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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

XII.
Vorboten der Klosteraufhebung im Breisgau.

Die Katastrophe, welche der scharfe Blick des Prälaten längst vorhergesehen, näherte sich gegen Ende des Jahres 1805, mit raschen Schritten. Eine Hiobspost nach der andern traf ein; die Ordensleute konnten angesichts dieser Ereignisse nicht länger darüber im Zweifel sein, nachdem bereits in der Pfalz und im Seekreise die bedeutendsten Klöster säcularisirt waren, daß auch für die breisgauische Stifte und Gotteshäuser bald die letzte Stunde schlagen werde. Doch lassen wir unsern Gewährsmann und Augenzeugen die Geschichte seiner schweren Bekümmernisse und seiner herbsten Leiden selbst erzählen.

1. Endlich, so schreibt der Abt am 3. December 1805, kommt ein lang gefürchteter, aber dermalen gar nicht vorhergesehener, gar nicht erwarteter Schlag: Unsere Gefälle in Württemberg sind von der dortigemit äußerster Strenge in Besitz genommen, ohne daß irgend eine Vorkehr dagegen hätte geschehen können. Ein Expreß von Bissingen brachte mir heute mit einem Schreiben des P. Landolin diese äußerst niederschlagende Nachricht. Am 28. November ging die Besitznahme von statten. An alle unsere Gebäude wurde das württembergische Wappen angeschlagen nebst dem gedruckten Besitznahmepatent. Alles war theils versiegelt, theils inventirt. Dem P. Pfleger wurde einstweilen auf Ratification Kasten. Keller und Scheuer unbesiegelt überlassen mit dem Befehle, den Tresch fortsetzen zu lassen bis aus Weiteres. Derselbe schrieb mir in der äußersten Verlegenheit etwas verworren. Ich trug die Sache vorerst dem Capitel vor mit dem Bemerken, daß ich nun keine wirksame Maßregel zur Abwendung dieses Verfahrens kenne, indem es das Werk höherer Macht sei, bei welcher und gegen welche weder rechtliche Vorstellungen noch Bitten etwas nützen würden. Ich wüßte nichts als die Sache unserer Landesregierung vorzustellen, von welcher sich zwar alle mögliche Einschreitung erwarten lasse, welche aber eben so wenig werde respectirt werden. Niemand wußte etwas Besseres zu rathen und so beschloß ich morgen wieder nach Freiburg zu fahren.

2. Unterwegs kam eine neue Hiobsbotschaft, welche doch am Ende besser ausging. Ich erhielt ein Schreiben vom kurbadischen Stabsamt Thiengen, worin mir der Sequester auf alle unsere Gefälle im dortigen Amte, wo gerade die größten Zinse einzuziehen sind, angekündigt wurde, weil Kurbaden von allen in- und auswärtigen Zehnt- und Zinsherrschaften eine Kriegscontribution zu erheben beschlossen habe. Dieselbe sei jedoch jetzt noch nicht ganz berechnet, was binnen 14 Tagen geschehen werde, wo sodann der Ueberrest würde verabfolgt werden. - In Freiburg trug ich zuerst mündlich in Abwesenheit des Hrn. Präsidenten dem Regierungsrath Stückler, Referenten im Auswärtigen, die württembergische Angelegenheit vor, welcher durch Villingen schon einigermaßen davon unterrichtet war; Abends sprach ich auch den Hrn. Präsidenten. Es wurde mir alle Unterstützung zugesichert; allein man zweifelte doch, ob bei wirklichen Umständen und wenn das Kriegsglück sich nicht wendet, etwas dürfte effectuirt werden. Die Gerechtigkeit ist zwar sonnenklar, allein man hat keine Macht. Indessen wird sich die Regierung auch darauf beziehen, daß man von Seite des Breisgaues kein Rückfallrecht gegen Württemberg ausgeübt habe. Ich vollendete die Anzeige schriftlich und übergab sie noch an demselben Abend. Am 5. December fertigte ich eine Art Reclamation und Protestation an den Oberamtmann Lempp in Kirchheim, welcher Besitznahme-Commissär war. Zugleich schrieb ich an P. Landolin, was ich sachdienlich fand, munterte ihn auf auszuharren und insbesondere seinen Platz, so lange es immer möglich, zu behaupten.

