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Der katholische Pfarrer Jakob Saur in Kirchzartens wird von einem Kollegen denunziert
Aus den Akten der Geheimen Staatspolizei

Der Vorwurf:
Der kath.Pfarrer Jakob Saur in Kirchzarten hat sich im September 1939 bei einer Unterhaltung mit dem Ordensgeistlichen Rothmann über die augenblickliche politische Lage wie folgt geäussert: "... Der muss jetzt weg, der soll jetzt abdanken, eher gibt's keine Ruhe und keinen Frieden mehr."
Der Zeuge gibt an, dass mit dieser Äusserung der Führer und Reichskanzler gemeint war.


Ottbergen bei Hildesheim, 1. August 1940
An die Geh.Staatspoltzei in
Freiburg i.Br.

Betreff:
Anzeige gegen den kath.Pfarrer in Kirchzarten b.Freiburg, Pfr.Saur wegen staatsfeindlicher Einsteilung.

Der Geh. Staatspolizei in Freiburg habe ich folgendes zu unterbreiten, was schon seit langem mitzuteilen mein Entschluss war.

Gegen Herrn Pfarrer Saur in Kirchzarten b.Freiburg habe ich Anzeige zu erstatten wegen staatwidrigen Verhaltens, wegen abfälliger und vernichtender Kritik gegenüber dem Dritten Reich und dessen führenden Männern. Da ich bis Ende Oktober vorigen Iahres noch in Freiburg stationiert war im Kloster an der Adolf Hitlerstrasse 335, kam ich des öfteren durch meine seelsorgliche Tätigkeit mit Pfarrer Saur in Kirchzarten in nähere Fühlung, wobei ich Gelegenheit hatte, seine wahre Einstellung kennen zu lernen.

Bei meinem letzten Besuch bei Pfr.Saur in dessen Wohnung im September letzten Iahres ging aus einer Äusserung der älteren Schwester, die bei ihm weilt, unzweideutig hervor, dass sich Pfarrer Saur, bis damals wenigstens, des Abhörens ausländischer Sender schuldig gemacht hatte. Es war schon Kriegsbeginn und bestand bereits das Verbot hinsichtlich fremdländischer Sender.

Aus einer weiteren Äusserung derselben leiblichen Schwester des Pfarrers war auch zu entnehmen, dass ebenfalls der Vikar des Herrn Pfarrers am Hören verbotener Sender mitbeteiligt war.

Die ganze Einstellung des Pfarrers Saur kennzeichnen ferner Äusserungen, die ich damals aus seinem Munde hörte wie etwa: "...der muss jetzt weg (gemeint war der Fuhrer), der soll jetzt abdanken,eher gibt's keine Ruhe und keinen Frieden mehr".

Dass Pfr. Saur auch auf der Kanzel zu hetzen versteht und so gegen die wahre Volksgemeinschaft verstösst, beweist folgende Tatsache: Als vor nicht ganz zwei Iahren Pater Othmar Mock in Kirchzarten eine Predigtwoche hielt und dabei Pfr. Saur gegenüber Bedenken äusserte,er habe wohl hie und da in dieser Woche etwas zu scharf gesprochen, was ihm bei einer Anzeige gefährlich werden könnte, beruhigte ihn Pfarrer Saur mit der Bemerkung, er möge ohne Sorgen sein, die Leute seien von seiner Kanzel durch seine Predigten schon manches gewöhnt. P.Othmar Mock soll, wie ich erfahren habe, seit einigen Wochen in Untersuchungshaft in Konstanz sitzen wegen provozierender Predigtart auf der Kanzel.

Herr Pfr. Saur mag meines Erachtens mit Recht zu jenen Subjekten zu rechnen sein, von denen der Führer in seiner letzten Reichstagsrede erklärte, dass es auch solche gäbe, die " mit Bedauern den Siegeszug des Dritten Reiches miterleben".

Für Pfarrer Saur wird ein vorübergehender Aufenthalt in Einzelhaft oder Lager eine gute Gelegenheit bedeuten, die ihn wieder an seine Pflichten gegenuber der wahren Volksgemeinschaft erinnern wird.

Wenn ich noch fur mich persönlich bemerken darf, so ist es mir angenehm bei meiner in meinem Beruf abhänigen Stellung, wenn Herr Pfr. Saur nicht erfahren wird, von welcher Seite aus dieser Bericht gegen ihn erfolgt ist.

