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Die Schneeburgen im Breisgau und die Snewelin von Freiburg


P. Albert. Die Schneeburg ob Ebringen. Zur Geschichte der Burg und ihrer Besitzer. Freiburgi. B., Bielefeld, 1909.405. 8°. (Sonderabdruck aus der Zs. der Freiburger Gesellschaft für Geschichtskunde XXV. 1909).

Antwort von
Fridrich Pfaff.
In meiner kleinen Schrift „Die Schneeburgen im Breisgau und die Snewelin von Freiburg“ (Freiburg i. B., F. E. Fehsenfeld, 1904. Sonderabdruck aus Alemannia N. F. V.) habe ich die merkwürdige Tatsache, dass in der Umgebung Freiburgs sich drei Burgen befinden, deren Namen mit dem sonst in Ortsnamen nicht häufigen Worte Schnee zusammenhängen, zu erklären versucht. Die Lage der Burgen ist nicht als zwingender Grund für diese eigentümliche und auffallende Namengebung anzusehn. Hielt ich nun dazu, dass das seit 1219 in Freiburg auftretende Geschlecht der Snewelin tatsächlich in ältester Zeit sich im Besitz der auch als „neue“ (schon 1302) bezeichneten Wilden Schneeburg befand; dass 1324/25 das Weiherschloss bei Emmendingen von Konrad Dietrich Sneweli erworben und damals zuerst und allein „Schneefeld“ genannt ward; dass die als die älteste anzusehende Schneeburg am Schönberg, obwol zufällig zuerst 1349 als Hornbergischer Besitz urkundlich genannt, ebenfalls in verhältnismäßig früher Zeit unter Snewelinschen Rechtsansprüchen und dann gar als Snewelinscher Besitz urkundlich erscheint, er war es, namentlich wenn der Name Sneweli auch selbst als zu dem Worte Schnee gehörig sich erwies, ein gar nicht abzuweisender Schluss, dass die Snewelin als Erbauer oder frühere Besitzer der drei Burgen diesen ihre Namen mit Beziehung auf den eignen Gesehlechtsnamen erteilt haben. Ich habe den Namen Sneweli nach den Grundsätzen der Sprachwissenschaft und der Namenkunde untersucht und für jeden Sprachkundigen ohne Zweifel erwiesen, dass er zu Schnee zu stellen ist und demnach „Schneelein“ bedeutet. Ferner habe ich für jeden Namenkundigen wahrscheinlich gemacht, dass wir hier mit einem Uebernamen zu tun haben, der auf irgend einem Erlebnis oder einer Erzählung beruht, in denen der Schnee eine Rolle spielt, und habe hier auf die alte Schwabengeschichte vom „Schneekind“ hinweisen können. Alle diese Schlüsse sind methodisch für den Eingeweihten mindestens annehmbar. Dass Nichtsachkenner in sprachlichen und volkskundliche Dingen unhaltbare Behauptungen aufstellen, ist eine alltägliche Beobachtung. Leider kann dergleichen nicht immer mit Stillschweigen übergangen werden, und es ergibt sich alsdann die leidige Notwendigkeit weiter auszuholen. als die Sache eigentlich wert ist, und Dinge zu erörtern, die dem Fachmann ohne weiteres klar sind.

Meine Ausführungen haben die Kritik des Herrn Stadtarchivrats Albert hier in Freiburg herausgefordert, den ich als Sachkenner weder auf sprachlichem noch volkskundlichem Gebiet anzuerkennen vermag. Seine neue kleine Schrift über die Schneeburg am Schönberg beschäftigt sich trotzdem sehr wesentlich mit meinen Aufstellungen. Er ist von der Herleitung des Namens Sneweli vom mhd. sne’ (nicht snè!) „keineswegs“ überzeugt. Er will der Sage (!) für die Namengebung keine Bedeutung zumessen, die ihr nicht zukomme und spricht unbedenklich aus: „Ein Uebername ist doch zunächst immer aus einer Charakter- oder Körpereigenschaft des Träger zu erklären“. Dem gegenüber stelle ich meine eigene Worte: „Diese (Ueber-jNamen sind zum Teil von persönlichen
Eigenschaften oder Erlebnissen genommen, die bald unmittelbar genannt, bald durch Vergleiche witzig angedeutet werden“. Es gibt aber sogar noch andere bedeutende Quellen für Uebernamen. A. bringt dann, ganz in der Weise der Nichtfachleute, die ihre Wissenschaft den Wörterbüchern (hier Lexer!) entnehmen, ohne deren Stoff richtig beurteilen zu können, den Namen in Zusammenhang mit dem nicht belegten, sondern erschlossenen ‘sniuwen: (= schnauben), indem er eine spätere und nichtalemannische Form sneuweu und gar snöuwen heranzieht, ohne zu bedenken, dass für Ort und Zeit - ganz abgesehen von der Wortbildung - unbedingt eine Form mit iu gefordert werden müsste, die aber bei dem Namen Sneweli nicht vorliegt. Und sinwel (= rund), das doch auf dem i betont ist und daher neuere Formen wie simbel, simpel erzeugt, kann noch weniger in Betracht kommen. Man darf sich durch die von Lexer einmal angeführte Form snewellen natürlich nicht verführen lassen. Von snabel ist ebenso unbedingt abzusehen. Es bleibt demnach dabei: Der Name Sneweli stammt von mhd. sne, snewes und bedeutet „Schneelein“. Und gerade weil es so ist und weil gerade im Verbreitungsgebiet der Snewelin drei Schneeburgen vorkommen, von denen die eine noch ohne Zweifel den Namen von einem Sneweli erhalten hat, deshalb, wird jeder Forscher auf den Zusammenhang dieses Geschlechts mit den 3 Schneeburgen hingelenkt, gleichgiltig ob vorher etwa jemand diesen Zusammenhang behauptet hat oder nicht. Es ist demnach auch völlig gegenstandslos und müßig, wenn A. spöttisch fragt, ob etwa auch bei andern vereinzelten Schneeburgen die Snewelin zur Hand seien.

