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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

X.
Tod des Fürsten Moriz von St.Blasien und Wahl seines Nachfolgers.

1. Der gnädigste Fürst hatte sich mir selbst durch ein Schreiben vom 11. Nov. 1801 angesagt. Wir erwarteten also Höchstdenselben heute (15. Nov.) und er traf auch Abends nach 6 Uhr in St.Peter ein, nachdem er sich zu St.Märgen etwa eine Viertelstunde aufgehalten hatte. Derselbe befand sich sehr wohl und soll noch zu Saig wiederholt gesagt haben, daß er sich so ganz gesund fühle. Noch vor Tisch unterredete ich mich bis halb 8 Uhr mit demselben über Landes- und Klosterangelegenheiten. An beiden nahm er stets den lebhaftesten Antheil. Seine Aeußerungen enthielten meistens Bedenklichkeiten. Er fürchtete für Breisgaus Verfassung und für den Adel. Der fortdauernde Besitzstand der Franzosen im Breisgau schien ihm etwas mehreres im Hinterhalt zu haben. Er empfand lebhaft das harte Benehmen des Wiener Hofes gegen Breisgau. Wir speisten ganz heiter und vergnügt zu Nacht; der Fürst schien mit Appetit zu essen, trank aber gar keinen Wein. Man discurrirte noch nach Tisch; um 1 viertel nach 10 Uhr begleitete ich den Fürsten auf dessen Zimmer und so gingen wir vergnügt auseinander. Aber welche Folgen ! Wie unbegreiflich, Herr, sind deine Wege ! Wahrlich, des Menschen Leben ist Dampf, der da vom Winde hingeweht wird !

2. Der 16. November, festum S. Ottmari, bleibt für uns ein unvergeßlicher, trauriger Tag. Um 7 Uhr ließ ich fragen, wann der gnädige Fürst Messe lesen würde. Es hieß, gegen 8 Uhr. Ich ließ die Beamten zum Credenzen bestellen; alles war bereitet; wir erwarteten den Zeitpunkt; P. Großkeller war bei mir auf dem Zimmer. Auf einmal hörte ich ein starkes Laufen, und in der Vermuthung,  der Fürst werde zur Kirche gehen wollen, öffnete ich die Thüre. Der Kammerdiener des Fürsten kam äußerst bestürzt, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rief mich eiligst mit einigen abgebrochenen Worten, es sei dem Fürsten ein Unglück zugestoßen. Ich eilte. Beim Eingange in's Zimmer sagte der gute bestürzte Bediente: „Jesus, Maria ! er ist schon todt !“ Vorher hatte der Bediente noch gesagt, der Fürst sei schon aufgestanden gewesen; er habe die Beinkleider anziehen wollen und sei gähling umgefallen. Als ich ins Zimmer trat, sah ich ihn ganz erblaßt. Ich schickte nach dem Chirurgus, der Hofcaplan und der Bediente, welche sahen oder wußten, daß der Fürst todt war, waren nur besorgt, daß alles still bleibe, und wollten den Medicus nicht holen lassen. Ich berührte Hände und Füße, fand sie noch warm, und hoffte noch; sein Bedienter sagte, der Puls bewege sich noch. Ich ließ hierauf doch unsern Chirurgus rufen, und holte indessen selbst in der Kirche das hl. Oel. Der Chirurgus versuchte Alles, was in derlei Umständen geschehen muß. Als ich aber zurück kam, sagte auch der Chirurgus, es sei kein Zeichen des Lebens mehr vorhanden.

3. Wir waren alle äußerst bestürzt. - Der Hofcaplan eilte nun Briefe zu schreiben. Ich bestellte reitende und laufende Boten, um nach einem Medicus in Freiburg zu schicken, nach Oberried, nach Krotzingen und St.Blasien. - Die Bedienten erzählten mir, daß sie den Fürsten schon um 7 Uhr gehört hätten in dem Zimmer auf- und abgehen, daß sie noch eine Weile gewartet hätten, und erst um ½ 8 Uhr ins Zimmer gegangen wären. Sie hätten den Schlafrock am Bette hangen gesehen, aber den Herrn nicht erblickt; einer sei ins blaue Zimmer gegangen, um ihn dort zu suchen; ein Bedienter sagte, es sei ein starker Rauch im Zimmer gewesen. Ich kam doch gleich, da der Körper noch ganz warm war, und verspürte nichts von einem Rauche. Nun verlangte, ich weiß nicht der Hofcaplan oder ein Bedienter, man solle keinen Doktor von Freiburg kommen lassen, um kein Aufsehen zu machen. - Ich schickte einen zweiten Eilenden, um den ersten wieder einzuholen, was auch geschah. Die Briefe wurden indessen gefertiget. Herr Hofcaplan wollte Anfangs nur Nachricht geben, daß dem Fürsten ein gefährlicher Anfall begegnet wäre; da ich aber überzeugt war, daß in St.Blasien alles von schnellen Maaßregeln abhange, so rieth ich, dahin gerade den Tod zu berichten, was er auch that.