(Hitlergruß) und Unterschrift

P. Kunibert Rothmann,  Ottbergen, b.Hildesheim.
Haus 102.

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Verhandelt, Hildesheim, den 13. Aug. 1940
Auf Vorladung erscheint der Ordenspriester Pater Kunibert, weltl. Name Emil Rothmann, geb. 6. 12. 1905 in Bebra, Krs. Rothenburg, röm. kath. ledig, wohnhaft in Ottbergen, Krs. Marienburg, i. Hann., Nr. 102 (Franziskanerkloster) und erklärt, mit dem Gegenstand der Vernehmung bekannt gemacht:

Die vorliegende Anzeige vom 1. August 1940 habe ich selbst verfasst und gefertigt.

Seit dem 15. November 1939 bin ich in dem vorgenannten Kloster in Ottbergen, nachdem ich vorher seit 1937 in einem Kloster des gleichen Ordens in Freiburg i.Breisgau tätig und wohnhaft war.

Als Ordenspriester habe ich u.a. die Aufgabe in der Seelsorge mitzuwirken und mache Vertretungen und Aushilfen in der Pfarrseelsorge. Bei dieser Tätigkeit kam ich auch im Iahre 1938 im August bis Ende Sept. zur Vertretung des Kaplans des Pfarrers Saur in Kirchzarten b. Freiburg i.B. Ich war dann nochmals im Sept. 39 zu einem kurzen Besuch von ca. 2 Stunden bei Pastor Saur.

Während der vorgenannten Vertretungszeit und bei dem kurzen Besuch habe ich keinerlei Auseinandersetzungen oder Streitigkeiten mit Pastor Saur gehabt, woraus evtl. entnommen werden könnte, ich hätte mit meinen Angaben die Absicht, einen Racheakt gegen Pastor Saur auszuführen.

Wie ich schon in meiner Eingabe vom 1.8.40 erwähnte, kam ich in der vorgenannten Zeit, wo ich zur Vertretung in Kirchzarten weilte, mit Pastor Saur in nähere Fühlung. Ich lernte ihn als einen Menschen kennen, der dem heutigen Zeitgeschehen noch vollständig gegnerisch gegenübersteht. Bei persönlichen Unterhaltungen zwischen mir und dem Pastor kritisierte er frei Maßnahmen des Staates und der Bewegung. Ich kann allerdings heute keine konkreten Fälle mehr angeben, weiß nur noch, daß ich immer gedacht habe, daß Saur ein Mensch ist, den man als einen Dunkelmann unserer Zeit betrachten kann. Bei verschiedenen Predigten in der Kirche in Kirchzarten, die ich von Pastor Saur als Zuhörer gehört hatte, wunderte ich mich über seine versteckten Angriffe und darüber, daß von seiten der übrigen Zuhörer keine Anzeigen gegen Saur erstattet wurden. Auch über die Predigten kann ich keine konkreten Angaben mehr machen, da ich mir Einzelheiten nicht gemerkt bezw. notiert habe.

Bezl. des Abhörens ausländischer Sender verweise ich auf meine Angaben in meiner Eingabe. Weitere Beweise dafür habe ich nicht.

Von seinen Äusserungen ist mir nur eine Unterredung erinnerlich, die ich auch schon in meiner Eingabe angegeben habe. Dieses war bei der Unterredung am 17. 9. 39, als ich zu einem kurzen Besuch in Kirchzarten war, Wir kamen auf die augenblickliche Lage zu sprechen und ich frug, nachdem vom Ausbruch des Krieges die Rede. war, was jetzt nun werden würde und wie der Krieg evtl. ausginge. In diesem Zusammenhang erklärte Saur: --- der muß jetzt weg, der soll jetzt abdanken, eher gib's keine Ruhe und keinen Frieden mehr!" ( Gemeint war der Führer.) Im Übrigen war Saur über den Ausgang des Krieges sehr pesimistisch eingestellt, sodaß ich die Auffassung hatte, Saur gehört zu den Menschen, die der Führer als solche bezeichnete, die "mit Bedauern den Siegeszug des Dritten Reiches miterleben"

Bezl. der Kanzelabkündigungen des Pastor Saur verweise ich auf meine Angaben in meiner Eingabe vom 1.8.40. Dieses hat mit P. Othmar Mock bei einer Unterhaltung erzählt. Weiter kann ich dazu auch nichts bekunden. Soviel ich weiß, soll Pater Mock in seiner Heimat vor einigen Wochen von der Behörde in Schutzhaft genommen worden sein. Nähere Angaben kann ich bezl. seiner Festnahme nicht machen. Die Unterredung mit Pater Mock fand etwa Anfang Sept. 38 im Kloster in Freiburg statt.

