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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

II.
Amtsantritt und erste Beruftsthätigkeit des neuen Abtes.

1. Die Benediction des neuen Abtes wurde am 26. Nov. durch Weihbischof Hrn. von Baden in der Klosterkirche zu St.Peter nach dem gewöhnlichen Ritus vollzogen. Nachdem die von auswärts gekommenen Prälaten und Gäste wieder abgereist und wir am 27, wieder allein waren, ließ ich alle Capitularen in mein Zimmer rufen, bestätigte die Obern, ernannte P. Landelin Biecheler zu meinem Successor in Bissingen, ermahnte alle Capitularen zur Ordnung, zur brüderlichen Unterstützung; bat sie nicht zu schnell über meine Verfügungen zu urtheilen und sich keine Pläne zu machen, die vielleicht nicht ausführbar wären und die darum nur unzufrieden machen würden. Am 30. Nov. fuhr ich mit P. Landelin zu Schlitten nach St.Märgen, um den Hrn. Prälaten zu besuchen. Unterdessen wurden die officiellen Anzeigebriefe an die verbundenen Klöster und andere auswärtige, mit denen wir in Verbindung stehen, ausgefertigt und von mir unterschrieben.

2. Am nächsten Tage (1. Dec.) reiste ich nach Freiburg, um die nöthigen Visiten zu machen. Da mein Herr Vorfahrer Alters halben selten nach Freiburg kam, und ebendadurch dem Kloster manches Präjudiz geschah, auch meine Feinde mich schon als stolz ausgeschrieen hatten, so waren diese Besuche um so nöthiger und erschien es als rathsam, eher zu viele als zu wenige zu machen. In Freiburg hatte man sich nur zuviel für unsere Wahl interessirt; in jeder Gesellschaft machte man einen Prälaten, theils den P. Beda Litschgi, theils den P. Thaddä Rinderle, theils auch mich. Manchem war ich noch bekannt; die wichtigsten Personen kannten mich nicht. Man bediente sich niedriger Kunstgriffe und gar der Verleumdung, um die Wahl zu lenken. Die meisten wurden aber noch zur Zeit entdeckt. Ich reiste also nach Freiburg, von sehr Vielen erwartet, theils aus guter, theils aus anderen Absichten, und voraus wissend, daß ich mich unendlicher Kritik aussetzen müsse.

3. Gleich nach meiner Ankunft im Petershofe ließ ich mich bei Herrn Präsidenten von Summerau melden. Der Herr Präsident ist ein Mann von anerkanntem guten Willen, doch war er unserm Kloster nicht sehr geneigt, weil Abt Philipp Jakob seinen Wünschen in Absicht auf die Gymnasien in Freiburg und Constanz nicht ganz entsprach und keinen Professor nach Constanz geben wollte, welche Abneigung auch die Feinde des Klosters und persönliche Feinde des Prälaten und des Großkellners P. Karlmann Lang benützten. Die Sache war mir bekannt. Ich ersuchte also vorläufig den Regierungsrath Will, Hrn. Generalvicar, Weihbischof und Notarius Sturm, den Hrn. Präsidenten über meine Person, auch wegen P. Karlmann etwa aufzuklären, und äußerte meine Geneigtheit, den Professor nach Constanz abzuschicken. Obige Herren erfüllten ihr Versprechen und empfahlen mich. In Rücksicht auf die Gymnasien war nach der ernstesten Ueberlegung nichts Anderes zu thun als nachzugeben. Man hatte durch Weigerung den Präsidenten, die Regierung und den Prälatenstand aufgebracht; Jedermann drang in mich. So wenig es also die Finanzen unseres Stiftes und die geringe Anzahl brauchbarer Männer zuzulassen schien, so war doch kein anderes Auskunftsmittel. Ich ward also vom Hrn. Präsidenten gnädig empfangen; doch wurde bald der Gymnasien gedacht. Ich äußerte meine Bereitwilligkeit mit der Zusicherung, daß ich, um die Ehre meines Vorfahrers zu salviren, nicht von freien Stücken den Antrag machen könnte; 2) daß ich wünschte, die Sache bis auf künftigen Herbst verschieben zu können; 3) daß ich eine billige Repartition der Beiträge, dem Vermögen jedes Klosters angemessen, voraussetze. Ich ward auf den 3. Dec. zur Mittagstafel eingeladen, wo der ganze hohe Adel versammelt