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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

XVII.
Ein zweifelhafter Rettungsversuch

1. Da nun die Reise nach Carlsruhe auf den 18. März festgesetzt ist, so machte ich mich heute wieder reisefertig, um mit P. Placidus nach Freiburg zu fahren, und dort den Fürsten zu erwarten. Am 18. März früh fuhren wir ab mit eigenen Pferden bis Kenzingen in zwei Wagen: Hr. Fürst von St.Blasien, P. Archivar, Hr. Hofrath und Oberamtmann Duttlinger nebst zwei Bedienten. Ich mit P. Placidus und einem Bedienten. Auf jeder Station brauchten wir 10 Pferde. Wir kamen Abends zeitlich zu Offenburg an, wo wir übernachten wollten. Da aber gerade wegen Auflösung der österreichischen Gefangenen eine Commission und viele Officiere in Offenburg waren, so fanden wir keine Herberge und fuhren noch fort bis Appenweier, wo wir auf der Post übernachteten. Die Wege waren äußerst schlimm, die Bäche sehr stark angeschwollen. Elz und Kinzig waren ausgebrochen, so daß bei Kenzingen und Offenburg ganze Gegenden unter Wasser standen. Den 19. März lasen wir zu Appenweier die hl. Messe, und fuhren bis Rastatt, wo wir wieder über Nacht blieben. Da wir zeitlich angekommen, besuchten wir den Hrn. Prälaten von Schwarzach, welcher in Rastatt nach Aufhebung des Stiftes von der Pension lebt, wo er ein Haus gemiethet hat. Dieser gab uns verschiedene Andeutungen, was in Carlsruhe zu beobachten wäre, zeigte gegen uns freundschaftliche Gesinnungen und ist wirklich ein Mann, der Geschäfte kennt und viel für sein Kloster gethan hat, ohne jedoch den Zweck zu erreichen. Am folgenden Morgen lasen wir in Rastatt bei den Piaristen die hl. Messe. Ich schickte in aller Frühe den P. Placidus mit Extrapost nach Bruchsal, und ließ den Geh. Hofrath Walz nach Carlsruhe einladen, um auch mit ihm, der sich stets als ein treuer Freund bewies, vorher Raths zu pflegen. Am Mittag kamen wir in Carlsruhe an und logirten in der Post; nicht lange nach uns kam auch P. Placidus mit Hrn. Hofrath Walz an.

2. Wir ließen uns heute bei Hof noch nicht ansagen, in der Absicht, zuvor bei den ersten Ministern Visite zu machen. Wir trafen aber heute keinen mehr an. Hr. Oberforstmeister von Adelsheim übernahm unsere Anmeldung bei dem Hrn. Hofmarschall M., welcher dermalen den Dienst des Oberstkämmerers Geusau versah. Ich besprach mich unterdessen mit Hrn. Walz, welcher uns gute Andeutung gab, vorzüglich aber rieth, besonders darauf anzutragen, daß nichts übereilt würde. Am 21. März lasen wir Messe in der katholischen Pfarrkirche, wo seit einem Jahre ein eigener Stadtpfarrer aufgestellt ist mit zwei Cooperatoren. Die Pfarrkirche soll aber erst künftig erbaut werden; unterdessen wird der Gottesdienst im katholischen Bethaus fortgesetzt, welches ehedessen von Kapuzinern, die ein Hospiz daselbst hatten, geschah. Der Hoffourier kam, um die Audienz auf ½ 2 Uhr anzusagen, zugleich zur Tafel einzuladen und die Hofequipage anzutragen. Ich besuchte noch den Hrn. Walz bei dessen Bruder, dem Oberhofprediger.

3. Um die bestimmte Stunde fuhren wir ins Schloß zur Audienz. Der Kurfüst empfing uns sehr gnädig, versicherte uns seiner höchsten Gnade, erinnerte sich seiner Anwesenheit zu St.Peter, äußerte auf meinen Vortrag in Bezug aus die Herzoge von Zähringen als Stifter unseres Klosters, und die Bezeugung, daß es uns freue, wieder an die Herzoge von Zähringen zurückgekommen zu sein, seine eigene Zufriedenheit und Freude darüber, daß er das Land seiner ersten Stammherrn wieder erhalten. - Wir wurden sofort der Frau Markgräfin, Wittwe des Erbprinzen und Mutter des wirklichen Kurprinzen vorgestellt, welche uns ebenfalls gnädig empfing; hierauf ging man zur Tafel. Bei der Tafel wurden außer Rindfleisch, lauter Fastenspeisen aufgetragen. Ich kam neben die Frau Reichsgräfin von Hochberg, Gemahlin des Kürfürsten, zu sitzen. Diese war ebenfalls gnädig, und sprach ziemlich viel mit mir. Es speisten die ersten Minister Edelsheim und Gailing bei der Tafel, was sonst nur bei größerer Tafel geschieht, indem der Kurfürst gewöhnlich nur am Sonntag zur Tafel kommt; an den übrigen Tagen hält die Frau Markgräfin Tafel. Nach Tisch wurde noch eine Weile gesprochen; und dann machten wir unsere Visite bei den Ministern und geheimen Räthen. Prinz Friedrich gab uns eine Stunde und empfing uns am Samstag; Prinz Louis gab keine Stunde, kam aber zu uns in unser Quartier.