Über die Einstellung des Pastor Saur kann ich nur noch folgendes angeben: Kurz nach meinem letzten Besuch im Sept. 39 bei Pastor Saur wurde ich von meinem Ordensoberen in Freiburg zur Rede gestellt, wegen eines angebl. Verkehrs, den ich in Kirchzarten mit einem Mädel gehabt haben sollte. Da ich keinerlei Verkehr mit einem Mädel gehabt hatte, wohl kannte ich dort ein Mädel, verlangte ich zu meiner Rechtfertigung die Angabe, wer die Angeber waren und es wurde mir mitgeteilt, daß der Vikar, ich glaube er heißt Iäger, und der Pastor Saur, entstellte Berichte gemacht hatten. Der Vikar war zu diesem Zweck auch persönlich beim Bischof in Freiburg vorstellig geworden. Kurze Zeit später wurde ich zum Provinzial nach Fulda bestellt, wo mir wieder die entstellten Vorwürfe gemacht wurden. Alle meine Rechtfertigungsversuche wurden nicht angenommen, sondern ich wurde einfach nach Ottbergen versetzt.

Ich kann mich nunmehr nicht mit dem Gedanken abfinden, daß ein Mann mit der Einstellung des Pastor Saur, es fertig gebracht hat, mit entstellten und wahrheitswidrigen Angaben, wofür er keinerlei Beweise vorbringen konnte, meine Versetzung zu bewerkstelligen.
.
Mit meiner Eingabe habe ich nur den Zweck verfolgt, daß der Pastor Saur mal beobachtet wird und die Wahrheit meiner Angaben werden schnell bestätigt werden.

Ich muß nochmals betonen, daß ich ein Rachegefühl gegen Saur nicht hege, sondern ich will die Behörde nur auf einen Dunkelmann aufmerksam machen, der sehr wohl bemerkt hatte, daß ich ein Mensch bin, der seine Ansichten über das Zeitgeschehen nicht teilte. Deshalb vermute ich auch nur, daß er aus diesem Grunde mich bei meiner Ordensbehörde anschwärzte mit entstellten Angaben, nur um mich zu schädigen.

Weitere Angaben kann ich gegen Pastor Saur nicht machen.

Aus diesem Grunde bitte ich meine Angaben als Bericht aufzufassen mit der nochmaligen Bitte, diese Angaben vertraulich zu behandeln, denn ich weiß, wenn Saur beobachtet wird, sehr bald sein wahres Gesicht zum Vorschein kommen wird.

Unterschrift Emil (P. Kunibert) Rothmann
Unterschrift Müller Kriminalsekretär.

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Stempel:
Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle Karlsruhe - Grenzpolizeikommissariat Konstanz

Konstanz, den 25. Oktober 1940.

Der seit 21. Iuni 1940 im Gerichtsgefängnis Konstanz in Haft sitzende Pater Othmar, weltlicher Name: Wilhelm Mock gab heute auf entsprechendes Befragen folgendes an:

"Den Ordensgeistlichen iil Rothmann, der zur Zeit in Ottbergen bei Hannover wohnhaft ist, kenne ich. Wir waren in den Iahren 1928 / 29 und 30 zusammen im Studium. Ebenfalls waren wir einige Zeit im Franziskanerkloster in Freiburg i.Brsg. zusaumen. Es kann im November oder Dezember 1938 gewesen sein, als ich in Kirchzarten eine religiöse Woche hielt und dabei mit Pfarrer Iakob Saur in Berührung kam, Es ist mir aber heute mit dem besten Willen nicht mer möglich, ob ich damals derartige Äusserungen, wie sie mir soeben vorgelesen wurden, getam habe. Normalerweise ist es üblich, dass ein Ordenspriester jeden Sonntag wo anders predigt und darum kann ich mich an solche Einzelheiten
absolut nicht mehr erinnern.
Wenn Pater Emil Rothmann dies bei seiner Vernehmung angegeben hat, so wird dies wohl stimmen. Ich kann mich wenigstens mit dem besten Willen an diese Angelegenheit nicht mehr erinnern.
Andere Angaben habe ich nicht mehr zu machen."

selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben:
Unterschrift Wilhelm Mock
und
Kriminal - Assistent Werney

