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Die Zähringer und Freiburg im Breisgau
Prof. Theodor Mayer

Im Jahre 1120 hat Herzog Konrad von Zähringen auf seinem eigenen Grund und Boden einen Markt errichtet und den dorthin berufenen Kaufleuten Hofstätten in der Größe von 50 Fuß in der Breite und 100 in der Tiefe gegen einen sehr mäßigen Zins zugewiesen 1. 1120 gilt daher als das Geburtsdatum von Freiburg, damals ist die Stadt aus wilder Wurzel gegründet worden. Der Stadt ging keine dörfliche Siedlung an diesem Platze voraus; höchstens eine kleine Ansiedlung von herzoglichen Ministerialen‚ ritterlichen Dienstleuten in der Oberau mag vorhanden gewesen sein 2. Dagegen sind die Dörfer in der Umgebung von Freiburg fast ausnahmslos schon früher genannt, selbst die Mooswalddörfer werden schon im 8. Jahrhundert erwähnt 3. Die Freiburger Bucht war also schon vor der Gründung der Stadt besiedelt. Kirchlich gehörte der Raum der Stadt Freiburg zu Herdern und zu Umkirch 4. Die kleine Peterskirche, die etwa dort gelegen war, wo heute der Zähringer-Hof steht, war eine Umkircher Filialkirche. Das bedeutete aber auch, daß nach Umkirch eine Wegverbindung, wohl eine Straße, geführt hat. Gewiß gab es auch eine Straße nach Norden hin, nach Herdern, Zähringen, Gundelfingen und weiter nach Teningen und Riegel; diese Straße hatte aber nach Süden hin eine Fortsetzung nach Uffhausen und Krozingen und wurde von einer anderen gekreuzt, die von Breisach ostwärts ins Dreisamtal, nach Zarten führte. Die Verkehrslage war also nicht ungünstig, gleichwohl muß aber betont werden, daß es sich hier nicht um die Hauptverkehrsadern im Oberrheingebiet handelte. Die wichtigste Nord-Süd-Straße führte auf dem linken Rheinufer; die rechtsrheinische Nord-Süd-Straße, die es auch gab, ging aber von Riegel dem Kaiserstuhl entlang nach Mengen und Krozingen und weiter nach Basel. Freiburg lag ihr gegenüber abseits und war wohl von Anfang an mehr auf den West-Ost-Verkehr eingestellt; aber auch der große West-OstVerkehr berührte in älterer Zeit nicht den Raum von Freiburg, sondern nahm seinen Weg von Straßburg durch das Kinzigtal nach dem Neckar- und Donauland oder umging den Schwarzwald im Süden, also von Basel nach Osten zum Bodensee.

Der Herzog sagt in der Urkunde von 1120, daß er auf eigenem Grund und Boden, in loco mei proprii juris ein forum, einen Markt, errichtet habe. Nun wissen wir aus späterer Zeit, daß das Gebiet unmittelbar vor den Stadtmauern Reichsgut gewesen ist. Es ist nun höchst auffällig, daß gerade der eiförmige Ausschnitt, den die Stadt bedeckte, herausgenommen war. Von einer Schenkung des Reichsgutes an den Herzog Wissen wir nichts; daß er aber ohne weiteres Reichsgut, das ihm wohl unterstand, als Eigengut bezeichnet hätte, ist nicht wahrscheinlich. Es spricht daher manches dafür, daß der Herzog den Platz unter seiner Burg habe roden lassen, um ihn dann auf Grund dieser Tatsache als Eigentum zu beanspruchen.

Über der Stadt lag die Burg, wenn wir einer nicht schlechten Überlieferung glauben dürfen, wonach 1091 auf dem Schloßberg eine Burg gebaut worden ist 5. Die Erbauung einer Stadt am Fuße eines Burgberges, unter Anlehnung an die Burg und unter deren Schutz, ist nicht ungewöhnlich, sondern läßt sich in vielen Fällen feststellen.

Freiburg war also eine gegründete Stadt. Was bedeutete das? Wir unterscheiden mehrere Arten von Städten: die alten Römerstädte, die gewachsenen Städte und dann eben die gegründeten Städte. Die alten Germanen hatten keine Städte im mittelalterlichen Sinne, die etwa durch Mauern und Graben von der Umgebung getrennt waren, die eigene GerichtsundVerwaltungsbezirke darstellten, deren Bewohner standesmäßig anders waren als die des flachen Landes, und die zumeist von Handel und Verkehr lebten. Wohl aber sind im ehemals zum römischen Reiche gehörigen Teil von Deutschland viele Städte von den Germanen in irgendeiner Form übernommen worden. Nicht selten war es so, daß die Städte nicht unverändert und am genau gleichen Platz weiterlebten, daß aber im Umkreise der römischen Stadt eine mittelalterliche Stadt weiterbestand. Die veränderten Verhältnisse bedingten oft eine Verlegung nach einem besser geschützten Platz, nachdem auf die pax romana unruhige Zeiten gefolgt waren. Bonn, Kreuznach, Kempten sind Beispiele für solche Verlegungen von städtischen Siedlungen innerhalb eines begrenzten Raumes, wobei der alte Name erhalten geblieben ist 6. An anderen Orten sind die römischen Städte sehr zusammengeschrumpft, von einer großen Stadt ist mitunter nur eine kleine, meist bischöfliche Siedlung, übriggeblieben. Vercauteren hat uns diesen Vorgang für eine Reihe von nordfranzösischen Städten klar und anschaulich nachgewiesen 7. Bei Straßburg ist es genauso gegangen, dort haben sich dann um den alten bischöflichen Kern allmählich neue Stadtteile herumgelegt 8. Ähnlich war es in Köln, Mainz, Worms, Speyer, Basel und Konstanz, wenn auch die Bischofssitze dort nicht durchwegs in die römische Zeit zurückreichen. Aber alle diese Städte lagen auf dem linken Rheinufer. Im alemannischen Raum gab es, abgesehen von Augsburg, keine rechtsrheinische Römerstadt, die sich bis ins Mittelalter erhalten hätte, und auch keine Bischofsstadt. Das linksrheinische Gebiet hat vom römischen Erbe mehr erhalten als das rechtsrheinische und ist auch früher christianisiert worden.

Bei den gewachsenen Städten war es so, daß eine ursprünglich dörfliche Siedlung Stadtrecht erhielt und wohl auch mit Mauern umgeben wurde, was aber nicht unbedingt notwendig war, denn es hat auch nichtummauerte Städte, ebenso wie ummauerte Dörfer gegeben. Oft war auch ein Fronhof der Ausgangspunkt, immer aber weisen solche Städte einen unregelmäßigen Stadtplan auf. Diese Orte sind als Städte zumeist jünger, sie sind nicht selten Ackerbürgerorte mit Stadtrecht geworden; eine ähnliche Stellung nahmen auch die vielen kleinen Weinbauernstädte ein, die freilich zugleich im allgemeinen auch Weinhändlerstädte waren.

