Kirchzarten o. D.(Der Inhalt des
Berichtes lässt darauf schließen, dass er nach Januar 1946,
vermutlich noch später verfasst wurde)
Bericht über
Kriegsereignisse in Kirchzarten.
A) Vor der Besetzung.
Am 12. September 1944 wurden zum ersten Mal Bomben geworfen
und dabei Verwüstungen auf den Feldern und Wiesen
angerichtet. Am 8. Oktober 1944 wurden dann an profanen
Gebäuden, Wohnhäusern und Scheunen große Schäden verursacht,
zwei Wohnhäuser und zwei Scheunen teilweise zerstört. Damals
wurde eine Frau getötet. Am 19. Februar 1945 (Vgl. den
Bericht vom 5. März 1945, in: EAF, B2-35-117) wurde der
Bahnhof angegriffen, wobei eine Anzahl Häuser so übel
mitgenommen wurden, dass 25 Familien keine Wohnung mehr
hatten; ganz zerstört wurden die Güterhalle des Bahnhofs,
zwei Wohnhäuser und das Notariat; getötet wurden ein Soldat
und eine Frau so schwer verletzt, dass sie an den Folgen
gestorben ist. Damals wurde auch die Kirche bzw. fünf
Kirchenfenster eingedrückt, welche wieder repariert wurden.
B) Bei der Besetzung selbst fanden keine Kampfhandlungen
statt; am 23. April 1945 fand die Übergabe statt; die
Truppen waren zuvor abgezogen.
C) Nach der Besatzung. Im Laufe des Jahres kamen viele
Plünderungen vor. Zunächst wurden den Familien Bettwäsche
und Kleidungsstücke, Lebensmittel, sodann Hühner, Schafe,
Schweine weggenommen. Die Leute wurden wegen geringfügiger
Dinge schwer bestraft mit Geldstrafen. Sodann wurden eine
Anzahl Familien aus ihren Häusern vertrieben; Wohnungen mit
6-7 Zimmern wurden für eine einzelne Persönlichkeit in
Anspruch genommen. Das Eigenartige daran war der Umstand,
dass es meist alte Leutchen getroffen hat, die bekannt waren
als Antinazis. Die Frauen der bekanntesten und schärfsten
Nazibonzen verstanden es, sich bei den Gegnern
einzuschmeicheln; es ist kaum einer solchen Familie etwas
passiert; im Gegenteil, sie wurden offensichtlich mit
Lebensmitteln unterstützt, namentlich solche Familien, deren
Mädchen sich den Gegnern zur Verfügung stellten. Darum sind
die sittlichen Zustände sehr zu beklagen. Alles Warnen und
Mahnen fruchtete nichts; im Gegenteil, der Geistliche wurde
bedroht und auch bestraft mit einer Geldbuße von 500 Mark.
D) An den kirchlichen Gebäuden wurde außer dem
verhältnismäßig geringen Schaden an den Fenstern der Kirche
sonst kein Schaden angerichtet.
E) Beim Gesamtüberblick über die Lage im Pfarrort ist zu
sagen, dass der Schaden an geistigen Gütern hier bei weitem
größer ist als der materielle, namentlich bei der
Mädchenwelt. Es sind bisher schon etwa 10 illegitime
Geburten. Die kirchlichen Feste konnten in altgewohnter
Weise wieder begangen werden; auch der Sakramentenempfang
war ein sehr reger. Die Begrüßung der heimgekehrten Soldaten
am Christkönigsfest war ein Erlebnis für die Pfarrgemeinde;
namentlich hat sich der Einkehrtag für die Soldaten sehr gut
ausgewirkt, indem nahezu alle schon anwesenden Soldaten
mitgemacht haben und die hl. Sakramente empfangen haben. Es
hat sich auch bei den Soldaten ein gewisser Ärger über das
Verhalten der Frauenwelt bemerkbar gemacht, indem sie solche
öffentlich anprangerten. Hoffentlich werden all die Wunden
wieder geheilt durch die intensive Pastoration unter der
Jugend. Bereits hat sich eine katholische Aktion namentlich
der männlichen Jugend kraftvoll eingesetzt.
An mehreren
Sonntagen wurden die Predigten über die katholische Aktion
gehalten und Männer, Frauen, Jungfrauen und Jünglinge dazu
aufgerufen. Das Männerwerk existiert schon seit zehn Jahren
hier in der vorgezeichneten Weise.
[hs.:] Saur Pfr
(Pfarrer Jakob Saur (* 27. 07. 1878 in
Impfingen, + 18. 12. 1952 in Kirchzarten) war 1934 von
Neckarelz nach Kirchzarten gekommen. Im Jahre 1939 wurde er
Kammerer des Kapitels Breisach und im Jahre 1947 wurde er in
Anerkennung seiner Dienste zum Geistlichen Rat ernannt.
Kirchzarten ernannte ihn zum Ehrenbürger der Gemeinde. Vgl.
Necrologium Friburgense 1952, $. 206. Vor Pfarrer Saur
wirkte von 1920 bis 1934 Pfarrer Anton Schwarz (* 8.01.1870
in Ettenheim, + 21. 09. 1934 in Kirchzarten) in Kirchzarten.
Vgl. Necrologium Friburgense 1934, 5. 44.)
-------------------------------------------------------------
Oberried
(Der
Pfarrbezirk Oberried umfasste die Pfarrei Oberried sowie
die Filialen St. Wilhelm und Zastler; zur Pfarrei und den
Filialen gehörten noch zahlreiche Höfe und mehrere Zinken.
Im Pfarrbezirk lebten 1939 1290 Katholiken und 23
Protestanten, die ihr täglich Brot fast ausschließlich in
der Landwirtschaft verdienten. Vgl. Realschematismus 1939,
S. 37.)
Oberried
16.5.1947, E.St. 20.5., E.hs. 22.5.47 hs.