3. Am 7. December. Ein Schlag aus den andern. Heute Abends, da ich eben zu St.Peter die fratres theologos zu einer geistlichen Conferenz bei mir hatte, kam P. Carl ganz unerwartet von Freiburg zurück mit einem Schreiben vom kurbadischen Amt Thiengen, wodurch der Beschlag auf alle unsere Gefälle erneuert wird. Zugleich brachte er die weitere Nachricht, Kurbaden habe bereits Besitz von Heitersheim genommen und werde vom ganzen Breisgau und der Ortenau Besitz ergreifen. Ehe ich mich ganz über vorstehende Donnerpost besinnen konnte, kam am 8. Dec. Vormittags eine neue in einem Schreiben des prälatenständischen Syndicats, worin die Anzeige gemacht wird, daß General Monard auch eine Contribution auf die Klöster zu legen gedenke unter dem Vorwande das Land zu schonen. Und noch hatte ich diesen Brief kaum gelesen, als noch ein neuer Verdruß kam: eine Klage der hiesigen Vögte und Gemeindepfleger wegen der unverzeihlichen Zögerung des Oberamtmann Mercy in Verfertigung der Gemeinderechnung. In diesen Umständen konnte ich nichts thun, als dem Oberamtmann in Gegenwart der Bauern, welche so offenbar Recht hatten, den Auftrag zu geben, bis morgen über acht Tage die Sache so einzurichten, daß die Rechnung könne geschlossen werden. Da ich übrigens durch das Syndicatschreiben eilends nach Freiburg gerufen war, so richtete ich mich zur Abreise und traf noch einige Dispositionen. Gott gab mir hier wieder einigen Trost. Gleich bei meiner Ankunft meldete P. Carl, daß die Nachricht von der kurbadischen Besitznahme dermal ungegründet sei. Auch sprach man von einem Sieg der Russen, und daß Prinz Carl die ungarische Insurrection anführen werde. Was unsern Einzug betrifft, so hatte P. Carl einen Capitalbrief von 1000 fl., welche wir in Emmendingen stehen haben, zum Depot an das Amt Thiengen abgeschickt, um dadurch das Aufheben des Sequesters zu erwirken. Die Antwort kam zuerst abschläglich; der Beamte hatte die Sache nicht überlegt. Ein paar Stunden später kam ein neuer Bote mit der Nachricht, daß uns auf dieses Depot Einzug und Abfuhr gestattet sei. Gott sei gedankt, daß doch nun wieder für einmal geholfen und die nöthigen Lebensmittel für dieses Jahr erhalten werden.

4. Zu Freiburg beharrt General Monard darauf, daß noch 61,000 Fr. am ersten Drittel der Contribution bezahlt werden; auch treibt er auf die Hälfte der monatlichen 80,000 Francs. Trotz aller Vorstellungen kommt er immer wieder darauf, es solle noch eine besondere Contribution auf die Klöster gelegt werden; er werde dieselbe exequiren. Ich machte hierwegen einen dringenden Aufsatz über die Verhältnisse der Klöster und las denselben einstweilen nur dem Hrn. von Andlaw vor, welcher sich ernstlich für die Klöster verwendet. Das Weitere ist abzuwarten. Die Gefahr für die Klöster war noch nie so groß als diesmal. Doch ist Gottes Hand nicht verkürzt. Er allein kann retten und wird uns hoffentlich retten.