Diesen Städten stehen jene gegenüber, die nicht langsam erwachsen, sondern mit einem Schlag gegründet worden sind. Sie lehnen sich manchmal an einen Fronhof, eine Burg, einen kirchlichen Mittelpunkt an, nicht selten sind sie neben einer älteren dörflichen Siedlung errichtet worden. Villingen ist dafür ein besonders eindringliches Beispiel, weil diese ältere Siedlung bereits ein Marktrecht besessen hatte. Viele von diesen Gründungen sind aber nie richtig gediehen, sondern kleine Vorburgen für adlige Burgen geblieben. Die Gründungsstädte zeichnen sich durch einen klaren Stadtgrundriß aus, der einheitlich erdacht und ausgeführt worden ist. Als Beispiel dafür nenne ich Bern, aus späterer Zeit Karlsruhe und Mannheim, bei denen die planmäßige Gesamtlage deutlich in die Augen springt. Wenn aber auch der Gesamtplan aus einem Guß war, so dauerte es doch oft längere Zeit, bis die Stadt wirklich ausgebaut war. Zu diesen gegründeten Städten gehörte also auch Freiburg, und der Stadtplan von Freiburg zeigt die klare Anlage nach einem einheitlichen Gesamtplan. Die Stadt wurde dort errichtet, wo die Straße von der Schwabentorbrücke herkommt und sich dann in Oberlinden gabelt. Die eine Fortsetzung führt nach Herdern über die Herren- und Karl- Straße, die ehemalige Steinstraße, die andere im Zuge der Salz- und Bertoldstraße nach Lehen und Umkirch. In diese Gabel wurde dann die Stadt so hineingelegt, daß vom Hauptmarkt, der Kaiser-Josef-Straße, nach beiden Seiten rippenförmig die Querstraßen ausgingen. Man hat dann, ausgehend von der Kreuzung Salz-, Bertoldstraße -  Kaiser-Josef-Straße, vom Straßenkreuz gesprochen, das für die Zähringer-Städte kennzeichnend sei. Gewiß findet es sich in manchen Zähringer-Städten, aber es kommt auch anderswo vor. Bei Freiburg bleibt aber die Frage offen, ob man für die erste Zeit überhaupt von einem Straßenkreuz sprechen soll, denn es ist nicht sicher, ob die heutige Kaiser-Josef-Straße als Durchgangsstraße geplant war 9. Das hätte bedeutet, daß sie gegen Süden zu einer Brücke über die Dreisam oder wenigstens zu einer Furt durch den Fluß geführt hätte. Eine Brücke ist aber dort für die erste Zeit unwahrscheinlich, weil ja nicht weit entfernt die sicher ältere Schwabentorbrücke schon stand. Auch ist nicht anzunehmen, daß schon zur Zeit der Stadtgründung in der Gerberau sich eine gewerbliche Siedlung befand, die mit dem Mittelpunkt der Stadt unmittelbar verbunden werden sollte. Eine regelmäßig benützte Furt ist aber möglich, ja wahrscheinlich. Unter diesen Umständen ist es nicht sicher, daß dort, wo heute das Martinstor steht, von Anfang an ein Tor stand. Wohl aber wird ein solches Tor noch im 12. Jahrhundert erbaut worden sein. Nun zeigt der sonst so regelmäßige Stadtplan gerade dort eine Unregelmäßigkeit, es führt nämlich eine Diagonalstraße vom Martinstor zum Lehener Tor; aber diese Strecke, die Niemensstraße, war ursprünglich nicht vorgesehen. Herr Museumsdirektor Dr. Noack hat vielmehr nachgewiesen, daß nach dem ursprünglichen Plan die Grünwälder Straße über die Kaiser-Josef-Straße hinaus hätte fortgesetzt werden sollen. Man ist also vom ursprünglichen Plan abgegangen, und es liegt nahe, daß diese Veränderung im Zusammenhang mit der Erbauung des Martinstores stand, und zwar zu einer Zeit, in der offenbar die einzelnen Straßen noch nicht ausgebaut waren, durchgeführt wurde, weil damals eine Änderung noch leicht vorgenommen werden konnte. Eine volle Sicherheit ist natürlich nicht zu gewinnen.

Das wichtigste Merkmal am Freiburger Stadtplan ist aber die ungewöhnliche Größe der Stadt. Freiburg ist als große Stadt geplant worden, nicht etwa als kleiner Marktort, wie man ihn gebraucht hätte, wenn Freiburg nur für die umgebenden Dörfer als Marktplatz gedacht gewesen wäre. Auch die übrigen Zähringer-Städte, wie Villingen und dann Bern usw., zeigen einen erheblichen Umfang und beweisen, daß die Zähringer als Stadtgründer großzügig zu Werke gegangen sind.

Im Mittelalter hatte jede Stadt ihren Stadtherrn. Die sogenannten Freien Reichsstädte hatten den König zum Herrn; dieser Herr war aber weit, infolgedessen konnten sich die königlichen Städte frei entwickeln. Der Stadtherr setzte einen Vogt oder Schultheißen ein, der die Leitung der Stadt besorgte. Zur Ausbildung eines Stadtrates ist es erst ziemlich spät gekommen. Am Oberrhein werden Stadträte um die Wende des 12. zum 13.Jahrhundert erwähnt. Doch waren auch diese anfangs noch vom Stadtherrn stark abhängig, vielfach nur mit seiner Zustimmung eingesetzt. Als Friedrich II. 1212 nach Deutschland kam, haben ihn die oberrheinischen Städte lebhaft unterstützt, und zum Dank dafür hat ihnen der König eine Verfassung mit einem gewählten Stadtrat gegeben. Aber die bischöflichen Stadtherren von Basel und Straßburg — von diesen beiden allein haben wir sichere Kunde — haben sich beschwert, es wurde ein Urteil des Hofgerichtes gefällt, wonach der König sein Privileg zugunsten der Stadtherren zurücknehmen mußte. Doch war die einmal eingeleitete Entwicklung nicht mehr zu verhindern, nach einigen Jahren oder Jahrzehnten haben die Städte doch allenthalben ihre autonome Verfassung erreicht. Straßburg hat sogar 1262 bei Hausbergen seinen Bischof in offener Feldschlacht geschlagen und eine fast völlige Selbständigkeit erreicht.