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Stempel: Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle Karlsruhe - Außendienststelle Freiburg i.Br.
Freiburg, den 10 Dezember 1940
Auf Vorladung erscheint: Iakob Saur, Beruf: Pfarrer, Einkommensverhältnisse: 286.- Mark monatlich, geboren am 27.7.1879 in Impfingen, Verwaltungsbezirk Tauberbischofsheim, Landgerichtsbezirk Mosbach, Land Baden. Wohnhaft in Kirchzarten. Staatsangehörigkeit D.R., Religion: röm.Kath. Eltern deutschblütig, Familienstand ledig. Vater Vinzenz Sauer +, Mutter Helene geb. Fey gestorben in Impfingen. Mitgliedschaft in der NSDAP nein. NSV auch nicht. Orden und Ehrenzeichen: Verdienstkreuz des Weltkrieges. Vorbestraft: angeblich nicht.
II. Zur Sache:

a) zur Person :

Meine Iugend verbrachte ich im Elternhaus in
Impfingen. Dort besuchte ich auch die Volksschule. Im Iahre 1893 trat ich ins Gymnasium ein und machte im Iahre 1900 das Abitur. Theologie studierte ich in Freiburg und in St.Peter. Im Iahre 1904 empfing ich die Priesterweihe.

Meine ertse Vikarstelle erhielt ich in Sinsheim bei Baden-Baden. In der Folgezeit war ich noch in Oberkirch und Neudenau als Vikar. In Waldmühlbach wurde ich 1910 Pfarrverweser und 1917 in Neckarelz Pfarrer. Seit Dezember 1934 bin ich als Pfarrer in Kirchzarten bei Freiburg tätig.

b) zur Person :
In der Zeit von Iuli bis August 1938 war der Pater Kunibert (weltlicher Name Emil Röthmann) etwa 4 Wochen in Kirchzarten zur Vertretung des Vikars Ronnecker. Er hielt in jener Zeit Religionsunterricht, predigte und war ausserdem in der Seelsorge tätig.
Wenn Pater Kunibert angibt, ich hätte während dieser Zeit Massnahmen des Staates kritisiert, so weise ich eine solche Behauptung als eine Verleumdung zuruck. Es ist richtig, dass er im Herbst 1938, in jener Krisenzeit,als er in Oberried beschäftigt war, mich nochmals im Pfarrhaus aufsuchte. Ich sagte ihm, dass ich auf dem Giersberg 5 Vaterunser beten liess,damit die führenden Männer das richtige treffen. Ich sprach auch mit den Pater über die politischen Vorkommnisse und über den Ausbruch eines evtl. Krieges. Wenn Pater Kunibert die Behauptung aufstellt, ich hätte damals gesagt :" .. der muss jetzt weg,der soll jetzt abdanken, eher gibts keinen Frieden mehr "so muss ich auch diesen Vorwurf zurückweisen. Wenn Pater Kunibert, tatsächlich sich verpflichtet gefühlt hätte meine Äusserungen zurückzuweisen, so hätte er damals dies mir gegenüber tun müssen oder mich gleich zur Anzeige bringen, aber nicht erst im Iahre 1940. Kunibert wurde bei der Kirchenbehörde gemeldet, weil er vermutlich einen ungeeigneten Umgang mit einem Mädchen hätte. Vermutlich hat er mich als den Anzeiger vermutet, was aber nicht der Fall ist. In Wirklichkeit ist es aber so, dass Pater Kunibert von meinem Vikar angezeigt wurde.

Pater Wilhelm Mock hat im Iahre 1939 im Monat Dezember eine Christuswoche bei mir in Kirchzarten gehalten. Ich kann mich nicht erinnern, dass Mock schon früher in Kichzarten tätig war. Ich traf ihn im Iahre 1939 in Birnau und habe ihn dort gebeten, mir die Christuswoche zu halten. Im Rahmen dieser Christuswoche predigte Mock eine ganzen Woche. Dass Mock wegen seinen Predigten mir gegenüber Bedenken geäussert haben soll, ist mir nicht in Erinnerung. Als Mock in Kirchzarten die Christuswoche abhielt, war Pater Kunibert nicht mehr in Freiburg. Die beiden Paters sind in meinem Pfarrhaus nie zusammen.gekommen, ich kann mich wenigstens nicht
daran erinnern. Die Bemerkung, Pater Mock möge ohne Sorge sein, die Leute seien von meinem Predigten schon manches gewöhnt, bestreite ich ebenfalls getan zu haben.

Ich sehe in dieser ganzen Anzeige einen Racheakt von seiten des Paters Kunibert, weil er mich als den Anzeiger in seiner Sache vermutet.

