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Fridrich Pfaff
Die Sage vom Ursprung der Herzoge von Zähringen


Die Sage, die weise und liebevolle Schatzbehalterin uralter Überlieferung, die dichtende Seherin verschollener Geschichte, weiß „von dem Ursprung der Hertzogen von Zeringen" zu erzählen: das die Hertzogen von Zeringen vor zeiten Köler seind gewesen, unnd haben jr Wonung gehabt in dem Gebirg‚ unnd den Welden hinder Zeringen dem Schlos, da es dan itzund stehett‚ unnd haben alda Kollen gebrent. Nun hat es sich begeben, das derselbig Köler an einem Ordt in dem Gebirg Kollen hatt gebrant, unnd hatt mit demselbigen Grund unnd Erden den Kolhauffen bedeckt, unnd den ungefert also do ausgebrant.

Da er nun die Kollen hinweg hatt gethan, hatt er an dem Boden eyn schwere geschmeltzte Matery funden, unnd das also besichtigett, do ist es gut Silber gewesen, also hatt er fürder immerdar an demselbigen Ordt Kollen gebrantt, unnd wider mit derselbigen Erden unnd Grundt bedeckt, unnd da aber Silber funden wie vor, darbey er hatt mercken können, das es des Bergs unnd des Grunts Schuldt sey‚ unnd hat solches in einer Geheim bey jm behalten, unnd damit von Tag zu Tag an demselbigen Ordt Kollen gebrandt, unnd ein grossen Schatz Silbers darmit zusammen bracht.

Nun hatt es sich in solcher Zeitt begeben das ein Künig vertriben wardt vom Reich, unnd flohe auf den Berg in Breisgaw genant der Keyserstull, mit Weib unnd mit Kindern, unnd allem sein Gesind‚ unnd leid dar gar viell Armutt mit den Seinen. Nun lies er damach ausruffen, wer der were der jm Hülff wolt thun, darmit er wieder zum Reich möcht kommen, dem wolt er ein Tochter geben, unnd jn zu einem Hertzogen machen. Da nu das der vorgenant Köler vernam, do fügte es sich, das er mit etlicher Bürde Silbers zu dem König sich fügte, unnd an jm begerett. das er sein Sonn wolt werden, unnd das er jm sein Dochter wolt geben, unnd darzu das Landt unnd die Gegene‚ do dan itzt Zeringen das Schloss unnd die Stadt Freyburg steht, so wolt er jm ein solchen Schatz von Silber geben unnd überlieffern, darmit er woll das Reich wider gewinnen unnd überkommen kund. Do nun der Künig solches verstund, verwilliget er darein unnd thett, wie er versprochen hatt‚ unnd gab dem Koler, den er zum Son. annam, die Dochter zu der Ehe, unnd die Gegene des Landts darzu, wie er das begeret hatt. Da hub der Son an, unnd lies das Ertz schmeltzen, unnd überkam gros Gut darmit, unnd bauet Zeringen unnd das Schlos, do macht jn der Römische Künig sein Schweher zu einem Hertzogen zu Zeringen‚ unnd nant jn ein Hertzogen von Zeringen, darnach bawet er die Statt Freyburg in Breisgaw, unnd andere umbliegende Stett unnd Schlösser mer, unnd da er nun also mechtig wardt‚ unnd an Gutt‚ Eher unnd Gewalt freuentlich zunam, do hub er an unnd wardt zu einem grossen Tyrannen, unnd gebott seinem eigen Koch, das er jm solt einen jungen Knaben bratten unnd zurüsten, dan er wolt versuchen wie gut das Menschen Fleisch zu essen were. Welches jme der Koch volbracht nach des Herrn Beuelch und Willen, unnd da der Knab gebraten war, unnd man jn zu Tisch bracht dem Herren, und er jn sach vor jm stehen, so fiel ein solcher grosser Schreck unnd Furcht in den Herren, das er darumb grosse Rew und Leidt umb die Sünde die er volbracht hatt, überkam, unnd lies für solche Sünde zwey Clöster bawen mit Namen das ein zu St. Ruprecht‚( Gemeint ist St. Trutpert im Münstertal, allerdings keine Zähringische Gründung.) unnd das ander zu St. Petter auf dem Schwartzwaldt, darmit das jm Gott der Herr die groß Tyranney unnd Sünd die er begangen hatt, verzeihen unnd vergeben solt, und Barmhertzigkeit erzeigen‚ darmit er nicht Pein leiden müst.
 
Dies berichtet Johann Sattler aus Weilheim unter Teck, der als Kaplan zu Freiburg 1523 gestorben ist, in seiner „Chronicke der Stadt Freyburg im Brisgaw" (S. 44). die als Anhang zu J. von Königshovens „Ältester Teutschen so wol allgemeinen als insonderheit Elsassischen und Straßburgischen Chronicke" in der Ausgabe von J. Schilter zu. Straßburg im Jahre 1698 gedruckt worden ist (P. P. Albert, "Die Geschichtsschreibung der Stadt Freiburg in ZGO. N. F. XVI, Heft 4.) Sattler schöpfte ohne Zweifel aus der Volksüberlieferung, wenigstens ist keine ältere Aufzeichnung der Köhlersage bekannt, die alle wesentlichen Züge so abgerundet als ungeschichtliche, echt volkstümliche Märchenerzählung umfasste.

Aber noch weiter lässt sich in der Sagengeschichte zurückblicken. Dem Zuge von den Untaten des Herzogs von Zähringen knüpft sich auch die Schilderung der Pein an, die er trotz seiner Klostergründungen leiden musste.

Caesarius, Prior im Zisterzienserkloster Heisterbach, der dort zu Anfang der zwanziger Jahre des dreizehnten Jahrhunderts seine älteste Sagensammlung der Rheinlande‚ den Dialogus miraculorum verfasst hat (Ausgabe von J. Strange; Coloniae, Bremae et Bruxellis 1851. Vgl. auch A. Kaufmann, Caesarius von Heisterbach. 2. Aufl. Köln 1862.) erzählt also: Vor etwa drei Jahren hörten Leute, die am Berge Gyber dahingingen, eine starke Stimme rufen: Rüste den Ofen! Nach kurzer Zeit ward dasselbe gerufen, da aber zum drittenmal gerufen ward: Rüste den großen Ofen! antwortete wer: Für wen soll ich ihn rüsten? Und darauf die erste Stimme: Unser lieber Freund, der Herzog von Ceringen, kommt hierher, der soviel uns gedient hat. Jene merkten sich Tag und Stunde und meldeten es brieflich dem König Friedrich mit der Frage, ob in seinem Reiche etwa ein Herzog von Ceringen gestorben sei. Und man erfuhr, dass zur selben Stunde Bertolf Herzog von Ceringen gestorben ist. Dieser war ein ungeheurer Tyrann und Plünderer der Edeln und Nichtedeln und Verleugner des katholischen Glaubens. Da er keine Nachkommen hatte, sammelte er durch Geiz große Reichtümer. Im Angesicht des Todes ersuchte er seine Vertrauten, alle seine Reichtümer in eine Masse zusammenzuschmelzen. Darüber befragt, antwortete er: Ich weiß, dass meine Anverwandten sich über meinen Tod freuen und meine Schätze unter sich teilen werden. Wenn diese aber in eine Masse gebracht sind, werden jene sich gegenseitig umbringen. Dies ist mir, sagt Caesarius, von zwei Äbten erzählt worden, deren einer aus dem Herzogtum Ceringia war, der andre hatte es von einem andern Abt, der die vorerwähnten Briefe vor König Friedrich hatte lesen hören.