Auf Erlaß vom 26. April 1947.
Kriegsberichte
Die 4 Kirchspielsgemeinden der Pfarrei Oberried / Breisgau
hatten, Gott sei Dank, nicht unter feindlichen
Fliegerangriffen oder Artilleriebeschuß zu leiden.
Die Besatzung durch französ. Truppen am 23. April 1945
verlief ruhig und ohne Zwischenfall. Vom 7. Juli bis 29.
Sept. 1945 wurde eine Batterie afrikan. Artillerie hier
einquartiert, aber nur im Pfarrort, nicht in den
Filialgemeinden. Geplündert wurde tüchtig: Wertsachen,
Betten, Kleider, Geschirr, Möbel etc. wurden fortgeschleppt,
die Hühnerbestände ausgerottet. Daran beteiligten sich aber
auch die verschleppten Polen und Ukrainer, die von Freiburg
aus in kleinen Banden marodierten.
Vergewaltigungen kamen keine vor. Dagegen kamen aus Freiburg
zahlreiche Dirnen und ähnliches weibliches Gelichter hierher
zu den Franzosen auf Besuch und trieben ihre
Schamlosigkeiten in aller Öffentlichkeit. Während diese
Orgien die Einheimischen abstießen, war das nicht der Fall
gegenüber Angehörigen der deutschen Wehrmacht, die hier im
Quartier lagen, den Krieg über (SS-Flieger, 1 Bataillon
SS-Pioniere), die sich zügellos benahmen und junge
Kriegerfrauen und Mädchen verführten.
Von noch verderblicherem Einfluß, namentlich auf die
Schuljugend und Halbwüchsigen, waren die Arbeiterinnen und
Mädchen, die von der Partei (NS-Frauenschaft, Kraft durch
Freude, NS-Volkswohlfahrt) von Essen, Dortmund, Witten und
anderen Städten des Ruhrgebietes während des Krieges hierhin
zur Erholung geschickt worden waren. Dieses weibliche
Gesindel mit ihrem zweifelhaften männlichen Anhang leistete
sich das Unglaublichste unter dem Schutze der Partei und SS
durch Nacktgehen, Gottlosenpropaganda, Denunziation etc.
Diese Erlebnisse vergißt die hiesige Jugend nie! Dazu kam
noch der zersetzende Einfluß der Simultanschule während der
Nazizeit. Sämtl. Lehrkräfte (7.) (Gemeint ist die Anzahl der
Lehrkräfte, nämlich sieben Lehrerinnen und Lehrer.) an den 4
Schulen waren protest. Lehrer und Lehrerinnen, die Jahre
hindurch, das kathol. Pfarrleben, Gottesdienste, Sakramente
vor den Kindern lächerlich machten. Gott wurde in der Schule
verhöhnt, die Kruzifixe beseitigt (vom Pfarrer aber immer
wieder in der Schule angebracht), die Kinder wegen Teilnahme
am Gottesdienste bestraft. Der Religionsunterricht des
Geistlichen sabotiert durch Veranstaltung an Sonntagen,
Sport mit den Schulkindern, ausgerechnet immer an den Tagen,
da Religionsunterricht sein sollte.
Und diese höllische Unkrautsaat ist aufgegangen und treibt
jetzt ihre Blüten u. Früchte. Die Jugend ist gründlich
verdorben. Das zeigt sich in dem Cynismus, der Indolenz, dem
Indifferentismus, der Spottsucht u. Ehrfurchtslosigkeit der
Jugendlichen die heimgekehrten Soldaten inbegriffen gegen
das Religiöse u. Überlieferte.
Karl Arthur Schultheiß, Pfarrer.(Der Bericht wurde von
Pfarrer Karl Artur Schultheiß (* 27. 03. 1881 in Gütenbach,
+ 16.06.1956 in Oberried) verfasst, der von 1929 bis 1949
Pfarrer des Pfarrbezirks war. Im Januar 1945 wurde ihm
Wehrkraftzersetzung vorgeworfen und er kam in das
Untersuchungsgefängnis in Freiburg, wo er erst von den
Franzosen befreit wurde. Vgl. Necrologium Friburgense 1956,
424 f.
-------------------------------------------------------------
St.Märgen
(Der
Pfarrbezirk St. Märgen war sehr weitläufig. Neben der
Gemeinde St. Märgen umfasste er auch die Gemeinde
Wildgutach mit den Zinken Wildgutach und Zweribach, Teile
der Pfarrei Buchenbach, namentlich Höfe in der Gemeinde
Wagensteig sowie das Löwenwirtshaus, Teile der Gemeinde
St. Peter, namentlich der Zinken Oberibental mit mehreren
Höfen. Zwar lebte ein großer Teil der Menschen von der
Landwirtschaft oder als Waldarbeiter, aber durch den
Kurort St. Märgen gab es auch nennenswerten Handel und
Gewerbe. Der Pfarrbezirk zählte 1769 Katholiken, 23
Protestanten und drei „Sonstige“. Vgl. Realschematismus
1939, S.39f.)
St. Märgen,
16. Mai 1946.
Kath. Pfarramt
St. Märgen (Schwarzw)
Bericht des Erzb. Pfarramtes St. Märgen über die
Kriegsereignisse des Jahres 1945 in St. Märgen
Vor der Besetzung. Ende Januar 1945.
Nach dem Einbruch der alliierten Invasionstruppen fluten die
Reste der deutschen Einheiten über den Rhein zurück. Die
letzte Brücke bei Neuenburg wird gesprengt. Breisach wird in
Brand geschossen, desgleichen verschiedene Orte am
Kaiserstuhl. Die evakuierte Bevölkerung mit ihrem
Viehbestand wird in die einzelnen Schwarzwaldorte verteilt.