4. Bis jetzt wußte noch Niemand als der Hofcaplan, die zwei Bedienten, der Chirurgus und ich, was vorging. Ich trug dem Hofcaplan vor, daß man's dem Sekretair Wetzel anzeigen müßte, und daß es rathsam wäre, wenn dieser selbst nach St.Blasien ritte; auch dieses geschah. Darauf machte ich den Antrag, die Sache auch dem hiesigen Beamten anzuzeigen, um dessen Rathschläge zu hören. - Der Sekretair Wetzel ritt ab, und Boten waren bereits abgegangen. Jetzt bestimmten wir Maaßregeln, den Tod noch länger geheim zu halten. - Ich schickte noch einen reitenden Boten nach Krotzingen, später eine Chaise nach Freiburg, um den Doktor Veit Karl doch abzuholen, nur zum Scheine, und um uns des Todes zu versichern. Der hiesige Chirurgus erklärte, daß der Anfall ein plötzlicher Schlag gewesen, wie er aus dem verzerrten Munde, erfolgtem Erbrechen und andern unwillkürlichen Abgängen folgerte. Ich trug daher ihm auf, eine Relation und schriftliches Zeugniß darüber aufzusetzen. Der höchst traurige Fall schlug uns alle äußerst nieder. Der mit dem Fürsten gekommene Professor von St.Gallen wird nun Nachmittags nach Oberried geschickt, ohne noch den Tod zu wissen. Wir glaubten nun alles gethau zu haben, was in einem so schnellen und höchst traurigen Falle zu thun war, und erwarteten traurig die Ankunft Derjenigen, an die wir geschickt hatten. Indessen gab man an, der Fürst lebe, sei besser oder gefährlicher. Man ließ Thee, Suppen und Anderes kochen, um alles geheim zu halten.

5. So starb also der würdige Fürst Abt Mauritius plötzlich hier in diesem Kloster. - Ich bin nicht im Stande, meine Empfindungen über diesen äußerst traurigen und erschütternden Vorfall hier auszudrücken, noch dem Verklärten das wohlverdiente Lob hier zu sprechen. Mich würdigte der Selige seines freundschaftlichen Zutrauens, was die große Anzahl Briefe beweisen, die wir wechselten. Desto empffindlicher war mir der Schlag, daß der Tod ihn gerade in meinem Kloster treffen mußte. Der Verlust dieses wahrhaft großen Mannes ist in jeder Rücksicht sehr groß; für St.Blasien, für den geistl. Stand, für das Vaterland und für mich. Ich verlor einen erhabenen Gönner; ich verlor noch mehr an ihm, ich verlor einen Vertrauten, einen Freund, dem ich mich eröffnen durfte, der mir Zutrauen schenkte, der mich in sehr vielen Stücken unterrichtete; an dessen Religiösität, Eifer für Religion, Tugend, Klosterdisciplin ich mich oft erbaute. Das Vaterland verliert sein erstes Standesglied, der sich mit redlichstem und thätigstem Eifer für das allgemeine Wohl bei jeder Gelegenheit auszeichnete; der Prälatenstand seinen würdigsten, thätigsten, eifrigsten Präfes und Vorsteher, das einzige Mitglied, das Ansehen genug hatte, mit Nachdruck für den Stand zu sprechen und zu handeln. Die Religion selbst verliert einen eifrigen, freimüthigen Vertheidiger, der auch vor Großen, selbst vor dem Monarchen die Sache der Religion freimüthig, mündlich und schriftlich verfocht und das Stift St.Blasien verlor in dem allerbedenklichsten Zeitpunkt den würdigsten, thätigsten, allgemein geachteten Vorsteher. - Nur Glauben an die Vorsehung kann hier beruhigen. Der Selige hat überstanden, hat vollendet, hat ganz gewiß die Krone der Gerechtigkeit gefunden. Er bete nun für uns alle vor Gottes Thron, wie er für alles Gute hier gearbeitet hat.