Caesarius Werk ist ein Dialogus, ein Zwiegespräch zwischen einem Mönche und einem Novizen. So fragt denn auch hier der Novize: Was ist von diesen Bergen, dem Vulcan, dem Aethna und dem Berge Gyber zu halten? Wenn Seelen hineingesandt werden, ist dort das Fegfeuer oder die Hölle? Und der Mönch belehrt: Man sagt, es sei der Schlund der Hölle, weil keiner der Erwählten, sondern nur die Verworfenen hineingesandt werden, wie zu lesen ist im Zwiegespräch von Theoderich, dem König der Gothen. Die Hölle soll im Herzen der Erde sein, damit die Bösen das Licht des Himmels nicht sehen (Caes. dial. mir. Ed. Strange II, 325.)

An andrer Stelle erzählt Caesarius zum Jahre 1206, man habe als großes Zeichen die Sonne in drei Teile getrennt gesehen, das bedeute drei Könige. An andern Orten habe man gar fünf Teile gesehen, das bedeute zu den drei Königen Friedrich, Philipp und Otto noch die Herzoge Bernhard von Sachsen und Bertolf von Zeringen, die sich um die Kaiserwürde beide so sehr bemühten.

Mit diesen Erzählungen ist das Bild der Zähringer in der Sage nicht völlig durchgeführt. Noch manche einzelne Züge lassen sich hinzufügen. Allein sie sind für unsre Untersuchung nicht wesentlich, auch wird gelegentlich von ihnen die Rede sein müssen. Auch das Mitgeteilte ist nicht durchaus reine Sage‚ nur dass gewisse Züge verschärft, kräftiger gefärbt erscheinen, ergibt sich aus der Geschichte, an welche die Sage anknüpft.

Die Köhlersage hat sich - um ein altes aber doch schönes und zutreffendes Bild zu gebrauchen - dem wilden Geranke des Efeus oder der Zaunrübe oder des Immergrüns gleich üppig wuchernd angeklammert an die im Buchwald der Vorhöhen des Schwarzwalds versteckten Trümmer der Burg Zähringen. So bedeutend die geschichtliche Erscheinung jenes Herrengeschlechts ist, das sich nach dieser Burg nannte, so unbedeutend ist die Burg selbst und ihre eigne Geschichte. Aber ihre Lage und Geschichte sind von Bedeutung für die Erklärung der Köhlersage, die in ihrer phantastischen Märchenart uns wunderbar anmutet.

Vom riesigen Kandelgebirgsstock herab gen Süden und Westen zieht sich eine steile Bergreihe, die durch das tiefeinschneidende Glottertal im Norden von ihrem Vatergebirge losgerissen und südlich durch das Dreisamtal mit seinen Ausläufern begrenzt ist. Sie gipfelt im Flaunser, Hornbühl und Rosskopf. Von beiden Seiten und auch von Westen, wo sie sich gegen die Rheinebene ausbreitet, greifen tiefe Täler in ihre Flanken. So trennt das Immental den Freiburger Schlossberg mit seiner Burghalde und ebenso Reutebach und Wildtal den Ulberg mit seiner Vorhöhe, dem Zähringer Burgberg, vom Gebirgsstock. Nur wenige Burgen erhoben sich im Mittelalter an den Abhängen dieser Bergkette. Wenn man von der uralten, seitab liegenden Wisneck absieht, nur Falkenbühl am Ausgang des Wittentals, das Freiburger Schloss auf der Burghalde und Zähringen. Wie die Burghalde, sogar noch mehr war der Zähringer Burgberg zur Befestigung geeignet. Ein kleiner steiler Gipfel, der oben nur geringen Flächenraum bietet, und gegen Süden, wo er sich zum Sattel des Ulbergs sanfter herabsenkt, leicht durch einen Halsgraben zu schützen war, erhebt er sich zu einer Meereshöhe von 480 m, über der Ebene doch noch.240 m hoch. Mit ihrem nicht besonders hohen Turm schaut die Burg in die nächsten Tälchen und über die ganze weite Ebene der Freiburger Bucht, auf den Kaiserstuhl und die Vogesen. Als Burgberg ist die Höhe, trotzdem hohe Baume namentlich gegen Norden den Turm verhüllen, leicht zu erkennen.

