zum Inhaltsverzeichnis    zum Speckle-Inhaltsverzeichnis      zur Lindenberg-Liste

 

Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

XIX.
Die Freiburger Huldigungsfeier.

1. In der Freiburger Zeitung ward schon vorige Woche die Huldigung auf den 30. Juni (1806) angesagt. Hr. v. Drais ist Plenipotentiarius. An alle Aemter erging die Aufforderung, den Huldigungseid von den Unterthanen unterfertigen zu lassen und auf den 30. Deputirte zu schicken, deren Zahl aber jedem Amte nur auf einen bestimmt wird. Die Ritterschaft ward durch einen Aufruf in der Zeitung zur Huldigung eingeladen. Von den Prälaten hieß es, jene, welche für ihre hochwürdige Person der Huldigung anwohnen wollten, seien schon unter dem Adel mitgerechnet - schimpflich genug, daß man nicht einmal einer Einladung werth geachtet wird. Der Hr. Fürst von St.Blasien ward durch ein Schreiben zum Te Deum eingeladen. Ich hatte bald genug in Freiburg und fuhr am 21. früh zurück.

2. Nachdem die Huldigung an Kurbaden durch die Zeitungen öffentlich angekündigt worden, kam am 28. Juni ein Reitender mit einem Schreiben von königl. württembergischer Commission wegen, unterzeichnet von Dizinger, welcher bei der Besitznahms-Commission hier war, signirt mit dem Cabinetssiegel und ein ähnliches an den Beamten, wodurch wir ermahnt wurden, nicht zu huldigen, sondern uns standhaft zu widersetzen, widrigenfalls der abgelegte Eid als nicht geschehen werde angesehen, und wir zur Verantwortung sollten gezogen werden; sondern wir sollten unserm rechtmäßigen Fürsten i. e. Württemberg getreu bleiben. Es war nichts zu thun, als daß man dieses Schreiben in originali nach Freiburg an die Hofcommission schickte.

3. den 30. war die Huldigung Breisgaus an Kurbaden bestimmt; die Ankündigung geschah durch Zeitungen, worin auch vorläufig die Ceremonien dabei beschrieben waren. Der Huldigungseid mußte in allen Vogteien des Landes von zwei Drittel der Bürger unterzeichnet werden, aus mehreren Gemeinden ein Deputirter nach Freiburg abgeordnet werden und die Protokolle überbringen. Die Ritterschaft und der Adel wurden durch die Zeitungen aufgerufen, am 29. die Huldigungsacte zu unterzeichnen, und am 30. dem öffentlichen Akt, ohne zu schwören, beizutreten. Von den Prälaten, hieß es, jene, welche für ihre Hochwürdige Person beiwohnen wollten, wären unter dem Adel mitgerechnet; doch sollten sich alle Tags zuvor melden, um nach Thunlichkeit des Raums zur Tafel eingeladen zu werden. Man wußte also nicht, was zu thun wäre; ungewiß, ob ichs treffen werde oder nicht, fuhr ich am 29. Nachmittags nach Freiburg, mit mir der Inventirungskommissär Wetzel. In Freiburg erwartete mich Hr. Propst von Waldkirch, und da mit andern Prälaten nicht weiter kommunicirt werden konnte, gingen wir beide, dem Hr. Plenipotentiarius Drais aufzuwarten, welcher uns sehr höflich empfing, mit dem, daß er unsern attentum Sr. Durchlaucht anrühmen werde. - Hr. Baron v. Andlaw war heute früh aus Paris über Carlsruhe zurückgekommen, und ich traf denselben gerade bei Hrn. Greiffeneck an. Hr. v. Andlaw kam zur rechten Zeit. Es sollten bei der Huldigung zwei Reden, eine von Chef der Regierung, die andre vom Freiburger Stadt-Bürgermeister gehalten werden. Die erste war in Abwesenheit des Baron Andlaw dem jungen Hr. von Baden aufgetragen und schon gedruckt - man hätte gerne gesehen, daß dieser sie auch gehalten hätte. Baron Andlaw erwiderte, er sei nicht entgegen, allein dann werde er bei dem Akte nicht erscheinen. Da man dies nicht wollte geschehen lassen, so mußte man ihn auch die Anrede halten lassen, welche über Nacht noch mußte abgedruckt werden.