Jeder Bauernhof hat Vieh zu übernehmen und zu füttern.
Wir bekommen militärische Einquartierung. Truppen und
Sanitätsabteilungen kommen hierher. San.Feldwebel
(Sanitätsfeldwebel.) Max Bengel von Endorf (Bayern/Chiemsee)
Kaplan, zelebriert täglich in der Pfarrkirche die hl. Messe.
Auch Feldgendarmen kommen hierher. Die Staatspolizei von
Mülhausen kommt nach Freiburg. Bekleidungsabteilung
teilweise hier untergebracht. In der Schule und in einzelnen
Häusern. Im Schopf der Pfarrscheuer werden Motorräder (ohne
Batterien) eingestellt. Am 20.2.45 wieder abgeholt.
Am 18.2.1945, morgens 11 Uhr: Militärgottesdienst in der
Pfarrkirche, der sehr feierlich abgehalten wurde.
Anschließend evang. Militärgottesdienst.
Am 25.2.45, dem Heldengedenktag, veranstalteten wir, zum
Gedächtnis der gefallenen Soldaten des I. Weltkrieges und
des gegenwärtigen Krieges eine Kirchenmusikalische
Gedächtnisfeier von 16,30 bis 17,30 Uhr in der Kirche, die
sehr zahlreich von Seiten der Wehrmacht sowohl, wie der
Bevölkerung besucht war. Mit Gebet für das Vaterland und dem
Eucharistischen Segen wurde die erhebende Feier geschlossen.
Ein wertvolles musikalisches Programm wurde geboten!
März 45: Die Operationen längs des Rheines gehen ständig
weiter. Die Einschließung des Ruhrgebietes bereitet sich
vor.
1.4.45: Ostersonntag. Feier des hl. Osterfestes in
gewohnter Weise.
Des Morgens in der Frühe fanden wir Kirchenportale,
Apotheke, Hotel zur Goldenen Krone und verschiedene Häuser
verschmiert mit Werwolf-Zeichen und allerhand Sprüchen:
Kirche: Wir kämpfen, Ihr betet! Schule: Tod den Feiglingen!
Bei Dr. Leicher: Hüte Dich! Werwolf. - Auch die Krone war
verschmiert, obwohl Standartenführer Krebs hier wohnte, der
sich als Ortskommandant gerierte. Der Urheber war ein junger
Leutnant, der die Schanzer zu befehlen hatte, ca. 200 Buben
im Alter von etwa 16-18 Jahren aus dem Württembergischen.
Bürgermeister Faller ließ die Sudeleien entfernen; der junge
Leutnant widersetzte sich; da jedoch dieser junge Leutnant
ohne Auftrag, eigenmächtig gehandelt hatte und die
Bevölkerung gereizt hatte, wurde er auf Betreiben des
Standartenführers Krebs und des Kreisleiters von seinem
Posten sofort enthoben!
2.4.45: Ostermontag. Nach dem Pfarrgottesdienst um 9 Uhr
findet um 10 Uhr Militärgottesdienst statt.
3.4.45 Bruchsal wird von den alliierten Truppen besetzt.
8.4.45: Die Sanitätsabteilung (Stabsarzt
Baumann?(Fragezeichen im Original) & Feldw. Max Bengel)
zieht ab, Ulm a. d. Donau zu.
10.4.45: Auch die übrigen Truppen, die hier so lange
einquartiert gewesen, verlassen St. Märgen, darunter auch
unser treuer Unteroffizier.Werner Jänicke, der uns so manche
liebe Dienste geleistet.
12.4.45: Die unter HJ-Führung stehenden Schanzer von
Württemberg und Baden ziehen ab. Auf dem Turner sind noch
SS-Jungen untergebracht, die zwangsmäßig in die SS gesteckt,
dort ausgebildet werden sollten.
Die franz. Truppen kommen über das zerstörte Pforzheim von
Norden her gegen Villingen/Donaueschingen; gleichzeitig wird
der Rhein überschritten, und von Offenburg herkommend,
desgleichen über Neuenburg/Müllheim nähern sich die Heere
Freiburg, das nach schwachem Widerstand besetzt wird. 21. 4.
45.
Es schließt sich die Einkreisung der im Südschwarzwald
befindlichen Truppen und SS-Formationen. Von Donaueschingen
bis zur Schweizer Grenze (Kanton Schaffhausen) ist bereits
abgeriegelt. Ein Entkommen ist nicht mehr möglich. Die
deutschen Truppen hier in St. Märgen sind unschlüssig; man
spricht von Verteidigung. Durch Befehl eines Generals in
Kirchzarten wird die Ravennabrücke, die während 6 Jahren
sorgsam gehütet worden war (durch Sperrballons), und der
Hirschsprungtunnel gesprengt. Die Straße durch
Sprengtrichter ungangbar gemacht. Am 23.4. Abends 5 Uhr wird
auch die Wagensteigstraße bei der Linkskehre (Schaubrank)
sowie die Straße nach St. Peter beim Luxhof gesprengt.
