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Aus: „Badische Sagen“. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Johannes Künzig, 1925

5. Der Adelhauser Geist.

Auf dem Baldenweger Hof bei Wittental geht zu manchen Zeiten der Geist eines früheren Besitzers aus der „Sickingschen“ Zeit um. Als die Großmutter des jetzigen Besitzers, Herrn Stößer, eines Tages allein im Zimmer in ihrem Lehnstuhl saß, kam plötzlich ein Herr im schwarzen Anzug, mit Handschuhen und Zylinderhut ins Zimmer herein und blieb nach einer höflichen Verbeugung vor ihr stehen. Sie fragte ihn: “Mein Herr, was wünschen Sie?“ Es folgte keine Antwort. Sie fragte zum zweitenmal: : “Mein Herr, was wünschen Sie?“ Wieder keine Antwort. Ganz bestürzt rief sie zum drittenmal: „Um Gottes Willen, was wünschen Sie, mein Herr?“ Darauf antwortete er mit hohler Stimme: “Ich wollte nachsehen, wie es in diesem Hause geht; ich bin der Graf von Sickingen; früher war ich euer Herr.“ Die Frau fragte, ob sie mit ihm gehen solle. Der Mann aber drehte sich um und sagte: “Nein, jetzt nicht; erst wenn ich wiederkomme“ – und verschwand vor ihren Augen. Die Frau zog daraufhin vom Hof weg.
Der Geist zeigt sich übrigens nicht nur im Hause, sondern auf dem ganzen Gute, z.B. auch auf dem ehemals Sickingenschen Schloß Ebnet, ferner auf allen zum Gute gehörigen Äckern. Der Flurname dieser Felder ist „im Adelhauser“ wonach der Geist benannt ist. Er erscheint in den verschiedensten gestalten: als totes Pferd, das quer über den Weg liegt und plötzlich verschwindet; als großer Hund, welcher die Leute drohend umspringt; als Mann ohne Kopf, als Fackellicht, als feurige Reiswelle, die durch die Luft schießt, und als älterer Herr.

71. Das Irrgespenst.

Zwischen Kirchzarten, Zarten und Wittental geht besonders in der Weihnachtszeit ein Geist, das sogenannte Irrgespenst, das verspätete Wirtshaussitzer in die Irre führt und erst seine Gewalt verliert, wenn in Kirchzarten die Betglocken läuten. 

145. Der Schlangenkönig mit goldenem Ring.

In Wittental glauben manche Leute, daß die Schlangen den Kühen die Milch aussaugen. Der Schlangenkönig habe einen kostbaren goldenen Ring, den er vorher auf die Seite lege. Könne ihn ein Mensch nehmen, ohne daß es die Schlange merke, so gehöre er ihm. Bemerke es aber die Schlange, so müsse der betreffende Mensch sterben.
 

Aus: „Schwarzwald Sagen“ Gesammelt und herausgegeben von Dr. Johannes Künzig, 1930 

Das Uebelthal

In dem dritthalbstündigen Thale, welches von Burg hinauf gegen St.Märgen zieht, war vor Zeiten keine Kirche. Da hieraus für die Bewohner viel Beschwerden entstanden, so beschlossen sie, sich eine Kirche zu bauen; allein sie konnten über deren Platz nicht einig werden. Die Leute des obern Thales wollten sie dort, die des untern sie bei sich haben, und jeder Theil fällte schon Bauholz und führte es an die von ihm gewünschte Stelle. Bei einer gemeinschaftlichen Berathung schlugen einige vor, in die Mitte des Thals zu bauen, aber sie wurden von den Reichen, welche meistens an dessen Enden wohnten, überstimmt und die Versammlung trennte sich spät in der Nacht mit dem Entschlusse gar keine Kirche auszuführen. Am nächsten Morgen lag das Bauholz nicht mehr an seinen Stellen, sondern beisammen auf einem hohen Berge in der Mitte des Thales. Jeder streitende Theil hielt dies für einen Streich des andern, ohne zu bedenken, daß dieser unmöglich in einer halben Nacht das Holz hinaufschaffen konnte, zu dessen Herabbringen beide Theile zusammen einige Tage bedurften. Als sie hiermit fertig waren, kam in der folgenden Nacht all das Holz wieder auf den nämlichen Berg. Nach dem Rathe der Klostergeistlichen von St.Peter, bei denen man die Sache angezeigt, wurde nochmals das Holz ins Thal geschafft, und dabei ein Zimmergesell als Nachtwache aufgestellt. Um ja nicht einzuschlafen, fing derselbe an zu rauchen, aber trotz dessen fielen ihm die Augen zu, und als er sie wieder aufschlug, lag er, die brennende Pfeife im Munde, mit allem Bauholz auf dem Berge. Da überdies auf dem Platze ein großer Lindenbaum stand, der Tags zuvor noch nicht dagewesen, erkannte man endlich den Willen Gottes und baute dort die Kirche Maria-Linden, jedoch ohne dabei einen Geistlichen anzustellen. Wegen dieses Mangels mußte der Gottesdienst von St.Peter aus versehen werden, was so manche Unbequemlichkeit hatte, daß die Kirche nach einigen Jahren fast gar nicht mehr besucht wurde. Zur Strafe hierfür brachen drei Jahre nacheinander in dem Thale Seuchen aus, die zuerst alles Hornvieh, dann die Pferde und zuletzt die Schweine und Schafe wegrafften. Größer noch wurden die Drangsale, als man die Kirche abgebrochen und deren Geräth mit dem Gnadenbild der Muttergottes verkauft hatte. Verheerende Brände nahmen überhand, eine Menge taubstummer und krüppelhafter Kinder kam zur Welt, und ansteckende Krankheiten wütheten so heftig, daß viele Häuser gänzlich ausstarben. Wegen dieser Trübsale bekam die Gegend den Namen Uebelthal, und die meisten Bewohner zogen von da weg nach dem Dorfe Espach. Weil dieses das Gnadenbild und das Geräth von Maria-Linden für seine neue Kirche gekauft hatte, ward es auch mit Strafen heimgesucht Sieben taubstumme Kinder wurden dort in einem Jahre geboren, und viel solche Geburten kamen so lange vor, bis die Espacher, auf den Rath ihres Geistlichen, Maria-Linden wieder aufbauten und alles, was .sie daraus gekauft, dahin zurückgaben. Da hörten die Leiden Espachs und des Uebelthals mit einem Male auf, und der Name des letztern wurde nachher in ,,Jbenthal« umgeändert