4. Die Witterung war am 30. Juni schön und eine Menge Volks in Freiburg versammelt, besonders viele altbadische Nachbarn und die Deputirten aller Gemeinden. Der Adel versammelte sich sammt den mitgerechneten Prälaten auf dem Landhause. Der Fürst von St.Blasien aber erschien nicht bei dem Akte, und entschuldigte sich damit, weil er das Te Deum in der Kirche halten müßte, was gerne angenommen wurde; Hr. Drais hatte den Antrag gemacht, den Hrn. Fürsten durch zwei Cavaliere (warum nicht durch Prälaten  ?) begleiten zu lassen.
Die Deputirten vom Lande versammelten sich auf dem Stadtrathhause. Um 10 Uhr fuhr der Hr. Commissär, von Baron v. Baden dem alten und dem General Monard begleitet zuerst ebenfalls auf's Landhaus. Der Thron war nächst der Hauptwache errichtet mit dem Portrait des Kurfürsten. Rings um den Münsterplatz machten die Soldaten Spaliere; alle Fenster und auch die Galerien am Münster waren mit Zuschauern besetzt.-- Hr. Commissarius von Drais stellte sich am Fuße des Thrones auf die dritte Staffel, neben ihm standen die kurfürstlichen badischen alten Herren Beamten, Maler und O. Rechts am Thron auf einer Seite der Adel, Prälaten, Officiere, links die kurfürstlichen neuen Beamten, oder das gesammte Beamtenpersonal von der Regierung ec. Vor dem Throne war ein weiter offener Platz; und dann stand der Magistrat von Freiburg noch innerhalb dem Spalier, bei diesem auch der Geistliche Herr Weiß. Exjesuit, als Rath; hinter dem Rath standen die Zünfte und Deputirten vom Lande; außer dem Spalier die Zuschauer. Hr. Drais hielt nun eine Anrede, worin der Huldigungseid vorgelesen und die letzten Worte nachgesprochen wurden, doch nur vom Magistrat, den Zünften und Deputirten vom Lande, nicht von Rittern, nicht von Prälaten ec. Hr. von Andlaw antwortete nun, und nach diesem Hr. Bürgermeister Adrian. Die drei Reden sind gedruckt. Man forderte durch Zeichen auf „es lebe“ zu rufen, nun wurden Böller gelöst und türkische Musik ertönte wiederholt. Hierauf ging der Zug ins Münster, das Te Deum  zu halten. - Diese Handlung sollte gottesdienstlich sein, war es aber nicht. Der ganze Chor des Münsters war mit Sesseln überstellt; ein langer lärmender Tusch, dann eine Symphonie; - sitzend hörte man zu, wie im Concerte. Das Te Deum ward endlich angestimmt; wir Geistliche und einige andere standen eine Weile, dann saß man wieder; wenige knieeten mit uns unter dem te ergo quaesumus und unter dem Segen. Nach diesem ward ein von Jakobi componirtes Lied gesungen, welches man sitzend anhörte, ohne etwas zu verstehen - und nun war das Concert geendigt, und man ging auseinander. Mittags wurden auf kurfürstliche Kosten zwei Tafeln gegeben; eine im Pfauen für Nobleß, Regierung ec., wozu auch die Prälaten eingeladen wurden; Hr. von Drais präsidirte; die zweite im Schützenhaus für den Magistrat, die Deputirten vom Lande, wo der Sohn des Hrn. von Drais präsidirte. An der ersten waren über 80, an der zweiten über 130 Gedecke. Die Sitze waren im Pfauen mit Zettelchen angewiesen; zur Rechten des Hrn. von Drais war General Monard, zur Linken Fürst von St.Blasien. Neben Monard saß der Prälat von Schuttern, und neben dem Fürsten der alte Herr von Baden. Mein Platz war nach Wunsch zwischen dem Hrn. Präsidenten von Andlaw und seinem Bruder dem Malteserritter; auch an dem ersten Haupttische. Nach der Tafel fuhr der größte Theil der Gäste im Pfauen nach dem Schießhause, die dortigen Gäste zu besuchen, und das Wettrennen der Kinder um kleine Preise anzusehen, in der Stadt bei Oberlinden waren einige Triumphbögen errichtet, der Brunnen geziert und Abends eine kleine Illumination. Dies war der wichtigste Tag für Breisgau seit Jahrhunderten, welcher Breisgau nun gänzlich von dem alten Hause Oesterreich losriß, die vom Kaiserhofe so lange respectirte Verfassung umstürzte, ganz Breisgau nun unter einen Herrn bringt, was freilich der Lage angemessen. Möge nun die gütige Vorsehung, welche dies alles herbeigeführt, machen, daß die Veränderung zum Besten des Landes, der Religion, und zum allgemeinen Frieden gedeihlich sei.