4. Inzwischen ließen wir unsere Memoires copiren, um die Copien den Ministern zu geben, verfertigten auch eine Vorstellung um Ausfolgung unserer Gefälle, um beide in einer besonderen Audienz, zu übergeben.

5. Sonntag 23. März war große Tafel bei Hof. Wir wurden eingeladen. Vor der Tafel besuchte uns Hr. von Edelsheim, übernahm die Copien unserer Hauptvorstellung und die Originale der besondern und sagte uns, daß wir dieselben an den Kurfürsten noch heute nach Tisch übergeben könnten. Die Tafel war zu 40 Couvert. Der Kurfürst unterhielt sich nach der Tafel lange mit uns; wir übergaben unsere Memoires, der Kurfürst versprach, sich darüber einen Vortrag machen zu lassen. Abends war große Cour und Musik. Wir wurden eingeladen und erschienen. Der Kurfürst sprach lange mit uns, besonders auch wegen der neuen Forderung der Contribution, und gab uns die Nachricht, daß Hr. von Andlaw nach Paris deswegen abgereist sei; während der Musik zogen wir uns stille zurück. - Nach Tisch, vor der Cour besahen wir uns den Garten der Markgräfin; und das Monument, welches sie ihrem Gemahl darin hatte setzen lassen.
Während der Cour hatten wir uns zugleich bei dem Kurfürsten und den Prinzen beurlaubt. Des folgenden Tages besuchten wir noch das Naturalienkabinet, machten noch einige Visiten, wurden Mittags von der Frau Markgräfin zur Tafel eingeladen. Nachmittags machten wir uns reisefertig, verfertigten noch ein Promemoria um Resigniriung der Bibliothek und Archive.
Die Honorarien ließen wir durch Bediente übergeben, dem Hoffourir, den beiden Lakaien und dem Kutscher. Dem Hoffourir gab ich zwei Louisd'or, den beiden Lakaien drei Dukaten, dem Kutscher einen Louisd'or. Der Fürst gab dem Fourir sechs Louisd'or, den Lakaien zwei ein halb, dem Kutscher zwei Louisd'or. - Es schien, daß die Dienerschaft wohl zufrieden war. Die Lakaien verlangten sogar schriftlich, daß das ihnen gegebene honorarium für sie insbesondere bestimmt sei, damit sie's nicht in die Kasse geben mußten.

6. Auf Dienstag den 25. März hatten wir unsere Abreise festgesetzt. Ich hatte gestern den P. Placidus voraus nach Muggensturm zu seinen Eltern geschickt, und heute fuhr ich früher, nachdem wir die hl. Messe gelesen hatten, auch dahin ab. Ich kam noch ins Amt zu Muggensturm, wo P. Placidus gepredigt hatte, speiste da zu Mittag, lud P. Placidus Eltern und Bruder ein. Der dortige Pfarrer ist ein erfahrener Mann. Abends fuhr ich nach Rastatt, wo ich den Hrn. Fürsten bereits antraf. Wir blieben übernacht, und setzten am 26. März unsere Reise nach Offenburg fort, wo eben 1200 Mann ranzionirte österreichische Gefangene ankamen. Am 27. März kamen wir zeitlich und gesund zu Freiburg wieder an.

