
Jahre lang den zehnten Teil des Einkommens für den neu geplanten
Kreuzzug abliefern. Darum reifte allmählich der Entschluß bei den
St.Gallern, den Dinghof und Pfarrsatz zu verkaufen. Die Freiburger St.
Johanniter-Commende kaufte im Jahre 1297 um 125 Silbermark den Dinghof
und Pfarrsatz. Das Einkommen betrug nach den Aufzeichnungen im ganzen
94 Pfund Pfennige, wovon jährlich an den Bischof von Konstanz etwa ein
Viertel abgeliefert werden mußten. Die Urkunde über den Verkauf lautet:
„Wir Abt Wilhelm und der ganze Convent des Klosters St.Gallen haben
unsern Dinghof und Pfarrsatz im Dorf Kirchzarten unserem Bruder Gothold
von Blumenberg, dem Cammendator (Gönner) des Johanniter-Ordens in
Freiburg, zur Diözese Konstanz gehörig, mit dauernden Rechten verkauft
und übergeben.“
Die Seelsorge war nun an das Priorat der Johanniter von Rhodos
übergegangen, die Geistlichen dieses Ordens besorgten die Pfarrei bis
ins XVII. Jahrhundert.
Die markanteste Persönlichkeit von all den bekannten Pfarrherrn aus
jener Zeit ist wohl der Pfarr-Rector Friedrich von Bieberstein. Er
stammte wahrscheinlich aus dem alten Grafengeschlecht von Biberst in
der Schweiz, deren Schloß bei Aarau lag. In Freiburg oblag ihm die
Leitung des Johanniterhauses. Nachdem er die Pfarrei übernommen hatte,
ordnete er die Einkünfte neu und ließ durch seinen Sekretär, den
öffentlichen Notar zu Freiburg, Heinrich Gäßler, einen Codex anfertigen
mit dem Verzeichnisse aller Rechte, Gebräuche, Einkommen. Diese Urkunde
besteht aus 33 Pergamentblättern, in klein Folio in der Form eines
Buches, größtenteils von einer Hand geschrieben in
barbarisch-lateinischer Sprache nach dem Genius des Jahrhunderts. Die
Unterschriften und Ratssiegel erheben den ehrwürdigen Codex zu einer
öffentlich-rechtlichen Urkunde. Er war vollendet der Hauptsache nach
1464. Dieses Buch wurde neu gebunden und ergänzt im Jahre 1591 durch
Matthias Müller, Prior des Johanniter-Ordens Freiburg.
Voran steht eine topographische Uebersicht der Pfarrei, die damals 42
verschiedene Ortschaften und Weiler umfaßte. Es beginnt: Zur Pfarrei
gehören (1591) folgende Orte: Kilchszarten , Höven, Alttental, Breyt,
Falkenbyhel, Ballenburg, Baldenweg, Witental, Zarten, Wyler, Stegen,
Moß, Rechtenbach, Nodlen, Wylersbach, Schlempenfeld, Mißwendi,
Zastelberg, Burg, Brand, Eychen, Birchen, Reyn, Eschbach, Böglinsbach,
Yban, Wolfstyg, Wagensteyg, Valkenstein, Bouchenbach, Ziegelhof,
Biczenbach, Wisnegk, Erlach, Ebnit, Oberried, Gerenstal, Dietenbach,
Wolfenbach, Grenczenbach, StürentaL Spircz, Nüvenhüser, Bickenrüti.
Diese Ausführung der Orte wurde deswegen gemacht, weil, wie in der
Anmerkung steht, für den Rector und den Adjutor fürs Beichthören
Register notwendig waren, einmal, damit nicht allzuviel auf einmal zum
beichten kamen. Es wird hingewiesen, daß auch die Vorgänger es so
gemacht haben, obwohl sie weniger zu besorgen hatten. Also hatte die
Pfarrei an Seelenzahl zugenommen, obschon manche Gebiete abgetrennt
waren. Sodann waren diese Register auch notwendig, weil man danach die
„bannales“ = Banngelder (örtl. Kirchensteuer) einzog sowie die
Schuldigkeiten anläßlich der Beicht.