Die Reste dieser kleinen, echt mittelalterlichen, noch nicht den gesteigerten Bedürfnissen der durch die Kreuzzüge geförderten Kultur entsprechenden Burg sind oft - mit mehr oder weniger Phantasie - beschrieben und abgebildet worden. Nach Norden, also gegen den überhöhenden, aber doch für alte Angriflsmittel weit genug abliegenden Ulberg schützte sie ein tiefen in den Urgesteinfels gehauener Graben und eine starke aus leidlich regelmäßigen Schichten dort gebrochener und roh vierkantig behauener Steine erbaute Mauer, hinter der sich freistehend der unbedeutende Bruchsteinturm erhebt, den Unkundige als Römerwerk angesprochen haben. Ältere Abbildungen freilich, wie die in J. D. Schöpflins Historia Zaringo-Badensis (1763) und die vorgeblich aus dem Jahre 1500 stammende in dem vom oberrheinischen Architekten- und Ingenieurverein herausgegebenen Werke „Freiburg im Breisgau und seine Bauten" (1898, S.26) mitgeteilte, lassen scheinbar regelmäßig geschichtetes Quadermauerwerk erkennen, aber mit Unrecht. Der Turm hatte bei seinem geringen Durchmesser von 5-6 m an der Erde und seinen dicken Mauern nur geringen Lichtraum. Neben schmalen Lichtschlitzen hatte er größere Fensteröffnungen nur nach dem Burghof zu. Betreten ward er durch eine mehrere Meter über dem Boden liegende Türöffnung. die heute über eine angebaute Treppe, In früherer Zelt aber wohl nur mittelst hölzerner Leiter zugänglich war (Den alten Zustand zeigt das Bild bei Schöpflin, Hist. Zar.‚ Bd. I.). Schon vor 16 Jahren habe ich mich über das Alter der erkennbaren Baureste der Burg ausgesprochen (Breisgauer Zeitung vom 22. Juni 1890, Nr. 143, 2. Blatt.). Ich habe darauf hingewiesen, dass die regelmäßigen Steinschichten der Schildmauer „mit dem am Orte nur vorhandenen mangelhaften Baustoffe die Technik des entwickelten kunstmäßigen Quaderbaus nachzuahmen scheinen" und damit auf das 12. Jahrhundert deuten. Ferner habe ich daran erinnert, dass die damals unbefestigte Burg um 1278 durch Graf Egeno III. von Freiburg und die Freiburger zerstört, aber auf Befehl Rudolfs von Habsburg 1281 wieder aufgebaut worden ist, dass es ein selbstverständlicher Brauch jener Zeit war, den Turm, das Hauptwerk der Burg, niederzulegen, während zur Zeit der Feuergeschütze der fast bedeutungslos gewordene enge, zur Aufstellung von Geschützen meist unbrauchbare Turm bei einer Zerstörung der Burg eher erhalten blieb. Wir haben also bei Zähringen offenbar einen neuen Turm aus den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts, als der Quaderbau schon nachließ, vor uns, während die Schildmauer am südlichen Grabenrand älter ist. Sicherere Zeitbestimmungen lassen sich weder aus Urkunden noch aus den Mauerresten selbst gewinnen. Nach Norden erstreckte sich ein Vorwerk, das durch einen besonderen Graben geschützt war, und auch nach Nordwesten scheint ein solches vorgebaut gewesen zu sein. Nur eine Durchgrabung des Bodens würde Sicheres über die Mauerzüge ergeben (Ohne Wert ist Abbildung und Grundriss in J. Leichtllns (Lampadius) Beiträgen zur Vaterlandsgeschichte. Heidelberg 1811).

Endgültig zerstört ward die Burg im Dreißigjährigen Krieg. Seitdem liegt sie wüst, diente den Umwohnern als Steinbruch und ward von Schatzgräbern durchwühlt. Im Zähringer Berau des Klosters St.Märgen aus den Jahren 1615-1728 (Im General-Landesarchiv zu Karlsruhe, Berainsammlung, 10 106) findet sich die Bemerkung, dass 1716 Romanus Berau, Fridlin Schlegels Tochtermann „am Schatzgraben gestorben sei, „sine crux et sine lux". So ist allmählich diesem Krieg im Frieden gelungen was kein Feind vermochte: außer dem Turm und den wenigen Schildmauerresten ist die ganze Burg über dem Erdboden verschwunden. Die Herrschaft zog in ein neueres Schlösslein unten im Dorf, das von einem Schlossmaier verwaltet ward und das auf dem Bilde „Zaringiae castri situs“ bei Schöpflin links unter der Burg zu sehen ist. Zuletzt gehörte die Burg dem Kloster St.Peter auf dem Schwarzwald, jener alten Gründung der Zähringer. 1806 ward sie badisch und kehrte so wieder zurück in den Besitz ihrer ursprünglichen Stammherren.

Der ganze Berg und besonders der Burghof ist von hohen Buchen überschattet. Efeu und Immergrün decken ringsum den Boden. Hohe blaue Glockenblumen und duftende weiße Orchideen blühen hier zur Sommerszeit. Es ist eine liebliche Stätte.

Das Dorf Zähringen ist älter als die Burg. Es erscheint bereits 1008 als Zaringen. (Zum Folgenden vgl. A. Krieger, Topogr. Wörterbuch des Grht. Baden. 2. Aufl. II, 1527) Sein später auf die Burg übertragener Name weist auf eine alte ländliche Ansiedlung hin, denn er bedeutet „bei den Angehörigen des Zaro“. Offenbar liegt derselbe vordeutsche Personenname zugrunde wie in Zarten = Taro-dunon‚ „Burg des Taros“ (A. Holder, Altcelt. Sprachschatz II, 1736) Der Jesuit Erasmus Frölich hat es scheints auf dem Gewissen, dass spätere Forscher Zähringen von Carinthia ableiten wollten, da er in seinem Specimen Archontologiae Carinthiae sagt: (Pars II, Vindob. 1758, S. 24) Bertholdum . . . qui subinde spe Ducatus Sueviae evanescente, anno MLX Dux Carinthiae renunciatus fuit, quemque vulgo Zaeringensem, sen de Zaeringen‚ vel Zaringen, antiqui Chronologi appellant (Mone, ZGO. X (1859) S. 487: Die Namen Zaringia, Ceringla sind nur die gezischte schwäbische Aussprache von Carinthia. Archiv J. Ch. Sachs, Einleit. in die Gesch. der Marggravschaft Baden. I. Carlsr. 1764, S. 11, und Ch. L. Fecht, Gesch. der Großh. Bad. Landschaften III. Carlsr. 1818, S. 11: „sehr wahrscheinlich von Zarch, Mauer". Gemeint ist mhd. zarge = Mauer, Umwallung. Auch diese Deutung ist grundlos.)

Die Burg liegt nicht im Banne des Dorfs Zähringen, sondern in der Gemarkung Wildtal. 1327 verkauften sie mit dem Dorf und Wülptal (Wildtal) Graf Konrad von Freiburg und Friedrich, sein Sohn, an Ritter Sneweli Bemlap, Schultheißen von Freiburg. 1536 verkaufte Claude Böcklin von Böcklinsow und Magdalena geborne zum Wyger (also auch eine Sneweli) dem Christof (Sneweli) von Landeck das Dorf Zähringen. Damals waren also schon Burg und Dorf Zähringen in Händen verschiedener Linien der Snewelin. Davon zeugen die beiden alten Grenzsteine vom Jahre 1572 an der Wildtaler Grenze unterhalb der Burg gegen Dorf Zähringen zu, auf deren der Burg zugewandter Seite über dem Snewelischen Wappen eingegraben steht „Polschwiler“, auf der dem Dorfe zugekehrten Fläche aber „Landeck“.( Das Stammgut der Linie Bernlap der Snewelin war Bollschweil bei Staufen, das der andern Linie die Burg Landeck bei Emmendingen. Vgl. meine Schrift „Die Schneeburgen im Breisgau und die Snewelin von Freiburg". Freiburg i. B. 1904, auch Alemannia N.T. V, 299-316.)

Die wesentlichen Züge der Köhlersage sind: Stammesvater der Herzoge von Zähringen war ein Köhler. Dieser sammelt Reichtümer aus dem Silber des Bergs bei der späteren Burg. Er bringt damit einem vertriebenen König auf dem Kaiserstuhl Hilfe. Er wird von diesem zum Eidam erkoren und zum Herzog ernannt. Als Fürst wird er übermütig, verspürt sogar Gelüste nach Knabenfleisch. Bereuend baut er Klöster. Die klösterliche Überlieferung bei Caesarius setzt hinzu: er endet in der ewigen Glut des Feuerbergs.