Wie stand es nun damit bei Freiburg? Freiburg hat ein sehr altes Stadtrecht, das man als das berühmteste deutsche Stadtrecht bezeichnen kann, wenn man das große Schrifttum betrachtet, das darüber entstanden ist. Leider ist aber dieses Stadtrecht nicht im Original erhalten, sondern nur in Abschriften, deren älteste, wie Fr. Rörig sicher nachgewiesen hat, aus dem Jahre 1218 stammt 10. Es gibt außerdem noch eine Abschrift aus dem 14. Jahrhundert, die aber gegenüber der von 1218 selbständig ist und sogar eine ältere Fassung aufweist. Darauf kommt es uns aber hier nicht an, sondern nur auf die Feststellung, daß das Freiburger Stadtrecht das genaue Gegenteil des Freiburger Stadtplanes ist. So einheitlich und klar dieser ist, so uneinheitlich und unklar ist das Stadtrecht. Dieses ist allmählich entstanden, aber nicht nach einem einheitlichen, vorher aufgestellten Plan. Die älteren Stadtrechte in Deutschland waren im allgemeinen Privilegien, die einzelne Wichtige Angelegenheiten regelten und aus denen erst allmählich die umfassenden Stadtrechte erwuchsen. Die jüngeren Städte erhielten vielfach fertige und abgeschlossene Stadtrechte, bei den älteren Städten mußten die Stadtrechte erst ausgebildet werden. Diese Ausbildung erfolgte durch Beund Umarbeitungen des vorhandenen Textes, durch Zusätze, Einschübe und vielleicht auch Weglassungen. All das gilt in besonderem Maße von Freiburg, das ja kein rechtes Vorbild hatte, an das es sich halten oder das es übernehmen konnte. Dadurch ist nun ein Zustand herausgebildet worden, der für die Forschung große Schwierigkeiten birgt. Das Freiburger Stadtrecht ist von einigen Zähringer-Städten übernommen worden, aber auch nicht ganz wörtlich und nicht ohne  ede Änderung 11. Die nächste_Aufgabe wird nun sein, daß die einzelnen Schichten des Stadtrechtes voneinander geschieden und die Einschübe und Zusätze herausgeschält werden. Es ist zu erwarten, daß Herr Stadtarchivar Dr. Zwölfer diese dornige Arbeit durchführen wird. Bis dahin können endgültige Rückschlüsse aus dem Stadtrecht nicht gezogen werden, denn die alte Ausgabe, die noch F. Keutgen bringt, genügt nicht mehr, und ich glaube nicht, daß tatsächlich der im Jahre 1120 herausgegebene Text dem ersten Teil der Ausgabe Keutgens entspricht, sondern daß er viel kleiner war.

In diesem ersten Teil wird in Punkt 4 den Freiburgern die Wahl des sacerdos eingeräumt 12. Hier ist zuerst zu fragen, was dieser sacerdos war. Man spricht gewöhnlich von der Wahl eines Pfarrers 13. Das ist nicht sicher, es könnte auch ein Priester gewesen sein, der in Freiburg den Gottesdienst versah, ohne Pfarrer zu sein. Die Kirche war eine Eigenkirche des Herzogs, für die er den Priester bestellen konnte; darauf hat er wenigstens teilweise verzichtet und sich nur ein Bestätigungsrecht vorbehalten. Wenn aber doch die Pfarrerwahl gemeint gewesen wäre, dann müßte man annehmen, daß diese Stelle des Stadtrechts erst später eingefügt worden wäre. Da es nicht wahrscheinlich ist, daß man von einer Pfarrerwahl sprach, ehe es in Freiburg überhaupt einen Pfarrer gab, wäre diese Stelle erst eingefügt worden, als Freiburg schon eine eigene Pfarre war. Ein Freiburger Pfarrer wird zum erstenmal 1187 erwähnt 14, doch wird die Pfarre natürlich älter als die zufällige erste Erwähnung sein. Es entspricht aber durchaus der üblichen Entwicklung, daß die neu gegründeten Städte nicht sofort eigene Pfarrbezirke wurden. Dem widerspricht nicht, daß man gleichwohl sofort im Stadtplan einen Platz für eine Kirche und vielleicht auch einen Friedhof freigelassen hat, wie etwa in Villingen oder Bern, um gerade Zähringer-Städte zu nennen. Wir kommen hier wieder nicht zu einer vollen Sicherheit, aber manches spricht dafür, daß die Stelle über die Wahl des sacerdos nicht zum ursprünglichen Text des Stadtrechtes gehörte.

Das Freiburger Stadtrecht hat in dem sogenannten ältesten Teil eine andere Bestimmung, die im wissenschaftlichen Schrifttum sehr viel Aufsehen erregt hat. Im Punkt 2 der Ausgabe von Keutgen werden nämlich 24 conjuratores, die obrigkeitliche Funktionen hatten, erwähnt. Kein Zweifel, daß sie die Vorläufer des späteren Stadtrates gewesen sind, in jüngeren Texten wird statt von conjuratores von consules gesprochen. Der Stadtrat bestand später auch aus den (alten) 24, zu denen im 13. Jahrhundert noch die nachgehenden 24 kamen. Sind diese 24 eingesetzt worden, als 1120 die Stadt gegründet worden ist ? Diese Frage läßt sich natürlich erst endgültig beantworten, wenn feststeht, wann diese Bestimmung erlassen worden ist. Man wird aber jetzt schon gewisse Zweifel hegen, denn dieser Punkt 2 fällt stilistisch aus dem ältesten Teil heraus, es spricht nicht der Herzog hier in der ersten Person, sondern die Bestimmung beginnt mit si quis, und vom Herzog wird nur gesagt, daß ihm ein Anteil an erbenlosem Gut auszuzahlen sei. Dadurch wird also die Beweiskraft der Stelle erschüttert. Nun hat man aber gemeint, daß diese 24 überhaupt die Gründungsunternehmer der Stadt gewesen seien 15. Sie hätten also die Gründung durchgeführt und sich dementsprechend gewisse Rechte vorbehalten. Dem Herzog, der zwar die Kaufleute zusammenberufen hätte, wäre nur eine bescheidene Rolle bei der Gründung übriggeblieben. Wohl war der Beweis nicht lückenlos zu erbringen, aber man glaubte mit Analogieschlüssen ihn ergänzen zu können. Auf Wien, Lübeck, Freiberg i. S. und Braunschweig hat besonders F. Rörig hingewiesen und sie als Gründungsuntemehmerstädte bezeichnet. Im allgemeinen aber wird man heute sagen können, daß an der Gründung einer Stadt neben dem Stadtherrn wohl Kaufleute beteiligt waren, daß im einzelnen Fall der Anteil dieser Faktoren nicht leicht feststellbar ist, daß aber die Auffassung von den Gründungsunternehmern als den alleinigen Gründern einseitig ist. Jedenfalls aber können wir diese Theorie für Freiburg ebenso wie für Wien ablehnen, sie ist aber auch für Lübeck und Braunschweig nicht gesichert. Der Versuch, die Häuser der Gründungsunternehmer im Stadtgrundriß noch festzustellen, hat in Freiburg zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt 16.

Da wir also mit Hilfe der bisherigen Erörterungen zu einem völlig gesicherten Ergebnis nicht zu gelangen vermochten, wollen wir die Frage der Gründung der Stadt und des Anteiles der bürgerlichen Unternehmer auf Grund der historischen Funktion der Stadt untersuchen.

Wir gehen dabei von der Feststellung aus, daß eine Stadt ein Gebilde einer höheren Organisation ist, daß sie eine organisatorische Zusammenfassung in wirtschaftlicher, sozialer und staatlicher Hinsicht ist, daß sie aber auch in militärischer Hinsicht eine bedeutende Rolle zu spielen imstande war. Das bedeutet, daß eine Stadt nie für sich allein bestehen kann und konnte, sondern immer nur eingegliedert in ein kleineres oder größeres Ganzes. Welches war aber nun das Ganze, in das Freiburg eingegliedert war?