Zuerst kommen der Inhaber der Pfründe und die Pfründe, sodann sind die
einzelnen Titel über Einkommen und Gebräuche usw. kurz angegeben. Die
dritte Seite beginnt mit der Jahreszahl 1464. In diesem Jahr kam das
Buch zum Abschluß. Unter der Zahl ist in einem Wappenschild der
Johanniterwappen und ein Allianzwappen. Was um den Wappenschild
geschrieben ist, ist spätere Zutat.
Den Inhalt der folgenden, ursprünglichen Blätter über Einkommen,
Gebräuche usw. skizziere ich nur kurz. Das Einkommen bestand aus dem
Erträgnisse einzelner Gärten, 8 Jauchert Wiesen ebenso vieler Jauchert
Aecker. Dazu kamen auf Martini 10 Malter Getreide und 5 Malter Gerste,
17 Saum Zehntwein. Vom Pfleger in Zarten waren 10 Malter Hafer zu
liefern, der Meier vom Schloß Weiler gibt jährlich eine Fuhr Heu und
Bickenreute im jeden andern Jahr das zehnte Schaf. Dazu kamen die
„Etterzehnten“ d. i. Abgaben von Besitz, der durch einen Zaun (Etter)
abgetrennt war. Danach mußten die Hofgüter in Kirchzarten und
Bickenrütti von jedem verkauften Kalb oder Füllen den Zehnten geben.
Weiterhin bekam der Pfarrer den 4. Teil des Opfergeldes von Kirchweihe
und den 3. Teil des Opferstockes.
Auch Strafgelder mußten an den Pfarrer entrichtet werden: Für jedes
uneheliche Kind mußten 3 Pfund Pfennige, für Unfug auf dem Kirchgang
ebenfalls 3 Pfund Pfennige, für Fehlen an den Bittgängen 3 Schilling
Pfennige, für Verunreinigung der Kirchhofmauer und der Umgebung bis auf
7 Fuß 3 Schilling Pfennige, für unerlaubte Sonn- und Festtagsarbeit 3
Pfund Pfennige gegeben werden.
Aus diesen Einnahmen hatte der Pfarrer Abgaben zu leisten an den
Bischof von Konstanz 3 Pfund Pfg., sodann von den Banngeldern 2 Pfund
Pfg., ebenfalls von den Opfern an Ostern und Pfingsten. Auch an den
Kirchenpfleger 4 Schilling Pfg. Für den Meßwein und Kommunionwein hatte
er selbst aufzukommen, für Chrisam an Ostern, an den 4 hohen Festtagen
mußte der Pfarrer den Mesner am Morgen zu Tisch nehmen. Im übrigen war
der Pfarrer von allen Zehntabgaben befreit, nicht jedoch die Adligen,
die im Dorfe wohnten.
Die Filialen, die zur Pfarrei gehörten, werden mit den bestehenden
Kapellen im liber marcarum genannt. Zwischen 1360/70 ist als einzige
Ebnet genannt mit der Kapelle des Hl. Hilarius, die schon im VI.
Jahrhundert bestanden haben soll. Nach dem Pfarrbuch von 1464 und den
„Registra subsidii charitativi“ von 1493 und 1508 waren nun noch drei
weitere Filialen dazu gekommen: die Johanniskapelle zu Zarten, die
Schloßkapelle zu Weiler, den Heiligen Sebastianus und Stephanus
geweiht, wo 1517 Hans von Rischach eine Pfründe gestiftet und Johannes
Piscator vom Johannitercomtur auf diese Pfründe präsentiert wurde,
sodann die Nikolauskapelle zu Falkenstein. Bereits im Jahre 1460 war
dort die Kapelle und eine Pfründ, Später kamen noch hinzu die St.
Blasiuskapelle zu Buchenbach, vor 1501 die Georgskapelle zu Falkenbühl
und Baldenweg, die Michaeliskapelle zu Oberried (jetziges Schulhaus),
die 1615 eingeweihte Nikolauskapelle zu Falkensteig, die Jakobuskapelle
im Schloß Bückenrütti. Jüngeren Datums sind die Nikolauskapelle in
Wagensteig und die Jakobuskapelle im Himmelreich. Im Friedhof zu
Kirchzarten stand, auch diese Kapelle nicht zu übersehen, an der Stelle
des jetzigen Beinhauses die Totenkapelle, die 1837 wegen Baufälligkeit
abgerissen werden mußte.