war und wo ich Gelegenheit fand, mich aufrichtig gegen den Hrn. Präsidenten zu äußern über Obiges und noch einen Vorfall wegen Capitularität der Professen, die noch nicht Priester sind, welche bei unserer Wahl gesucht worden, aber vom Präsidenten nicht nur nicht begünstigt, wie man vorgab, sondern sogar abgewiesen worden. Wegen der Gymnasien erschien bald, da ich noch zu Freiburg war, mit dem Gratulationsschreiben eine ziemlich dringende Aufforderung des Fürsten von St.Blasien, desgleichen ein Glückwunsch von dem Collegio der Professoren zu Constanz mit Bezeugung ihrer Freude über meine vernommene Bereitwilligkeit, einen Professor zu geben. Manch' Anderm mag diese Bereitwilligkeit nicht so ganz angenehm gewesen sein. Die Antwort und der fernere Verfolg dieser Sache wird bis zur eingelangten Aufforderung der Regierung verschoben. ( Die übrigen Persönlichkeiten, bei welchen der Abt Besuch machte, sind laut Tagebuch: Fürst von Heitersheim, Präsident von Baden, Regierungsrath von Greiffeneck, Oberamtmann Dürrfeld, Syndicus Baumann, Appellations-Rath Betzeck. Appellat.-Rath Jellenz, Rector magnificus Weissegger, Professor Klüpfel, Bürgermeister Eiter, Baron Hornstein, Commandeur; Baron Harsch, Graf Duran, Gräfin von Kageneck, Regier.-Secretär Thaler, Baron von Dominik, Director Bob, Commissarius Häberle, Univers.-Advocat Stückel, Prof. Me-derer. Ferner besuchte der Prälat Prof. Zanner, Steinmeyer und Rathsherrn Wiest als alte Freunde. Bei Hrn. Feldmarschall-Lieutenant Melas suchte der Abt durch Intercession des Fürsten von Heitersheim um einen Feldpater nach, was auch sehr gnädig zugesagt wurde.)

4. Als ich schon zur Abreise entschlossen war, erhielt ich ein Schreiben vom P. Großkellner wegen neuer Neckereien von Seiten des Lazareths. Ich suchte in Freiburg an verschiedenen Orten Rath. Das Resultat war, daß, da die Sachen doch meist von Subalternen regiert würden, es absolut nöthig wäre, diese zu gewinnen. Da diese Leute eben nicht die feinsten sind, so war es gefährlich, sich zu compromittiren. Ich ließ den Hrn. Stabschirurg Fischer einladen; er erschien, war höflich und nachgiebig, suchte den mit dem Oberchirurgen entstandenen Verstoß beizulegen, ersuchte mich, selbem die Kost wiederzugeben, was ich auch zusagte. Nirgends aber fand ich sichere Hoffnung zur Rettung. Nur Hr. Professor Mederer, der als Protochirurg ernannt war, versprach Beistand und gab Gründe an, die etwas erwarten ließen. Ueberhaupt aber vermehrte mein Aufenthalt in Freiburg meine Achtung für Menschen nicht. Nur Interesse ist bei den meisten der Grund der Handlungen. Gott und Gewissen sind meist leere Namen. Die Herren Confratres, Professoren am Gymnasium waren so höflich, daß, unsern Capitularen P. Beda ausgenommen, kein Einziger mich eines Besuches würdigte.

5. Da drei unserer Professen in Freiburg Theologie studirten, brauchte ich einige übrige Zwischenstunden, mit ihnen zu sprechen und sie kennen zu lernen. Ich eröffnete ihnen meinen Wunsch, die zwei besten, Fr. Placidus und Fr. Joseph, die Examina rigorosa machen zu lassen, da sie von ihren Professoren großes Lob erhielten. Fr. Bernhard ist schwächer und leichtsinniger. Ich stellte ihnen erst die Nothwendigkeit einiger Ordnung und Einschränkung vor, und dann verbot ich ihnen das Ausgehen ohne Erlaubnis ihres Aufsehers, P. Basil. Auch jeder Ausgang eines Einzelnen und das Studiren außer dem eigenen Hause wurde untersagt. Während meines Aufenthaltes zu Freiburg lud ich täglich einige Freunde zu Tisch; unterredete mich mit P. Basil wegen der Fratres, ebenso mit P. Beda und Thaddä über Verschiedenes. Dem Letztem ließ ich auf sein Ansuchen zwei Saum Wein verabfolgen. Am 8. Dec. früh fuhr ich in Freiburg ab, las in Eschbach Messe und speiste bei P. Franz über Mittag. Abends kam ich zu St.Peter wieder an.

