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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

XIII.
Württembergischer Annexionsversuch.

1. Voll guter Hoffnung, daß die Sache nun doch zu Ende gedeihen werde, kehrte ich am 11. Januar nach St.Peter zurück; aber noch denselben Abend um 9 Uhr erhielt ich durch einen Expressen von Neukirch die Nachricht, daß morgen die königliche württembergische Besitznahme-Commission nach St.Peter kommen werde, um für Württemberg Besitz zu nehmen, wie es bereits in Villingen, Triberg, Elzach geschehen sei, und daß die Linie zwischen Württemberg und Baden vom Schlegelberg zwischen Haslach und Elzach über den Kandel durch Welchenthal auf den Storen, über den Belchen bis an die Möhlin sich ziehen werde. Da hierdurch Breisgau getrennt würde, so käme gerade unser Kloster, dessen meiste und beste Gefälle im Breisgau liegen, in die allermißlichste Lage.

2. Am 12. Jänner eilte ich wieder nach Freiburg, theils weil heute noch deliberirt werden sollte, was morgen zu thun wäre, wenn die Badische Besitznahme-Commission eintreffen würde, wie es angesagt war, theils auch selbst Raths zu erholen. Ich erfuhr sogleich, daß die badische Besitznahme wieder verschoben; und konnte keinen guten Rath erhalten; die Regierung hatte noch keine Instruction vom Erzherzog, keine Nachricht von Hrn. von Andlaw. Alles war über die Trennung des Landes consternirt; die badischen Aemter, wie man hörte, äußerst betroffen, schickten Estafeten nach Carlsruhe - und so wußte Niemand zu rathen. - Nachts um 8 Uhr erhielt ich von St.Peter die Anzeige, daß wirklich die königlich württembergische Commission angekommen, um zü St.Peter. St.Märgen und Umgegend Besitz zu nehmen. Ich machte noch eilends die schriftliche Anzeige an die Regierung, auch an die Stadt Freiburg wegen deren Besitzungen in der württembergiscihen Linie, an Hrn. Prälaten von St.Märgen und mündlich an Hrn. Oberrechner von St.Blasien. Ich war auf den folgenden Tag bis Mittags 11 Uhr nach St.Peter citirt. Da ich von der Regierung ohne Weisung gelassen war, mußte ich nun heute nach St.Peter reisen. Die Witterung war äußerst schlimm; es hatte einen außerordentlichen Schnee über Nacht gelegt, und schneite immerfort häufig. Ich kam bis an die Eschbacher Steige, wo es unmöglich war weiter zu kommen. Ich kehrte zurück und speiste in Eschbach zu Mittag. Unterdessen kamen von St.Peter fünf Paar Ochsen, und so zog ich mit Ochsen zur Uebergabe des Klosters an Württemberg ein.

3. Bald nach meiner Ankunft wartete ich dem Hrn. Commissär, Hofrath Spittler auf. Dieser war höflich und kündigte mir seinen Auftrag an. Ich erwiderte, daß ich davor gar nicht erschrecke, indem Veränderungen längst zu erwarten gewesen, und man es bereits gewohnt sei, hin- und hergeschoben zu werden. Ich fragte, worin die Besitznahme bestehe, ob nur von der Landeshoheit, oder auch vom Eigenthum des Klosters. Die Antwort war: von Allem - nach dem Patent. Das Patent lautete aber mehr auf Landeshoheit; ich legte es so aus, erhielt aber keine weitere Antwort. Ich erklärte darauf die Lage meines Stiftes, mit der Vorstellung, daß die Regierung in Freiburg mir erklärt habe, da sie noch keine Weisung vom Erzherzog Ferdinand habe, sei sie nicht ermächtigt, mich der Pflichten zu entlassen; ich fügte noch bei, daß ich noch breisgauischer Landstand sei wegen Breisgauischen Besitzungen, daß unsere besten Gefälle im Breisgau lägen, und wir aus dem Walde nichts zu leben hätten, daß ich also wünschte, einstweilen aller Pflichtleistung enthoben zu bleiben. Der Commissär beharrte aber darauf und hatte bereits heute früh den P. Archivar, den Küchenmeister, den Beamten und einige Vögte in Pflicht genommen. Ich sprach noch weiter mit demselben über die Lage des Klosters, dessen Erhaltung ec. Aus Allem scheint es, daß die Sache einstweilen doch nur provisorisch sei und noch vielen weiteren Ausgleichungen unterliege. Ich berief sofort das Capitel zusammen, und stellte demselben lediglich die Lage der Dinge vor, ermahnte zum Frieden, zur Ordnung und zur Beobachtung aller Pflichten.