Kappe! war schon sehr frühe von Kirchzarten abgetrennt, denn in einer
Urkunde wird bemerkt, daß im Jahr 1272 Walter von Neu-Falkenstein der
Deutschordenkommende zu Freiburg das Patronatsrecht der Pfarrei Kappel
verkauft habe.
Von Benefizien erwähnen wir: Am St. Martinustag 1344 stiftete im
Baldenwegerhof der edle Ritter Werner von Falkenstein mit Einwilligung
seines Bruders Cuno und der Johanniter in Freiburg, als Herren der
Pfarrkirche zum Seelenheil des verstorbenen Bruders Cuno von
Falkenstein, auf dem Altar, vor welchem der Ritter beerdigt ist, - sein
prächtiges Grabdenkmal befindet sich noch heute in der Kirche - eine
Meßpfründe für einen Weltgeistlichen. Die Stiftung umfaßte einen Hof
und Hofraite, Baumgarten und Garten, einen Acker mit zwei Jauchert. Im
Dingrodel (Protokoll) von Kirchzarten ist dieser Hof besonders erwähnt.
Die Falkensteiner hatten auch das Recht, wenn sie nach Kirchzarten
kamen, hier ihre Pferde einzustellen. Der Inhaber der Pfründe war
zugleich auch Curat von Ebnet. Da dieser aber wegen der Weite und
Beschwerlichkeit des Weges besonders im Winter oft seiner Verpflichtung
nicht nachkam und die Taufen überdies in Kirchzarten stattfinden mußten
(der Einkünfte wegen, die dem Pfarrer zustanden), so stiftete der
Nachfolger der Falkensteiner, der Graf von Sickingen, dorthin eine
Pfründe, die mit der Falkensteinischen in Kirchzarten verbunden war.
Ebnet wurde selbständig und behielt die Güter in Kirchzarten.
Im Jahr 1493 stiftete der Pfarrsprengel Kirchzarten die Frühmeßpfründe.
Das Collationsrecht hatte der „Talgang“ (die Kirchspielgemeinde).
Daneben war um jene Zeit auch noch ein Vikar tätig. Im Jahre 1501
stifteten Hans Jakob und Melchior von Falkenstein eine Pfründe auf den
Heilig-Kreuzaltar für einen Weltpriester. Sie wurde beim Volk
„Falkensteinpfründ“ genannt und später im Jahre 1562 mit der
Frühmeß-Pfründ vereinigt. So bestand sie 1817. Dort wurde sie
aufgehoben und die Güter mit 15 1/2 Juchert der Pfarrpfründe
einverleibt. Das Kaplaneihaus stand oben an der Kirchhofmauer und wird
auch jetzt noch „’s Kapellune“ genannt. Die Wohnung des Dr. Krieg war
früher das der Pfarrei gehörige Mesnerhaus.
Aus der Reihe der Pfarrherrn von Kirchzarten wäre noch einer besonders
zu erwähnen, weil er im Bauernkrieg vor das Gericht gestellt wurde als
Ketzer. Es ist Ulrich Wesiner. Im Krieg von 1525 hat er es mit den
Bauern gehalten, wurde aber von den Bauern dann verklagt, als habe er
über Meßopfer und Altarsakrament irrig gepredigt.
Im Preßburger Frieden (1805) erhielt der Markgraf von Baden den
Breisgau und damit auch den Nachlaß des aufgehobenen Johanniterordens.
Das Patronatsrecht kam an den Großherzog. Unterdessen war auch die
Pfarrei stark verkleinert worden. Durch Dekret Josefs II. von
Oesterreich waren in den Jahren 1786 Oberried und Eschbach weggefallen,
im Jahre 1796 Buchenbach.
Im Jahre 1930 kamen noch einige Höfe zwischen Kirchszarten und Oberried
in die dortige Pfarrei, obwohl sie noch zur Gemarkung Burg gehörten.
Jetzt mit dem 1. April sind diese Höfe auch zur Gemarkung Oberried
gekommen.