7. Das Resultat unserer Reise ist zwar nicht entscheidend, was wir auch gar nicht erwarteten; doch ist die Reise nicht zu bereuen, und es scheint, daß sie gute Folgen haben dürfte. Für's Erste haben wir eine heilige Pflicht erfüllt, für unsere Fortdauer alles zu thun, was nützlich sein könnte. Dann haben wir doch einige Verhältnisse und wichtigere Personen kennen gelernt, mit denen es noch mehr zu thun geben dürfte. Von Sr. D. dem Kurfürsten sind wir sehr gnädig empfangen worden; er zeigte offenbar, daß er wünsche, den Breisgau zufrieden zu stellen, daß der Titel Herzog von Zähringen ihm sehr angenehm sei, daß er überhaupt viele Rücksicht auf Alles, was von diesen Herzogen herkommt, auf sie Bezug hat, nehmen werde. - Die Markgräfin-Wittwe, Mutler des Kurprinzen, ist eine edle wohldenkende Dame. Auch Prinz Friedrich und dessen Gemahlin scheinen gut gesinnt, haben aber dermalen keinen Einfluß. Mehr Einfluß haben Prinz Louis und die Reichsgräfin v. Hochberg, zweite Gemahlin des Kurfürsten. Ueberhaupt ist der Ton des Hofes und des Ministeriums ängstlich und ungewiß. Man fühlt die Ketten, die man sich anlegen ließ, die Dependenz von Frankreich, die Gewaltthätigkeit Französischer Grundsätze; man weiß nicht, wohin sie führen werden, und trauet weder dem Frieden noch der Allianz. Deswegen war die Hauptantwort, die wir erhielten, daß man nichts bestimmen könne, weil man dermalen noch nicht wüßte, was man endlich vom Breisgau und unter welchen Bedingungen man es erhalten werde. Man fürchtet noch die Operationen der Malteser in Rücksicht auf die Klöster, weil man die Dependenz von Frankreich fühlt und sieht, daß alles durch Machtsprüche von dorther geschieht. Es wird zwar wirklich durch den Geh. Rath Brunner an der Organisation des Breisgaues gearbeitet; allein die mißlungene Organisirung der Pfalz vermindert Brunners Credit und kommt uns zu Gutem. Auch Brunner scheint bereits in Rücksicht auf ständische Verfassung gemäßigter zu urtheilen. Er erklärte uns, daß die Ankündigung über Auflösung der Klöster nicht so desinitiv gemeint sei, auch Stände könnten sein, doch müßte die Administration geändert werden.

8. Ueber die Heirath des Kurprinzen mit der französischen Prinzessin Stephanie Beauharnais ist man gar nicht erfreut, um so weniger, da die Kinder dieser Ehe alle sollen katholisch erzogen werden; ja man sagt sogar, der Kurprinz solle auch katholisch werden; man fürchtet noch manche Veränderungen in den Friedensartikeln. Die protestantische Partei ist furchtsam und besorgt, daß sie die bisherige Oberhand verlieren dürfte; überhaupt sind verschiedene Parteien. Der Prinz Louis bildet mit der Reichsgräfin Hochberg eine; die Markgräfin hat zwar dermal wenig Einfluß, aber ihre Partei scheint zu gewinnen. Das Ministerium selbst ist getheilt, wie es geht, wenn der regierende Fürst alt ist, und der Successor anfängt, thätig zu werden. Die nach Freiburg geschickten Commissäre Drais und Stösser wurden nicht von den Collegien, sondern durch Cabinetsordre ernannt, sind von den Collegien nicht begünstigt; doch hat Stösser in Carlsruhe mehr Credit als Drais und ungleich mehr als zu Freiburg. Alles hängt nun von der Uebergabe, von Frankreichs Einfluß, von der Rückkehr des Erbprinzen ab. - Die Abteien Schuttern und Thennenbach werden strenger behandelt als wir.

9. In Freiburg war man auf unsere Rückkunft sehr gespannt. Hr. von Drais besuchte uns und war diesmal höflich, etwas offener als er sonst gewohnt war. Wir besuchten denselben wieder, auch Hrn. von Greiffeneck, General Monard, Bürgermeister Adrian, welcher sehr begierig war auf unsere Relation, um den dritten Stand zu leiten. General Monard rühmte diesmal den Hrn. von Drais als einen ehrlichen Mann, rieth uns an denselben uns zu halten und sagte, der Fürst verlange Geld; wir sollten einige Anträge machen, und dann zweifle er nicht, daß unsere beiden Abteien, St.Blasien und St.Peter, werden erhalten werden. Wir fanden aber die Befolgung dieses Rathes noch zu voreilig. Hr. von Andlaw war unterdessen mit Baron von Neven nach Paris gereist wegen der Contribution, welche neuerlich mit 700,000 Francs ohnerachtet des mündlich zugesicherten Nachlasses gefordert wird. Zugleich ward aber eine beträchtliche Summe zur Entschädigung Kehls abbezahlt. Die Rückkunft des Barons Andlaw muß noch mehrere Dinge entscheiden.

10. Während unserer Reise starb am 22. März zu Thennenbach Hr. Abt August. Man machte die Anzeige an die badische Commission. Diese verfügte nur, daß fürderhin Prior und Großkeller die Administration zu führen hätten. Dieser Todfall kommt sehr zur Unzeit; doch weiß man die Wege der Vorsehung nicht; - rathen laßt sich dermalen nichts. Abt August war gut gesinnt, rechtschaffen, that in der kurzen Zeit viel für sein Kloster, war auch klug in Geschäften, und stets für die gute Sache. R.I.P