Spuk und Schatz beim Bankenbrunnen

Ein armes Mädchen ans Wittenthal, welches in der Umgegend Brod zusammengebettelt hatte, ging damit nachts seiner Heimath zu. Bei dem Bankenbrunnem der unweit des Dorfes auf dem Felde hervorquillt, sah es ein Männlein mit einem Halbmaltersack zwischen den beiden Stämmen eines Zwieselbaums stehen. Dasselbe winkte ihr mehrmals, hinzukommen, indem es den Sack aufhob; allein sie hatte dazu nicht den Muth und lief zuletzt vor Angst davon. Da fuhr das Männlein, ganz feurig, am Bann: hinauf, und der Sack, der voll Geld war, versank klingend in den Boden.
Mehrere Leute aus Steurenthal sahen, spät in der Nacht, bei dem Brunnen eine unzählbare Menge Lichter. »Was ist denn das?« rief einer der Männer, der betrunken war, und im Augenblick fuhren die Lichter alle zusammen und bildeten eine riesenhafte Flamme. Zugleich entstand ein Gebrause, und es klang wie versinkendes Geld, worüber die Leute erschrocken davoneilten.
In der Nähe des Brunnens ist ein Grasplatz, um den vier uralte Eichen stehen. Daselbst scharrte eines Tags ein Schaf von der Heerde des Bankenhofs etwas Blinkendes aus der Erde. Einer der Hirtenbuben ging hin und sah, daß es mehrere alte Silbermünzen, so groß wie Kronenthaler, waren. Sogleich rief er seinem Genossen, welcher eben die Heerde zusammentrieb, zu dem Funde herzukommen; aber derselbe hielt es für Scherz und kam nicht, worauf der Bube allein im Boden suchte und so viel solche Münzen fand, daß er seinen ganzen Hut damit füllte. Voll Freude lief er zu den Leuten, die auf dem Felde des Bankenhofs arbeiteten, und zeigte ihnen das Geld, wovon jedes sich etwas zueignete. Als er dann wieder auf den Grasplatz eilte und weiter suchte, fand er nur noch einige kleine Münzen, welche voll Grünspan waren. Um denselben wegzuschaffen, ging er zum Brunnen und fing an, die Münzen zu waschen; da sah er auf einmal einen langen Mann neben sich stehen, der wie ein Jäger gekleidet war, Schuhe mit Schnallen und, auf der Brust, ein glänzendes Schild von Kupfer trug. Derselbe sagte zu ihm mit drohender Geberde: »Hättest du dich heute Morgen nicht gesegnet, so solltest du jetzt sehen, was ich mit dir anfinge!«
Hierdurch heftig erschreckt, rannte der Junge davon, und als er wieder zu den Arbeitern kam, erzählte er ihnen das Geschehene. Seine Schwester ging nun so weit mit ihm zurück, daß sie den Brunnen sehen konnten; allein sie gewahrte den Jäger nicht, welchen ihr Bruder noch dort stehen sah. Kurz darauf fiel dieser in eine mehrwochige Krankheit, worin er häufig jammerte, daß der Jäger bei ihm stehe. Nachdem er wieder genesen, mußten die Leute, auf Befehl des Pfarrers, ihm alles zurückgeben, was sie ihm von seinem Fund genommen hatten. Hierdurch erhielt er so viel Vermögen, daß er seinen Dienst aufgeben konnte. Auf dem Grasplatz ist seitdem öfters nach Geld gegraben, aber stets nur wetthloser Erzstaub gefunden worden.