Il. Die Pfarrkirche im Wandel der Jahrhunderte.
Aus den Schenkungsurkunden von Gütern für die Errichtung der
Pfarrseelsorge geht hervor, daß im Jahre 816 eine Kirche in der
„Zarduna“ vorhanden war, für die der schon genannte Gotzbert
beigesteuert hatte. Ich fasse die Bemerkung „für die Kirche“ so auf,
daß er für den Bau Güter gegeben hat. Dann dürfte so um 800 herum der
Bau errichtet worden sein. Jedenfalls haben wir in der Kirchzartener
Kirche eine der ältesten im Breisgau. Nur zu Ebnet soll, wie gesagt,
schon im 6. Jahrhundert eine Kapelle zu Ehren des hl. Hilarius
bestanden haben.
Wie dieser früheste karolingische Kirchenbau sich zu dem noch
vorhandenen Turm stellte, ist nicht ganz sicher festzustellen. Bei der
äußeren Freilegung vom Verputz 1934 wurden die noch vorhandenen
romanischen Fenster in der nördlichen Seitenwand, die von der alten
Kirche stehen blieb, frei gelegt. Es war also ein romanischer Bau.
Außerdem zeigte sich, daß an dieser Wand, neben dem Turm, ursprünglich
eine Türe hineinführte. Bei der Heizungsanlage trafen wir unter der
heutigen Sakristei außerhalb der Umfassungsmauer der Kirche parallel
zur Turnmauer, eine ziemlich starke, aber nur kurze Mauer, die als
Fundament anzusehen war. Die karolingische Anlage hatte also
Wehrcharakter. Vielleicht wurde dieser Kirchenplatz deswegen gewählt,
weil vorher an dieser Stelle, seit Römer- und Alemannen-Zeiten, ein
Kastell, eine Art zentrale Befestigung schon bestand. Wenn man in
Betracht zieht, daß all die Eingänge zu den Tälern Kastelle hatten,
angelegt von den Römern, um sich zu sichern gegen die von Norden her
eindringenden Germanen, so dürfte diese Anlage wohl ein Verbindungsturm
gewesen sein. Ich bin überzeugt, daß der untere Teil des Turmes noch
von den Römern herstammt und daß man darauf noch zwei Stockwerke
setzte, als man die erste Kirche baute, denn dieser romanisch gebaute
Teil sieht anders aus als der untere. Während die zwei unteren
Geschossen an den Eckkanten ganz bollige Quadern haben und jegliche Tür
im Erdgeschoß fehlte, also der Bau nicht für einen Glockenturm
ausgebaut war, sind dann die Quadern im dritten und vierten Geschoß an
den Ecken quadratisch behauen. Hätte man um 800 den Turm als Kirchturm
gebaut und die Sakristei hineingerichtet, dann hätte man auch
romanische Fenster angebracht. Es waren ursprünglich nur Schießscharten
drinnen.
Der romanische Aufbau am Turm mit zwei Geschossen zeigt jetzt die vor
1934 größtenteils zugemauerten Klangarkaden. Wie dieser romanische Turm
ursprünglich abgedeckt war, ist nicht
Bekannt.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts, um 1505, war die Kirche offenbar
sicherlich zu klein geworden. Darum ging man daran, eine neue,
geräumige, im damaligen gotischen Stile zu erbauen. Von der alten
Kirche blieb der Turm und die nördliche Seitenwand stehen. Von der
südlichen Seitenwand blieb nur ein kleines Stück übrig, weil man ein
sogenanntes „Vorzeichen“, eine Vorhalle (für Taufen) anlegte. Die
romanischen Fenster der Nordwand wurden zugemauert
und dafür
gotische Fenster eingesetzt, die sicherlich alle mit Maßwerk versehen
waren. Daß der Bau ganz gotisch durchgeführt war, dürfte sicher sein.
Die Barockdecke stammt erst aus der Zeit nach 1718, nach den
Franzosenkriegen und damals wurden auch die zertrümmerten Fenster
wieder instand gesetzt, es kamen Eisenstäbe statt des Maßwerkes in sie.