5. Am 11. Dec. Da General Monard in der heutigen Antwort auf Vorstellung darauf beharrte, daß die Hälfte der monatlichen Contribution mit 40,000 Frs. bezahlt werden sollte, und mit Execution drohte, so ward nach einigem Deliberiren beschlossen, darauf zu beharren, daß wir keine monatliche Contribution schuldig sein könnten, keine zahlen könnten; man möchte also die Entscheidung des französischen Kaisers erwarten. Doch zum Beweise unserer Anstrengung versprach man baldmöglichst über die bereits bezahlten 71,000 Frs. noch die Summe bis auf 100,000 Frs. zu ergänzen; jedoch mit dem, daß dies Geld einstweilen nur bereit gehalten werden müßte. Einige Herren waren freilich bereit die Execution zu erwarten und geschehen zu lassen, weil sie dabei nichts zu leiden hofften; weiter läßt sich nicht argwöhnen. Inzwischen kamen in den Zeitungen die fatalsten Nachrichten, von einer russischen Niederlage, von preußischer Neutralität, von Waffenstillstand und Friedensunterhandlungen. Andere Nachrichten sprechen von württembergischen, baierischen und badischen Occupationeun. Das Kloster Wiblingen soll von Baiern, Urspringen von Württemberg in Besitz genommen worden sein. Letzteres habe zwar protestirt, der Commissär habe darüber berichtet, aber indessen doch die Wappen angeschlagen. So raubt nun der Stärkere und heißt es Besitznahme. Wenn die Dinge alle wahr sind und so fortgehen, so hat nun die letzte Stunde für alle klösterlichen Anstalten geschlagen. Baden geht behutsamer vor, sequestrirt einstweilen, doch soll es auch von Kloster- und Stiftungsgütern, welche im Badischen liegen, z. B. von dem Schuttern'schen Priorat Sasbach Besitz genommen haben.

6. General Monard, mit unserer vorgestrigen Antwort vom 11. Dec. sehr unzufrieden, beharrt auf der Forderung von 80,000 Frs. unter ernstlicher Bedrohung mit der schleunigsten und strengsten Execution. Man schickte an ihn eine Deputation; er drohte noch mehr und war unerbittlich. Nun änderten auch die couragirten Herren, welche Alles auf Execution wollten ankommen lassen, ihre Meinung; sie fürchteten nun doch bei dem Lande verantwortlich zu werden, wenn Execution eintreten sollte. Jetzt mußte in Eile die Steuer ausgeschrieben werden. Es geschah noch heute am 13. Dec., und soll binnen 8 Tagen die ganze Steuer bezahlt werden, um sogleich die 80,000 Frs. zusammen zu bringen. Ueberdies verlangte Monard einen detaillirten Ausweis, was für Lasten die Klöster auf ihren Gefällen durch Anordnung Kaiser Josephs oder durch Spätere zu tragen haben; - wahrscheinlich weil man ihm vorgestellt hatte, was die Klöster leisten müßten, und er dadurch selbst überzeugt worden, daß es unmöglich sei, denselben den größten Theil der Contribution aufzulegen.