Ueber As. Betrachtung zur Tannhäusersage will ich schweigen und nur darauf hinweisen, dass ich - was A. wol weiß, und zwar von mir selbst - schon vor 22 Jahren in einer Sitzung, gerade der Freiburger Gesellschaft für Geschichtskunde, die Schneeburg und die Tannhäusersage besprochen (vgl. Zs. VI, 486; ausführl. Bericht im Freiburger Pfennigblatt v. 28. Febr. 1887) und dass ich ferner im Jahre 1907 auf der Baseler Philologenversammlung die Sage erneut behandelt habe (vgl. Verhandlungen S. 104) und ein Buch darüber vorbereite.

A. sagt: meine Aufstellungen, so wie sie am Ende meiner Schrift zusammengefasst sind, seien „unhaltbar“: „die nüchterne Geschichte ist so hart, ihnen in allen Punkten die Begründung zu versagen, nicht bloß was die „wilde“ Schneeburg und das Weiherschloss Schneefeld, sondern vor allem was die Schönberger Schneeburg anbelangt, hinsichtlich deren der Irrtum am offenkundigsten zu Tage liegt.“ Dem gegenüber stelle ich fest, dass A. weder über die wilde Schneeburg noch über das Weiherschloss Schneefeld irgend etwas gegen meine Ansicht verbringt. - Die „nüchterne, harte Geschichte“, das sind leere Schlagworte, wenn man nicht etwa den Inhalt der Urkunden allein als „Geschichte“ ansehen will. Sollte alle Kombination, jeder Schluss über die urkundliche Ueberlieferung hinaus unerlaubt sein? Dann können alle wirklichen Geschichtschreiber getrost ihre Federn bei Seite legen. Ich bestreite Herrn A. durchaus das Recht im Namen der „Geschichte“ zu reden.

Was hat nun A. bewiesen? Er hat eine allerdings in mancher Beziehung merkwürdige Urkunde ausgegraben, nach welcher schon 1312 Friedrich von Hornberg im Besitz der Schneeburg am Schönberg war, während ich aus dem gedruckten Urkundenstoff erst von Wernher von Hornberg 1349 wusste. Damit ist der Besitz der Hornberger an der Schneeburg um 37 Jahre zurückgerückt; mehr ist nicht geschehen. Ueber den Ursprung der Schneeburg und ihres Namens werden wir dadurch nicht belehrt. Auch der Hinweis auf die Ebringer Vögte genügt da nicht. Ich dagegen stütze mich auf die alte Verschwägerung der Snewelin mit den Hornbergern, auf die für die besonders warme Schönberglandschaft große Auffälligkeit des Namens Schneeburg und auf die Analogie der andern Fälle. Und sollte der Umstand, dass nachweislich die Snewelin von 1300 an viele Burgen gekauft und besessen haben -  worauf ich selbst aufmerksam machte - wirklich darauf schließen lassen, wie A. will, dass sie im 13. Jahrhundert niemals eine erbaut oder besessen haben?! Dass sie ursprünglich nicht zum landsässigen
Adel gehört haben, habe ich selbst ausgesprochen. Woher Freiburgs älteste Bürger stammten, das muss noch neu untersucht werden. Und warum es so ganz „ausgeschlossen“ sein soll, dass unter den vielen im Rotulus Sanpetrinus genannten Personen auch Leute wie die Vorfahren der Snewelin sich befinden, das ist nicht einzusehen; doch es ist überhaupt Nebensache.

Das Alter der Burg -  2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, also etwa lnterregnum - habe ich selbst festgestellt; sie bestand also doch vielleicht schon 50 Jahre vor jenem Friedrich von Hornberg. Ganz irrig sind die Angaben As. über die Lage der Burg. Nur gegen Südosten ist sie durch den Schönberg verdeckt, sie liegt keineswegs „versteckt“, sondern nach allen andern Seiten weithin sichtbar, und sie war das noch mehr, als der Wald auf der nördlichen Abdachung des Burgbergs noch nicht bestand, so wie es ohne Zweifel zur Zeit ihres wehrlichen Zustands gewesen sein muss.

Ein ganz böser Schnitzer ist es, wenn A. S. 36 die Stelle vom alten Schloss in Mercys Bericht über Turennes Umgehungsmarsch wie Lufft auf die Schneeburg bezieht, während er doch neben Lufft den durch von Fischer-Treuenfeld gelieferten schlagenden Gegenbeweis Zs. Xll, 47ff.) ruhig zitiert. Nicht die Schneeburg, sondern die alte Burg von Au am Hexental ist gemeint, sonst lässt sich der ganze Schlachtbericht überhaupt nicht verstehn. Im allgemeinen kann dazu auch verglichen werden v. F1scher- Treuenfeld, die Rückeroberung Freiburgs 1644 (Fbg. 1895), S. 169 ff.

Ganz verwunderlich sind As. schwung- und zornvolle Ausfälle am Schluss gegen die „moderne Modeneuheit der Ruinenschwärmerei“ -- man fragt erstaunt: zu was der Lärm? wen geht das an?

Alles in allem betrachtet ist As. Aufsatz ein Schlag ins Wasser. Außer jener ungedruckten Karlsruher Urkunde ist durchaus nichts Neues beigebracht. Zum Vertrieb als selbständiges Büchlein eignet er sich seiner polemischen Haltung wegen schon ganz und gar nicht.

Freiburg im Breisgau. Fridrich Pfaff.