Desgleichen die Wildgutacherstraße, sowie die Straße vom
Sternen/Obersimonswald nach Gütenbach. Man will St. Märgen
verteidigen! Langrohrgeschütze werden bei den Bunkern
Oberibental, bei der Steige „Birkweghof“ rechts und links
der Straße aufgestellt. Desgleichen beim Turner & auf
den Höhen des Breitnauer Steigs. Alles ist in furchtbarer
Aufregung. Viele SS-Truppen, Heeresverbände und
Volkssturmleute sind hier zusammengezogen. St. Peter wurde
bereits am 22.4.45 von den franz. Truppen erreicht. Alles
steht auf letzter Entscheidung! Da endlich kommt die
Einsicht, dass eine Verteidigung nutzlos wäre. Ein
unbeschreiblicher Chaos entsteht. Die Truppen sind in voller
Auflösung. Die Geschütze werden gesprengt. Detonation auf
Detonation ertönt. Im Pfisterwald werden die Munitionskisten
gesprengt. Heeresgut wird verbrannt. Geräte, Waffen,
Munition, Decken und Uniformen, sogar die Regimentskasse
wird ein Raub der Flammen. Alles Zerstörung und Vernichtung.
Die Soldaten fliehen in die Wälder, führerlos, kopflos, ein
Zusammenbruch, wie er noch nicht erlebt wurde. In den
Wäldern der Umgebung liegen Waffen, Panzerfaust,
Handgranaten, Munition. Alles durcheinander, zu Haufen! Und
trotz Allem kein Entrinnen mehr möglich. Die Führung hat
abgehauen, ist spurlos verschwunden, mit Autos abgefahren;
die Soldaten sind sich selbst überlassen, und verstecken
sich in den Wäldern, suchen Einzeln der Gefangenschaft zu
entrinnen. Einige Wenige mögen sich durchgeschlagen haben,
in Zivilkleider gesteckt, entronnen sein. Die andern Alle
kamen in Gefangenschaft und zogen dann einige Tage später in
endlosen Kolonnen wieder durch St. Märgen in die harte
Gefangenschaft. Das war das Ende! --St. Märgen aber war vom
Untergang gerettet!
Die Besetzung.
Am 24. April nachmittags 3 Uhr, Dienstag, fuhr ein kleines
Auto mit Antenne ein; ein Offizier mit einigen Soldaten
stieg aus. Er wurde vom Bürgermeister, Ratsschreiber, und
auch vom Ortspfarrer und Pfarrvikar empfangen. Im Gefolge
kam auch ein größerer Lastwagen mit Polen, die sämtlich in
Uniformen steckten. Es waren unsere bisherigen polnischen
Landarbeiter. Der Offizier erklärte: St. Märgen ist jetzt
unter der Gewalt der franz. militärischen Regierung. Alle
Waffen, Schieß-, Hieb-und Stichwaffen, samt Munition müssen
sofort auf dem Rathaus abgegeben werden; desgleichen auch
die Photoapparate. Die männlichen Einwohner vom 16. /13
Jahren bis 65 Jahre müssen sofort sich einfinden mit
Schaufeln, Pikeln & anderen Grabwerkzeugen, um die
Straßensprengungen im Wagensteig und beim Luxhof in Ordnung
zu bringen. Bis zum anderen Morgen 6 Uhr muss eine
passierbare Straßenbreite von 3 Metern geschaffen sein! Um 5
Uhr abends zogen die einzelnen Kommandos bereits ab. Sie
hatten die ganze Nacht zu schanzen und auszufüllen, um nur
notdürftig die Sprengtrichter zu schließen und die Straßen
passierbar zu machen. Dass die Leute nicht in rosiger
Stimmung waren, lässt sich denken. Sie holten auch den
Ortsgruppenleiter & andere Parteiangehörigen,
Volkssturmführer etc. herbei; dieselben bekamen wahrhaft
keine Schmeichelworte zu hören.
Mittwoch, den 25. April 45.
Die auf diesen Tag fällige St. Markus-Prozession musste
ausfallen, bzw. wurde in der Kirche abgehalten, Mit
Allerheiligen-Litanei und Bittamt. Bald darauf, etwa um 9
Uhr, zogen die franz. Truppen ein. Es waren zum größten Teil
Kolonialtruppen, ehemalige Maquis, Partisanen, die in das
franz. Heer eingereiht waren. Die I. Armee! Große
Panzerwagen rollen über den Kapfenberg und auf den Straßen
von St. Peter & Wagensteig her. Der ganze Ort war im Nu
überschwemmt mit franz. Militär. Gleich begann auch schon
das Plündern. Die Hühner werden fast restlos abgeschossen,
soweit sie nicht in sicherem Versteck waren. Auf Motor- und
Fahrräder sind sie besonders scharf. Stallhasen, Kleinvieh
wird abgeschlachtet; die Wohnungen durchsucht besonders
haben sie es auf Goldschmuck & Uhren abgesehen. Manche
Armbanduhr, Ringe etc. wurden als Siegespreis abgenommen. Es
war gefährlich, irgendwelchen Schmuck zu tragen. Auch
Weißzeug und Wäscheartikel wurden geraubt. Porzellan &
Möbel zerschlagen. Die Mädchen und Frauen hielten sich am
ersten Tage versteckt. Viele waren in der Kirche. Weiterhin
wurde der ganze Wildbestand in den Wäldern, die Forellen in
den Bächen, vielfach mit Handgranaten vernichtet. Manchen
Leuten, bei denen die Soldaten einquartiert waren, wurden
Möbel, Uhren und Geschirr sinnlos zerschlagen. Tagelang
hörte man es schießen und knallen in den Wäldern. Alles
Zerstörungsfimmel! Kein Vögelein war sicher im Wald, kein
Häslein im Felde. Nur die Spatzen und Krappen sind am Leben
geblieben — das Pfarrhaus wurde verschont. Dagegen drangen
die Voleure (Diebe) in die Pfarrscheune ein. Zerstörten im
Stall so manche Möbel & Geschirrkisten, die vom Pfarrer
von Freiburger Flüchtlingen aufbewahrt wurden. Auch
wertvolle Koffer derselben wurden erbrochen, und ihres
Inhaltes teilweise beraubt. So ging es in den ersten Tagen
zu. Doch kann man wenigstens sagen, dass Schändungen von
Frauen und Mädchen kaum vorgekommen sind. Da scheint die
Gottesmutter ihren besonderen Schutz uns gewährt zu haben.