7. Am 14. December verbreitete sich das Gerücht, daß der Frieden abgeschlossen sei. Diese Nachricht, anstatt zu erfreuen, erweckte vielmehr eine allgemeine Niedergeschlagenheit, weil man nur ungünstige Bedingungen erwartet und es für gewiß annimmt, Breisgau werde von Oesterreich, auch von Erzherzog Ferdinand ganz abgerissen und an den Kurfürsten von Baden überlassen werden. Auch ward mir heute Nachricht aus Wolfenweiler überbracht, daß das badische Besitznahmepatent an unsere dortige Zehntscheuer angeschlagen worden sei.
15-19. Dec. Alles ist noch immer in Bestürzung und Erwartung. Die Nachricht vom Frieden modificirt sich zu einem Waffenstillstand, während dessen die Unterhandlungen gepflogen werden sollen. Im Uebrigen dauern die Hiobsposten fort. Von Bissingen kommt die Nachricht, daß der P. Pfleger einstweilen bleiben, aber nichts veräußern dürfe, und daß das Oberamt und das Schultheißenamt denselben beobachten sollen. Ich tröstete denselben und ermunterte ihn, so gut ich selber konnte. Alles wird verloren sein. Von Wolfenweiler, Buggingen und Seefelden kommt die Meldung, daß unsere Gefälle in provisorischen Besitz genommen, das kurbadische Wappen an unsere Gebäude, Scheuern und auch an die Pfarrhöfe angeschlagen worden. Ich wie Andere machten Anzeige an die hiesige Regierung. Die Regierung selbst ist in Verlegenheit und hat keine Weisutug von ihrem Herrn. Die Kurfürstlichen fahren fort, weil sie Macht haben. Am 17. Dec. fuhr ich nach Sölden, um den Confratribus die Lage der Dinge vorzutragen. Jeder Tag erweckt neue Besorgnisse. Kurbaden geht immer weiter: Anfangs Sequester unter dem Vorwande einer Contribution, dann Uebernahme der im Lande gelegenen Gefälle der Auswärtigen unter landesherrlichem Schirm und Aussicht; - Extension dieser Maßregel auf reichsritterschaftliche Ortschaften - Deutsch- und Johanniterorden, noch nicht säcularisirte Klöster; - endlich greift es auch außer Landes um sich, nimmt zuerst die Orte, welche ehedessen strittig waren, z. B. Inzlingen. Stetten ec., endlich auch unstrittige, z. B, die Deutschordenscommende Beuggen. Die Regierung gab am 16. Dec. eine Protestation und Anfrage an das Carlsruher Hofrathscollegium. Indessen gehen die Besitznahmen fort. Am 19. Dec. kam Hofrath Duttlinger von Staufen, aus Befehl des Hrn. Fürsten von St.Blasien, mit welchem ich über die Angelegenheit Rücksprache hielt. Dieser sieht zwar die badischen Unternehmungen mehr als Versuche an, etwas zu erhaschen, und noch nicht als Schritte, welche einen vertragsmäßigen Grund haben. Unterdessen, da er noch bei mir war, erhielt ich von Thennenbach Nachricht, daß bereits vorgestern ein badischer Commissär mit fünf Husaren im Stift Schuttern provisorischen Besitz genommen habe. Auch an die Regierung wurde die Anzeige gemacht. Diese befahl zwar das Patent wieder wegzunehmen, den weitern Erfolg weiß ich nicht. Ich ging noch zum Hrn. Präsidenten, um für mich Instruction zu holen, und fuhr Nachmittag mit P. Carl nach St.Peter.

8. Den 23. December, Mittags um 3 Uhr, brachte mir der Kutscher reitend von Freiburg die mündliche Nachricht, daß heute Mittag um 11 Uhr ein kurbadischer Commissär zu Zähringen Besitz genommen, das badische Wappen angeheftet und dem Vogt unter Drohung befohlen habe, solches nicht abnehmen zu lassen. Der Gärtner machte auf der Stelle die Anzeige an den Beamten Dr. Schlaar in Freiburg und dieser an die Regierung. Ich schickte ohne Verzug Wagen und Pferde nach Freiburg und machte der Regierung die Anzeige, daß die Commission sich geäußert habe, heute Abend noch in St.Peter zu sein. Indessen blieben wir am 24. Dec. noch ruhig und hofften das hohe Weihnachtsfest ungestört zu feiern. Es scheint, daß sich die Regierung nicht weit einlassen werde, da sie keine Instruction hat und dermalen der Gewalt und den Eingriffen nicht kann widerstanden werden. Also ist nun in Gottes Namen zu erwarten, was geschieht. Ist die Zeit gekommen, daß Alles geändert werden soll, daß alle religiösen Anstalten der Vorfahren vertilgt werden sollen, so ist es Gottes unergründlicher Rathschluß, dieses geschehen zu lassen. Der Name des Herrn sei gebenedeit. Er hat diese Anstalten errichtet, sie so lange erhalten: Ihm seien sie nun übergeben. Wir haben uns lange gewehrt und nichts unterlassen, was wir für zweckmäßig hielten. Und noch ist nicht Alles verloren. Gottes Wege, auch zur Rettung, sind unerforschlich und auch die gewaltthätigsten Anschläge der Menschen vermögen nichts dagegen.