Die ganze Einkleidung dieser Erzählung ist durchaus märchenhaft, durchaus volkstümlich. Das Volk sieht eine Tat ausgleichender Gerechtigkeit darin, dass Niedriggeborne zu hohen Ehren kommen. Das geschieht hie und da in der Welt, wird aber noch mehr ersehnt und erwünscht: deshalb wimmeln unsre Märchen und Sagen von hochstrebenden‚ edelmütigen, tapfern Helden aus dem Volke. Arme, niedriggeborne, aber kluge und vor allem rechtschaffne Menschen, Knechte, Hirten, Schäfer, Soldaten sehen wir zu hohen Ehren kommen, ja Fürsten, Könige und Kaiser werden. Der Belege bedarfs nicht, jedes deutsche Kind, das seine Märchenbücher gelesen hat, kennt sie. Wie die Hohenlohe von einem armen Wagner (J. G. Th. Grässe, Geschlechter-, Namens- und Wappensagen des Adels deutscher Nation. 1876.) die Württemberger von einem „Wirt am Berg“ (E. Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben II. 1852, 381.) stammen sollen, so die Zähringer von einem armen Köhler.

Den Berufsarten, die noch in unmittelbarer, ursprünglicher und unverfeinerter Beziehung zur Natur stehen, ist noch heute der Ruf geheimes Wissens und alter Weisheit eigen. So gelten die Schäfer noch in unsern Tagen als zauberkundig und sie sind - das kann ich aus eignet Erfahrung bezeugen - wirklich oft nachdenkliche Leute. Sie beobachten Wind und Wetter und den Lauf der Gestirne, sie hören, wenn sonst alles schläft, in ihrer einsamen Hütte die Stimmen der Nacht und wissen so viel, das andern verborgen bleibt. Sie sind heilkundig, wie die Schmiede. welche die spröde Gabe der Erde, das Eisen, kunstvoll bearbeiten. Ähnlich die in der Volksüberlieferung wenig beliebten Jäger und in älterer Zeit die Venediger oder Walen, die mit dem Bergspiegel die Schätze der Erde suchten (A. Wuttke, Der deutsche Volksaberglanbe der Gegenwart. 3. Bearb. v. E. H. Meyer. 1900, 206, S. 147ff.) Aber auch die Köhler gelten als kluge Leute. Sie sind genügsam und arbeitsam: das Sprichwort sagt „Kohlen sind des Köhlers Reichtum“, das will bedeuten, jene bleiben bei allem Fleiße arm. Aber es sagt auch „der Kohlenbrenner ist Herr in seinem Haus". Der Köhler lebt draußen im wilden Wald in seiner selbstgebauten Hütte, die das altertümlichste und ursprünglichste als Wohnstätte darbietet, das wir kennen: eine der Urformen menschlicher Wohnung. Diese arme Hütte macht ihm niemand streitig. Dort baut und hütet er kunstvoll seinen Meiler (L. v. Hörmann, Tiroler Volkstypen. 1877, S. 140ff.) „Des Kolers Glaub ist der best Glaub“, den kann selbst der listige Teufel nicht überwinden. (Wander, Sprichwörterlexikon II, 1460.) Noch heute versteht man unter „Köhlerglaube“ den unerschütterlichen Glauben an übernatürliche, mit dem Verstand nicht zu ergründende Dinge. Wie die Harzer und Aschenbrenner standen sie vielfach auch nicht im besten Ruf. Aber das Märchen rühmt sie doch als gastfrei und klug, wie jenen Köhler, der den Königssohn auf der Jagd bewirtete, dann die große Rübe baute, als seltnes Prachtstück dem jungen König brachte und dafür reich beschenkt von dannen zog. Nicht umsonst ist es die kluge Kohlenbrennerstochter, die im Lobenfelder Märchen, das ich aufzeichnete, durch ihre Klugheit Königin wird (Festschrift für K. Weinhold. Straßburg 1896, S.71.)

Von alters her werden im Schwarzwald Kohlen gebrannt. Die Köhlerei ging Hand in Hand mit dem Bergwerk und der Glashütte. (E. Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwalds I, 1892, S. 666.) Noch heute dampfen an manchen abgelegenen Orten die Meiler, so im Tale St.Wilhelm am Feldberg. Nachdem die Bergwerke eingegangen, sind aber auch im allgemeinen die Köhler verschwunden. Aber ihre Spuren finden wir sowohl auf der Karte in Flurnamen wie Kohlplatz‚ Kohlplatte, Kohlberg, und oft trifft man im Gebirg auf rundliche ebene Stellen mit schwarzer Erde: die Stätten ehemaliger Meiler. Auch am Zähringer Schloss habe ich sie gefunden.

Wenn also einesteils die Sage anknüpfte an die beliebte Überlieferung vom armen Arbeiter, der durch Klugheit zu fürstlichen Ehren aufstieg, so hatte sie auch noch die tatsächliche Grundlage, dass das Köhlerhandwerk in ihrem Gelände wirklich ehedem geübt worden war.

Etwas Besonderes sind auch die Kohlen, jener scheinbar so geringwertige Stoff, denn Kohlen werden zu wertvollem Metall, zu Gold und Silber. Schätze sieht, wer es versteht, als glühende Kohlen. (Belege häufig, z. B. B, Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden. 1851, 34, 419, 474, 475. - Grimm, Deutsche Sagen I, 163. - Wuttke, Volksaberglaube, 638) So ist es demnach im Volksglauben kein allzugroßes Wunder, wenn der Köhler der Sage beim Abraumen seines Meilers Silber findet. Aber es scheint damit doch auf natürlichem Wege zuzugehen, denn wie die Sage es darstellt, war das Silber im Gesteine vorhanden und ward nur durch die Glut des Meilers ausgeschmolzen und so von dem Köhler entdeckt. Von dem Silber im Berge wissen Geschichte und Sage des Schwarzwalds, und besonders des Breisgaus, unendlich viel zu erzählen. Wer das Freiburger Münster betritt, dessen Kunstschätze die Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung in eigenartiger, höchst anziehender Weise widerspiegeln, dem fallen sicher die merkwürdigen Glasfenster im südlichen und nördlichen Seitenschiff auf, die in ihren untern Feldern die Bergleute vor Ort, im Stollen bei ihrer Arbeit darstellen und die laut ihren Inschriften gewidmet sind von Bergleuten der Gruben Nellinsfrond, Dieselmut und Schauinsland. Sie reden zu uns und versichern uns, dass der Bergbau in dieser Landschaft von Bedeutung gewesen sein muss. Und die alten Siegel der Städte Sulzburg und Todtnau führen uns durch ihre Bilder gleichfalls auf den Bergbau hin. Und unzählig sind die Flurnamen, die vom Silber erzählen, wie Silbergrüble, Silberberg, Silbertal, Silberbrunnen, und vom Bergwerk überhaupt wie Stollen, Grube, Poche, Stampfe.