6. Nachmittag kam zuerst der Prior von Oberried, P. Karl. Wir bereiteten denselben vor, ehe wir ihm den traurigen Fall eröffneten. Der Bote von Krotzingen kam Nachts um 9 Uhr zurück. Hr. Propst war nach Bürgeln verreist. Am 17. Nov. früh um 3 Uhr kam der Chirurgus Veit Karl von Freiburg, den wir zum Scheine hatten rufen lassen; gegen 10 Uhr kam von St.Blasien der Medicns, Hr. Krieg, und der Hr. Sekretair Wetzel an, mit dem Auftrage, den Leichnam heute Abends zu transportiren. Nun machte man bekannt, daß es mit dem Fürsten besser gehe, daß die Aerzte finden, derselbe könne noch Abends transportirt werden. Man machte Anstalten dazu. An mich brachte Hr. Sekretair die Einladung zur Election auf den 19. oder 20., welche ich, wie natürlich, annahm. Unter dem Mittagessen kam auch Hr. Propst von Krotzingen schon gegen alle Erwartung von Bürgeln hier an. Derselbe stellte sich die Sache schon vor, wie sie war. Nach Tisch fuhren der Hr. Propst Neugart von Krotzingen mit dem Hrn. Hofcaplan und Sekretair Wetzel hier ab nach St.Blasien. Abends nach 5 Uhr ward der Leichnam ganz stille in die Kutsche gebracht. Der hiesige Chirurgus Buchegger und des Seligen Kammerdiener setzten sich zur Leiche in die Kutsche und fuhren um ½ 6 Uhr ab. - Hier blieb noch P. Prior von Oberried und Hr. Doktor Krieg.

7. Am 18. November früh um 6 Uhr fuhren wir von St.Peter ab nach St.Blasien zur Beerdigung des seligen Fürsten und Wahl eines neuen, nämlich, ich mit P. Karl, der mich begleitete, und P. Prior von Oberried und Hr. Doktor. Zu Saig trafen wir die Geistlichen von Oberried an; und bald nach uns kam auch Hr. Syndicus von Gleichenstein, Fiskal und Obervogt von Staufen. Ich kam Abends um halb 8 Uhr an. Noch war freilich Alles bestürzt über den äußerst traurigen Fall. Der Tod ward in St.Blasien noch Früher als bei uns bekannt gemacht. Mit dem Leichname waren die Begleiter heute schon vor Tag um halb 4 Uhr angekommen, weil sie bei der Seesteige Ablösung erhalten hatten. - Der Leichnam ward in St.Blasien sogleich in den Sarg gelegt, welcher aber bei Ankunft des Notarius, Hr. Würtenbergers, eines jubilirten St.Blasianischen Beamten, wieder geöffnet wurde. Der Sarg ward sodann in die Kirche getragen und auf einem Trauergerüste ausgestellt. Das Trauergerüst war mitten vor den Treppen des Chors und bestand in einer Pyramide, worauf das Portrait des Fürsten hing. Drei Treppen waren an der Pyramide, mit silbernen Leuchtern besetzt, mitten darauf der Sarg mit den Insignien, Insul, Fürstenhut, Stab und Schwert. - Bis Abends und zum Theil noch in der Nacht kamen die Capitulares expositi alle zusammen, etwa 8 ausgenommen, darunter 4 Professoren zu Constanz, 1 zu Oberried, 1 zu Mengen, welche auf ihr Wahlrecht renuntiren mußten und keine vota clausa einschicken durften. Den Abend hörte ich nicht ein Wort von der Wahl sprechen. Nebst mir war Hr. Prälat von St.Trudpert als erster testis eingeladen; nach unserer Ankunft machte der Hr. Decan jedem insbesondere die Visite, und ersuchte uns bei der Wahl als testes gegenwärtig zu sein. Zuerst ward ich ersucht, die Beerdigung zu halten; weil aber der Prälat von St.Trudpert die Präcedenz hat. so ward demselben hernach der Antrag gemacht, das Seelenamt zu halten und zu beerdigen. Hr. Prälat von St.Trudpert war auch bei der vorigen Wahl gegenwärtig gewesen.