Die jetzige Pfarrkirche ad St. Gallum inmitten des ummauerten
Friedhofes ist ein Putzbau mit Architekturgliedern in rotem Sandstein
und stammt in ihren Hauptteilen aus der Bauperiode 1505-1510. Die
überall gemeißelten Jahreszahlen geben ein gutes Bild vom Verlauf des
Baues. Im Jahre
1505 wurde der Chor gebaut, 1508 war er fertig, dann baute man den
Turmaufgang und die Sakristei. Der untere Teil des Turmes wurde von der
Chorseite her mit einer Türe durchbrochen. Es ist ein mit Stabwerk
profilierter Eingang. Außerdem wurde ein Fenster für diesen Raum
geschaffen und das Innere mit einem schönen Kreuzgewölbe mit rundem
Wappenschlußstein überwölbt. Die Türe ist reich mit Eisenbändern
beschlagen. Das massive Steingeländer des Aufganges wird von
Fischblasenwerk durchbrochen, die Podestplatte trägt die Jahreszahl
1508. Das Langhaus ist 1509 erbaut worden und die Vorhalle 1510. Der
romanische Turm wurde um ein Stockwerk erhöht und mit einem Satteldach
abgeschlossen. Dieser Teil mit dem Glockenstuhl ist durchbrochen von
vier weiten, zweiteiligen Spitzbogenfenstern mit schwerfälligem
Maßwerk. Mathias Müller, Johanniter - Administrator des
Johanniterhauses in Freiburg - hat im Jahre 1591 das Pfarrbuch neu
binden lassen und folgende Bemerkung hineingeschrieben: „Damit mit der
Zeit das Geschehene nicht vergessen wird, ist es notwendig, daß es
schriftlich festgehalten wird“ Bezüglich der neuen Kirche sei zu
merken, daß sie dem Bekenner des hl. Gallus geweiht sei. Der Tag der
jährlichen Kirchweihe sei der nächste Sonntag nach der Oktav von
Fronleichnam. Erst mit der Anordnung Josef Il. wurde das Fest der
allgemeinen Kirchweih begangen (3. Oktobersonntag).
Bei der Einweihung im Jahre 1513 seien die Kirche und der Friedhof und
die drei Altare reconsiliiert und confecriert worden. Uebernommen aus
der alten Kirche wurden: der Hauptaltar zu Ehren der Mutter Gottes und
der Heiligen Gallus, Johannis Baptista, Stephanus; der Altar in der
Mitte zu Ehren des hl. Kreuzes und der Heiligen Johannis Baptista,
Johannes Evangelista, der Apostel Petrus und Paulus, des Bischofs
Erhardus, des Bekenners Jodokus, des Königs Oßwald, der Maria
Magdalena, der hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen.
Der Altar zur Linken war geweiht zu Ehren der Mutter Gottes und der
Heiligen Sebastianus, Antonius Abbas, Wendelinus, der Jungfrau und
Märtyrin Barbara und der hl. Odilia.
Der Altar zur Rechten: der Mutter Gottes, und ihren hl. Eltern Anna und Joachim, des Apostels Jakobus des Jüngeren.
Eine Erzählung im Volke sagt: in den Schwedenkriegen sei die Kirche als
Pferdestall benützt worden, darum sei an der Oelbergstür noch das
Hufeisen angebracht, und in jener Zeit sei auch die Kirche verwüstet
worden. Das stimme aber nicht. Im Schwedenkrieg mag wohl das Mezzos =
(Mittel-) zarten, westlich von Kirchzarten gegen Freiburg zu,
untergegangen sein, 1615 wird es noch in den Pfarrbüchern erwähnt, doch
hat die Kirche keinen namhaften Schaden gelitten, denn die
Visitationsakten jener Zeit (1650) berichten, daß alles in Ordnung sei,
nur die Schener war abgebrannt.