4. Der 14. Januar war der Tag, wo ich selbst in königl. württembergische Pflicht genommen, und das Kloster unter württembergische Administration gestellt ward. Um halb 10 Uhr ließ sich Herr Commissarius bei mir anmelden. Er eröffnete oder wiederholte seinen Auftrag, mir das Handgelübde abzunehmen. Ich wiederholte, was ich gestern schon gesagt hatte, mit der Bitte, meine Erklärung zu Protokoll zu nehmen zu meiner Legitimation. Insbesondere erklärte ich: 1. daß ich der erzherzoglichen Regierung die Anzeige gemacht und um Instruktion gebeten hätte, welche mir erwidert habe, daß sie selbst keine Instruktion von I. K. H. hätte und folglich sich nicht ermächtigt hielte, mich der Pflichten zu entlassen. 2. daß ich die meisten Besitzungen im Breisgau habe und breisgauischer Landstand wäre, es folglich möglich wäre, daß ich nach Freiburg als solcher gerufen würde, und auch dort Pflicht ablegen müßte. Die Erklärung war, daß dieses nicht repugnire und ich erscheinen könnte. 3. Erklärte ich, daß die Unterthanen bis daher Niemand gehuldiget hätten als mir, die Jurisdiction dem Kloster zustünde und Vögte und Unterthanen an mich zu verweisen wären. Die Antwort, daß einstweilen alles in bisherigen Verhältnissen bleibe; nur wären keine Berichte mehr an die österreichische Regierung, überhaupt an keine auswärtige Regierung zu geben, sondern nur an die Besitznahms-Commission. 4. Erklärte ich, daß ich der Gewalt und den Tractaten hoher Mächte nicht widerstehen könne noch wolle, nur möchte ich bitten, daß wenn ich in Pflicht genommen werden solle, dadurch mir keine persönliche Verantwortlichkeit, kein Präjudiz zuwachsen sollte. Man versicherte mich dieses Begehrens vollkommen. 5. Endlich sagte ich, daß es möglich wäre, daß in wenig Tagen Kurbaden ebenfalls Besitz dahier nehmen werde, und ich könnte genöthigt werden, ebenfalls Pflicht abzulegen. Die Antwort war, daß die Commission auf diesen Fall instruirt wäre, doch werde dieses nicht geschehen. Auf meine Erwiderung, daß es doch geschehen könnte, hieß es: si causa dabitur, tunc repondebitur; ich solle es vor der Hand nicht thun. Nach dieser Erklärung mußte ich Handgelübd geben, ganz im Allgemeinen. Sr. M. dem König von Württemberg treu zu sein. Ich erklärte, daß ich jedem Fürsten, welchen die Vorsehung mir zum Landesherrn geben würde, treu sein würde, mit der Bitte, mich und mein Stift Sr. M. zur höchsten Gnade und Protection zu empfehlen, indem wir uns zu allen möglichen Diensten zum Besten des Staates offerirten, wie wir zuvor dem Hause Oesterreich gedient hätten. Ich stellte wiederholt die Lage des Stiftes und der Unterthanen vor, welches nicht subsistiren könnte, wenn die Gefälle aus dem Breisgau gesperrt würden. Die Commission sagte, daß dieses Alles werde ausgeglichen werden. Ich fügte noch bei, daß ich hoffe und bitte, daß der Sequester zu Bissingen werde aufgehoben werden, und ich mit meinem Stifte in den Genuß jener Gefälle werde gesetzt werden, welche wir seit Jahrhunderten ruhig genossen haben. Hiezu machte man Hoffnung. - Nach diesem sagte Hr. Commissarius, daß fürderhin alles auf königliche Administration geführt und berechnet werden müßte, und folglich vom heutigen Tag an alles besonders zu verrechnen wäre. Nun verlangte Hr. Commissarius den Kassensturz; es mußte geschehen und das Geld ward ihm vorgezählt. In der Handkasse waren 117 fl. 40 kr., in der Hauptkasse 886 fl. zusammen 1003 fl. 40 kr. Ich fügte bei, daß ich vor drei Monaten freilich mehr Geld gehabt habe; nun sei alles erschöpft 1. durch die Augereau´sche Contribution; 2. durch die allgemeine Landescontribution; 3. wären aus Weihnachten alle Conto und Domestiken bezahlt worden, was beträchtliche Auslagen gewesen seien. Ich bat endlich noch um eine Abschrift des Protokolls und um eine schriftliche Instruktion, wie man sich künftig zu benehmen hätte; man versprach mir dieses.
Und so ward diese Handlung, die wichtigste seit Jahrhunderten in unserm Stift, mit wenig Worten geendigt. Hr. Commissarius verließ mich und ging auf sein Zimmer.