8. Nach geendigter Prim und horis minoribus ward am 19. November das Requiem um 1/4 nach 6 Uhr gehalten. Es war majestätisch anzusehen. Der Gesang war vierstimmig, in vollem Chor, von P. Nonnosus componirt; der Chor war sehr vollzählig, indem alle Capitularen beisammen waren und nebst diesen noch 16 bis 18 Fratres, also wohl 60 Sänger. Bei dem Evangelium wurden Kerzen ausgetheilt, welches im Chor eine prächtige Wirkung machte. Ich stand auf dem Stand des Fürsten, der erhöht ist, so daß der ganze Chor, in welchem keine Pulte sind, übersehen werden kann. Nach dem Evangelium wurden alle Kerzen wieder aufgelöscht und blieben nur die nöthigen Chorlichter. Bei der Wandlung wurden die Kerzen wieder angezündet. Nach dem Amte ging man zur Beerdignugs-Ceremonie. Das Grab war eröffnet an dem Schutzengelchor, auf der Seite des Evangeliums, bei der ersten Säule. Der zahlreiche Convent, welcher aus wohl 100 Gliedern bestand, hatte brennende Kerzen. Alles war noch finster, und die Kerzen, die sich untereinander zu bewegen schienen, bewirkten ein prächtiges, majestätisches Schauspiel. Das Trauergerüst und der Trauergesang bei so einem vollstimmigen Chor vermehrten den Eindruck. Nach dem Gesange wurden bei dem Sarge, der vom Trauergerüste auf das Paviment gebracht worden, die Ceremonien und Gebete verrichtet, und dann ging der Zug durch den großen Gang der Kirche nach dem Orte des Grabes zum Schutzengelchor, wo die Beerdigung unter den vorgeschriebenen Ceremonien vollbracht wurde. R.I.P.

