zum Inhaltsverzeichnis


"Der schwarze Christus" von Oberried
  von Dr. E. Krebs
 

                                               
Nach der Restaurierung von 1906
Kopf des Christus vor der Restauration


Der von Kraus und Wingenroth bearbeite schste Band der Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, Landkreis Freiburg, erwähnt Seite 318, ohne eine Abbildung zu geben, das Oberrieder Kreuzesbild, dem das Volk "Der schwarze Christus" beigelegt hat, "als eine sehr gute Arbeit des ausgehenden 15. Jahrhunderts". Ein glücklicher Zufall ermöglichte im Jahre 1905 Herrn Photograph F. Armbruster (Freiburg) die photographische Aufnahme des Kopfes des Kruzifixus von einem Gerüst in gleicher Höhe aus. So ist das Bild entstanden, das wir auf dieser Seite wiedergeben. Wenn der gewöhnliche Anblick des Kreuzes von unten vielleicht die Bemerkung rechtfertigt, die wir an der Stelle der "Kunstdenkmäler" lesen: Das Kreuz sei " von starkem, wenn auch unerfreulichem Ausdruck", so wird unser Bild dieses Urteil entschieden Lügen strafen. Der Kopf, wie wir ihn auf dieser Seite sehen, hat nichts unerfreuliches mehr, er ist einfachhin ergreifend. Vielleicht ist es nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß dieser holzgeschnitzte Christus von Oberried nur einen ebenbürtigen Zeitgenossen in unserer Gegend hat: den Gekreuzigten vom Isenheimer Altargemälde des Meister Grünewald in Unterlinden zu Kolmar. Man versteht, daß das Bild auf das kindliche Gemüt des Volkes den tiefsten Eindruck machen und sich bald von sinnigster Andacht und wundersamer Legende umgeben sehen mußte. Die Sage erzählt, das Kreuz sei, von Günterstal kommend, den Bach talaufwärts geschwommen, habe sich den Händen der in Kirchzarten nach ihm langenden Leuten entzogen und sich erst in Oberried von den Wilhelmitenmönchen greifen und in Prozession zur Kirche tragen lassen. Es trage Haare, die von selbst weiterwachsen, und der frevelhafte Eingriff eines Mönches, der aus Zweifel daran aus dem Barte geschnitten, sei durch Irrsinn und Blutsturz gestraft worden, der den Mönch vier Wochen nach derTat zur Leiche machte. Noch zeigte man bis in die neueste Zeit im Pfarhaus die Bodendiele mit den unaustilgbaren Blutflecken.- So die Volkstradition, von der eine leicht veränderte Fassung im "Sagenbuch" von Waibel und Flamm (Band II, dem Breisgverein Schauinsland zum 25 jährigen Jubelfeste 1899, S. 110 ff wiedergegeben ist.

Durch die Forschungen, welche Herr Stadtpfarrer Gießler, weiland Pfarrer von Oberried, im Verein mit seinem damaligen Adlatus, jetzigen Vikar Hegner in Mannheim angestellt, sind wir in der Lage, die Geschichte des Kreuzes etwas aufzuhellen. Herr Stadtpfarrer Gießler hatte die große Güte, dem Schauinsland dieses Material zur einstweiligen Veröffentlichung zu übergeben, behält sich aber eine größere Publikation über Oberried und St.Wilhelm vor, worin er der Heimatkunde einen zusammenfassenden reichen Beitrag zu liefern hofft.

 Die Wilhelmiten "im Wald bei Oberried" waren, wie die Freiburger Wilhelmiten am heutigen Holzmarktplatz (jetzt Annastift) fromme Verehrer des hl. Kreuzes. Schon Mitte des 13. Jahrhunderts erhalten sie durch "Herren Gutmann Hefenler" ein ewiges Licht gestiftet, welches "brinne in unserer Kilchen vor dem hl. Crütze". Seit 1507 sind sie mit den Freiburger Brüdern vereinigt und leben in Freiburg. Dort wird schon 1481 in der Kirche ein "Altar zu Ehren des hl. Kreuzes und der 11 000 Jungfrauen erwähnt. Im Jahre 1628 wird laut Urkunde im Generallandesarchiv bei den Freiburger Wilhelmiten ein altes Kreuz "renoviert" auf Kosten des Sebastian Hartman. Die Schreinerarbeit, das heißt die neuen Kreuzbalken, lieferte der Schreiner Sebastian Singer, ohne Bezahlung dafür zu nehmen. Die Haare schenkte das Kloster Günterstal; offenbar waren es die Haare einer Novizin, da ja die Novizinenaufnahme in Frauen wie Männerklöstern unter Abschnreidung der Haare erfolgte. Eine Freiburger Seidenstickerin, die nicht genannt wird, machte daraus, ebenfalls umsonst das Kopfhaar für das Kreuzbild. Am 20. Mai 1628 wurde das so erneuerte Bild feierlich in der Kirche aufgestellt. Stadtpfarrer Gießler wird recht haben, wenn er in diesem Kreuze des 1481 neu geweihten Kreuzaltars derselben Kirche sieht, zumal da die Arbeit des Kunstwerkes von Kraus und Wingenroth ohnehin dem ausgehenden 15. Jahrhundert zugewiesen wird. Im Jahre 1635 erreichten die Freiburger Wilhelmiten für die Gläubigen von Oberried in der dortigen Michaelskapelle eine Kreuzbruderschaft. Im Jahre 1656 wird in der Freiburger Wilhelmitenkirche ein Altar "zu Ehren des heilbringenden Kreuzes und der Apostel Petrus und Paulus" reconciliiert (das heißt nach vorgekommener Entweihung neu geweiht).

1682 verließen die Wilhelmiten ihr Freiburger Kloster und bauten die heute noch stehende Kirche und das Priorat in Oberried. Da die Nische, welche dort das Kreuz in sich birgt, mit der ganzen Kirche gleichzeitig ist, so ist kein Zweifel, daß damals schon, d.h. zwischen 1682, wo der Bau begann, und 1699, 8. Mai, wo die Kirchweihe stattfand, das 1481 in Freiburg befindliche, 1628 renovierte Kreuz dorthin übertragen wurde.Jeder Zweifel an der Identität schwindet, wenn wir in der Kirchweihbeschreibung lesen, daß der damals geweite Kreuzaltar denselben Namen führte, wie der 1656 in Freiburg geweihte: "Zu Ehren des hl. Kreuzes und der Apostel Petrus und Paulus". (Nur wurde noch zugefügt:"Des hl. Erzengels Michael und der hl. Schutzengel".) Im Jahre 1727 wurde dann Josef Vogel aus Freiburg verpflichtet, für 50 fl. den Kreuzaltar in Stuck zu fassen, 1906 endlich ließ Herr Stadtpfarrer Gießler Dornenkrone und Haar durch Herrn Bildhauer Seitz aus Freiburg erneuern. Unsere Bilder auf dieser Seite geben das Kreuz nach Aufnahmen des Herrn Photographen Röbcke in dieser restarierten Gestalt wieder.

Aus: Schauinsland 1911, Seite 76 bis 78