An Groß& Kleinvieh wurden nach amtlicher Feststellung,
in der Gemeinde St. Märgen vom 24.5.45 bis zum 14.6.45 ohne
Requisitionsschein geholt: 9 Stück Großvieh, 17 Rinder, 34
Kälber, 27 Schweine, 40 Schafe, 3 junge Ziegen, 16
Kaninchen, dazu 571 Hühner, 26 Enten und 6 Gänse.
So spielten sich unsere Befreier auf, die uns von der
Knechtschaft des Nazismus erlösen wollten. Wir hatten andere
Erwartungen und Hoffnungen auf unsere Befreier gesetzt. Das
hat die Sympathien, die wir für die Sieger hatten, die wir
als Erlöser von der schrecklichen Gewaltherrschaft der
„Nazis“ erwarteten, merklich abgekühlt!
Am 6. Mai 45 war der Service Militaire morgens um 11 Uhr
nach /14 dem Pfarrgottesdienst. Ich hatte nun einen
feierlichen Gottesdienst erwartet, ähnlich unserem deutschen
Militärgottesdienst am Heldengedenktag, wie am Ostermontag.
Aber da sollte ich mich gründlich getäuscht haben. Ich
erwartete den Aumönier in der Sakristei. Während die
französischen Offiziere, die ich im Quartier hatte, und auch
die Anderen, mit denen ich auf der Kommandantur zu tun
hatte, sehr höflich waren, grüßte mich dieser Mitbruder in
Christo kaum. Er ging dann an den Hochaltar, nachdem Alles
gerichtet war, nahm sein französisches Evangelienbuch und
las das Sonntagsevangelium vor & darauf hielt er die hl.
Messe, ohne auch nur ein weiteres Wort an die Offiziere und
Mannschaften zu richten!! Da begriff ich, warum von der
ganzen Besatzung kaum 50 Leute mitsamt den Offizieren
erschienen waren. Und dabei wäre eine Mahnung sehr nötig
gewesen & eine Glaubensweckung, denn die ganze Besatzung
bestand fast durchweg aus lauter südfranzösischen
(Marseille, Lyon etc.) Kommunisten. Auf meine geäußerte
Verwunderung über den schlechten Besuch erwiderte mir ein
französischer Offizier: Das sind eben Südfranzosen! Ich bin
der Meinung, der südfranzösische Bischof, der zum
Gebetskreuzzug für die Deutschen aufforderte, sollte vor
allem für seine eigenen Diözesanen beten lassen!
Ende April und in dem Monat Mai zogen dann die deutschen
Gefangenen täglich in endlosen Scharen über St. Märgen nach
Freiburg in die Sammellager. Wir hatten vom Commandeur
erreicht, dass wir eine Verpflegungsstation für die
hungernden und dürstenden Gefangenen errichten durften. Die
Einwohner unterstützten uns sehr bereitwillig bei unserem
Caritaswerk!
Nach langen Vorstellungen und Verhandlungen erreichten wir
endlich von der Kommandantur, dass die Gemeindebehörde die
Belieferung der 200 Mann Besatzung mit Vieh auf Grund von
Lieferscheinen selbst in die Hand nehmen konnte, und so das
eigenmächtige Requirieren durch einzelne Truppenteile
aufhörte. Allerdings wurden die Höfe immer noch durch
herumstreunende Russen & Polen, auch durch ehemalige
deutsche Soldaten, die teilweise ebenfalls noch in Wäldern
hausten & mit den anderen Räubern sich zusammentaten,
belästigt und beraubt.194 Nach und nach wurde auch dieser
Unfug abgestellt. Dafür kamen aber in Scharen die
Notleidenden von Freiburg und Furtwangen, sowie Neustadt.
Manche Bauern klagten, daß ihre Höfe täglich von 30-40
Personen heimgesucht würden, die Brot, Kartoffeln, Butter,
Fett, Eier usw. heischten. Ein ganz unmöglicher Zustand!
Ende Juni bis Anfang Juli verließen uns dann die
Besatzungstruppen, um wie es hieß im Rheinland eingesetzt zu
werden. Langsam trat wieder größere Ruhe und Ordnung ein.
Nach der Besetzung.
Einige Mann bleiben noch hier bei der Kommandantur. Im
Sommer kommen französische Kinder, Knaben und Mädchen im
Alter von ca. 9-14 Jahren mit ihren Fürsorgerinnen. Die
Krone, Rößle, Löwen im Orte, Sonne und Turnergasthaus werden
belegt. Es sind ca. 200 Kinder, mit etwa 20 französischen
Rotkreuzhelferinnen, und Sanitätspersonal. Anfänglich
verläuft alles in bester Ordnung; später hört man manche
Klagen über unartiges Benehmen der Kinder. Im allgemeinen
ging es zufriedenstellend. Ende September verließen uns die
Kinder. Hier in St. Märgen nahmen die Kinder am Gottesdienst
teil. Eine größere Anzahl ging auch mit ihren Helferinnen
zur hl. Beicht & Kommunion. Es waren Kinder von Paris
und Umgebung. Die Directrice machte dem Ortspfarrer
Antritts- und Abschiedsbesuch & gab ihrer Freude über
die gute Betreuung der Kinder Ausdruck. Zur Zeit ist nur
noch die „Krone“ beschlagnahmt zur Aufnahme französischer
Offiziere mit ihren Familien zur Wochenenderholung. Es
kommen wöchentlich so etwa 50-100 Personen, die teilweise
auch den Sonntagsgottesdienst besuchen. Einige kommen auch
zur hl. Beicht, um ihrer Osterpflicht zu genügen. So lange
Skisport möglich war, wurde derselbe fleißig geübt. Manche
blieben 14 Tage bis zu drei Wochen. Jetzt ist der Besuch
mäßiger geworden. Es heißt, es kämen jetzt bald die
Ostflüchtlinge. Wir sollen ca. 120 Personen aufnehmen. Die
Evakuierten aus den Großstädten des Rheinlandes & von
Norddeutschland ziehen langsam ab. Manche wollen aber nicht
gehen. Es wird verschiedene Schwierigkeiten geben!