5. Man ging nun Schritt für Schritt weiter. Nachmittags wurde summarische Consignation verlangt: 1. über Vorräthe an Getreide, Heu, Stroh, Getränke; 2. über Kirchenpretiosa, über Silber zum Gast- und Conventgebrauch; 3. Hausgeräthe an Betten und Leinwand; 4. Bibliothek und Naturalienkabinet; 5. Bestand an Viehgattungen; 6. Vorräthe an Wagen und Ackerwerkzeugen; 7. Ausstände. Aus meine Aeußerung, daß mich dieses doch frappire, gab man mir zur Antwort, daß dieses eben nicht viel zu bedeuten habe, daß es nur zu einiger Kenntnis über den Ertrag und Betrag dienen möchte, daß die Besitznahme eigentlich nur für die Landeshoheit sei, daß es statistische Kenntnisse zur Absicht habe ec. ec.
Am 15. Januar erhielt ich aus mein Verlangen eine schriftliche Signatur des Inhalts, daß die Verfassung in Ecclesiasticis wie auch in Polizei- und Justizsachen einstweilen in gegenwärtigem Zustande verbleibe, nur wären keine Reverse und Berichte an auswärtige Behörden zu gestatten. Ich verfertigte indessen die Consignation. Die Commission selbst fuhr nun über Mittag nach St.Märgen, um dort Besitz zu nehmen. Herr Prälat war abwesend und krank angegeben. Hr. Thalvogt Kupferschmid von Freiburg, welcher gestern in St.Märgen war, heute aber vor Ankunft der Commission sich wieder entfernt hatte, hinterließ eine schriftliche Protestation, welche dem Vogt zurückgegeben wurde. Die angekommenen Soldaten wurden zu St.Märgen, hier und in Eschbach verlegt; ein kleines Commando nahm Besitz zu Zarten und stellte Hoheitspfosten auf. Mit der Commission kam Hr. Obervogt von Triberg, welchem Aufträge über das ganze Kirchzartner Thal gegeben wurden. Am 16. Januar beschäftigte sich die Commission mit Redigirung ihrer Akten, Rapporte ec. Ec. und instradirte den Marsch der Truppen nach St.Blasien. Der Commissär, Hr. Hofrath Spittler, war bescheiden, stille und es schien eben nicht, daß ihm diese Geschichte Freude mache. Der Sekretär Ditzinger war mehr Kritteler. Zwei Hauptleute, Beulwitz und Palm, waren muntere junge Leute. Auch kam heute von Villingen über St.Märgen ein Rechnungsrevisor, Namens Brodhag, welcher den Auftrag hat, einen Etat der Revenüen aufzunehmen.

6. Die Commission reiste am 17. Januar von hier wieder ab nach St.Blasien. Ich mußte einen Klosterzug kommen lassen, um selbe wegzuführen. Es war Thauwetter eingefallen. Witterung und Wege äußerst schlimm. Im Vorbeigehen soll Oberried besetzt, und ein Commando dort und in Zarten gelassen werden. Sekretär Ditzinger hatte den Einfall, alle Unterschaffner im Breisgau durch den hiesigen Beamten in Pflicht nehmen zu lassen, wenigstens durch ein Schreiben an dieselben. Man machte ihm Einwendung, bis er endlich, vielleicht aus Vergessenheit, davon abstand. Ueberhaupt ging die Commission sehr eilfertig und summarisch zu Werk. Aus den wenigen Aeußerungen des Hofraths ließ sich abnehmen, daß die endliche Absicht keine andere sei, als durch die Revenüen der Klöster die Einkünfte der Kammer zu vermehren, und die Klostergeistlichen auf Pension zu setzen. Auch schien es, daß der bestimmte Auftrag auf St.Blasien und St.Peter ging, die Linie nur im Vorbeigehen beiläufig bezeichnet, und was in dieselbe fiel, einstweilen in Administration genommen werde. Man wollte dem hiesigen Beamten die Administration des ganzen Kirchzartner Thals auftragen; wir wendeten es ab, und so wards dem Obervogt von Triberg überlassen.