Im Schwarzwald ist der Bergbau uralt. Nicht unwahrscheinlich, dass er aus keltisch-römischer Zeit stammt und sich von da aus ununterbrochen weiterentwickelt hat. Auf Eisen ward gebaut im südlichen Schwarzwald zwischen Basel und Schaffhausen, auf Blei und Silber an den südwestlichen Abhängen des Gebirgs in den Seitentälern der Rheinebene von der Kander bis zur Schutter. Hauptsitze des Bergbaus waren Sulzburg - die älteste Klostergründung der Zähringer - und Badenweiler, das Münstertal bei Staufen, Birchberg bei St. Ulrich, Todtnau, Kirchzarten und Hofsgrund, das Glotter- und Suggental. An all diesen Orten waren die Zähringer mehr oder minder berechtigt. Es werden für den ganzen Schwarzwald zwei Hauptzüge der Erzgänge unterschieden, zuerst der Schindlerzug, der am Wiesental bei Hofen und Kirchhausen beginnt und sich von dort nördlich über Wies, Heubronn‚ den Belchen, Schindler im Untermünstertal‚ St.Ulrich zum Bromberg bei Freiburg, durch den Schlossberg über Herdern, zum Karlsstollen bei Zähringen und Friedrichsstollen im Wildtal, nach Suggental, Eberbächle bei Sexau, Reichenbach, ins Schuttertal, nach Prinzbach am Kinzigtal, Nordrach, Bad Sulzbach, ins Bühlertal, bis nach Neuweier bei Steinbach erstreckt. Dann der Bernharderzug, dieser beginnt bei Görwilil am untern Albtal, zieht über St.Blasien zum Silberberg bei Hinterzarten, Hornberg, Hausach mit den Gruben Bemhard und Gabriel, Riersbach bei Oberharrnersbach‚ Peterstal‚ Antogast bis Nordwasser bei Oppenau. Die südliche Gangspalte ist mit Erzen erfüllt, die nordliche bietet eine ganze Reihe von Heilquellen. Um den Kandel scharen sich die Erzgänge von Zähringen und Wildtal, Glotter- und Suggental, Dettenbach, Alpersbach, Siensbach, Kregelbach, Bleibach und Dürrenberg. (G. Leonhard, Zur Geschichte des Bergbaus in Baden, in dessen Beitr. z. min. u. geol. Kenntnis des Ght. Baden. III, 1854, S. 97-131; auch Steinmann u. Graeff, Geol. Führer der Umgeb. v. Freiburg, 1890, S. 117) Silberhaltiger Bleiglanz ist das Hauptmineral all dieser Gruben. Diese wertvollen Erze waren für die Gegend von höchster Bedeutung. Durch sie ist das Land auch in seinen abgelegeneren Tälern besiedelt worden, auf ihnen beruht der Reichtum und damit großenteils auch die Macht der Herrengeschlechter und die damit aufblühende Kultur.

Bergrecht und Wildbann gehörten ursprünglich dem König allein. Besonders war das Bergrecht altes Königsrecht. Die urkundliche Geschichte des Bergbaus im Schwarzwald beginnt mit der Verleihung „einiger Silberadern und Gruben in der Grafschaft Bertholds, im Gau Breisgau durch König Konrad II. an das Bistum Basel im Jahre 1028.“ Es ist möglich, dass der damalige Baseler Bischof Adalbert zum Geschlecht der Zähringer gehörte. Selbst ausgeübt hat das Bistum Basel, zu dessen Hof eine glänzende Reihe der alten Edelgeschlechter des Oberrheins gehörte, den Bergbau niemals. Zudem waren die Verhältnisse unklar, denn die Zähringischen Grafen und Herzoge hatten selbst das Bergrecht im Breisgau. Noch 1284 heißt eine Silbergrube im Suggental „des Herzogen Berg“. Offenbar hatten die alemannischen Herzoge von alters her zu Münzzwecken Silber gegraben. Die Grenzen der königlichen und der landesherrlichen Rechte waren verwischt. Solange die mächtigen Zähringer herrschten, bestritt niemand ihr Recht. Es ist mehr als zweifelhaft, ob sie ihr Bergrecht von Basel zu Lehen genommen haben. Aber ihre Stammes- und Gebietserben, die Markgrafen von Baden und die Uracher Grafen von Freiburg gerieten über das Bergrecht im Breisgau in Streit, der vor König Heinrich, dem Sohne Friedrichs II.‚ in Frankfurt am Main im Jahre 1234 ausgetragen ward. Da aber ereignete es sich‚ dass der Bischof von Basel plötzlich aufstand und durch ausreichendes Zeugnis die königliche Belehnung der Baseler Kirche mit den streitigen Silbergruben im Breisgau nachwies. Auch der Wildbann ward Basel zugesprochen. Beides übertrug der Bischof dann auf die Freiburger Grafen. Erst 1387 erhielten die Markgrafen Anteil daran. (Zu diesen gedrängten Ausführungen ist vor allem E. Heycks Geschichte der Herzoge von Zähringen, 1891, zu vergleichen. Dann J. B. Trenkle, Gesch. des Bergbaus im südwestl. Schwarzwalde. SA. aus Zs. f. Bergrecht, 1870, und desselben Gesch. der Schwarzwälder Industrie. Ferner E. Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes, I, 1892.)

Wir sehen aus all diesem, was der Silberbau im Breisgau bedeutete. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass dieser Bergsegen eine Hauptquelle der Zähringischen Macht war. Noch sind die Gruben um die Zähringer Burg mit ihren Geröllhalden zu erkennen. Wie am Schauinsland hat man in unsrer Zeit beim Hasengartenhof am Nordabhang des Zähringer Schlossbergs wieder Versuche gemacht den alten Bergbau aufzunehmen, doch mit wenig Erfolg. Die Erzgänge mit hohem Silbergehalt scheinen erschöpft zu sein. Aber die Sage hält ihre Bedeutung fest. Sie lässt den Köhler durch das Silber des Bergs bei Zähringen reich, eines Kaisers Eidam und selbst Herzog werden. Sie weiß aber noch mehr von den Silberschätzen der Zähringer zu erzählen.