Ich bestreite die mir zur Last gelegten Äusserungen. Ebenso bestreite ich bei Ausbruch des Krieges ausländische Sender abgehört zu haben. Vor Ausbruch des Krieges habe ich gelegentlich ausländische Sender gehört, aber bei Ausbruch des Krieges habe ich dies sofort eingestellt. Man kann mir nach dieser Richtung hin keinerlei Vorwürfe machen.

Unterschriften von Iakob Saur Pfarrer
Krim. Sekretär. Tritschler

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Schlussbericht.
Pfarrer Iakob Saur hat alle ihm zur Last gelegten Äußerungen bestritten und angegeben, es würde sich bei dieser Anzeige des Pater Kunibert um einen Racheakt handeln.
Pfarrer Saur ist als ein fanatischer Geistlicher bekannt, der in seinen Predigten stets bis an die Grenze geht, aber bisher nie gefasst werden konnte.
Er wird künftighin in geeigneter Weise überwacht und bei Beanstandungen unaufgefordert berichtet.

Unterschrift
Krim. Sekretär. Tritschler

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Verhandelt, Hildesheim, den 31. Ianuar 41.
Auf Vorladung erscheint der Ordenspriester
Pater Kunibert,
weltlicher Name Emil Rothmann, Pers. bekannt, und erklärt:
Das Ermittlungsergebnis in der vorliegenden Angelegenheit ist mir bekannt gegeben worden. Weitere Beweise habe ich nicht.
Im übrigen beziehe ich mich nochmals auf meine Eingabe vom 1. August 1940 und meine Angaben in der Vernehmung vom 13. Aug. 1940. Diesen Angaben habe ich nichts hinzuzufügen,
Entschieden muß ich bestreiten, daß mit dem von mir gemachten Angaben, die ich jederzeit beeiden kann, einen Racheakt gegen Pfr. Saur beabsichtigt hatte. Ich wollte die Behörde nur auf das Verhalten dieses Mannes aufmerksam machen.
Weiter kann ich zur Sache nichts bekunden, Ich möchte noch bemerken, daß ich ab 5.2.41 zum Heeresdienst einberufen bin.
Unterschrift Emil (P. Kunibert) Rothmann
Mailler Krim, Sekr,

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Stempel: Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle Karlsruhe - Außendienststelle Freiburg i.Br.
Freiburg,den 15. März 1941.

Verhandelt.
Einbestellt auf das Büro der Geheimen Staatspolizei -Aussendienststelle- Freiburg erscheint
Pfarrer Iakob Sauer,
Pers.bekannt, und gab mit dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt gemacht und zur Wahrheit ermahnt an:
"Ich berufe mich im allgemeinen auf meine bereits gemachten Angaben und bestreite entschieden nach Kriegsausbruch noch ausländische Sender abgehört zu haben. Ich habe vor Kriegsausbruch, als Pater Kunibert im Iahre 1938 sich in Kirchzarten aufgehalten hat, manchmal den Schweizer Sender, in der Hauptsache den Sprecher Mos gehört.

Ich kann mich entsinnen, dass Pater Kunibert am 17.September 1939 zu einem Besuch, am Nachmittag von Oberried kommend, in meinem Hause war. Ich gab damals Brautunterricht. Der Pater unterhielt sich während dieser Zeit mit 2 anwesenden geistlichen Herren. Gegen 4.45 Uhr kam ich in das Gastzimmer, wo er erklärte, er müsse jetzt gehen. Daraufhin ist er auch nach etwa 5 oder 10 Minuten weggegangen. Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, dass überhaupt ein politisches Gespräch geführt wurde und ich in einer Angelegenheit gefragt wurde. Demnach bestand für mich gar kein Anlass die Bemerkung "..der muss jetzt weg, der soll jetzt abdanken, eher gibts keine Ruhe und keinen Frieden mehr " zu machen. Ich bestreite diese Äusserung nach wie vor, weil ich derartige Bemerkungen über Regierungspersonen nicht mache.

Wenn ich in meinem letzten Protokoll angab, dass Pater Kunibert im Dezember 1939 in Kirchzarten eine Christuswoche gehalten hat, so muss ich mich berichtigen. Ich habe inzwischen in meinem Buch nachgeschaut und gesehen,dass diese Christuswoche im Oktober 1938 stattgefunden hat.

Wie mir meine Schwester Philomena erklärt hat, war sie am 17.September 1939 bei der Unterhaltung zwischen Pater Kunibert und den anderen geistlichen Herren gar nicht zugegen. Nur als sich der Pater verabschiedete, sprach sie kurz einige Worte über seine Tätigkeit in Oberried mit ihm.