Man hat zuerst an die wirtschaftlichen Funktionen der Stadt gedacht, an die Marktfunktion für die Umgebung, den Mooswald, aber auch den erzreichen Schwarzwald 17; dahin hätte Freiburg die fehlenden Güter gebracht, von dort den Überschuß an landwirtschaftlichen und sonstigen Erzeugnissen bezogen und im Handel abgesetzt. Diese Auffassung steht der Gründungsunternehmertheorie am nächsten, wir wollen aber versuchen, über die rein wirtschaftlichen Funktionen hinaus, ohne deren Bedeutung irgend geringschätzen oder gar in Abrede stellen zu wollen, zu einem Gesamtüberblick zu gelangen, in dem auch den sonstigen Faktoren ein entsprechender Platz gesichert ist.

Das Oberrheingebiet war bis zum Jahr 1000 in die verhältnismäßig dicht besiedelte Rheinebene und in den so gut wie unbesiedelten Schwarzwald geteilt 18. Eine Übersicht über die ersten Nennungen der Ortsnamen zeigt das deutlich. Erst vom 11. Jahrhundert an scheint eine energische Besiedlung in Angriff genommen worden zu sein 19. Adlige haben sich dabei zuerst hervorgetan, sie sind entweder selbständig vorgegangen oder als Ministerialen großer Geschlechter wie der Zähringer; bald aber wurde die systematische Durchführung der Besiedlung den Klöstern übertragen, die zu dieser organisatorischen Tätigkeit sehr gut befähigt waren und bald mit ihren Grundherrschaften fast den ganzen Schwarzwald bedeckten und beherrschten. Ähnlich war es auch in anderen großen Rodungsgebieten in Deutschland. Es war eine entscheidende Frage für die deutsche Verfassungsentwicklung, wie diese Ausweitung des Kulturbodens in das politische System eingegliedert werden würde, wer die Früchte davon in wirtschaftlicher, aber auch politischer Hinsicht ernten würde. Die Kirchen und Klöster brauchten im Mittelalter Vögte, die für sie gewisse weltliche Funktionen, die mit den Grundherrschaften verbunden waren, wie die hohe Gerichtsbarkeit, wohl auch das Heeresaufgebot, ausübten. Die Vögte haben auf diese Weise allmählich die obrigkeitlichen Rechte über den Klosterbesitz und damit große politische Macht erlangt und so eine ungeheure Säkularisation des kirchlichen Besitzes durchgeführt. Kein anderes Geschlecht hat dabei größere Erfolge erzielt als die Zähringer.

Die Zähringer, man müßte sie eigentlich nach der sonst üblichen Weise Bertoldinger nennen, sind ein sehr altes Dynastengeschlecht, das viel Besitz in Schwaben und außerdem die Grafschaften im Breisgau und in der Ortenau besaß 20. Ihr Hauskloster Weil u. d. Teck zeigt, wo ursprünglich der Schwerpunkt der Macht dieses Hauses gelegen war. In Schwaben war aber die Welt schon fest verteilt, wer Machtzuwachs in großem Ausmaß gewinnen wollte, der mußte dorthin gehen, wo es noch politisches Neuland gab; das war besonders im Schwarzwald der Fall. Den Schwarzwald politisch zu erfassen und zu organisieren, war die verlockendste Aufgabe in Südwestdeutschland. Die Zähringer haben sie vollbracht. Bertold I. wurde 1061 Herzog von Kärnten, hat aber dieses Amt wohl nie angetreten. Im Investiturstreit standen die Zähringer auf der dem Kaiser Heinrich IV. feindlichen Seite. Bertolds I. gleichnamiger Sohn Bertold II. wurde sogar Schwiegersohn des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden und 1092 in Ulm zum Herzog von Schwaben gewählt. Als solcher war er der Gegner des staufischen Herzogs von Schwaben, Friedrichs von Büren, der der Schwiegersohn Heinrichs IV. war. Einer der schärfsten Gegner des Kaisers war der Bruder Bertolds II., Gebhard, Bischof von Konstanz. Nun wurden damals im Schwarzwald eine ganze Reihe von Klöstern gegründet, durch die eine systematische Erfassung des ganzen Schwarzwaldraumes erreicht wurde. Diese sogenannten Reformklöster waren aber durchwegs dem Kaiser feindlich. Aus diesen Umständen ergibt sich wieder die politische Bedeutung der Erfassung des Schwarzwaldgebietes. Es war dadurch aber auch gegeben, daß der Investiturstreit gerade im Südwesten besonders heftig tobte. Die Zähringer selbst, die sich in Schwaben nicht recht behaupten konnten, gründeten 1093 ihr Hauskloster St.Peter, nachdem sie 1091, wie glaubhaft berichtet wird, die Burg Freiburg gebaut haben. Die Wahl dieser Orte war nicht zufällig. Freiburg liegt am Rand der Rheinebene und St.Peter an der Verbindungsstraße nach Osten, nach Schwaben. Die beste Verbindung bietet heute das Höllental, aber da führte im 11. Jahrhundert wohl noch kein brauchbarer Weg durch 21. Dann gab es die Wagensteig-Spirzen-Straße; aber da bestand die Schwierigkeit, daß diese Straße über das Gebiet der Grafen von Hohenberg führte, denen die Wiesneck und der Raum bis St.Margen hinauf gehörte. Nun konnten die Zähringer allerdings vom Glottertal aus über Rohr und am Kandel entlang zum Kapfenberg und von dort über den Kamm zum Hohlen Graben kommen, ohne das hohenbergische Gebiet zu betreten. Sicher ist dieser an und für sich gute Weg auch begangen worden, aber er hatte doch nur die Bedeutung eines Trutzweges gegenüber der besseren Wagensteigverbindung. Daß ein solcher Trutzweg aber bestand, zeigt das große Interesse der Zähringer an der Verbindung nach Schwaben. Gall Öhem erzählt uns, daß Herzog Bertold 1079 über den Schwarzwald gekommen sei und die Burg Wiesneck zerstört habe 22. Wieder sieht man, wo der Angelpunkt der Zähringer Politik lag. Die Burg ist wieder aufgebaut worden, denn 1096 nennt sich ein Hohenberger Graf nach der Burg Wiesneck 23. Das hätte er nicht getan, wenn die Burg Ruine gewesen wäre. Später wird sie freilich wieder zerstört und blieb nun etwa ein Jahrhundert Ruine. Wir wissen, daß es 1121 zum Austrag eines Streites zwischen den Klöstern St.Peter und St.Märgen, das 1118 offensichtlich als Gegengründung gegen das zähringische St.Peter von einem Hohenberger errichtet worden war, gekommen ist. Wenn nun die beiden Klöster wegen der Rodungstätigkeit von St.Märgen stritten und diesem Kloster das Gebiet bis zur Kammhöhe zugebilligt wurde, aber doch so, daß der Trutzweg Glottertal—Hohler Graben noch in sanktpetrischem Gebiete lag, dann handelte es sich in Wirklichkeit um Gegensätze zwischen den Klostervögten, den Zähringern und Hohenbergern. Wenn nun zu dieser Zeit die Wiesneck neuerdings zerstört wurde, und zwar so, daß die Hohenberger sie lange Zeit nicht mehr aufbauten und allmählich überhaupt ihre Machtposition im Dreisamtal aufgaben, so war das das Werk der Zähringer, die nun die Hoheit über das Dreisamund Wagensteigtal erlangten. Nun wissen wir, daß sie 1114 zu den Vogteien über Gengenbach und Schuttern, die sie schon besaßen, noch die über St.Georgen und endlich 1125 auch die über St.Blasien erhielten. Damit beherrschten sie den ganzen Schwarzwald vom Kinzigtal bis an den Hochrhein und alle Übergänge in diesem Raum. Das beweist, wie zielbewußt und systematisch sie den Schwarzwald politisch organisierten und in ihren Staat eingliederten. In diese Zeit fällt die Gründung von Freiburg und Villingen 24, wahrscheinlich auch die von Offenburg. An den Enden der beiden wichtigsten Schwarzwaldstraßen haben die Zähringer Städte gebaut und damit den Raum wirtschaftlich und politisch erfaßt und im Sinne eines territorialen Staatsgebildes organisiert. Das war eine geniale staatsmännische Konzeption, die wohl auf Herzog Konrad zurückgeht. Nur in diesem Rahmen ist die Gründung von Freiburg verständlich. Dann aber ist der Gedanke zur Stadtgründung gewiß auch nicht von den vom Herzog herbeigerufenen Kaufleuten ausgegangen, sondern von dem überragenden Staats- und Stadtgründet. Ob bei der Durchführung der Gründung ein Unternehmerkonsortium auch mitgewirkt hat, wie groß sein Anteil war, erscheint demgegenüber eine Frage von wesentlich geringerer Bedeutung zu sein. Allzuviel ist ihnen kaum zu tun übriggeblieben. Wir wissen aber weiter, daß die Zähringer auch in der Schweiz eine Reihe von Städten gegründet haben, bei denen ein klarer, geopolitischer Plan unverkennbar ist, der sicher nicht von einem Unternehmerkonsortium einer Stadt ausgegangen sein kann und bei dem nicht wirtschaftliche, sondern politische Ziele und Absichten den Ausschlag gegeben haben. Aus diesen Gründen lehnen wir die Theorie vom Gründungsunternehmerkonsortium für Freiburg ab, ohne daß wir deshalb auf die Frage, ob etwa die Einrichtung der Stadt und ihrer Verwaltung in irgendeiner Form von einem Konsortium oder einer ähnlichen Bildung durchgeführt wurde, überhaupt eingehen 25.