„Als die Herzoge von Zähringen das Freiburger Münster zu bauen begannen, fanden sie in ihrem Burgberge eine reiche Goldgrube, deren Ausbeute ihnen die großen Baukosten bestreiten half. Kaum war der Bau vollendet, so verschwand die Grube. Um sie wieder aufzufinden, ließ ein späterer Burgherr durch seine Bergleute große Grabungen vornehmen, wobei sie an ein unterirdisches Gewölbe kamen, in dem eine brennende Ampel auf dem Tische stand. An diesem sass eine schneeweiße Frau mit einem Bund Schlüssel in der Hand, welche den Eindringenden zurief: ‚Entfernt euch augenblicklich und lasset euer unnützes Suchen, denn das Gold wird niemals wieder gefunden.‘ Voll Schrecken eilten die Bergleute davon, und seitdem hat niemand mehr gewagt, die Grube aufzumachen.“ (B. Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden, 1851, Nr. 63.)

Die weiße Frau mit dem Schlüsselbunde spukt wie an vielen Orten, so auch am Schlossberg zu Freiburg (H. Schreiber, Die Volkssagen der Stadt Freiburg i. Br. 1867, 27.) auf Hochberg, Neuenfels, am Rotenhof bei Staufen. (Baader a. a. O. Nr. 67, 36. Neu gesammelte Volkmagen, 1859. Nr.34) Sie ist jenes alte göttliche Wesen. das unsre Vorfahren als Holda, Berchta oder in späterer gelehrter Umdeutung als Frau Venus verehrten und scheuten. Sie haust im Berge, ist die Hüterin der Metalle und bringt dem Menschen, der sie sieht, wie jedes heidnische Götterwesen nach alter Überlieferung Verderben.
Ähnlich ist eine Sage aus dem nahen Münstertal. Dort war vorzeiten eine Grube, welche große Ausbeute an gewachsenem Silber lieferte. Durch diesen Reichtum wurden die Bergleute so übermütig, dass sie einem lebenden Ochsen die Haut abzogen. Zur Strafe dafür ward die Grube unsichtbar, Worauf die Bergleute allmählich in Armut gerieten. (Baader, Volkssagen 38.) Auch der Zug des Übermuts kehrt bekanntlich bei den Zähringern wieder.

Die Köhlersage erzählt mit offenkundiger Beziehung auf den Namen des westlich von Freiburg in ganz auffallender und eigentümlicher Lage aus der Rheinebene sich erhebenden Gebirgsstocks Kaiserstuhl, dass dort ein König im Elend, in der Verbannung sich aufgehalten habe. Es ist wieder sonderbar, dass der Name Kaiserstuhl für dies Gebirge erst aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts urkundlich belegt ist. (ZGO. LX, N. F. XXI, 1906, S. 204.) In Ortsnamen kommt das Wort Stuhl nicht oft vor. Wir kennen das schweizerische Kaiserstuhl, Landstuhl (Nanstuhl) und Hauptstuhl in der Pfalz, den Berg Königstuhl bei Heidelberg, den Brunoldisstuhl bei Bad Dürkheim a. H., dann Stühlingen in Baden, Stulfelden im Oberpinzgau und noch einige Beispiele. Öfter aber erscheinen mit Kaiser oder König zusammengesetzte Ortsnamen. Man pflegt den Namen Kaiserstuhl gewöhnlich ganz wörtlich auszulegen „Stuhl des Kaisers“ und denkt dabei gern an eine kaiserliche Gerichtsstätte. Doch fehlt es an Nachweisen dafür. Wohl bedeutet Stuhl in der alten Sprache auch Thron, Gerichtsstuhl, doch wird es wohl in Ortsnamen mit den als Grundwörter oft zu findenden mhd. satz‚ sez und sedel = Wohnsitz (Vgl. Nausess in Hessen, Neusatz, Hünersedel, Buggensegel (für -sedel) in Baden.) zusammenzuhalten sein. Es ist nicht ausgemacht, ob der Name Kaiserstuhl ursprünglich für das ganze heute so genannte Gebirge gegolten hat. Vielleicht galt er zunächst nur für die höchste Erhebung, den Totenkopf (Neunlinden), und ist später auf den ganzen Gebirgsstock ausgedehnt worden. Am Kaiserstuhl war viel altes Königsgut‚ das wohl Ursache gewesen sein kann, ihn ganz oder zum Teil als Sitz, Landgut des Kaisers anzusprechen.

In der Köhlersage liegt offenbar das Bestreben vor den Namen des Gebirgs in Verbindung mit dem vertriebenen König zu bringen. König oder Kaiser, das war ziemlich dasselbe in der Vorstellung des Volks. Man könnte annehmen‚ dass der ganze Zug vom vertriebenen König erst durch den Gebirgsnamen hervorgerufen sei. Ähnliche Namensagen sind ja nicht selten. Aber vielleicht wird doch eine andre Überlieferung zugrunde liegen. Heinrich Schreiber bemüht sich die Sage auf Otto I. zu deuten, der 938 durch die Aufstände der Herzöge von Bayern, Franken und Lothringen, seines Bruders Heinrichs und Halbbruders Thankmar bedrängt war und Breisach belagerte. (Gesch. der Stadt Freiburg, I, 1857, S. 20.) Doch ist es wohl vergeblich, nach bestimmten Ereignissen am Kaiserstuhl auszuschauen. Zunächst fragt es sich ja, welche Zeit und welcher Herzog von Zähringen in der Sage gemeint sein kann.

Der erste „Herzog von Zähringen" war Bertold II.‚ Bertolds I. jüngster Sohn. Bertold I. war Herzog von Kärnten gewesen, ohne das Land je besessen zu haben. Den Titel eines Markgrafen der von Kärnten abhängigen Mark Verona erhielt sein ältester Sohn Herrmann I.‚ der Stammvater der Markgrafen von Baden, unsres Fürstenhauses. Bei Bertolds I. Tode war Markgraf Hermann bereits Mönch in Cluny, wo er 1074 jung starb. Da auch Bertolds I. zweiter Sohn Gebhard geistlich - 1084 Bischof von Konstanz - war, hatte er Bertold II. zum Nachfolger in der Markgrafenwürde und zu seinem Erben ernannt. Hermanns I. junger Sohn kam nicht in Betracht. Herzog Bertold II. wandte sich 1079 dem Breisgau zu, das er sich durch Eroberung der Pforte an der Wagensteige, der Burg Wisneck, unterwarf. 1092 ward er Herzog von Schwaben. musste aber schon 1098 diese Würde an Friedrich I. von Staufen abtreten. Er behielt den doppelten Herzogstitel und nannte sich fortan nach einer seiner Burgen im Breisgau „von Zähringen“. Erst 1100 erscheint er urkundlich als Dux de Zeringen. Ein Herzogtum Zähringen hat es niemals gegeben. Ob Bertold II. die Burg Zähringen zur Stütze seiner Herrschaft im Breisgau erbaut oder ob sie als „der alte Sitz seiner breisgauentstammten Ahnen“ (Heyck, Gesch. der Herzoge, 187.) schon vorher bestanden hat, steht dahin. Zur Zeit der Gründung des Klosters St.Peter 1093 bestand schon ein Dienstrnannengeschlecht, das sich nach der Burg nannte. (Freiburger Diözesanarchiv XIV, 70.)
 
