Il. Geschichte und Geschichten
1. Alte Adelsgeschlechter
Noch heute steht in Liel im Markgräflerland das stattliche
Herrenhaus, das auf Veranlassung der Freiherren von Baden im 18.
Jahrhundert anstelle eines Wasserschlosses neben der Pfarrkirche
erbaut wurde. Im Giebelfeld der Schlossfassade sind die Wappen der
Herren von Baden und Rotberg dargestellt. Auch die Grabkapelle der
Herren von Baden ist erhalten. Sie liegt an der Seite des
Chorturms der Pfarrkirche von Liel.
Unter einem kleinen Grabstein mit einem gußeisernen Kreuz ruht
direkt neben dem Krebsschen Familiengrab, Xaver Schnewlin Freiherr
zu Bollschweil (+1837) (23) der letzte aus dem mächtigen
Geschlecht der Stadt, der Patrizierfamilie Snewlin. Schon sehr
früh erwähnten bedeutende Geschichtsschreiber in ihren Werken die
Snewlin, so Sebastian Münster in seiner berühmten "Cosmographey"
(3) und Fürstabt Martin Gerbert von St.Blasien in seiner "Historia
nigrae Silvae“.(4) Man vermutert, daß sie Nachkommen staufischer
Ministerialen waren, Bürger von Freiburg wurden, und daß
verwandtsaftliche Beziehungen zwischen den Freiburger Snewlins und
ihren Namensvettern im Elsaß bestanden. Der im Jahr 1215 als
erster der Snewlinschen Sippe im Breisgau bezeugte Konrad wurde
(22f) Schultheiß von Freiburg. Er stand als solcher an de Spitze
der städtischen Verwaltung und war mit der Wahrnehmung der
Gerichtsbarkeit beauftragt.
Die Snewlins brachten es rasch zu großem Vermögen und damit
verbunden zu Macht. Hermann Nehlsen schreibt in seinen
sozialgeschichtlichen Studien über Freiburger Familie Snewlin:
"Der Bischof von Straßburg, die Abtei Murbach, die Klöster
Wettingen, St.Peter und Berau, die Deutschherren, die Grafen von
Freiburg, die Herren von Staufen... sie alle müssen für das von
immer dringender benötigte Bargeld an die Snewlin Liegenschaften
und Rechte verkaufen oder verpfänden ... An den Erwerbungen der
Snewlin wird deutlich, wie die feudalen Grundherren des 10., 11.,
und 12. Jahrhunderts von Bürgern verdrängt werden, deren Reichtum
im wesentlichen zunächst in Geld besteht, das ihnen aber sehr bald
Herrschaftsrechte und die aus diesen fließende Macht verschafft."
(5) Aufgrund ihres Reichtums und der damit verbundenen Macht war
es den Snewlins dann wiederum möglich, in bedeutende Breisgauische
Geschlechter einzuheiraten. So vermählte sich im Jahr 1291 Konrad
Snewlin mit einer Frau aus der Familie von Falkenstein, die zu den
wichtigsten Ministerialengeschlechtern des Breisgaus zählen. Laut
Ehevertrag wies Konrad Snewlin seiner Gemahlin als "Widemgut"
einen großen Häuserkomplex in der Salzstraße zu. Im 13.