9. Es verbreiteten sich am 27. December bei uns allerlei Gerüchte; um zu erfahren, was daran wahr sei und um zu vernehmen, wie es sich mit der Besitznahme verhalte, fuhr ich Vormittags nach Freiburg und begab mich nach Tisch zu Hrn. Präsidenten von Greiffeneck, wo ich das bisher Vorgegangene erfuhr. Hr. v. Rotteck, Secretär S. K. H, des Landesfürsten, welcher seit ein paar Monaten auf Urlaub hier war, wurde schnell an S. K. H. vom Präsidenten abgeschickt, vorzüglich wegen der badischen- und württembergischen Besitznahme. Herr Präsident v. Andlaw reiste auf Veranlassung des Generals Monard selbst in das französische Hauptquartier, um eine Verminderung der Contribution zu erwirken, indem sich die Administration nicht in den Nachlaß einlassen will oder darf. Hr. v. Neven begleitete den Präsidenten auf dieser Reise. Andlaw hat auch den Auftrag, wegen der badischen und württembergischen Besitzergreifung zu negociren. General Monard, welcher heute zu Greiffeneck kam und mit welchem dieser über die badische Besitznahme sprach, versicherte: Baden sei nicht befugt, im Lande Breisgau Besitz zu nehmen; er erklärte sich bereit, dagegen Beistand - auch mit Soldaten - zu leisten. Was aber die auswärtigen Gefälle betreffe, so könne er sich nicht einlassen; ja es schien sogar, Monard glaube, diese Gefälle in fremden Staaten seien bereits dem Landesherrn überlassen. Unterdessen hatte die Regierung wegen der Besitznahme Kurbadens Protest eingelegt. Man hatte erfahren, daß die Besitznahme sich dermal nur auf solche Besitzungen der Klöster erstrecken soll, welche von Landen enclavirt oder doch an dieselben grenzen. Die Regierung hat den Obervogt Sauer von Waldkirch beauftragt, die badischen Patente in Thennenbach, Kiechlinsbergen, auch in Schuttern abzunehmen, und dem Beamten über Zähringen, Hrn. Schlaar, den Auftrag gegeben, jenes in Zähringen abzunehmen. Auf mein Ansuchen wurde am 28. dieser letztere Auftrag Herrn Fiscal v. Mohr gegeben.