Ich muss auch heute, wie bei meiner letzten Vernehmung, die gegen mich vorgebrachten Anschuldigungen zurückweisen. Ich habe inzwischen im Franziskanerkloster in Freiburg nachgefragt und festgestellt, dass Pater Kunibert seinen Vorgesetzten gegenüber nie etwas über mich, bzw.über angebliche Äusserungen von mir gesagt hat.
Weitere Angaben habe ich zur Sache nicht zu machen."
Unterschrift Iakob Saur   
Krim. Sekretär. Tritschler

Schlussbericht..
Pfarrer Sauer bestreitet nach wie vor die ihm zur Last gelegten Äusserungen. Er liess sich zu keinem Geständnis bewegen.
Die Personalien seiner im Bericht vom 1.8.40 erwähnten Schwester sind; Philomena Sauer , geb. am 7.Mai: 1885 zu Impfingen, wohnhaft in Kirchzarten.

Unterschrift
Krim.Sekretär. Tritschler

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Geheime Staatspolizei
Staatspolizeileitstelle Karlsruhe

Karlsruhe i.B., den 21. März 1941

An den
Herrn Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Freiburg /Brsg.

Betrifft: Anzeige gegen Pfarrer Iakob Saur
geb. am 27.7.1879 in Impfingen wohnhaft in Kirchzarten, wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz.

Anliegend übersende ich eine Strafanzeige gegen Pfarrer Iakob Saur in Kirchzarten wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz zur Kenntnis. Vom Ausgang des Verfahrens bitte ich mich zu benachrichtigen. Pfarrer Saur ist Seit 1934 in Kirchzarten wohnhaft und bisher nicht in Erscheinung getreten.
In Auftrage
gez. Denecke

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Kirchzarten, den 2. April 1941

Einbestellt auf das Rathaus in Kirchzarten gab
Philomena Saur,
geb. am 7.Mai 1885 zu Impfingen bei Tauberbischofsheim, wohnhaft in Kirchzarten mit dem Gegenstand der Verhandlung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt an :
"Ich kenne Pater Kunibert seit dem Sommer 1938. Er was damals aushilfsweise hier in Kirchzarten tätig. Er hatte für einen erkrankten Vikar den Religionsunterricht und die Predigten übernommen. Während seiner Tätigkeit war er im Pfarrhaus wohnhaft und zwar in der Zeit von etwa 20. August 1938 bis Mitte Oktober.
Pater Kunibert ging dann von Kirchzarten fort und hatte dann beruflich in der Pfarrei Kirchzarten nichts mehr zu tun.
Am 17. September 1939 kam Kunibert wieder zu Besuch nach Kirchzarten. Er war an diesem Tage in Oberried und hatte gepredigt. An diesem Tag, also am 17. September 1939 kam Kunibert etwa gegen 16 Uhr in unser Pfarrhaus. Kunibert begab sich in das Esszimmer, wo noch Vikar Iäger, Vikar Rebmann und Missionar Seyfried anwesend waren. Mein Bruder war nicht anwesend, er gab meines Wissens Brautunterricht. Ich selbst war in der Küche und habe mit meiner Schwester ein Vesper gerichtet. An der Unterhaltung der Herren habe ich mich nicht beteiligt. Was also zwischen den Herren gesprochen wurde, kann ich nicht sagen. Meines Wissens kam dann Herr Pfarrer Saur noch zu der Unterhaltung und dürfte etwa noch eine halbe Stunde im Esszimmer bei den Herren gewesen sein. Gegen 15 Uhr verabschiedete sich dann Pater Kunibert und ging daraufhin meines Wissens zu Fuss zurück nach Oberried; wo er sich noch bis zum Morgen des 18.September aufgehalten hat. Von dort aus begab er sich dann nach Freiburg zurück.
Als Pater Kunibert sich verabschiedete, half ich ihm beim Mantelanziehen. Während dieser kurzen Zeit frug ich ihn, ob er in Oberried eine schöne Predigt gehalten hätte, ob der Besuch gut gewesen sei und ob er befriedigt war. Er sagte daraufhin, dass der Besuch gut gewesen sei. In politischer Hinsicht sprach ich nicht mit ihm. Ich habe demnach auch nichts gesagt, woraus er schliessen konnte, dass im Pfarrhaus fremdländische Sender abgehört werden. Kunibert hat sich rasch von mir verabschiedet und ging weg.
Auf Frage:
Vor Ausbruch des Krieges hörte ich gelegentlich mit meinem Bruder zusammen den schweizer Sender. Über die Mittagszeit stellten wir öfters Musik ein. Nach Ausbruch des Krieges, als das Verbot herauskam, stellten wir dies ein und haben seither keine ausländischen Sender abgehört. Es ist mir unverständlich, wie Pater Kunibert dazu kam ‚zu behaupten, er hätte aus meinen Äusserungen schliessen können, es würden im Pfarrhaus fremdländische Sender abgehört.
Ich behaupte nochmals, dass ich am 17.September 1939 mit Pater Kunibert über Politik nicht gesprochen habe."