Noch vor dem Dreißigjährigen Krieg, 1620, hatte man aus der Kartause
bei Freiburg einen Altar geholt, der dort schon zweihundert Jahre
Dienste getan. An seine Stelle kam gegen Ende des Jahrhunderts der
jetzige Hochaltar im Barockstil. Wer den Rahmen baute, ist nicht
ersichtlich, dagegen wissen wir, daß der Freiburg Maler Johann Caspar
Brenzinger im Jahre 1683 für 72 Gulden das Hauptaltarbild, die Aufnahme
Mariens in den Himmel, schuf. Das Bild trägt unten in der Ecke das
Zeichen des Künstlers, Name und Preis sind außerdem in den Pfarrakten
und in der Rechnung angegeben. Der Meister wird als „Oberkircher“
bezeichnet - er war der Sohn des Amtmanns in Schauenburgischen Diensten
Johann Baptist Brenzingen.
Aus dem Jahre 1666 ist berichtet, daß zwei neue Altäre angeschafft
wurden, der Sebastians- und Muttergottes- und Rosenkranzaltar. Bischof
Sigismund von Konstanz weihte sie. Noch einmal finden wir ihn in
Kirchzarten: unterm 10. Oktober 1681 wird gesagt, er habe den Kreuz-
und Sebastiansaltar wieder reconciliiert, weil sie durch den
Kriegstumult entweiht worden seien.
1669 bat der Pfarrer, man möchte die Kirche erweitern oder doch zum
mindesten die Altäre fassen. Den kleineren Wunsch erfüllten ihm die
Johanniter 1675. Gleichzeitig gingen sie aber doch auch daran, die
Kirche zu erweitern und zwar durch Hinausrücken der westlichen
Giebelmauer um 33 Schuh. Bei diesem Anbau wurden zwei weitere Fenster,
aber kleinere, die heute noch Maßwerk haben, eingebaut. Wahrscheinlich
wurden damit auch die beiden Zugangstüren, die mit spätgotischem
Stabwerk umrahmt sind, versetzt.
In den nächsten Jahrzehnten, verwendeten die Johanniter größere
Geldmittel auf die Ausschmückung. 1687 wurden die Holzteile des
Hauptaltares von Flachmaler Melchior Miller von Kirchzarten marmoriert
und die von Bildhauer Franz Hauser in Freiburg gefertigten Figuren mit
„bestem Gold und Silber“ verziert, 1713 errichtete der Zunftmeister
Melchior Rombach in Freiburg die schmucke Kanzel, 1737 erhielten die
Maurer Oswald und Georg Fuchs den Auftrag, im Langhaus eine Kalk- und
Gipsdecke mit drei Feldern für Freskomalereien und der Länge nach im
Bogen auf beiden Seiten sechs Kleinfelder in Schildform zu schaffen.
Felder und Schilder schmückte 1737 der Freiburger Maler Hans Michael
Saur mit, inzwischen leider übermalten Deckenbildern. - Den Wortlaut
der Werkverträge mit den beiden Rombach und mit Saur lassen wir unten
folgen.
Spärlich sind die Bemerkungen über Ereignisse und Erlebnisse in den
Büchern und Rechnungen. Bemerkungen in den Rechnungen ergeben für 1611
und 1629, daß durch die Pest über 1200 Personen schnell dahingerafft
wurden. Man machte für sie, weil sie nicht versehen werden konnten,
Stiftungen zu hl. Messen und Jahrtagen. Dagegen sind dann die
Bemerkungen aus der Franzosenzeit häufiger. So oft man die Glocken und
Geräte und Paramenten verbergen und flüchten mußte, steht eine kurze
Notiz in den Rechnungen.
Das Jahr 1689 verzeichnen, daß die Glocken aus dem Turm herunter getan
wurden. 1690: die Glocken und Pararnente werden nach Freiburg
geflüchtet, und das Bürgerglöcklein in den Turm gehängt. 1692: die
Glocken werden wieder in den Turm gehängt. Notiz, die Kirche hat sehr
gelitten, sie kann ihre Zahlungen nicht bestreiten. 1696 wird eine
Glocke aufgehängt. Im Jahre 1699 werden in Ebnet Glocken gegossen,
wofür im Jahre 1700 in der Rechnung die Summe 100 Gulden als Ausgabe
steht. 1701, um 160 Gulden zwei weitere Glocken gegossen (Ignaz Josef
Thouvenel).