10. Während dieser Vorgänge, aus welchen man einige Hoffnung schöpfen wollte, sammelte sich ein neues Gewitter über Breisgau, wahrscheinlich von diesem selbst verursacht. Neid und Eifersucht, Geist des Zwiespaltes und Haß einer Partei gegen die Regierung und den Prälatenstand ruhten nie. Nun war Hr. v. Andlaw weg, dessen Prävalenz Niemand läugnen konnte, und nun regte sich die schwarze Natternbrut. General Monard, nach allen Umständen und Vorgängen zu schließen, faßte nun den Entschluß zu trennen und durch Spaltung das Land zu ruiniren; und er faßte diesen Entschluß nicht von selbst, sondern auf fremde Anleitung. Bisher gingen alle Geschäfte ordentlich unter Leitung des Hrn. v. Andlaw durch die combinirte Kriegscommission. Hr. v. Baden hatte sich selbst davon entfernt gehalten; allein man sah Alles scheel an. General Monard hatte vor der Abreise des Hrn. v. Andlaw die Versicherung gegeben, daß er bis zum Austrag der Sache keine weitere Forderung mehr machen werde; nur müßten bis 1. Januar 1806 die 80,000 Frs. erlegt, bis auf den 10. Jan. 40,000 Frs. parat und am 20. Jan. wieder 40,000 Frs. parat sein, welche er aber im Depot lassen wolle. Heute (28. Dec.) ließ Monard Hrn. v. Baden zu sich rufen, und Nachmittags kam der Befehl, er solle les membres des Etats proprement dits zusammenrufen auf Abends um 5 Uhr. Monard werde selbst bei der Conferenz erscheinen. Diese fatale Conferenz hatte den schlimmsten Ausgang und schadete dem Land, wenn sonst keine weitere Folgen daraus entstehen, doch für einmal 40,000 Frs. Monard zeigte die Ordre, daß das Regiment Latour d´Auverne, 3000 Mann stark, aus Deserteurs bestehend, und zwei Cavalleriedepots in das Breisgau müßten verlegt werden; er zeigte Bedauern und äußerte den Wunsch, dieses abzuwenden, forderte aber, ungeachtet seines Frühern Versprechens, nunmehr die 80,000 Frs.; dann auf den 10. Jan. statt 40 jetzt 60 Tausend Frs. und auf den 20. Jan. ebensoviel, und alle Anwesenden sollten dies unter persönlicher Dafürhaftung unterschreiben. Nun war Niemand, der dem General antworten konnte noch durfte. Der alte Baden sagte nichts. Ich sagte nur, wir könnten die Sache nicht auf uns nehmen, es gehöre vor die Kriegscommission. Der General erwiderte: „Ich erkenne keine Commission; ich spreche nur mit den Ständen.“ Mit Mühe gewann man noch zwei Stunden, um dem Hrn. Präsidenten v. Greiffeneck Nachricht zu geben. Die Ritter kamen auf dem Landhause zusammen. Keiner konnte sprechen; man mußte am Ende unterschreiben. Das ist die größte That des Herrn v. Baden. Nachts nach 11 Uhr ward die Conferenz geendigt und unter Badens Vorsitz die Bezahlung von 200,000 Frs. auf den 20. Jan. zugesichert. Aber noch nicht genug. Monard wurde nun aufmerksam gemacht, er trennte nun die Regierung von den Ständen und am 29. Dec. berief er die Regierung besonders und forderte in dem nämlichen Termine 50,000 Frs. Die Regierung mußte auch unterschreiben, aber sie fordert nun von den Ständen das Postuar per 13,000 Frs. und nun wissen sich die Stände nicht zufrieden, berief Monard, instruirt und instigirt, auf den 31. Dec. alle Prälaten zusammen und wird übermorgen mit diesen alle seine Manoeuvres ebenfalls treiben.

11. Der 31. December war also der Executions- und Commissionstag für die Prälaten. General Monard hatte die Sache sehr formell und feierlich veranstaltet. Beide Präsidenten, die Syndici der Stände und die Secretäre der Regierung und Stände mußten gegenwärtig sein. Zu großem Ueberfluß hatte er noch den General Pfirdt als Interpreten dazu eingeladen. Nach einem splendiden Vortrag und vielen Versicherungen, daß unsere Gefälle im Lande unbelastet bleiben werden, so lange, wohlgemerkt, keine andere Ordre erfolge, kam er endlich zum Hauptvortrage: „Die Prälaten sollten aus christlicher Liebe und Religionseifer das Land in Bezahlung der Contribution mit einem Opfer von 150,000 Francs unterstützen.“ Monard sprach wie ein Prediger, wollte sich aber auch nichts einwenden lassen, keiner Vorstellung Gehör geben und drohte ohne Weiteres mit militärischer Execution. Ich kann mich nicht ausführlicher einlassen. Mit Nachdruck stand Hr. v. Greiffenck uns bei; auf einigen Gesichtern sah man Freude; Hr. v. Baden stellte sich gar zu blos. Man sah, daß es veranstaltet war. Hr. v. Baden hatte mir schon vor drel Tagen. Hr. v. Wangen gestern eine Andern die Scenen ziemlich vorausgesagt. Auch hat Hr. Etienne, französischer Mediciner, mich versichert, daß dieser Antrag nicht von Monard selbst herrühre, sondern demselben hier sei beigebracht worden. ImUebrigen ist der Hergang ziemlich ausführlich und getreu im Protocoll. - Wir nahmen Abstand. Ich setzte unsere Einwendungen und Bitten kurz auf. Es wurden 33,000 Frs. nachgelassen, aber nur provisorisch, und die Session auf Nachmittag wieder bestellt, wo das Protocoll vorgelesen, der Act und das Versprechen aufgesetzt und Allen mußte unterschrieben werden, mit dem, die Requisition sollten wir selbst nach Gerechtigkeit und Billigkeit machen; am 10, und 20. Jan. sollte unter persönlicher Dafürhaltung bezahlt werden. So ward Nachts um 8 Uhr dle Sache vollendet und so schloß sich das Jahr 1805. Seit zehn Jahren hatte ich keine schlimmeren Tage als die letzten dieses Jahres. - Es sei nun Alles Gott geopfert. Die drei letzten Monate brachten die Stifter Breisgaus an den Rand des Untergangs. Ob das künftige Jahr retten oder den Untergang vollenden werde, ist Gott bekannt. Sein heiliger Wille geschehe.