6. Schon vor meiner Abreise hatte ich in Betracht der sehr geringen Anzahl meiner Religiosen und des Spitals, welches manche Verrichtung unmöglich macht, die Einrichtung getroffen, daß fürderhin die Vesper Nachmittags um 2 Uhr sammt Complet und um 5 Uhr Abends die Mette gehalten werde, nach welcher zu Nacht gespeist wird. Bei Tisch verordnete ich eine Lesung, so aber, daß über jede Mahlzeit ein anderer, auch zwei lesen sollten, und dann durfte das Lesen unterbrochen und etwas dazwischen gesprochen werden. - Ferner, als am 28. Dec. wieder 100 Mann Kranke gebracht wurden, ließ ich für die künftig Sterbenden einen eigenen Kirchhof herstellen, welchen P. Prior am 29, benedicirte und woselbst fürderhin die gestorbenen Soldaten begraben werden. An den folgenden Tagen (9. - 11. Dec.) suchte ich mich nach und nach in den Geschäften zu unterrichten. Zu diesem Zwecke las ich Abt Philipps Tagebuch, das corpus juris S. Petrini, das System unseres Archivs, einige Rechnungen; auch fing ich an den Chor, besonders Prim u Vesper, zu frequentiren. Am 12, kam der Bote aus Württemberg zurück, welcher den P. Landelin begleitet hatte, mit einer groß Anzahl Briefe. Unter diesen befand sich ein Schreiben vom Bürgermeister und Rath der Stadt Rothweil. P. Landelin hatte schon eine Menge Zweifel und Anstände, welche ich in den Tagen beantwortete.

7. Am 13. Dec. kam Stabschirurg Fischer hierher, um das Militärspital zu visitiren. Es lag seinem Besuche aber auch noch eine andere Ursache zu Grunde. Schon unter dem 23. Nov. war ich genöthigt, mich über die hiesigen Chirurgen bei der Spitaldirection zu beklagen, weil dieselben alle Höflichkeiten, die man ihnen bewies, mit Grobheiten vergalten, trotzten, eine eigene Küche forderten, den Spitalcommandanten, Herrn Rittmeister, verachteten ec. Fischer muß von der Wirkung dieser Anklage Nachricht erhalten haben. Derselbe bemühte sich also, die Sache auszugleichen, war sehr höflich, versprach den einen, den Martini, abzurufen. Ich zeigte mich ebenfalls gefällig, versprach den Chirurgen die Kost wieder und gab Hrn. Fischer ein Zeugniß, daß die Zwistigkeiten durch seine Vermittelung und in Folge der getroffenen Abänderungen gehoben seien. Am 15, erhielt ich erst die Antwort von Hrn. v. Schillerhof, worin er mir eine größere Satisfaction gab, als ich je erwartet hätte: der eine Chirurg erhielt 8 Tage Arrest und beide wurden amovirt. Zum Unglück kam dieser Brief ein paar Tage zu spät. Der Hergang beweist, daß man den Soldaten, besonders den Chirurgen, Muth entgegensetzen muß, da sie die Klöster auch darum mißhandeln, weil sie selbe für furchtsam halten. - Abgesehen von den Rohheiten, welche die Wundärzte sich erlaubten, und von der ThatSache, daß die Disciplin des Klosters zerrüttet wurde, führte das Lazareth auch noch andere höchst beklagenswerthe Uebelstände mit sich, welche den guten Ruf des Hauses gefährdeten. So wurde bald entdeckt, daß eine der Küchenmägde, Agathe H., in anderen Umständen sich befinde. Als sie darüber zur Rede gestellt worden, entwich sie. Nach einigen Tagen von den Ihrigen wieder entdeckt und hierher gebracht, gab sie an, der Fehltritt sei mit einer Person aus dem Lazarethe geschehen. Unterdessen stellte sich heraus, daß auch die andere Magd in ähnlichem Unglück war. Dieselbe gab den Amtschreiber an, nebenher wurde ein Klosterbedienter in Verdacht gebracht. Der Abt trug dem Oberamtmann aus, die Sache zu untersuchen. Der Amtschreiber leugnete auf alle Weise, während das Mädchen auf seiner Aussage beharrte. Da die angestellte Untersuchung zu keinem Ergebnis führte, wurde die Person aus dem Dienste entlassen. Die Pflege der kranken Soldaten im Lazareth war so mangelhaft, daß im Januar 1796 zwei Patienten aus Hunger und Kummer desertirten. Dieselben wurden aber zu Waldau angehalten und wieder eingeliefert. Auf die Besorgung der Kranken wurde die wenigste Rücksicht genommen. Privatabsichten müssen erreicht werden, gehe es den Kranken wohl oder übel und koste es das Aerarium viel oder wenig. Ohne Bestechung geschieht nichts, und am Ende will Jeder nicht leer abziehen. Gott allein kann uns retten! - Im Monat Mai 1796 wurde endlich das sehnliche Verlangen des Abtes erhört und das Lazareth aus St.Peter entfernt.