Unterschrift Philomena Saur
Krim. Sekretär Tritschler
%
Kirchzarten den 2.April 1941.

Verhandeit.
Einbestellt auf das Rathaus in Kirchzarten gab
Vikar Anton Iäger,
geb. am 13.August 1913 zu Niedereschach, wohnhaft in Kirchzarten mit dem Gegenstand der Verhandlung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt an:
"Ich bin seit 15.April 1939 in Kirchzarten als Vikat tätig. Am 17.September, an diesem Tag wurde in Oberried das Kreuzfest gehalten, kam Pater Kunibert nach Kirchzarten in das Pfarrhaus. Ich hatte an diesem
Nachmittag einen Vortrag bei der Iungfrauenkongregation. Als ich in das Pfarrhaus kam, war Pater Kunibert, Missionar Seifried und Vikar Rebmann bereits anwesend. Da ich wusste, dass Pater Kunibert in Oberried gepredigt hatte, fiel es mir auf, dass er schon hier war. Ich gab meiner Verwunderung darüber Ausdruck, Kunibert wollte jedoch auf meine Frage nicht besonders eingehen. Wir nahmen dann gemeinsam unser Vesperbrot ein,

Was während des Essens gesprochen wurde, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich glaube aber nicht, dass über Politik oder über den Krieg gesprochen wurde. Meines Wissens haben wir uns über allgemeine Dinge unterhalten.
Dass ich über Dinge gesprochen haben soll, die ich von ausländischen Sendern gehört hätte, entspricht nicht den Tatsachen. Ich habe überhaupt nicht über Politik oder über die Kriegslage mit Pater Kunibert gesprochen.
Es ist mir daher unverständlich, wie Pater Kunibert zu solchen Vermutungen kommt. Ich würde Wert darauf legen diesem Pater Kunibert gegenübergestellt zu werden, denn die Behauptungen, die er über meine Person aufgestellt hat, sind frei erfunden."

Unterschrift Anton Iäger
Tritschler Krim. Sekretär.

Schlussbericht.
Pfarrer Saur hat nach einem Bericht der Gaupropagandaleitung vom 8.12.33 sich in abfälliger Weise über das Iungvolk geäussert und ist gegen die Knaben und Mädchen der HI in einer Weise vorgegangen, dass verschiedene Knaben und Mädchen wieder aus der HI ausgetreten sind. Nach einer Meldung der Aussendienststelle Mosbach vom 14.2.1934 hat sich Saur abermals über das Iungvolk in gehässiger Weise geäussert. Er war damals in Neckarelz als Stadtpfarrer tätig. Wegen seinem gehässigen Verhalten hat der Herr Landrat von Mosbach mit Schreiben vom 16.Februar 1934 bei dem Herrn Minister des Kultus seine Versetzung beantragt. Saur wurde daraufhin am 19.Dezember 1934 nach Kirchzarten versetzt. Saur hat sich in seinen Predigten wiederholt scharf geäussert, aber er hat sich bisher immer so geschickt an den Grenzen des Möglichen gehalten, sodass zum Einschreiten gegen ihn bisher keine Möglichkeit vorhanden war. Er ist als Gegner des Nationalsozialismus bekannt und führt seinen weltanschaulichen Kampf auch demnach.

Vikar Rebman Franz, geb. am 6.7.13 zu Stegen bei Freiburg wurde zum Heeresdienst eingezogen. Seine Anschrift lautet: Soldat Franz Rebmann ‚ 4. Sanitäts-Ersatzatlg. 5 in Ulm‚ Obere Donaubastions

Unterschrift
Tritschler Krim. Sekr.

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Der Oberstaatsanwalt als Leiter der Anklagebehörde  bei dem Sondergericht
Freiburg i.Br., den 18. April 1941.