12. Ein Tag ändert oft viel, aber dermal nichts. Ebenso fatal ist der Anfang des neuen Jahres 1806, als der Ausgang des alten Jahres. Heute, am 1. Jan. sollte unter den Klöstern die Summe von 120,000 Frs. repartirt werden, aber man brachte nichts zu Stande. Man nahm den Dominicalfuß an, der sonst allgemein angenommen ward und der gewöhnliche Steuerfuß ist. Dabei kömmt St.Blasien und St.Trudpert tiefer hinein, als sie von Monard angesetzt waren. Diese wollten also, besonders da von ersterem nur Delegirte anwesend waren, nicht unterschreiben. Ich suchte möglichst zu vermitteln, weil Einigkeit jetzt am nothwendigsten ist, allein es zerschlug sich Alles und die meisten kehrten nach Hause. - Am 2. und 3. Jan. hielt ich zu St.Peter Capitel; ich legte demselben einen bestimmten Abschluß vor, worein alle willigten. Die Hauptsache war, daß man in gegenwärtigen Bedrängnissen Alles thun soll, was zum Besten des Klosters und seiner Mitglieder gedeihlich sein könnte, und die Sache mir überlasse. Ich versprach getreulich zu handeln, ohne mich über Alles verantwortlich zu machen, indem hierin Fehler unvermeidlich seien. - Am 5. Jan. fand in Freiburg abermals eine Conferenz statt, um die Repartition nach einem billigen Fuß zu fertigen. Hr. Regierungsrath Ruth übernahm die Vermittlung. Man ward einig, das Mittel zwischen dem Monard´schen Anschlag und der nach der Steuer berechneten Repartition zu nehmen. Von eben diesem Tage an bis zum 9. Jan. dauerte von Seite Monards das Drängen auf Bezahlung, von unserer Seite Entschuldigung und Bitten, indem sich nun jeder um Geld umsah. Es ist unmöglich, den Wirrwarr dieser Tage zu beschreiben, besonders da es sich immer mehr aufklärte, daß Breisgau an Baden und ein Theil davon an Württemberg übergehen werde. Inzwischen ergriff ich meine Maßregeln, auf den schlimmsten Fall wenigstens das Geld für die Contribution zusammenzubringen. Ich ließ entlehnen, so viel man uns brachte, da der Credit dermalen gering ist. Doch wollte ich nicht, daß man die Activa sehr übersteige. Unter Anderm brachte die Wittwe des ehemaligen Baumeisters Bilgeri auch 50 fl., fast das Ganze, was sie nach dem Tode ihres Mannes ererbt hatte, nämlich dessen im vorigen Jahre noch vor seinem Tode verdienten Lohnes, welchen ich ihr vor einigen Tagen mit 46 fl. bezahlt hatte. Gott, setze mich wieder in Stand, das gute Weib zu belohnen. - Im Uebrigen machte ich mir zur Regel, keine ewigen Gefälle zu veräußern, sondern nur solche Liegenschaften, deren Abgang das Kloster nicht sehr empfinden würde, und suchte dabei das Wiedereinlösungsrecht anzudingen, im Falle das Kloster sollte erhalten werden. Unablöslich verkaufte ich das sogenannte Quartierhaus mit einem Stück vom Gärtlein, welches uns mehr schädlich als nützlich gewesen und ohnehin baufällig war, ferner 5 Jauchert Matten beim Becklein. 9 1/2 Jauchert zu Zähringen. 1 1/2 Jauchert Acker auf dem Stühlinger, die sogenannte Mönchsmatte im Rechtenbach.