8. Außer der Spitalangelegenheit beschäftigte den neuen Abt vor Allem die Sorge für die Hebung der klösterlichen Disciplin und die Ordnung des Hauswesens. Wir entnehmen hierüber dem Diarium einige bezeichnende Einzelheiten: Am 24. Dec. ließ ich, so schreibt der Prälat, die in Freiburg studirenden Fratres über die Feiertage hierher kommen zur Mithilfe beim Gottesdienste. Bei ihrer Ankunft ward beobachtet, daß einer derselben sich durch Eitelkeit an Schuhschnallen und Stockbändern distinguirte, welche ich ihm abnahm und andere dafür gab, wie sie von Capitularen getragen werden. Zugleich erhielt dann dieser einen sehr ernstlichen Verweis, daß er einmal nach dem Nachtessen ausgegangen. Die übrigen wurden von P. Basil wegen ihrer bescheidenen Ausführung gelobt. Doch ergab sich hier ein Fall, der im gelindesten Sinne noch viel Leichtsinn verräth. Ich traf sie Abends nach 9 Uhr auf ihrem Zimmer, da das Kloster noch von Kranken occupirt war, nebst einigen Bedienten bei einer Bouteille Bier an. Es ist ein Glück für sie und wird gute Folgen für die Zukunft haben, daß ich sie gerade antraf. Seit einigen Jahren, bei Anwesenheit eines fremden Religiosen, bei dem hohen Alter des Abtes Philipp Jacob schlichen sich durch Beihilfe einiger Klosterbedienten derlei Mißbräuche ein, welche aber fernerhin auf keinerlei Weise werden geduldet werden. Einige Tage später (2. Jan.) ließ ich alle Capitularen versammeln und trug ihnen nach einer kurzen Erinnerung an unsere Pflichten zur klösterlichen Ordnung vor: 1) daß zur Beförderung dieser Ordnung Abends um 3/4 auf 8 Uhr alle in dem kleinen Tafelzimmer zusammenkommen, wo sodann eine Stelle aus der Nachfolge Christi gelesen und die Litanei gebetet werden soll, nach welcher sich Niemand mehr außerhalb seines Zimmers aufhalten darf. 2) Keine Weibsperson in die Zimmer zu lassen, sondern wenn mit einer zu reden sei, soll es öffentlich geschehen. 3) Erlaubte ich ein Frühstück ohne besondern Anhalt, doch kein anderes als eine Suppe. Nicht jeder soll sich eine eigene Suppe kochen lassen, keiner sie in der Küche essen, sondern man solle sie durch einen Conventdiener bringen lassen. In einem spätern Capitel wurden auf meinen Antrag alle „Ehrenspeisen und Ehrentrünke“ außer an den festen primae classis abbestellt, dagegen wurde die Collation gemildert und, den Mittwochen und Freitagen der Advent- und Fastenzeit ausgenommen, zur Collation eine warme gekochte Speise gegeben. Auch wurde jedem freigestellt, anstatt der großen, dreischöppigen Bouteille eine kleinere, halbmäßige zu gebrauchen. Zugleich gab ich folgende Erinnerung: a) über Vermeidung des zu freien Umgangs mit Auswärtigen; b) gegen Einmischung in fremde Geschäfte, unnöthige Plauderei und Zeitverderbnis; c) gegen Eigenmächtigkeit und d) in Betreff der nöthigen Correctionen. Endlich ermahnte ich, daß bei dieser Gelegenheit jeder selbst überlege, wozu er berufen worden sei, und daß er nun neuerdings zur guten Erfüllung der Pflichten seines Standes sich ermuntere. - Es war hier nie üblich, daß die Conventualen, den Prior ausgenommen, Sackuhren trugen. Den