Unterdessen hat auch die „Säuberungsaktion“ eingesetzt, die
vor allem von kommunistischer & sozialdemokratischer
Seite in Szene gesetzt wurde. Unser verdienter Bürgermeister
Faller, der während sieben Jahre unsere Gemeinde durch alle
schwierigen Zeiten zur Zufriedenheit geleitet und auch von
der Militärregierung anerkannt wurde, muß auf 1. Mai 1946
seinen Abschied nehmen. Nach langen Verhandlungen 194 Im
Original folgt hier noch einmal „wurden“. erklärt sich
Vogelbauer August Eckert bereit, das schwere Amt zu
übernehmen, damit kein Fremder eingesetzt wird. Er war nicht
Mitglied der Partei, und hat vor der Eingemeindung von
Hinterstraß dort das Amt eines Bürgermeisters bekleidet. Es
ist für ihn gewiß ein großes Opfer. Faller mußte 1939 der
Partei beitreten; war aber in keiner Weise ein aktiver Nazi.
Auch der französische Gouverneur in Neustadt, Monsieur
Verseau wird versetzt, was sehr bedauert wurde, da er sehr
gerecht und verständig war. An seine Stelle trat Colonel
Vitcoq. Der Landrat Kohlhepp trat ebenfalls zurück, und an
seine Stelle wurde der Herr Landrat Schwörer. ein Neffe des
früheren Landeskommissärs Schwörer, Freiburg, gesetzt. Unser
früherer Hauptlehrer Wilhelm Hug, der kommissarischer
Ortsgruppenleiter seit 1939 war, seines Amtes enthoben wurde
als Lehrer, aber bisher nicht weiter behelligt worden war,
wird gegen Mitte April verhaftet & kommt nach Neustadt
ins Gefängnis. Er kam Anfang Mai nach Freiburg in das
Gefangenenlager für politische Häftlinge. Schritte beim
Gouvernement de Bade in Freiburg sind zu seiner Entlassung
eingeleitet. Hoffentlich gelingt es, den Mann seiner
trauernden Familie bald wieder zurückzuführen. Denn er war
gegen die Bevölkerung stets anständig und gegen die Religion
nicht gehässig. Jetzt drängen sich eben allerhand unsaubere
Elemente in den Vordergrund und suchen im Trüben zu fischen.
Neid und Mißgunst, Angeberei und Verleumdung, traurige
Untugenden unseres Volkes, spielen in diesen unruhigen
Zeiten, wo die Einigkeit so dringend notwendig wäre, eine
üble Rolle. Die Aussichten unseres armen Volkes sind so für
die Zukunft recht trübe! Möge uns der barmherzige Gott, der
uns bisher so sichtbar geschützt, auch durch diese Trübsale
hindurchführen zu einer wenn auch langsamen Besserung.
[Siegel] Josef Julius Siebold, Pfarrer. Erzb. Geistl. Rat.
(Josef Julius Siebold (* 08. 05. 1872 in Basel, + 19. 01.
1952 in St. Märgen) war von 1919 bis 1950 Pfarrer von St.
Märgen, wo er auch seinen Ruhestand verbrachte und
schließlich starb. Bereits 1940 hatte ihn Erzbischof Gröber
in Anerkennung seiner Verdienste zum Geistlichen Rat
ernannt, und die Gemeinden St. Märgen und Odenheim, wo
Siebold von 1901 bis 1919 Pfarrer war, hatten ihm die
Ehrenbürgerwürde verliehen. Vgl. Necrologium Friburgense
1952, S. 196.)
Anschließend in Abschrift amtl. Aufstellung der Gemeinde St.
Märgen über die Requirierungen vom 24. April 45 bis zum 1.
Oktober 1945,
-------------------------------------------------------------
St.Peter
o.D.
(St. Peter war ein noch weitläufigerer Pfarrbezirk als der
Nachbar St. Märgen. Neben der Gemeinde St. Peter zählte
auch das Dorf Burgerschaft zum Pfarrbezirk, mehrere
Zinken, die Teile Oberibentals, die nicht zum Pfarrbezirk
St. Märgen gehörten, Teile der Gemeinden Unteribental,
Eschbach, Föhrental, Oberglottertal, Untersimonswald und
Obersimonswald. Ferner gehörte die Wallfahrtskirche Maria
Lindenberg zur Pfarrei St. Peter. Durch das
Priesterseminar am gehörte Ort gab es neben der
Landwirtschaft Erwerbsmöglichkeiten im Gewerbe. Es lebten
im Pfarrbezirk 1458 Katholiken und fünf Protestanten. Vgl.
Realschematismus 1939, S. 40f.)
Kath. Pfarramt St. Peter im Schw.
Dek. Breisach.
Kriegsereignisse in der Pfarrei St. Peter im Schw.
I. Ereignisse vor der Besetzung: 1945. Bombardierungen.
1. Am 15.1. 1945 wurde das obere Glottertal bombardiert. Ein
einzelner Flieger wandte sich gegen Nordosten und warf eine
letzte Bombe auf den Kandelberg, unmittelbar oberhalb des
Hofes Dold Josef. Durch die Bombe wurden 5 Personen getötet:
Großvater, Vater und 3 Kinder. Ausführlicher Bericht:
Totenbuch der Pfarrei, S.22.