9. Am 19. November, unmittelbar nach Beerdigung des verstorbenen Fürsten, ward zur neuen Wahl geschritten. Das Stift St.Blasien hat in diesem Stück eine eigene vorzügliche Verfassung, oder hat vielmehr das Glück gehabt, das allen Klöstern ursprünglich zuständige freie Wahlrecht ohne auswärtige Dazwischenkunft zu erhalten. Ehe noch der Tod bekannt wird, kann zur Wahl geschritten werden, sobald die Capitularen versammelt sind oder Reverse von Abwesenden gegeben worden. Es wird weder an die Regierung, noch an den Bischof, noch bei einer andern Stelle Anzeige gemacht. Der Praeses electionis und die scrutatores werden ex gremio capituli gewählt. Der Notarius ist ein St.Blasischer Beamter, der pro hoc actu seiner Pflicht entlassen wird. Nur zwei auswärtige Prälaten werden als testes berufen; im Nothfall können es auch andere auswärtige Geistliche sein, da ohnehin diese testes nichts bei der Wahl zu thun haben. Auch ist durch Gewohnheit oder ein statutum angenommen, daß die electio per respective majora et accessum reliquorum für kanonisch und vollkommen gültig gehalten wird.
Also unmittelbar nach der Beerdigung ward die Missa de Spiritu sancto nur still gehalten, welcher die Eligenten beiwohnten. Darauf gingen alle ins Capitel und erwählten die scrutatores welche stets ex senioribus gewählt werden. Diesesmal fiel die Wahl der scrutatores auf P. Paul Kettenacker, der zugleich Praeses electionis war, P. Bonaventura, P. Franz. Ich hatte indessen Messe gelesen und mit Hr. Prälat von St.Trudpert das Frühstück genommen. Das Capitel dauerte etwas lang, weil der Prior von Oberried, P. Karl, der zum Scrutator erwählt worden, sichs wieder verbeten, weil er nicht zur Benediction kommen konnte. Man holte uns nach 8 Uhr ab zur Wahl, welche in dem Convente vorgenommen wurde. In der Mitte war ein Tisch für die Serutatoren, zur rechten Seite zwei Tische für die testes, und zur linken saß der Notarius. Der Hr. Decan verfügte sich zuerst allein an den ersten Tisch, wo er die Einladung an die beiden Hr. testes vorlas. Der Aeltere aus uns hätte sollen antworten, da Hr. Prälat von St.Trudpert nichts sagte, hielt ichs nicht für schicklich zu reden. Darauf ward der Notarius requirirt, und legte gleich durch ein Handgelübd seine Pflicht ab. Hr. Decan las nun eine Ermahnung an die Eligenten, publicirte die 3 Scrutatoren, und las selben den abzulegenden Eid vor. Nun stellten sich die Capitularen alle nach dem Range des Alters in der Profession, der Decan selbst ging an seinen Professionsort, und die Scrutatoren traten vor an den Tisch. Der Praeses electionis las nun auch den Eid der Eligenten laut ab und jeder trat secundum senium vor und schwor. Nachdem alle den Eid abgelegt hatten, gingen sie hinaus aus dem Convente. Nun wurden zwei Kelche aufgestellt, ein großer pro nominibus eligentium und ein kleiner pro votis. Die Vota, wurden außer dem Wahlsaale von jedem ausgeschnitten. Die Scrutatores gaben zuerst ihre Vota, welche sie in dem Convente ausschnitten; jeder legte seinen Namen in den einen Kelch, den Namen des von ihm gewählten in den andern. Jetzt kamen die Capitularen alle, einer nach dem andern und thaten das nämliche. Die Sache ging schnell, wie bei einem Opfergang. - Nachdem alle Vota abgelegt worden, wurden zuerst die Namen der Eligenten gezählt, und zu dieser Zählung riefen uns die Scrutatoren zum Tische. Es waren 65 Eligenten und ebenso viele Vota; 8 Capitularen waren abwesend. Jetzt sagte uns P. Bonaventura, daß die Vota von den Scrutatoren allein in silentio müßten geöffnet werden; wir beide testes setzten uns wieder an unsern Tisch. Die Vota wurden nun geöffnet, ohne daß ein Wort dabei gesprochen worden. Die Namen des Erwählten wurden weder geschrieben noch ausgesprochen; sondern der erste Zettel ward von den Scrutatoren angesehen und aus eine Ecke des Tisches gelegt. Es kamen bald noch mehrere Zettel zu diesem; - als ein andrer Name kam, ward dieser auf ein andre Stelle gelegt. Nun öffneten alle drei Scrutatoren die Vota, und nur bisweilen ward ein votum von allen drei angesehen. Nachdem alle geöffnet und verlegt worden, rief uns der Präfes zu, daß wir sehen möchten, daß eine sehr große Prävalenz auf einer Seite sei, ein anderer sagte, es seien weit über zwei Drittel. Nun wurden die nomina eligentium und die vota, wie gewöhnlich verbrannt. Die Thüre ward nun geöffnet, und nicht nur die Capitularen, sondern auch die Fratres, Brüder, Beamten und Gäste ins Convent berufen, sogar auch die Studenten. Der ganzen Versammlung ward nun gesagt, daß die Wahl glücklich vollendet und dann auch die Eligenten gefragt, ob sie in die Wahl willigten. (Diese Fragen geschahen lateinisch; die Anrede, welche Hr. Decan gehalten hatte, war deutsch). Ob sie den Erwählten als ihren rechtmäßigen Abt anerkennen, ihm gehorsamen wollen, und dann ob sie verlangen, daß der Erwählte publicirt werden solle. Nachdem überhaupt geantwortet worden: volumus - publicirte der Präfes P. Paul den Erwählten mit der gewöhnlichen Formel. - Die Wahl war auf P. Bertholdus Rottler gefallen. Dieser ward nicht gefragt, ob er einwillige, man hörte ihn schluchzen - aber der Präfes stimmte ohne weiteres das Te Deum laudamus an, und nach dem Sanctus ging man processionaliter zur Kirche. In der Kirche waren nur wenige der Klosterdomestiken und die Frauen der Beamten versammelt. Der Electus ging in Mitte der zwei Hrn. testium. Zuletzt folgten die Scrutatores. Auf dem Altare war auf der Seite des Evangeliums ein Sitz bereitet, worein sich der Electus setzen mußte. Das Te Deum wird continuirt. Am Ende begleiteten wir den Electum ad sedem abbatialem auf dem faldistorio, wo ihm alle das homagium ablegten. Indessen wurden immer alle Glocken geläutet. Dann ging der Zug in der nämlichen Ordnung nach der Abtei. Vor der Thüre übergab der Decan dem Erwählten die Schlüssel im Namen des Conventes. Das Conclave ward nun geöffnet und der Electus eingeführt. Beim Eintritt in das Kabinet ersuchte man uns testes, in dem ersten Zimmer zu bleiben. Der Decan ging mit dem größten Theil der Capitularen, soviel der Raum faßte hinein, hielt eine Anrede an den Fürsten, welche der Fürst auch beantwortete. Nach dem Ende der Antwort kam der Electus uns entgegen; wir gingen in das Kabinet zu gratulieren. Der Erwählte hatte bereits das Pectoral angelegt, welches bei andern Klöstern erst bei der Confirmation gegeben wird, zu St.Blasien wird aber keine Confirmation erfordert. Nun gratulierte man und ging auseinander. Die Beamten kamen zum Fürsten, um demselben das homagium abzulegen. - Nach allen Umständen zu urtheilen, war die Wahl glücklich ausgefallen. Alle Gesichter waren vergnügt, besonders auch derjenigen, deren Einsicht man am meisten trauen darf. Die ganze Sache war noch vor 11 Uhr vollendet; vor Tisch machte der Fürst uns i. e. den testibus einen Besuch und um 12 Uhr konnte man zur Tafel gehen. Ich schrieb sogleich dem Hr. Prälaten von Schuttern.