Die Zähringer-Städte und Freiburg an der Spitze brachten aber auch eine neue Einstellung der staatlichen Gewalt zu den Stadtbewohnem. Man ging dabei von den Grundsätzen der alten Gliederung der Bevölkerung in Freie und Unfreie ab. Der freie oder unfreie Geburtsstand war nicht mehr bestimmend; wer in der Stadt wohnte, sollte in seiner privaten Handlungsfähigkeit unbeschränkt sein, gleichgültig, Ob er etwa einen Leibherrn hatte, dem er vielleicht sogar noch als Stadtbürger eine Abgabe zu leisten hatte. Ein derartiger sozialer Aufbau war etwas Neues und hatte in den einzelnen darauf abzielenden Elementen der früheren Zeit kein wirkliches Vorbild.

Die Stadtherren hatten bisher meist getrachtet, in den Städten ihren ritterlichen Dienstmannen Einfluß zu verschaffen, um die eigene Stellung zu sichern. Darauf verzichteten die Zähringer noch im 12. Jahrhundert, denn sie bestimmten, daß ihre Ministerialen nicht ohne Zustimmung der Bürger in der Stadt Wohnung nehmen sollten. Die Verwaltung der Stadt war ganz in den Händen der Stadtbürger, und zwar ursprünglich der Kaufleute. Doch machte sich gerade dagegen eine Bewegung bemerkbar, die von den Handwerkern ausging und mehrfache Verfassungsänderungen — 1248 und 1293 26 — zur Folge hatte. Zu den alten 24 conjuratores oder consules, wie sie dann genannt werden, kamen die nachgehenden 24, von denen ein Drittel Handwerker waren. Dadurch wurden manche Gegensätze gemildert. Tatsächlich scheinen aber einzelne Familien, die in den Adel aufgestiegen sind und Verbindung mit den großen Machthabern hatten, die Stadt beherrscht zu haben, voran die Schnewelin. 1378 gab es unter den alten 24 sechs Schnewelin und unter den nachgehenden noch einmal drei 27. Während des größten Teiles des 14. Jahrhunderts besetzten Angehörige dieser Familie die Posten des Bürgermeisters und des Schultheißen 28. Neben den Schnewelin wären die Munzingen, die Malterer, die Turner usw. zu nennen, die alle einen erheblichen Einfluß besaßen. Nun gab es in den meisten oberrheinischen Städten in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts Zunftaufstände, durch die sich die Handwerker mit Gewalt Einfluß auf die Stadtherrschaft verschafften 28a. Dazu ist es in Freiburg erst 1388 gekommen, aber sdion 1392 hat der damalige Stadtherr, der österreichische Herzog Leopold IV., eine Ordnung hergestellt, die dem Adel und den Kaufleuten wieder den maßgebenden Einfluß sicherte 29. Ein Bürgermeister wird zuerst 1291 genannt 30.

Der Freiburger Stadtadel war nidit ehemaliger Ministerialenadel, sondern er war aus den reidi gewordenen Kaufleuten hervorgegangen 31. Freiburg erlebte durch den Bergbau im Schwarzwald eine gewaltige Wirtschaftliche Blüte, als deren sichtbarer Ausdruck noch heute der Wundervolle Münsterturm gelten kann. Diese reichen städtischen Geschlechter haben auch über die Stadt hinausgegriffen und im Breisgau sehr namhaften Grundbesitz erworben. Mit dem Grundbesitz waren vielfach Hoheitsrechte verbunden, die städtischen Geschlechter wurden adelige Grundherren, gewannen dadurch einen anderen, erweiterten Interessenkreis und machten eine Politik, die sie mit den führenden Mächten am Oberrhein, voran den Habsburgern, in Beziehung brachte.

Das ist das Bild, das sich für das blühende Freiburg im 13. und 14. Jahrhundert ergibt. Doch ergaben sich gewisse Änderungen, als 1218 die Zähringer ausstarben. War bisher die Stadt die Hauptstadt eines großen Territoriums, so hörte das jetzt auf, weil nach 1218 das herzoglich-zähringische Territorium zerschlagen wurde. Einen Teil behielt das Reich, die Reichsvogtei Zürich ist da vor allen Dingen zu nennen. Die linksrheinischen Besitzungen gingen auf die Grafen von Kiburg über, da eine Schwester des letzten Zähringer-Herzogs einen Kiburger geheiratet hatte. Die rechtsrheinischen Besitzungen erbte aber der Graf von Urach, der mit der anderen Schwester verheiratet war 32. Die Grafen von Urach nannten sich nun Grafen von Freiburg. Das ist bezeichnend. Die Herzoge hatten sich nach dem kleinen Zähringen genannt, nicht weil dieses sehr bedeutend gewesen wäre, sondern weil ein Reichsfürstentum nur auf einem Reichslehen beruhen konnte 33. Das Herzogtum ist eingegangen; die Grafen aber nannten sich nach ihrer wichtigsten Allodialburg.