Ordensleuten außerhalb des Klosters war es zwar erlaubt, doch wurden selten silberne Uhren zugelassen. Ein Capitular erhielt vor einigen Jahren eine silberne Sackuhr zur Verehrung, getraute sich jedoch nicht, unter dem Abt Philipp Jacob dieselbe zu zeigen, sondern gab sie unterdessen einem Weltlichen zur Verwahrung. Endlich dieser Tage wies er selbe mir und erzählte den Hergang. Ich sagte ihm zwar, daß ich ungern es gestatte, doch wolle ich es nicht wehren, nur müsse ein messingenes Gehäus darüber gemacht werden. (Unter den Gründen, aus welchen der Abt dem Begehren des Conventualen willfahrte, wird auch der aufgezählt, weil eine Sackuhr heutzutage nichts Absonderliches mehr sei, da jeder Schneider eine solche trage. Doch sei darauf zu beharren, daß Keinem vom Kloster eine solche angeschafft werde.) Bei einer andern Gelegenheit ermahnte der Abt die Mönche, in der Kleidung sparsamer zu sein, nicht so leichtsinnig ganz gute Kleider abzulegen, um sich neue machen zu lassen. Auch verbot er, daß Einer die abgelegten Kleider den Armen selbst gebe, sondern gemäß der hl. Regel solle Jeder, sobald er neue Kleider erhält, die alten zurückgeben, damit sie hernach gemeinsam unter die Armen vertheilt werden könnten.

9. Ein ganz besonderes Augenmerk richtete der neue Prälat auf die Hebung des Volksschulunterrichtes. Als Beweis hiefür mögen folgende Aufzeichnungen seines Tagebuchs dienen: Heute (15. Dec.) besuchte ich mit Hrn. Oberamtmann die Schule zu St.Peter, um zu zeigen, daß es mir Ernst sei das Schulwesen zu befördern, und in der Hoffnung, der Ruf, daß ich selbst nach den Schulen sehe, werde einen guten Eindruck machen. Die Absicht ward nicht ganz verfehlt: die Kinder erschienen fleißiger in den folgenden Tagen. Um den Unterricht überhaupt in bessere Ordnung zu bringen und zu heben, unterredete ich mich über die Sache mit P. Prior, Hrn. Oberamtmann ec. und beschloß aufs neue Jahr einen herrschaftlichen Befehl in alle Vogteien darüber ergehen zu lassen. In hiesiger Pfarrei traf ich die Einrichtung, daß an Sonntagen Vormittags wechselweise das einemal Predigt, das anderemal Katechese mit den entfernteren, Nachmittags aber allezeit Katechese mit den näheren Kindern gehalten werde. Zur vormittägigen Katechese erbot sich P. Prior selbst, und eben diesen und P. Peter bestellte ich zur Schulvisitation, welche wöchentlich zweimal geschehen muß. Am 22. Dec. fuhr ich mit Hrn. Oberamtmann nach Eschbach, um die dortige Schule zu besuchen. Der Schulmeister ist ein wackerer tauglicher Mann. Die Kinder sind munter und gelehrig, wurden aber sehr nachlässig zur Schule geschickt, weswegen den säumigen Eltern fürs erstemal zwar nur eine geringe Strafe angesetzt und sogleich eingezogen und dem Schulmeister übergeben worden. Aehnliche Besuche wurden in den Schulen zu St.Ulrich, Sölden und Zähringen gemacht. In St.Ulrich waren Pfarrer und Lehrer zufrieden, minder war dies in Sölden und am wenigsten in Zähringen der Fall. Ich erinnerte die Vögte und die Schulmeister an ihre Pflichten, bezeugte, daß es mir sehr ernst mit der Schule sei und gab dem Hrn. Amtmann