10. Der neuerwählte Fürst Berthold war einige Jahre Professor der Diplomatik zu Freiburg und seit 1793 Propst zu Klingnau in der Schweiz gewesen. Er ist 53 Jahre alt, hatte schon bei der vorigen Wahl einige Stimmen gehabt, wie man sagt, und war seit zwei Monaten von dem seligen Fürsten zum Statthalter ernannt worden. Das Mittagmahl war im großen Saale. Alle Capitularen und Beamten speisten an der Tafel, nicht viel weniger als 100 Personen. Die Mahlzeit war, nicht übertrieben. Man gab uns am Ende einen Extrawein und trank auf die Gesundheit des Erwählten. - Der neue Fürst war gegen mich sehr höflich, dankte sehr verbindlich für Alles, was wir bei dem schnellen Tode des vorigen Fürsten gethan, sprach sehr viel mit mir über ständische Angelegenheiten, über Angelegenheiten des Prälatenstandes, sicherte mir in allen Dingen seinen guten Willen, seine Theilnahme und Verwendung zu.

11. Den 20. November blieben wir, Hr. Prälat von St.Trudpert und ich mit unsern Gefährten noch zu St.Blasien. Der Fürst hatte Vormittag Conferenz mit den Pröpsten und andern Officianten, auch Beamten, und wir gingen indeß ins Convent, besuchten einige Geistliche, namentlich den P. Beda, das Noviziat, den P. Professor, die Bibliothek, wo uns der Fürst nachher antraf. Wir besuchten noch vor Tisch den Hrn. Dekan. Darauf nahmen wir von dem Fürsten auf dessen Zimmer Abschied. Der Fürst erwiderte die Visite, und er selbst sowohl als der Hr. Dekan luden Hrn. Prälaten von St.Trudpert und mich zur künftigen Benediction ein.

12. Am 21. November reisten wir wieder von St.Blasien ab. Mit mir reiste auch Hr. Buchegger, der hiesige Chirurgus zurück, welcher die Leiche nach St.Blasien begleitet hatte. Er hatte von dem Fürsten 10 Louisd´or honorarium empfangen. Die Witterung war dieser Tage ziemlich gut. Heute Nachts entstand ein starker Wind und es hatte ein bischen geschneit. Der Morgen war schön. Wir waren um 6 Uhr abgereist und hofften einen schönen Tag. Aber um 9 Uhr überzog sich der Himmel; es windete und fing an ein bischen zu schneien. Doch kamen wir bis 11 Uhr noch ganz wohl nach Saig. Zu Saig holten uns die Herren von Oberried ein. Wir speisten dort alle zusammen über Mittag. Unterdessen verschlimmerte sich die Witterung; der Wind wehte heftig und es fing immer stärker an zu schneien. Wir reisten nach 1 Uhr ab. Das Wetter ward immer ungestümmer, so daß wir uns nicht mehr getrauten über den Hohlengraben zu fahren. Wir fuhren also auf der Landstraße durch die sogenannte Hölle, und kamen über Eschbach, wo wir den Pferden Brod und Salz gaben, nach St.Peter zurück, wo wir Abends um halb 7 Uhr, Gottlob, gesund und glücklich ankamen. Es war Samstag Abends.

13. Seit 8 Tagen hatte sich also diese für unser Vaterland und für mich so wichtige Veränderung zugetragen. Ganz gesund kam vor 8 Tagen der gute Fürst Moriz von St.Blasien zu mir, und ward nach 2 Tagen todt dahin zurückgeführt, und gestern kam ich schon von einem neuen Fürsten wohl von St.Blasien zurück. - Unerforschlich sind Gottes Urtheile. So erschütternd der Fall war, so war es doch allerdings für das Stift besser, als wenn der Fürst lange krank gewesen wäre. Ohne alles Geräusch wurde jetzt ein neuer und würdiger Fürst gewählt. Mir soll und wird indessen Fürst Moriz und dessen schneller Tod unvergeßlich bleiben.