So war also das Territorium, in das Freiburg eingegliedert war, kaum halb so groß als das alte Zähringer-Herzogtum. Nicht genug damit, teilten aber nun die Uracher nach 1237 wieder in zwei Linien, von denen die eine die Besitzungen östlich des Schwarzwaldes, vor allem die Baar und den größeren Teil des Kinzigtales, erhielten und sich nach der Burg Fürstenberg nannte. Dieser Zweig spaltete sich 1284 in zwei Linien, Kinzigtal-Haslach und Baar. Die andere Linie bekam die breisgauischen Besitzungen. Auch sie teilte wieder. 1273 wurde der breisgauische Besitz auf eine freiburgische und eine Badenweiler Linie aufgeteilt. Den Freiburger Grafen blieben außer der Stadt Freiburg nur einige Dörfer in der Umgebung, die Vogtei über St.Peter und die wichtigen Wildbann- und Bergbauregalien, die sie vom Bischof von Basel zu Lehen hatten. Die Landgrafschaft, d.h. die Rechte, die eigentlich die Territorialhoheit ausmachten, war 1218 an die Markgrafen von Hachberg gekommen und wurde von den Freiburger Grafen für ihr Gebiet erst 1318 pfandweise erworben. Erst seit dieser Zeit waren die Freiburger Grafen Landgrafen vom Breisgau. 1360 wurde ihnen diese Würde als Zubehör zur Herrschaft von Kaiser Karl IV. verliehen 34. Zusammenfassend kann man sagen, daß das ehemalige Zähringer-Herzogtum durch die unseligen Teilungen der Urach-Freiburg-Fürstenberger zertrümmert und für die große Stadt Freiburg und ihre reichen Bürger, die im Breisgau viel Besitz hatten, zu klein wurde.

Die Regierung der Freiburger Grafen war auch sonst nicht sehr glücklich; diese gerieten im 14. Jahrhundert in steigende Verschuldung und damit dann in Gegensatz zu ihrer Stadt. Ob damals die Erträgnisse des Bergbaues nachgelassen haben, wissen wir nicht. Die Grafen mußten manche Besitzungen verkaufen, so 1327 Burg und Dorf Zähringen, Gundelfingen, Wildtal und Reute unter Zähringen an den Freiburger Schultheißen Schnewelin von Bernlapp 35. Im gleichen Jahr 1327 mußten sie auch bei der Stadt Freiburg eine große Anleihe von 4000 Mark Silber aufnehmen und dafür der Stadt eine Reihe von Vergünstigungen einräumen 36. Die wichtigste war, daß die Stadt das Recht erhielt, wann und mit wem sie wollte, Bündnisse abzuschließen. Im Innern war die Stadt fast selbständig geworden, nun war sie auch nach außen hin so unabhängig, daß sie sich von einer Reichsstadt kaum noch unterschied. Sie war dem Grafen nur noch zu gewissen finanziellen Leistungen verpflichtet. Aber es blieb immerhin die Burg in der Hand des Grafen, und sie blickte drohend auf die Stadt herunter. Die Selbständigkeit der Stadt führte dazu, daß Graf und Stadt nicht immer die gleiche Politik verfolgten, und diese Umstände waren ärgerlich und gaben Anlaß zu Reibungen, die noch durch die üblen Verhältnisse im Grafenhaus selbst gesteigert wurden.

Die Stadt hatte schon dem rheinischen Städtebund von 1254 angehört, hatte also schon vor 1327 ein Bündnis mit anderen, besonders oberrheinischen Städten geschlossen, nun aber reihte sich ein solches Bündnis an das andere. Vorerst waren es die Städte Basel und Straßburg, dann noch eine Reihe anderer oberrheinischer Städte, mit denen Bündnisse eingegangen wurden 37; später kamen dann auch noch zahlreiche Adelige dazu, mit denen förmliche Soldverträge abgeschlossen wurden, wonach die Stadt eine Zahlung leistete und dafür der Adelige sich zum Kriegsdienst für die Stadt verpflichtete. All das waren aber Verträge und Bündnisse mit gleichen oder Schwächeren. Das änderte sich aber, als die Stadt auch mit den Habsburgem Bündnisse abschloß. Das geschah 1350, damals haben sich die Städte Basel, Straßburg und Freiburg mit den Habsburgem zusammengeschlossen 38.

Was das bedeutete, kann man nur ermessen, wenn man sich die Stellung der Habsburger am Oberrhein vor Augen hält 39. Die Habsburger hatten ursprünglich einen erheblichen Hausbesitz und Kirchenlehen, besonders vom Bischof von Basel im Elsaß und in der Schweiz. Dieser Besitz wurde beim Aussterben der Grafen von Lenzburg und Pfullendorf erweitert, im 13. Jahrhundert kamen Reichslehen dazu, so daß sie auch die Vogtei von St.Blasien bekamen und das Waldamt. Vögte von Säckingen waren sie schon, St.Trudpert wußten sie unter ihren Einfluß zu bringen, Neuenburg und Breisach folgten nach, die Limburg war ein alter Habsburger - Besitz. Die Verbindung der Reichsrechte mit dem Hausbesitz, die Ausnützung der Reichsgewalt für Hausinteressen hob die habsburgische Macht noch bedeutend. Freilich, die habsburgische Territorialbildung am Oberrhein kam doch zu spät. Sie hätte als Zentrum ihrer Länder die Stadt Basel gebraucht; das ist Rudolf von Habsburg nicht mehr geglückt, weil er König wurde. Gegen die Staatsbildung der Habsburger, die in ihrer Politik in dieser Hinsicht ganz in den Spuren der Hohenstaufen wandelten, erhob sich eine starke Reaktion nach dem Tode König Rudolfs und noch mehr nach der Ermordung König Albrechts I. im Jahre 1308. Die Schweizer Urkantone gingen den Habsburgern verloren. Aber dieser Verlust wurde unmittelbar durch die Erwerbung der Grafschaft Pfirt wettgemacht, die 1324 erfolgte. Der habsburgisdie Einflußraum am Oberrhein reichte vom Arlberg bis in die Gegend von Straßburg und wird vortrefflich umschrieben durch die Bestimmung der Grenzen des Gebietes, innerhalb dessen Freiburg zur Truppenstellung für Habsburg nach den Verträgen von 1350 verpflichtet war, und das vom Arlberg und vom Alpenkamm bis nördlich Straßburg und von den Vogesen bis zur Baar reichte. Dieser aufsteigenden Großmacht standen nun die kleinen Grafen gegenüber, die fortwährend teilten und stritten. Dadurch war es den Habsburgern gelungen, zum sehr großen Schaden für die Fürstenberger, 1305 Bräunlingen und 1326 Villingen zu erwerben und so im Osten des Schwarzwaldes Fuß zu fassen.