7. Von Freiburg kam gestern Nachricht, daß Kurbaden Besitz genommen habe. Heute in der Nacht kam Anzeige von Elzach, daß von der Erzherzoglichen Regierung im Waldkircher Obervogteiamte, wo die württemberg. Patente angeschlagen worden, befohlen wurde, selbe wieder weg zu thun. Der Bote wollte nichts davon wissen, daß Baden Besitz genommen habe. - Nachdem die Commission um halb 8 Uhr abgereiset war, fing der Revisor Brodhag sein Geschäft an, welchem ich den P. Carlmann zugab. Nun ward es wieder stille und Zeit, den gewaltigen Stoß zu fühlen, der uns getroffen. Dermalen läßt sich gar nichts thun, als dulden und sich ergeben. Ohne Vorsehung geschieht nichts was geschieht. Dem Allmächtigen sei alles geklagt und heimgestellt; demüthig unterwerfen wir uns allen seinen Fügungen. - Am 17. und 18. Januar fertigte Revisor Brodhag den Etat der Revenüen, wozu wir demselben das Nöthige an die Hand gaben, meist selbst vorlasen. Brodhag schlug alles zu Geld, und machte eine Vergleichung; das Resultat war beiläufig 18,000 fl. (etwas darüber) reiner Ertrag. Brodhag war sehr bescheiden, gar nicht zum quälen und necken geneigt und zeigte, daß ihm derlei Geschäfte eben nicht angenehm sind.

Karl Wilhelm Ludwig Friedrich von Drais Freiherr von Sauerbronn (* 23. September 1755 in Ansbach; † 2. Februar 1830 in Bruchsal) war großherzoglicher, badischer geheimer Rat und Oberhofrichter. Großherzog Karl Friedrich beauftragte ihn 1806 als Hofkommissar mit der Eingliederung des Breisgaus in das Großherzogtum Baden.

Karl Wenzeslaus Rodeckher von Rotteck (* 18. Juli 1775 in Freiburg im Breisgau; † 26. November 1840 ebenda) war ein deutscher Staatswissenschaftler, Historiker und liberaler Politiker.

  8. Indessen kam von Freiburg die Nachricht, daß der badische Commissär Drais, aber ohne Truppen, daselbst angekommen, um die Besitznahme vorzubereiten. Kurbaden scheint sehr verlegen wegen der württembergischen Besitznahme, hat aber öffentlich noch nichts dagegen gethan. Das von Hrn. Drais bekannt gewordene Geschäft scheint einstweilen nur auf Beobachtung zu gehen. Von der Regierung hat derselbe Niemand gerufen und ist auch Niemand erschienen. Hr. Drais ließ eine Proklamation in die Zeitungen drucken gegen die Veräußerungen der Klöster, welche von der vorigen Regierung erlaubt worden waren, wobei er drohte und sogar sagte, daß er die Bezahlung der Contribution nicht zu hindern suche - schlechter Trostl - Die Württemberger sagten das Gegentheil. - Von Freiburg gingen sogleich städtische und Universitätsdeputirte nach Carlsruhe ab. Von Ständischen weiß ich nichts. In Freiburg selbst brachen nun die Leidenschaften hell aus, die Ritter überließen sich nun denselben, zeigten öffentlich Haß gegen die alte Regierung, beschimpften dieselbe ec. und so wird durch Zwietracht das Unglück des Vaterlandes nur größer gemacht. - Den 19. Januar Nachmittags ging Hr. Brodhag von hier nach St.Märgen, und so war bei uns der erste Strudel dieser Art überstanden; die folgen sind dem Allwissenden bekannt und ihm heimgestellt.
Jetzt erst findet man ein bischen Ruhe, um den harten Schlag zu fühlen. Seit dem 28, v. M. war ich beinahe in einer steten Betäubung. Schlag kam auf Schlag. Man konnte sich nicht mehr besinnen und fassen. Nur festes Halten an die Vorsehung konnte noch vor Verzweiflung retten. Der Kampf war schwer. Bis hierher hat Gott geholfen, daß wir tragen und dulden konnten und nur die Hoffnung, daß er ferner helfen werde, kann uns erhalten, daß wir ferner ausharren. Gott, der Allweise, Allmächtige, Allgütige wolle also ferner beistehen und helfen und retten und Alles leiten nach seinem heiligen und weisen Willen.