Verf,
Durch den Herm Generalstaatsansalt In Karlsrrhe an den Herrn Reichsminister der Iustiz in Berlin

betr.
Mitteilungen in Strafsachen gegen Geistliche;

Im Anschluss lege ich die Ermittelungsakten. gegen den an 27.7.1879 in Impfingen geborenen, in Kirchzarten wohnhaften katholischen Pfarrer Jakob Saur vor.
Ich beabsichtige, das Verfahren einzustellen. Der von dem Anzeiger geäusserte Verdacht, daß der Beschuldigte Saur oder andere Personen in seinen Hause nach Kriegsausbruch ausländische Sender abgehört hätten, hat sich nicht bestätigt.
Die dem Beschuldigten vom Anzeiger zur Last gelegten heimtückischen Äusserungen über den Führer stellt er in Abrede. Die Ermittelungen haben auch keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, die zu seiner Überführung führen könnten, Die Annahme erscheint nicht unbegründet, daß die Anzeige von dem Ordenspriester Rothmann aus Verärgerung gemacht worden ist, weil dieser in dem Beschuldigten Saur oder dessen Hausgenossen den
Anlass zu seiner angeblich wegen ihm nicht erlaubten Verkehrs mit einen Mädchen erfolgten Versetzung sehen zu müssen und möglicherweise auf diesem Weg seine Glaubwürdigkeit angreifen zu können glaubt. Jedenfalls genügen bei dieser Sachlage die Angaben des Anzeigers zur Überführung des Beschuldigten nicht.
Selbst wenn die Äusserung dem Beschuldigten aber nachzuweisen wäre, würde eine Strafverfolgıng wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz doch deshalb entfallen müssen, weil die Äusserung von dem Beschuldigten gegenüber einem Mitgeistlichen und katholischen Ordenspriester gemacht worden wäre, sodaß er unter den gegebenen Umständen nicht damit hätte rechnen müssen, daß die Äusserung in die Öffentlichkeit dringen werde ($ 2 Abs. 2 des HG.)
Unterschrift Oberstaatsanwalt,

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Der Reichsminister der Justiz Berlin

Berlin, den 6. Mai 1941

Durch den Herrn Generalstaatsanwalt in Karlsruhe
an den Herrn Obsrstaatsanwalt in Freiburg i.Br.

Betrifft: Strafsache gegen den katholischen Pfarrer Jacob Saur

Die Auffassung, daß die gegebenen Beweismittel zur Überführung des Beschuldigten nicht ausreichen, teile ich, bitte aber, in der Einstellungsverfügung nicht auf das Fehlen der Ersatzöffentlichkeit i.S. des $ 2 Abs. II HG abzustellen, da im Zeitpunkt der angeblichen Äußerung mehrere Geistliche zugegen gewesen sein sollen, aber auch zwischen dem Beschuldigten und dem Anzeiger ein besonderes Vertrauensverhältnis nicht bestand.

Im Auftrag
gez. Schmidt

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Der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht in Freiburg i.Br.
Freiburg, den 14. Mai 1941

V.
1. Das Verfahren wird eingestellt.
Der von dem Anzeiger geäusserte Verdacht, dass der Beschuldigte Saur oder andere Personen in seinem Hause nach Kriegsausbruch ausländische Sender angehört hätten, hat sich nicht bestätigt.

Die dem Beschuldigten vom Anzeiger zur Last gelegten heimtückischen Äusserungen über den Führer stellt er in Abrede. Die Ernittilumgen haben auch keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, die zu seiner Überführung führen könnten. Die Annahme erscheint nicht unbegründet, dass die Anzeige von dem Ordenspriester Rothmann aus Verärgerung gemacht worden ist, weil dieser in dem Beschuldigten Saur oder dessen Hausgenossen den Anlass zu seiner angeblich wegen ihm nicht erlaubten Verkehrs mit einem Mädchen erfolgten Versetzung sehen zu müssen und möglicherweise auf diesem Weg seine Glaubwürdigkeit angreifen zu können glaubt. Iedenfa!ls genügen bei dieser Sachlage die Angaben des Anzeigers zur Überführung des Beschuldigten nicht.

2. Nachricht von Ziff. 1
Stapoleitstelle Karlsruhe zu II B1 - 7516/40 mit Zusatz: Da der Beschuldigte dem nationalsozialistischen Staat gegenüber offensichtlich feindselig eingestellt ist, erscheint seine fortlaufende Überwachung angezeigt, um ihn gegebenenfalls mit Hilfe zuverlässigeren Zeugen als dem Anzeiger überfiihren zu können.

Unterschrift Oberstaatsanwalt