Es ist klar, daß ein Bündnis der Stadt Freiburg mit den Habsburger kein Vertrag unter gleichen war, und ebenso, daß die Stadt Freiburg aus der Enge des gräflichen Territoriums herauswuchs, lange schon, bevor sie sich von ihren Grafen trennte. Es ist auch begreiflich, daß die Stadt im Gefühl ihrer Macht um so empfindlicher wurde gegen die ärgerlichen, kleinen und großen Nadelstiche von seiten der Herrschaft. So ergab sich ein Zustand, der allseits als unhaltbar empfunden wurde. Schließlich stand man sich kriegerisch gegenüber, der Graf versuchte die Stadt militärisch zu überrumpeln, was mißlang, dafür haben ihm die Bürger seine Burg zerstört. Das städtische Heer wurde aber dann von der Heeresmacht des Grafen in einem Gefecht bei Endingen schwer geschlagen. Unter diesen Umständen entschloß man sich, friedlich auseinanderzugehen. Die Stadt kaufte sich mit einer sehr hohen Summe vom Grafen los, erwarb die Herrschaft Badenweiler und stellte sie dem Grafen zur Verfügung 40. Die Summe, die die Stadt aufbringen mußte, war ungeheuer, und sie mußte noch lange an ihr schwer tragen. In einem Privileg Karls IV. für Freiburg vom 1. August 1370 41 wird aber ausdrücklich noch gesagt, daß die Stadt die ganze Aktion mit Hilfe der Habsburger durchgeführt hätte. Und das war klar, wenn auch die Quellen nicht im einzelnen über die gewiß geheim geführten Verhandlungen Auskunft geben. Der ganze Vorgang erinnert stark an Bräunlingen und Villingen, die ebenfalls losgekauft wurden. Gewiß aber war hier die Initiative von seiten der Stadt stärker als früher, denn die Verhältnisse in Freiburg drängten nach einer solchen Lösung.

Die Erwerbung von Freiburg bedeutete für die Habsburger einen wichtigen Ausbau ihrer Stellung am Oberrhein, und sie haben die sich daraus ergebenden Möglichkeiten wohl ausgenutzt. Nach dem Privileg Kaiser Karls IV. von 1360 war die Landgrafschaft mit der Herrschaft über Freiburg verbunden 42. Beim Loskauf der Stadt 1368 behielt sich aber der Graf die Landgrafschaft ausdrücklich vor 43. Aber das war ein Übereinkommen mit der Stadt, an das sich der Habsburger nicht gehalten hat. Er nahm die Landgrafschaft für sich in Anspruch und hatte damit schließlich auch Erfolg. Er hatte die Macht und es war ganz klar, daß es dem Freiburger Grafen nicht möglich sein würde, auf habsburgischem Gebiet landgräfliche Rechte auszuüben. Die Habsburger wurden so die tatsächlichen Herren des niedern Breisgaus, während die Grafen von Freiburg als Herren von Badenweiler in politische Bedeutungslosigkeit zurücksanken‚ so daß ihre Landgrafschaft auf den oberen Breisgau beschränkt war 44.

Die Habsburger scheinen sich dabei eines Mittels bedient zu haben, das wir in ähnlicher Form auch in der Schweiz wirksam sehen können. Wir haben schon bemerkt, daß viele Freiburger Bürger und Adelige außerhalb der Stadt großen Grundbesitz hatten. So war es oft auch in der Schweiz, und die Schweizer Städte haben dann die Herrschaften, die ihren Bürgern privat gehörten, unter ihre staatliche Herrschaft gebracht. Zürich und besonders Bern sind dafür treffliche Beispiele. Und dieses Vorbild ahmten die Habsburger nach und bezeichneten die Landgrafschaft als Rechtsgrundlage. Es war ja auch niemand da, der ihnen hindernd in den Weg treten konnte. So ist Freiburg für die Habsburger der Ausgangspunkt für einen weiteren Ausbau ihrer Macht am Oberrhein geworden.

Freiburg hat erreicht, daß es nicht mehr den Stadtherrn in der Burg oberhalb der Stadt hatte, es war in einen großen Staatsverband eingegliedert. Aber diesem Staate blieb die letzte Vollendung am Oberrhein versagt, es gelang den Habsburgern nicht, ein geschlossenes Territorium am Oberrhein zu bilden. Ihre Macht War vielmehr damals schon im Rückgang, wenn man das auch 1368 noch nicht klar gesehen hat; nur vorübergehend gab es einen Habsburger, der den Schwerpunkt seiner Macht in Vorderösterreich hatte, im allgemeinen war das Zentrum des Habsburger-Staates in Innsbruck oder gar in Wien, und Vorderösterreich war im Gesamtbild des Habsburger-Reiches ein Nebenland. Die Regierung des Habsburger-Staates war aber straffer als die des Grafen. 1368 bestätigte Herzog Albrecht III. bei der Übergabe der Stadt deren Stadtrecht 45. Es war das alte Stadtrecht der Zähringer und Freiburger Grafen, an dem sich nichts Wesentliches geändert hatte. Nur eines fehlte, die Erlaubnis, Bündnisse zu schließen. Die Habsburger führten ihre auswärtige Politik selbst und gestatteten keiner ihrer Städte, auch nicht Wien, derartige Eigenrechte. Freiburg hat von da an keine Bündnisse mehr geschlossen. Freiburg war von 1327 bis 1368 eine Stadt gewesen, die sich von der einer freien Reichsstadt kaum unterschied. Jetzt war sie eine österreichische Landstadt, aber nicht die Hauptstadt des habsburgischen Länderbesitzes oder auch nur eines habsburgischen Territoriums geworden, und im Rahmen des österreichen Staates bewegten sich ihre weiteren Schicksale.

1 Vgl. das Freiburger Stadtrecht, gedruckt bei F. Keutgen, Urkunde z. städt. Verfassungsgeschichte (1899), S. 177 ff.

2 E. HAMM, Die Städtegründungen der Herzoge von Zähringen (1932), Seite 29 ff., 59; P. ALBERT. Von den Grundlagen z. Gründung Freiburgs i. Br., ZGO. NF. 49 (1930), S. 229 f.

3 Vgl. A. KRIEGER, Topograph. Wörterbuch d. Großherz. Baden 2 (1904). Es handelt sich bei diesen frühen Nennungen zumeist um Besitzungen des Klosters Lorsch. Vgl. dagegen E. HAMM, Seite 58.

4 U. STUTZ, Das Münster zu Freiburg im Lichte rechtsgeschichtl. Betrachtung (1901).

5 Vgl. P. ALBERT, a. a. O., S. 178. Die Nachricht von der Erbauung der Burg bringen die Marbacher Annalen.

6 H. AUBIN, Festschrift Schulte (1927). FR. WAGNER, Die Römer in Bayern4 (1928), S. 58 ff.

7 F. VERCAUTEREN, Etude sur les civitates de la Belgique Seconde, Brüssel (1934).

8 TH. GOEHNER u. E. BRUMDER, Geschichte der räumlichen Entwicklung der Stadt Straßburg, Straßburg (1935), S. 11 f. mit Tafel IV und V.