2. Im Februar fielen an einem Sonntag morgens kurz nach dem
Hauptgottesdienste 11 leichtere Bomben östlich des
Weisenhofes. Vielleicht Notwurf infolge des nebligen
diesigen Wetters. Durchzug großer Bombengeschwader. Die
Bomben fielen zwischen Weisenhof und östlich gelegenem Walde
in kurzen Abständen. Beschädigungen im Hofe: Ziegel und
Fenster nach der nördlichen und östlichen Seite. Die 1 Bombe
fiel dicht hinter dem Hause, aber bereits auf weichem
moorigen Boden.
II. Ereignisse bei der Besetzung.
Sonntag, den 22. April:
Rückzug der deutschen Truppen.
Ausbau von Stellungen an den Berghängen gegen Eschbach und
Ibental für Infanterie und leichte Flakstellungen 3,7 cm
(Müllerberg).
Schwere Geschütze bis 15 und 21 cm am Zwerisberg und auf der
Höhe des obersten Ibentales. Nach Schließung des Kessels und
Erreichung der Schweizer Grenze bei Schaffhausen: Aufgabe
der Stellungen, Sprengung der Geschütze und Rückzug. Letzte
Kämpfe bei Aasen.
Montag, den 23. April.
Jungen Burschen aus Freiburg. Morgens 11 Uhr Hissung der
weißen Flagge auf dem Kirchturm auf Befehl der hiesigen
Gemeindebehörde des stellvertretenden Bürgermeisters Schwähr
(Elme) und Ratschreibers Ruf.
Einziehung der weißen Fahne wegen Drohung des Wehrwolfes,
den Kern des Dorfes zu verteidigen.
Abends 1/2 8 Uhr: Eintreffen der 1. französischen
Panzerspähwagen von St. Märgen her: Fahrt in den
Scheuerwald, teilweise Vernichtung der dort liegenden
Munition.
Dienstag, den 24. April:
Mittags 1/2 3 Uhr: Eintreffen von mehreren französischen
Panzerspähwagen auf dem Platz vor dem Hirschen. Ein junger
Bursche in civil, Edmund Schreiber aus Burkheim,
Mittelschüler in Freiburg (Wehrwolf), umkreist ziemlich
auffällig die Panzerwagen, wird ergriffen und, da er Waffen
und Munition bei sich trägt, nach kurzem Verhör in der
Schule am Platz rechts des Hirschen, an der abschüssigen
Stelle gegen die Matte zu, erschossen.
Am Mittwoch auf Verlangen des französischen Ortskommandanten
schnell begraben, wird die Leiche später von den Angehörigen
heimgeholt und in Burkheim beigesetzt.
Mittwoch, den 25. April:
Französischen Soldaten: Lkw, leichte Ari, Infanterie auf
Lastwagen, kleine Abteilungen Kavallerie durchziehen den
ganzen Tag das Dorf.
Mittags Rast einer Abteilung: Bevölkerung muss Mittagessen,
Wein, Eier, Hühner, Speck geben.
Da und dort werden Wertgegenstände: Insbesondere Radio und
ziemlich Geld mitgenommen. Sämtlich Fotos müssen auf dem
Rathaus abgegeben werden, auf Nimmerwiedersehn.
III. Nach der Besetzung:
Die Plünderungen geschahen im üblichen Rahmen des Krieges.
Dort wo die Leute aus Unwissenheit oder Unverstand die
Soldaten abwiesen, waren die Plünderungen stärker. Im
Jägerhaus wurde vieles demoliert.
Später geschahen häufige Plünderungen einzelner Bauernhöfe
besonders des Nachts. Die Täter wurden nicht immer
einwandfrei ermittelt, z.B. waren es Polen. z.B. Burlehof,
Schuler Langecker, Fräßlehof.
Vergewaltigungen:
Zahl: 3: Tochter des Stocksepp. [...] auf dem Hornhof, sowie
[...], junge Frau aus der Ukraine, die auf dem Hornhof
beschäftigt war. (immer in der Nacht) (Siehe ausführlicher
Bericht in den Pfarrakten.)
Aufstellung und Abzug unserer deutschen Kriegsgefangenen vor
der Kirche in St. Peter.
Parteileute: Baudendistel: Einsatzleiter der Vomi
(Volksdeutsche Mittelstelle, eine NS-Behörde, die für die
Betreuung und Umsiedlung der außerhalb Deutschlands lebenden
‚Volksdeutschen“ zuständig war. Vgl. https://
de.wikipedia.org/wiki/Volksdeutsche_Mittelstelle (abgerufen
am 18. April 2020)), Bürgermeister, Stützpunktleiter,
Ortsgruppenleiter, verlässt das Dorf einige Tage vor
Eintreffen der französischen Truppe. Per Auto nach Maria
Tann, von dort nach Tirol. Rückkehr im Sommer per Fahrrad.
Ergreifung durch die Franzosen an der Unteren Mühle, Verhör
in St. Märgen, Abtransport nach Freiburg. Jetzt im KZ Lehen
bis heute.
Ausgetreten aus der Kirche, in seinen Monatsberichten
erweist er sich als starker Gegner der Kirche.
Richard Ruf: Stellvertretender Stützpunktleiter: wird
zusammen mit Baudendistel inhaftiert und befindet sich noch
in Haft in Freiburg.
IV. Schäden an kirchenlichen Gebäuden: Keine.
Gasthaus zum Hirschen wird Kaserne: Französische Besatzung
bis März 1946 (ca. 80-100 Mann).
[Siegel] [hs.:] Dr. A. Baumeister, Pf.