Mag nun die Sage den ersten Herzog des Zähringerstamms Bertold I. oder Konrad, den Gründer Freiburgs im Breisgau, oder Bertold IV.‚ den Gründer von Freiburg im Üchtland, oder Bertold V.‚ den Gründer Berns, meinen, von dem verbannten König auf dem Kaiserstuhl findet sich keine Nachricht in deren Geschichte. Die Sage ist keine Geschichte, sie sind ungleiche Schwestern, ungleich im Denken, aber doch gleich im Ziel. Mit zeitlichen Möglichkeiten rechnet die Sage nicht. Dem Volke, dem Träger, dem Dichter der Sage, ist es gleichgiltig, ob eine Geschichte von Karl dem Großen, vom alten Fritz, von Napoleon oder vom Kaiser Wilhelm erzählt wird. Sie hat hier offenbar die zeitlich so weit zurückliegenden Gestalten der alten Herzoge von  Zähringen, die ja auch in der Geschichte nur etwa 200 Jahre ausfüllen, in einen hervorragenden Träger ihrer Eigenschaften verschmolzen. Und da überwog gerade der letzte der alten Herzoge durch den Glanz und die Kraft seiner Persönlichkeit und seiner Lebensumstände. Man könnte auch den verbannten König in Otto IV.‚ dem Braunschweiger, sehen, der 1212 in Breisach war, von Bertold geduldet, wenn auch nicht begünstigt, bis der Zähringer sich für Friedrich II. von Staufen entschied. Doch das will wenig bedeuten gegenüber andern Beziehungen Bertolds V.‚ die für die Sage von größerem, tieferem Werte sind.

Johann Sattler, der Freiburger Geschichtschreiber‚ erzählt in seiner Chronik (S. 21) von Berns Erbauung so; „Als man zalt von der Geburt unsers Herren Jesu Christi 1191 Jar, da fügt es sich auff ein Zeitt‚ das Hertzog Berchtold von Zeringen jagt in Ichtlandt‚ an einem Ortt gar dick von Wald. unnd umgeben mit schiffreichem Wasser, genant die Are, gar vast lustig zu menschlicher Wonung‚ ahm welchen Ortt gemelter Herr Hertzog fing eines grossen Beren Mutter oder eine Berin‚ unnd als im nach seinem Fürnemmen dunckt, es wer ein lustig Ortt zu einer Stadt, da fing er ahn unnd lies zu Handt den Walt abhawen, mit solchem Sprichwort: Holtz laß dich abhawen gern, dann diese Stadt wirdt heissen Bern . . . . und besatzt dieselbig Stadt mit viel ehrenvesten dapferen, weidlichen unnd künen Mannen von Burgern von Freyburg aus dem Breisgaw . . . ., von welchen sie viel küner unnd dapferer Sün, wie die Bern zu ziehen gewunnen.“

Auf diese Weise ist also die Gründung Berns durch Bertold V. von Zähringen sagenhaft und dichterisch umgestaltet. Auf die, seltsame Namensage, den kindlichen Versuch, den Namen der Stadt durch eine hübsche Geschichte von den Bären volksetymologisch zu deuten, brauche ich nicht näher einzugehen. Ein Blick in jede Sagensammlung zeigt eine Fülle solcher Namensagen. Bemerkenswert ist immerhin, dass die Stadt Bern durch die Haltung von Bären noch heute ihre Namensage pflegt. Ich will nur noch daran erinnern, dass auf dieselbe Weise die Stadt Berlin zu ihrem Bärenwappen gekommen ist.

Aber warum redet in der Sage Herzog Bertold mit dem Reimspruche:
Holz, lass dich abbauen gern:
denn diese Stadt wird heißen Bern!
so nachdrücklich den Wald an? Dass die neue Stadt gerade „Bern“ heißen soll. muss eine besondere Bedeutung haben. Schwerlich genügt es daran zu erinnern, dass Bern die deutsche Form des Namens Verona ist und dass der Zähringerstamm von der Mark Verona seine Markgrafenwürde herleitet. Verona, das Bern der altdeutschen Sage, ist in alter Zeit besonders berühmt gewesen als die Stadt des Gotenkönigs Theodorich, Dietrichs von Bern. Dietrich war die volkstümlichste aller Heldengestalten im deutschen Mittelalter. Schon im 10. Jahrhundert nennt die Quedlinburger Chronik Thideric de Beme‚ de quo cantabant rustici olim - von dem einst die Bauern sangen. Und noch im 16. Jahrhundert wird von ihm gesagt: „Vnser I.eut singen vnd sagen noch viel von jm, man findet nit bald ein alten König, der dem gemeinen Mann bey vns so bekannt sey, von dem sie so viel wissen zu sagen.“ (O. L. Jiriczek, Deutsche Heldensagen I, 1898, S.183.) Und besonders am Oberrhein war die Dietrichsage lebendig. Hier spielte ja in der alten festen Stadt Breisach, wo Bertolds mächtiger Burgtunn stand, die mit Dietrich von Bern aufs engste verbundene Harlungensage. (F. Panzer, Deutsche Heldensage im Breisgau. Neujahrsbl. der Bad. Hist. Kommission, N. F. 7, 1904;) Durch den ältesten sagenhaften Markgrafen von Hachberg, Hacho‚ werden die Zähringer sogar mit Dietrich stammlich verknüpft. In den alten Dichtungen aus der Dietrichssage treten Fridunc‚ Wigolt und Sigeher von Zähringen mitkärnpfend auf. Es ist also eine enge Verbindung der Dietrichssage mit dem Zähringerstamm verbürgt.

Von Bertold V. wissen wir, dass er Freude am Gesange hatte. Durch eine aus dem Zisterzienserkloster Tennenbach stammende Aufzeichnung werden wir mitten in den Kreis seines Hofs auf der Burg ob Freiburg im Breisgau geführt. Der Tennenbacher Abt Bertold, Sohn von Herzog Bertolds Schwester Agnes, die an Egeno IV. von Urach verheiratet war, seinem fürstlichen Oheim feindlich gesinnt, kam 1215 in einem großen Konzil aus Rom, wo er sich neue Privilegien für sein Kloster hatte ausstellen und alte erneuern lassen. Auf des Herzogs Wunsch, der wohl zugleich Befehl war, besuchte er dessen Hof und fand da seinen Oheirn im Kreise seiner Dienstleute und Ritter auf dem Schlosse Freiburg froh und heiter. Sie spielten und würfelten, tanzten den Reihen, sangen zum Klang der Orgel und zogen leichtfertigerweise die Freude der Welt, die doch keinen Wert hat, der ewigen Freude vor. Als der Herzog fragt, was man in Rom von ihm gesprochen habe, erleichtert der Abt sein Herz und sagt rund heraus, dass man den Herzog des Unglaubens und der Tyrannei, der Streitsucht und der Unterdrückung armer Witwen und Waisen beschuldige. Da jagt der ergrimmte Oheim den Neffen hinaus, ja er hätte ihn vom Burgfelsen hinabwerfen lassen, wäre er nicht seiner Schwester Sohn gewesen. (J. D. Schoepflin, Hist. Zar. Bad. V, 1706, S. 142. E. Heyck, Gesch. 475.)