9 Vgl. HAMM, a. a. O., S. 58.

10 Vgl. bes. FR. RÖRIG, Der Freiburger Stadtrodel, ZGO. NF. 26 (1911); weiter NF. 27 (1912); JOH. LAHUSEN in MIÖG. XXXII, S. 326, XXXIII, S. 356 5.; ZGO. NF. 27, 334 ff.; H. FLAMM, Zur Datierung des Freiburger Stadtrodels, ZGO. NF. 29, S. 105; F. HEFELE, Freiburger Urkundenbuch I, 15 f., Nr. 31.

11 F. BEYERLE, Untersuch. z. Gesch. des alt. Stadtrechts in Freiburg i. Br. und Villingen. Deutschrechtl. Beiträge, V (1910).

12 U. STUTZ, Das Münster, S. 4-6. Nach STUTZ ist das Münster erst später Pfarrkirche geworden. F. BEYERLE, Untersuchungen, S. 72 f. Vgl. HAMM, a. a. 0., S. 72 f.

13 P. ALBERT, 800 Jahre Freiburg. Freiburg (1920), S. 4.

14 F. HEFELE, Freiburger Urkundenbuch I, 10, Nr. 26. J. AHLHAUS, Die Landdekanate des Bistums Konstanz im Mittelalter, Stuttgart (1929), S. 32 f., weist darauf hin, daß der 1187 erwähnte Hugo plebanus de Friburg auch archipresbyter in Brisgaugia war, also wegen der Größe des Amtsbezirkes ein Kleriker in hervorragender Stellung. Es dürfte sich aber dabei um eine persönliche Auszeichnung, nicht um eine dem Freiburger Pfarrer als solchem zukommende Funktion handeln, so daß sich daraus kein Rückschluß auf das Alter der Pfarre Freiburg ergibt.

15 F. BEYERLE, Untersuchungen S. 141, sieht in den 24 kapitalistische Unternehmer, denen der Gründer die Errichtung des Marktes übertragen hat (S. 145), er spricht daher von der Unternehmergilde. Für die Frage der Gründungen der anderen genannten Städte vgl. TH. MAYER. Zur Frage der Städtegründungen im Mittelalter, MIÖG. 43. Bd. (1929), S. 261-282.

16 F. BEYERLE, Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, Zeitschr. d. Sav.-Stift. f. Rechtsgeschichte, Germ. Abt., 50. Bd. (1930), S. 39 f.

17 Vgl. HAMM, a. a. O., S. 58 f.

18 Vorn Kinzigtal und seinen Seitentälern sehe ich hier ab, ebenso vom unteren Wiesental

19 Vgl. TH.MAYER, Die Besiedlung und politische Erfassung des Schwarzwaldes, ZGO. NF. 52 (1938), S. 504 ff., und ders., Der Staat der Herzoge von Zähringen (1935).

20 ED. HEYCK, Gesch. der Herzoge von Zähringen (1891).

21 Daß durch das Höllental eine Straße führte, wie P. ALBERT, ZGO. NF. 44, S. 203, annimmt, ist nicht wahrscheinlich. Vgl. TH. MAYER, ZGO. NF. 52 (1938), Seite 514.

22 E. HEYCK, Geschichte der Herzoge von Zähringen, S. 121.

23 F. BAUMANN, Die ältesten Urkunden von Allerheiligen in Schaffhausen, Quell. z. Schweiz. Gesch., III. Bd. (1883), S. 52, Nr. 27.

24 Auch P. ALBERT, ZGO. NF. 44, S. 207, bringt die Gründung von Freiburg und Villingen in Beziehung und hält Freiburg für eine Fernhandelsstadt. Im einzelnen weiche ich aber von ALBERT entscheidend ab.

25 F. BEYERLE spricht (Untersuchungen S.141) gleichfalls von der Errichtung des Marktes, nicht eigentlich von der Stadtgründung selbst, so daß also der Gegensatz zwischen unseren
Auffassungen nicht allzugroß ist. F. BEYERLE, Typenfrage, a. a. O., S. 39, nimmt weiter an, daß die Zähringer Name und Sache unmittelbar aus Burgund übernommen haben. Ohne burgundische Einflüsse überhaupt ablehnen zu wollen, möchte ich doch gegenüber BEYERLE der eigenständigen Entwicklung viel mehr Bedeutung zumessen. Vgl. HAMM, a. a. O., S. 71.

26 H. SCHREIBER, UB. d. Stadt Freiburg I, Nr. XI, S. 53 ff., Nr. L, S. 123 ff.

27 H. MAURER, ZGO. NF. 5, S. 485.

28 Vgl. A. KRIEGER, Topogr. Wörterb. 12, Sp. 607 ff; FR. GEIGES, Schauinsland 56/60, S. 65.

28a Vgl. A. LARGIADER, Zürich und Straßburg im 13. und 14. Jahrh. Festschrift Friedrich Emil Welti (1937), S. 253 ff.

29 H. SCHREIBER, Geschichte der Stadt Freiburg 3, 17 ff.

30 F. GEIGES, Freiburgs erster Bürgermeister. Schauinsland 40 (1913), S. 78 ff.

31 H. MAURER, Ursprung des Adels in der Stadt Freiburg i. Br. ZGO. NF. 5.

32 Vgl. für die Urach-Fürstenberg-Freiburger bes. S. RIEZLER, Gesch. d. fürstl. Hauses Fürstenberg u. seiner Ahnen (1883).

33 Vgl. FLAMM, ZGO. NF. XXX, bes. S. 282-284, der gerade den springenden Punkt nicht berücksichtigte

34 Vgl. TH. MAYER, Über Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen Landgrafschaften. Zeitschr. d. Sav.-Stift. f. Rechtsgesch, Germ. Abt., 58. Bd. (1938), S. 136 ff., und ders. Die Habsburger am Oberrhein im Mittelalter. S. unten, S. 380 ff.

35 ZGO. 12, 456 ff.

36 SCHREIBER, UB., Nr. CXXXV, S. 271 H.

37 SCHREIBER: UB., Nr. CXXXIII, S. 264; Nr. CLXXIX, S. 348; CXCV, S. 384.

38 SCHREIBER, UB., Nr. CCVI u. CCVII, S. 397 ff.

39 Vgl. TH. MAYER, Die Habsburger am Oberrhein, a. a. 0., wo auch auf die sonstige Literatur hingewiesen ist.

40 SCHREIBER, UB. I, CCLXXIV-VI, S. 512 ff.

41 Vgl. SCHREIBER, UB. II, CCLXXXVII, S. I.

42 SCHREIBER, UB. I, Nr. CCLI, S. 479 f.

43 SCHREIBER, UB. I, CCLXXIV, S. 516.

44 Vgl. H. FEHR, Landeshoheit, S. 149, 17c, 182; AL. SCHULTE, Geschichte d. Habsburger i. d. ersten drei Jahrhunderten (1887) (ergänzte Sonderausgabe von den MIÖG. VII.—VIII. Bd.), S. 42 f.; TH. MAYER, Die Habsburger am Oberrhein, a. a O., S. 51.

45 SCHREIBER, UB. I, CCLXXX, S. 539.


Aus: Theodor Mayer Mittelalterliche Schriften.
Gesammelte Aufsätze. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1972