1703 ist wieder die Rede, daß die Glocken aus dem Turm kamen und nach
Freiburg geflüchtet werden, dann kommt vom Jahre 1714 die Bemerkung:
die Franzosen waren in der Gegend und hausten.
Pfarrer B. Molitor schreibt unter dem 20. September 1718, daß durch die
Beraubungen der Kirche nach der Belagerung von Freiburg 1714 auf die
Klagen des Talvogten und der sieben Kirchenvögten hin eine Reparatur
der Kirche, der Paramente, der Kelche, des Sigristenhauses, des
Beinhauses, der Kapelle Baldenweg, der „Bahr-Kürch“ (Langhaus) und der
alten Bühne im Schiff der Kirche notwendig sei. Es wurde beschlossen,
nach und nach alles zu reparieren.
Die nachfolgenden Rechnungen weisen aber keine Ausgaben auf, im
Gegenteil, im Jahre 1733 wird noch einmal berichtet, daß die Glocken
wieder herunter getan werden mußten und mit den Paramenten nach
Heitersheim geflüchtet wurden. Im Jahre 1736 werden sie wieder
aufgehängt.
Joh. Nepomuk
Noch einmal lesen wir die Bemerkung daß die Glocken nach Freiburg
geflüchtet wurden im Jahre 1744 und dann für 100 Gulden wieder gelöst
wurden. Im Jahre 1750 ist verzeichnet, daß das Bild des hl. Gallus
gemalt worden sei. Ich glaube, daß damit die Statue gemeint ist. Unter
der Jahreszahl 1818 ist bemerkt, daß das Chorgestühl von Günterstal
geholt wurde. Es kann nicht das erste gewesen sein, denn die Präfekten
der Kirche, d. s. die Kirchenvögte hatten nach dem Pfarrbuch von alters
her ihre Plätze in dem Chorgestühl. Heute noch kornmen für Fronleichnam
die Bürgermeister in diese Stühle. Aus dem Jahre 1715 wird von Pfarrer
Molitor berichtet, daß unter ihm folgende Vögte waren: Primus ex eis
est der Vogt zue Kirchzarthen: Peter Busset, Secundus ex Steegen et
ybenthal: Martinus Mäder, welcher am 15. Febr. 1725 starb. Für ihn trat
Melchior Dilger an die Stelle bis zum Jahre 1741. Bei dieser Aenderung
wurde auch die Einführungs-Zeremonie erwähnt: der neu ernannte Vogt
wurde in Gegenwart des Pfarrers und der 6 andern übrigen Vögte an
seinen Platz im Chor, in den Vogtsstuhl an den Platz des Verstorbenen
geführt.
Mit den Chorstühlen kamen 1818 aus Günterstal auch die jetzt wieder von
Hochaltar entfernten Reliquienschreine nach Kirchzarten. Aus späterer
Zeit (1868) stammt der Tabernakel; ihn schnitzte samt den Engelsfiguren
für 232 Gulden der Freiburger Bildhauer Otto Ganz. Im nächsten Jahr
besorgte der Vergolder Reichenstein von Freiburg um fast tausend Gulden
die Vergoldung des Altars und verschiedener kleinerer Stücke.
Auch sonst finden wir in den Akten dieser Jahrzehnte immer wieder
Rechnungen und Zahlungen für Restaurierung und Renovationen. Jene
Instandsetzungsversuche waren zwar gut gemeint, aber schlecht gekonnt.
Sie griffen in den alten Bestand ein in einer Weise, die uns heute
unverantwortlich schiene. Ich denke hier an eine Restaurierung 1885l87,
bei der die alten schönen Marmorierungen in fast barbarischer Weise
zugestrichen, dafür aber viele Vermalungen an Wänden und Decke
vorgenommen wurden.
Dank des Opfersinnes der Kirchzartener Bevölkerung konnte in den
letzten Jahren die Wiederinstandsetzung der Kirche von grundauf
durchgeführt werden. Sie befreite den Bau vom Flickwerk und billigen
Behelf des letzten Jahrhunderts und auch von allen anderen dann und
wann hereingekomrnenen wesensfremden Bestandteilen, machte ihn wieder
licht und hell wie ehedem und sicherte das der Gegenwart überantwortete
Kulturgut auf lange Zeit hinaus.