Auch das ist bezeugt, dass Bertold V. an alten Heldenliedern Gefallen fand. Rudolf von Ems meldet in seinem Alexander, dass ein herzoglicher Dienstmann, der Ritter Bertold von Herboldsheim, der von der Burg ob dem großen gewerbreichen Dorfe Herboldsheim nördlich von Freiburg stamme, im Dienste des Herzogs ein Alexanderlied gedichtet habe.
. . . so manic wiser man
vor ‘mir sich hat genomen an
ze tichtenne din maere:
dem edelen Zeringaere
tihtes durch siner hulden solt
von Herboldaheim her Berhtolt,
hat als ein bescheiden man
gevüege unt wol gesprochen dran
und tete bescheidenllche erkant
des er von mir geschriben vant.
(H. Schreiber, Commentatio de Germanor, vetustissima quam Lambertus clericns scripsit Alexandreide. Frib. Brisg. 1828, Seite 15)

Die wunderbaren sagenhaften Reiseerlebnisse Alexanders des Großen wie die von Bertolds IV. Eidam Heinrich dem Löwen waren besonders beliebt. Nicht umsonst sieht man an alten Kirchen oft Alexanders Luftfahrt mit dem Greifen abgebildet, und so auch im romanischen Teile des Freiburger Münsters am Eingang der Nikolauskapelle.

Ist es wahrscheinlich, dass Bertold V. als Freund der alten Sage und im Bewusstsein der sagenhaften Verbindung seines Stamms mit König Dietrich seine burgundische Hauptstadt Bern genannt hat, so hat das Volk ihn auch noch im Tode mit Dietrich verbunden. Das lehrt uns die Erzählung des Zisterziensers Caesarius von Heisterbach von der Pein des Herzogs im Berge Gyber. Was der Tennenbacher Abt dem Herzog Bertold vorgehalten, das gilt auch bei Caesarius als die Ursache der Höllenpein. Die Köhlersage weiß von dieser noch nichts; aber sie dichtet dem Herzog das schreckliche Gelüste nach Menschenfleisch an. Wahrscheinlich gehört dieser Zug zu den üblen Nachreden, welche die wohl mit Recht erbosten Tennenbacher Mönche und dann mit ihnen der ganze Zisterzienserorden über Bertold in Umlauf setzten. Schon dass Bertold kinderlos starb, galt als Strafe. Der Tod seines einzigen Sohns ward auf Rechnung von Vergiftung gesetzt. Die Herzogin sollte gar zwei Kinder durch Gift beseitigt haben, um sie zu beerben. Es lohnt sich nicht, diesen Dingen nachzugehn. (E. Heyck, Gesch. 480 ff.) Jedenfalls war die Verleumdung als Menschenfresser der Gipfel all des Bösen, das diesem kraftvollen und eigenartigen Herrenmenschen nachgesagt werden konnte.

Vielleicht haben wir auch in dem vertriebenen König eine Erinnerung an die Dietrichsage zu erblicken. Die Sage hat ja Dietrich selbst zum vertriebenen König gemacht. Schon im Hildebrandslied (Denkmäler deutscher Poesie und Prosa, hrsg. von K.Müllenhoff und W. Scherer, II) erzählt ja Hadubrand seinem unerkanntem Vater über diesen selbst: forn er östar giuueit - flöh er Otachres nid - hina mit Theotrihhe enti sinero degano filu. Hildebrand floh mit Dietrich und vielen seiner Helden vor Odoakers Hass gen Osten. Nach dreißig Jahren kehrt Dietrich mit kleiner Gefolgschaft in sein Reich zurück. (O. L. Jiriczek, Deutsche Heldensagen, I, 156 ff.)

Dietrich von Bern ist nach der Sage keines natürlichen Todes gestorben. Ein schwarzes Ross, das er vorwitzig bestiegen und in dem er nicht den Teufel erkannte, hat ihn in den Schlund eines Vulkans getragen, wo er noch heute sitzt, mit eklem Gewürm streiten muss, von wo aus er auch wohl als wilder Jäger ausreitet. (Jiriczek, II, S. 267 ff. Andere Beispiele solcher Fürsten im Feuerberg bei A. Kaufmann, Caesarius von Heisterbach 2. Aufl, S. 144.) So hat ihn, den Arianer, in der Mönchsliteratur als gottlosen Tyrannen - genau wie Bertold V. von Zähringen - die Strafe der ewigen Pein getroffen. Der Berg Gyber bei Caesarius von Heisterbach ist der Aetna - Monte Gibello.

So sehen wir also in der Dietrichsage ganz unverkennbar alle die Grundstoffe der Sage vom Zähringerherzog vereinigt. Die Köhlersage geht aus von dem Bestreben, die im Breisgau so plötzlich auftretende große Macht des Zähringergeschlechts zu erklären. Sie wendet altüberlieferte Züge zu diesem Zwecke an und nennt ganz richtig den Bergsegen des Breisgaus als eines der Hauptmittel zum Aufsteigen und zur Machtentfaltung des Zähringerstamms. So hat sich denn auch hier wieder die Treue der Überlieferung erwiesen neben der dichterischen Kraft, die aus den verschiedenartigen Grundstoffen die abgerundete schöne Sage vom Ursprung der Zähringer bildete. Ich hoffe, es hat sich auch gezeigt, dass unsere heimischen Volkssagen der eingehenden Durchforschung wert sind.

Bertold V. von Zähringen, der im Jahre 1218 auf der Burghalde zu Freiburg im Breisgau, wo er machtvoll geherrscht und fröhlich gelebt, dahingeschieden ist, dessen Leib im stolzen Freiburger Münster ruht, wo sein Steinbild, in voller Rüstung, mit bittend vereinten Händen, die Füße auf einem Löwen, dem Sinnbild der Kraft, ruhend, die Wand des südlichen Seitenschiffs ziert, er ist es, dem diese schöne Sage gilt, der „steinerne Herzog“.

aus: Volkskunde im Breisgau Herausgegeben vom Badischen Verein für Volkskunde durch Professor Dr. Fridrich Pfaff J. Bielefelds Verlag Freiburg i.Br. 1906