die Weisung die Nachlässigen zum Besten der Schule zu strafen. - Heute (16. Febr. 1796) besuchte ich die hiesige Schule wieder. Seit dem ersten Besuche und dem erlassenen Befehl auch in Folge der getroffenen Einrichnung geht das Schulwesen ganz gut. Die Kinder erscheinen ziemlich fleißig, auch die größere Jugend zeigt Eifer bei den Wiederholungsstunden. Einige bleiben sogar 2 Stunden lang. Nur fehlt es gegenwärtig am tüchtigen Unterweisen. Prior Anselm hat Eifer und trug sich selbst an. Allein die ächte Methode kennt er einmal nicht. Ich wünschte wieder einen Gesang einzuführen und nun kömmt er mit seinen alten Liedern ohne Sinn, so auch im katechetischen Unterricht. P. Peter, dessen Gehilfe, hat etwas mehr Methode, aber auch mehr Leichtsinn, für einmal läßt es sich nicht anders machen, nur ordnete ich eine schickliche Abtheilung für Kinder an. - Am 21, d. M, kamen die beiden Schulmeister von Glashütte und Wildgutach und überreichten mir die Schriften der Schüler vom vorigen Monat. Beide scheinen gute, fleißige Leute zu sein, Ersterer beklagte sich, daß seine Schule, welche in drei Pfarreien gehört, nach Neukirch, Waldau und St.Märgen, von keinem Geistlichen besucht werde, weil der Pfarrer in Neukirch hiezu unvermögend sei, es aber doch nicht gerne gestatte, wenn die zwei andern Pfarrer es thun wollen. Ich ertheilte also dem P. Ottmar zu Waldau den Auftrag diese Schule etwa einigemal zu besuchen, so oft es seine Geschäfte und seine Gesundheit gestatteten.

10. Auf das Verhältniß der Universität zu den von Ordensmännern geleiteten Gymnasien wirft folgende Episode ein ziemlich helles Schlaglicht: Herr von Mederer, als ehemaliger Professor in Freiburg, erklärte sich gerade, daß alle Hindernisse, welche die Universität bisher dem Benedictinergymnasium gemacht habe, eigentlich gegen St.Blasien gezielt hätten, daß wenn St.Blasien entfernt wäre, Constanz allein übernehmen würde, die Universität, die nur St.Blasiens Stolz und Prädominanz hasse, mit den übrigen Klöster, besonders mit St.Peter bald harmoniren würde; daß die Universität in der Folge nach erhaltenen Revenüen auch gerne den Professoren am Gymnasium einiges hievon auswerfen würde; daß die Universität wenigstens einigen Schein einer Oberinspection über das Gymnasium behalten wolle ec. Er äußerte freilich noch, daß nach seinem Vorschlage die Professoren am Gymnasium von ihren Obern independent sein und in der Folge fähig sein sollten Pfarreien zu erhalten. Da ich hierüber meine Bedenklichkeiten äußerte, sagte er, hierüber hätte man immer noch reden können, und er für sich würde ganz gerne Gegenvorstellungen gehört und Gründen nachgegeben haben. Er versicherte wiederholt, daß die Universität unauslöschlichen Haß gegen St.Blasien habe, für St.Peter aber ganz gut gestimmt sei. - Viele Freude bereitete dem Abt Ignaz das Regiminalrescript, worin bekannt gemacht wurde, daß vermöge Hofdecrets den Benedictinerstiften gestattet werde, die Philosophie wieder in den Klöstern durch einen einzigen Professor, der jedoch successive die vorschriftsmäßigen Fächer vortrage, gelehrt werden dürfe.