(Dr. Ansgar
Baumeister (* 18. 06. 1873 in Karlsruhe, } 20. 03. 1950 in
St. Peter) befand sich seit 1903 am Priesterseminar in St.
Peter, zunächst als Repetitor, ab 1921 als Professor, 1924
als Subregens und von 1932 bis 1945 als Regens. Von 1938 bis
1949 war er zugleich Pfarrer in St. Peter. Für seinen
Einsatz und seine Verdienste erhielt Baumeister mehrere
Ehrungen, wie die Ernennung zum Geistlichen Rat, zum
Ehrendomherren und zum Päpstlichen Hausprälaten. Vgl.
Necrologium Friburgense 1950, S. 247-249.)
-------------------------------------------------------------
St.Peter, Priesterseminar
o.D.(Herbst 1945)
Das Priesterseminar St. Peter im Schwarzwald im Kriege.
Der beim Kriegsausbruch hier weilende Kurs zählte 27 Herren.
Sie erhielten am 17. Dezember 1939 die hl. Priesterweihe.
Davon 3 gefallen, einige gestorben, einige noch vermißt oder
gefangen. Der nächste Kurs wurde schon am 2. April 1940
geweiht. Es war der stärkste Kurs, der je in St. Peter war,
79 Herren, von denen 11 gefallen sind.
Auf Allerheiligen 1940 wurde das Seminar durch die
Volksdeutsche Mittelstelle beschlagnahmt. Es fanden zunächst
Lehrgänge für die HJ statt.
Seit dem Palmsonntag 1941 weilten Volksdeutsche aus
Rumänien, seit Dezember 1941 Slovenen hier, durchschnittlich
350 Leute.
Daß das Seminar dadurch baulich gelitten hat, liegt auf der
Hand. Für die Aufgaben des Seminars blieb nur der
Vorderflügel des Hauses. Der Jahrgang 1940/41 zählte nur
noch 5 Herren; darnach kamen in den nächsten 2 Jahren keine
Theologen aus unserer Diözese mehr hierher. Es waren ja fast
alle Theologen der Diözese eingezogen. Dagegen konnten
1941-43 3 Kamillianer-Patres und 1 Theologe aus
Oberschlesien ihre Studien bei uns vollenden. Im Herbst 1943
kamen 3 kriegsversehrte Theologen des eigenen Bistums
zurück, sie bildeten den Jahrgang 1943/44. Von Herbst 1944
ab weilten wiederum einige vom Heeresdienst entlassene
Theologen hier. 2 davon konnten am 5. August dieses Jahres
die Hlg. Priesterweihe empfangen. — Das Kriegsende brachte
nicht sofort die Rückgabe des Seminars.
Die Slovenier blieben noch hier bis zum 25. August. Auch
die übrigen Slovenier aus der Umgegend wurden hier
zusammengezogen und warteten auf ihre Heimkehr. Von Mai bis
August konnten diese wieder frei die Gottesdienste besuchen,
was früher nur sehr beschränkt geduldet worden war. Auch war
es jetzt möglich, wöchentlich 2 Stunden Religionsunterricht
den Kindern zu halten. Am 7. Juli war unter H[errn]
Pfa]t[fer] Thimotheus feierliche Erstkommunion, feierlicher
Gottesdienst und Sloveniertag. Bei der Räumung des Seminars
war ein letzter Abendgottesdienst; die Leute wurden dann mit
Autos nach Offenburg gebracht. Das Gepäck mußte von den
hiesigen Bauern mit 50 Wagen nach Offenburg gefahren werden.
Von dort brachte ein Sonderzug die Slovenier in ihre Heimat.
Seit dieser Zeit begannen die Instandsetzungsarbeiten im
Seminar. Am 6. Mai fand der 1. Exerzitienkurs der Priester
hier statt, nachdem wenige Tage vorher die 10 Herren des
Seminarkurses wieder das Hinterhaus bezogen hatten.
Am 1. September 1945 übergab der bisherige Regens die
Regentie (Leitung) des Hauses dem bisherigen Subregens Msgr.
O. Schöllig (Dr. Otto Schöllig (* 20.03. 1884 in Scheringen,
Pfarrei Waldhausen, + 13. 10. 1950 ebd.) wirkte von 1912 bis
1949 in verschiedenen Funktionen im Priesterseminar in St.
Peter, wo er 1950 auch beerdigt wurde. Vgl. Necrologium
Friburgense 1950, $. 257-259,). Prälat Baumeister (Dr.
Ansgar Baumeister) blieb Pfarrer von St. Peter. Die Stelle
des Subregens wurde dem Seminarprofessor Dr. E. Seiterich
(Dr. Eugen Seiterich (* 09. 01. 1903 in Karlsruhe, +
03.03.1958 in Freiburg) wirkte elf Jahre am
Priesterseminar in St. Peter, ist jedoch vor allem bekannt
als Erzbischof von Freiburg (1954 bis 1958). Vgl.
Necrologium Friburgense 1955, S, 470-472. Vgl. auch
Christoph Schmider, Die Freiburger Erzbischöfe. 175 Jahre
Erzbistum Freiburg. Eine Geschichte in Lebensbildern,
Freiburg 2002, S. 159-165. ) übertragen. Zum Dozenten wurde
der bisherige Cooperator am Münster in Freiburg, Dr. Josef
Hemlein ernannt. (Dr. Joseph Hemlein (* 14. 09. 1909 in
Rinschheim, + 17.06.1955 in Freiburg) war seit 1945 Dozent
in St. Peter und nach seiner Habilitation im Jahr 1951
zusätzlich Dozent in Freiburg. Im Jahr 1954 wurde er
Professor für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg.
Vgl. Necrologium Friburgense 1955, S. 273.)
[Keine Unterschrift.]