Jahrhundert erwarben die Mitglieder der weitverzweigten Familie
Snewlin große breisgauische Höfe in Kirchhofen, Umkirch,
Bischoffingen, Schliengen, Bollschweil und einen Anteil am Fronhof
zu Herden, im 14. Jahrhundert einen großen Teil der wichtigen
Burgen und Schlösser des Breisgaus, wie die Landeck, Wiesneck,
Burg Birchiberg bei St.Ulrich, Wiger bei Emmendingen und vor allem
die Burg Zähringen. Im Jahre 1327 hatte Snewli Bernlapp, eine der
großen Persönlichkeiten der Snewlin, der nach Ansicht Nehlsens
"der Prototyp eines mächtigen Patriziers in der Blütezeit
Freiburgs" (6) ist, von den Grafen Konrad und Friedrich von
Freiburg Burg und Dorf Zähringen und das Dorf Gundelfingen
gekauft, das Gerichtssitz war und damit für Snewli Bernlapp eine
wertvolle Einnahmequelle bedeutete. Als Herr von Zähringen war
Snewli Bernlapp in Gundelfingen Gerichtsherr, wie vor ihm die
Grafen von Freiburg. Er war außerdem fast dreißig Jahre Schultheiß
in Freiburg und hatte ein festes Haus in Bollschweil. Sein Bruder,
Johann Snewlin der Gresser, Ritter und langjähriger Bürgermeister
von Freiburg, ist den Freiburgern von guter Erinnerung wegen der
in seinem Testament von 1347 verfügten großzügigen Stiftungen für
die Ausstattung des Münsters. Er hatte unter anderem den Erlös vom
Verkauf seines besten Rosses und seines wertvollsten Harnischs zur
Verglasung der Obergadenfenster im Münster bestimmt. Zur Begehung
seiner "Jahrzeit" sollten die Barfüßer, die Prediger, die
Augustiner, die Wilhelmiten in Oberried, die Deutsch- herren, die
Johanniter, die Reuerinnen, das Spital, das Gutleuthaus, das
Münster, die Kapelle St.Nikolaus, die Klöster Allerheiligen,
Tennenbach, St.Klara, St.Agnes, St.Katharina, Adelhausen,
Günterstal, Sölden, St.Peter im Walde und Oberried im Walde, die
Kirchen zu Eschbach, Tunsel, Schlatt, Wittnau und Bollschweil, die
stieben Regelhäuser der Barfüßer und Prediger und die Klausen um
Freiburg jährliche Geldbeträge erhalten. Durch besonders reiche
Geldzuwendungen machte er die Ansiedlung der Kartäuser in Freiburg
möglich Da für wurden nach seinem Tod in sämtlichen Häusern des
Ordens Messen für ihn gelesen.
Das Testament des Gressers ist ein eindrucksvolles Dokument für
die ritterliche Lebensführung eines mittelalterlichen Patrizers.
Seine wertvollen Streitrosse, die kostbaren Rüstungen, die
Armbruste und Spieße, die edlen Jagdfalken und Jagdhunde, über die
er verfügt, lassen kaum noch erkennen. daß hier ein Mann
testierte, der nicht dem Landadel angehörte, sondern noch in jeder
Hinsicht ein loyaler Bürger seiner Vaterstadt war (7)
Die Ouellen des Snewlinschen Reichtums lagen in Geldgeschäften, in
Beteiligung am Bergbau und in Einnahmen, die die Snewlin als
Schultheißen und Ratsherren hatten. Außerdem kann nach Ansicht
Hermann Nehlsens davon ausgegangen werden, daß der Stammvater der
Freiburger Snewlin als Sohn staufischer Ministerialen nicht völlig
vermögenslos nach Freiburg gekommen war. Um eine Vorstellung zu
geben, wieviel gerade an Geldgeschäften verdient werden konnte,
bringt Nehlsen eine kleine Gegenüberstellung: "1359 erhielt der
berühmte Münsterbaumeister Johannes von Gmünd eine jährliche Rente
von insgesamt 14 Pfund Pfennig, also etwa 5 Silbermark, während
Johann Snewlin der Gresser im fahre 1347 allein über 120
Silbermark an Zinsen einnahm."(8)
Im 15. Jahrhundert teilten sich die Nachfahren des Snewli Bermlapp
in die Zweige Bernlapp von Bollschweil und Bernlapp von Zähringen.
Die Burg Zähringen und die dazugehörigen Besitzungen gingen im 15.
und 16. Jahrhundert nach und nach in andere Hände über, die
Herrschaft Bollschweil blieb jedoch bis ins 19. Jahrhundert, bis
zum Aussterben des Geschlechts im Besitz der Snewlin Bermlapp von
Bollschweil. Der auf dem Alten Friedhof begrabene Xaver Schnewlin
von Bollschweil hatte schon zu seinen Lebzeiten alle seine Lehen
an den badischen Staat zurückgegeben.
Die Snewlin waren auf Grund ihres Reichtums und der damit
verbundenen Machtposition durch die Jahrhunderte immer mit den
Geschicken der Stadt besonders eng verbunden. Ihr Name ist den
Freiburger heute noch im Gedächtnis durch die von
Fammlienmigliedern gestiftete Kapelle am Chorumgang des Münsters
und eine nach dem Geschlecht benannte Straße. Das schlichte Grab
des letzten Snewlin ist ein Symbol für die geschwundene Macht der
Snewlin.