11. Dagegen verurFachten ihm die bureaukratischen Wolken, die ihm am Breisgauer Himmel aufstiegen, schwere Sorgen. Es hatten die herrschaftlichen ständischen Beamten in Freiburg seit einiger Zeit einen Convent formirt, um, wie sie vorgaben, über Einförmigkeit der Ausübung Herrschaftlicher Rechte zu deliberiren. Der Hr. Präsident soll den Convent genehmigt haben; es scheint, auch einige Landstände begünstigten ihn, theils um der Uebergewalt der landständischen Syndici ein Gegengewicht zu geben, theils vielleicht um sich mehr Einfluß durch ihre Beamten zu verschaffen. Wenigstens schickte selbst der Confeß diesem Beamten-Collegium die Klagen einiger Unterthanen gegen die Abzugsgebühren zu, um ihr Gutachten über die Antwort zu vernehmen. Der St.Petriner Oberamtmann wurde dazu eingeladen. Die ganze Sache schien mir, schreibt Abt Ignaz, aus vielen Gründen verdächtig; es hat das Ansehen die Beamten werden sich nach und nach zu Herren machen und die Sache hat sehr viele Aehnlichkeit mit der Versammlung der Notabeln in Paris, welche endlich die Revolution nach sich gezogen hat. Hr. Oberamtmann übergab mir das an ihn gerichtete Einladungsschreiben. Ich erlaubte ihm den Convent zu besuchen unter der Bedingung mir getreue Nachricht von der Verhandlung zu geben, und den übrigen Collegen zu äußern, daß ich erwartete, daß künftig bei solchen Conferenzen das Ersuchschreiben mit dem Inhalt der Materie an mich gerichtet werde, sonst würde ich nie erlauben die Conferenz ferner zu besuchen. Die gegenwärtige Verhandlung, wie der Oberamtmann referirte, betraf blos die bemerkte Klage, welche aber speciell war und vier breisgauische Herrschaften anging; es zeigte sich bald, daß die Klagen ganz falsch waren und so war die Conferenz ein ganz unnöthiges Ding, ohne andern weitern Erfolg, als daß die Beamten stolz sein werden, daß der landständische Confeß ihrem Collegio selbst ein Gutachten abgefordert. Wenn je ein solches Collegium zu dulden, so sollen auch städtische Beamten dazu gezogen, die Convente nur mit Vorwissen der Stände, nur über von Ständen vorgelegte Puncte in Gegenwart ständischer Deputirten gehalten und nur Gutachten ertheilt werden. - Bei einer spätern Anwesenheit in Freiburg ließ der Prälat es sich angelegen sein die Herrschaften und Stände auf das sich bildende Beamtencollegium, welches am Ende gefährlich werden könnte, ausmerksam zu machen. Ich sprach darüber bei jeder Visite, schreibt Abt Ignaz, und fand überall Beifall, besonders bei der Universität und bei Hrn. Präsidenten von Baden. Mein Antrag war, dieses Collegium so zu modificiren, daß es unter dem Vorsitze eines Landstandes nur über Dinge, die von Landständen vorgelegt würden, vernommen werde, die Resultate nie an die Regierung, sondern an die Stände gelangten und die Protokolle diesen mitgetheilt werden sollten. Es wird sich zeigen, was erfolgt. Aus den angeführten Mittheilungen erhellt, mit welch klarem Blicke der neue Prälat seine Stellung und Aufgabe erkannte und welch bewunderungswürdiger Energie er seine Obliegenheiten als Klostervorsteher und breisgauischer Landstand zu erfüllen bestrebt war. Freilich fand dieser Eifer nicht überall Anerkennung. Selbst in seiner nächsten Umgebung scheinen nicht Alle mit seinen Anordnungen zufrieden gewesen zu sein. Es beweisen dies die klagenden Worte, welche er am 26. Februar 1796 in seinem Diarium niederschrieb: Die Lage des Klosters bessert sich nicht; ich fürchte mehr als noch nie die Bürde, die mir aufgelegt worden. Das Spital ist noch hier und es ist wenig Hoffnung es hinweg zu bringen. Es läßt sich noch immer nichts bewerkstelligen. Zu den wenigen Anstalte, welche ich theils treffen wollte, theils gemacht habe, mangeln mir taugliche Leute. Aus den tauglichsten mißdeutet mein innigster Freund meine Absichten. Ich fühle, wie wahr es ist, daß jeder Obere die beklagte Partie ist. Entweder soll ich nichts thun, als figuriren, am Ende ja sagen, meinen Namen hergeben, oder wenn ich etwas thun will, beleidigen, meine Absicht mißdeuten lassen, mich der Gewaltthätigkeit, wohl gar der Herrschsucht, des Despotismus verdächtig machen. - Inzwischen rückte die Zeit immer näher, in welcher sich die Umsicht und Standhaftigkeit des Prälaten in ihrem schönsten Lichte zeigen sollte.