13. Am 8. Januar kamen Berichte von Hrn. v. Andlaw aus München, welche uns einige Hoffnung, auch General Monard nachgiebiger machten. Der Regierung versprach letzterer Aufschub bis zum 13., dem Prälatenstand, gegen welchen er Anfangs am strengsten schien, bis auf den 20., wo jedoch Alles aus einmal sollte geliefert werden. Indessen nahm er doch drei Pferde an, welche der Fürst von St.Blasien im Namen der Geistlichkeit verehrte, und so hatten wir Galgenfrist. Unerhört und bemerkenswerth ist der Umstand, daß man mit Erlaubniß der Regierung im Gedränge den Verkauf von klösterlichen Realitäten in den Zeitungen ausschrieb - und so wurden Breisgaus Abteien gleichsam öffentlich zur Versteigerung ausgerufen. Wenigstens sollte doch dieser Beweis hinreichend sein, daß man nicht so sehr von Geld strotze. General Monard selbst war dadurch frappirt, wie durch mehrere Zeugnisse, welche wir ihm übergaben, daß wir sogar dreifache Hypotheken anboten, um Geld zu bekommen und doch keines gefunden hatten. Solch eine bedrängte Zeit ist wohl seit dem Anfange unserer Stiftung nicht gewesen. Wenn Gott uns auch diesmal rettet, so ist es augenscheinlich das Werk seiner Allmacht und Güte. Oft schien es nicht mehr zu ertragen; Gott stärkte wieder und vielleicht rettet er noch. Meine Geistlichen zu St.Peter scheinen dieses, wenigstens fast alle, ernstlich zu wünschen und betragen sich wohl. Zu allen schlimmen Aussichten kommt noch die schlimmste, das Gerücht, daß Württemberg, oder der neue König von Schwaben, welcher bereits Villingen besitzt, noch einen Theil des Schwarzwaldes, nämlich St.Blasien und St.Peter besetzen werde. Dann hat die letzte Stunde geschlagen.

14. Von öffentlichen Nachrichten ist nur soviel sicher: Der Friede ist gewiß, aber ein trauriger. Kurbaiern nimmt den Königstitel an in Baiern. Württemberg den Königstitel in Schwaben. Vor 13 Jahren mordete man Könige, und wollte Alles zu Republiken machen; jetzt creirt man neue Kaiser und neue Könige, und vier Monate kehrten ganz Deutschland um. Im Breisgau treibt trotz dieser äußerst traurigen Aussichten der Parteigeist sein Wesen fort. Confeß und Adel machen die sonderbarsten Anschläge und Streiche. - Hr. von Baden und R. ließen sich von einem Confesse, ohne Zuzug des großen Ausschusses gehalten, Vollmacht geben und reisten vorgeblich nach Straßburg zum Kaiser, der in München war; wahrscheinlich eilten sie nach Carlsruhe, um mit ihrer Partie zuvorzukommen. Der übrige Rest vom Confeß wollte, nachdem Baden schon einige Tage weg war, noch einen Deputirten vom dritten Stand nachschicken, ohne den Prälatenstand dazu einzuladen. Wir erfuhren es noch, und obschon wir die Voreiligkeit, nach Carlsruhe zu reisen mißbilligten, gaben wir ihnen dennoch den Prälaten von Schuttern zu, damit doch auch unser Stand repräsentirt wäre. Doch gaben wir die eigentlichen Gründe unseres Verfahrens in dieser Lage auch nicht an. Ich kann hier kein Detail bemerken.