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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.


XXIII.

Urtheile des Abtes Ignatius über Wessenberg und dessen unkirchliche Neuerungen.

1. Deutschland, so schreibt der Abt zu Anfang des Jahres 1803, ist tief gesunken in jeder Rücksicht. Die Einigkeit ist dahin. Die an Frankreich geketteten deutschen Fürsten verschlingen begierig die ihnen zugeworfenen, geistlichen Güter, sehen hohnlächelnd Oesterreichs Erniedrigung und spotten des freilich jetzt kranken römischen Adlers. Bisher war die Rede noch nie von Beförderung der Religion und des Wohles der Länder. Man riß nur nieder und warf zusammen. Das Aufbauen wird nun den einzelnen Theilnehmern überlassen. Vorzüglich zeichnet sich durch seine Hinneigung zu Frankreich aus unser Erzbischof und Kurerzkanzler Dalberg. Vom Anfange der Unterhandlungen zu Regensburg hielt er immer zur Partei der Protestanten und Franzosen, war immer gegen Oesterreich und die geistlichen Fürsten und sorgte für nichts, als jährlich eine Million Einkünfte zu haben; Dalberg ist nun der erste, welcher aus den ihm zugefallenen Klöstern zu Regensburg, laut Zeitungsnachrichten Kasernen errichtet. Die deutsche Kirchenverfassung, ihr Einfluß auf das Politische, ist gestürzt und Oesterreich hat keine Partei mehr in Deutschland, seitdem keine geistliche Fürsten mehr sind. Nun muß eine ganz neue Kirchenverfassung gemacht werden, wobei die Protestanten dictiren und mit all ihrer Toleranz den Katholicismus werden zu vertilgen suchen. Klöster existiren nur noch wenige und diese sind in den Händen der Protestanten, oder unter Bayern und dem Erzbischof Dalberg. Beide sind in jeder Rücksicht für die Klöster schlimmer als selbst Protestanten.

2. Im Mai 1803 schreibt der Abt in seinem Diarium: Bei den gegenwärtigen Aussichten, da die deutschen Bisthümer sehr wahrscheinlich eine ganz andere Gestalt und Eintheilung bekommen werden, und Dalberg aufhören wird Bischof von Constanz zu sein, war doch die Curie, oder wie man, seit Dalberg Bischof ist, sagen muß, die geistliche Regierung noch nie so fruchtbar an Verordnungen und Einrichtungen, als gerade jetzt. Der jetzige Generalvicar, Baron Ignaz v. Wessenberg, zwanzig und einige Jahre alt, noch nicht Diaconus, aber schon ein belletristischer Schriftsteller, ist sehr freigebig mit neuen Verordnungen. Es scheint, man wolle die Welt mit geistlicheu Ordonnanzen überschwemmen; und wie jeder junge Mann von Kenntnissen, aber ohne Erfahrung, ist Wessenberg sehr eigensinnig in Behauptung derselben. Die meisten Verordnungen haben an sich etwas Gutes, aber sie sind theils nicht zeitgemäß, können noch nicht ausgeführt werden, theils sehnt man sich schon wieder nach Abänderung derselben. Das Sonderbarste dabei ist noch, daß einige derselben, welche nicht an das Volk, sondern an die Pfarrer oder nur an die Decane gerichtet sind, von dem Pfarrer sollen von der Kanzel verkündet, wobei von den Vögten des Ortes Atteste sollen ausgestellt werden, daß die Verkündung wirklich geschehen sei. Trotz den von Decanen und anderer Seite gemachten Gegenvorstellungen wird darauf beharrt.

4. Die von der Curie zu Constanz aus freien Stücken den früheren Ordensleuten ertheilte Ermächtigung sich weltlicher Kleidung zu bedienen, war von sehr nachtheiliger Wirkung. Die Religiosen, klagt der Abt im März 1807, geben immer mehr Beweise, daß Aufsicht über Menschen sehr nöthig ist. Freiheit nur wenigen wohl bekommt. Die Professoren am Gymnasium, meist junge Leute, nun ohne Obern, welche sie fürchten müßten, mit etwas Geld versehen, stellen nun der Welt ihren Leichtsinn, oder milder, ihre Unerfahrenheit, vielleicht wahrer, den Mangel an gründlicher Tugend dar. Sie entziehen sich aller Subordination, kleiden sich (freilich zufolge der ohne Ansuchen vom Vicariat in Constanz allgemein ertheilten Erlaubniß) in weltliche Kleider um, meubliren sich kostbar und genießen ihre Freiheit zu ihrem Verderben. Biedere Männer tadeln dies freilich laut, aber leichtsinnige Leute loben es wieder und machen's nach. Nur die hiesigen zwei Capitularen, P. Thaddä und P. Beda tragen noch ihr Ordenskleid, P. Joseph ließ sich verführen und trägt nun auch sein neues Röckchen, vor mir aber hat sich derselbe noch nicht sehenlassen. Ohnehin spuckt es immer mehr. Freiheitssucht, Mißtrauen, Interesse fangen an immer mehr zu herrschen; Friede und Liebe verschwinden - ein klarer Beweis, wie nothwendig Gehorsam und Zucht für leidenschaftliche Menschen sei. Aehnliche traurige Wahrnehmungen der Verweltlichung machte der Abt im October 1810 an den säcularisirten Klosterfrauen zu Friedenweiler. Die Klosterfrauen zu Friedenweiler, deren noch fünf übrig sind, schreibt Abt Ignaz um die genannte Zeit, werden immer unruhiger, besonders seitdem ihnen Decan Kiesel bei der Visitation sagte, daß sie ungehindert austreten können, nachdem schon vorher die Priorin Josepha und Schwester Scholastika ausgetreten waren. Sie kauften seither immer Zeug zu Kleidern, probiren ihre neuen Kleider, lassen färben und ändern, und benehmen sich wie Kinder und Närrinen. Nebenbei zanken sie miteinander wegen des Hauswesens ec. Die Verwandten der Klosterfrauen helfen treulich dazu und locken sie hinaus in der Hoffnung etwas von ihnen zu fischen. So kam der Pfarrer von Yach, ehemals Capitular zu Thennenbach, P. Benedict Fink, und machte der Antonia große Promessen, will selbe zu sich nehmen und diese ist bereit nächstens auszutreten und sich zu ihm begeben. Nachdem Constanz diesen Austritt begünstigt, so ist alles Uebrige verloren und in den Wind gesäet, was man ihnen nun vorsagen wollte.

 

Karl Theodor Anton Maria Reichsfreiherr von Dalberg (er unterschrieb mit Carl) (* 8. Februar 1744 in Mannheim[1][2]; † 10. Februar 1817 in Regensburg) war Erzbischof und Staatsmann, Schriftsteller, Popularphilosoph und Freund der Weimarer Dichter sowie Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Akademien.

 

Ignaz Heinrich Karl, Freiherr von Wessenberg (* 4. November 1774 in Dresden; † 9. August 1860 in Konstanz) war ein aufgeklärter römisch-katholischer Theologe aus schwäbischem Adel. Sein Bruder war der österreichische Minister Johann von Wessenberg.

 

       

5. Unter dem 13. April 1809 schreibt der Abt: Einige voreilige, allzueifrige Geistliche im Breisgau haben auch schon angefangent die Wessenbergischen Neuerungen in Vollzug zu bringen, während noch viele andere Geistliche, denen das ewige Aendern und Neuern mißfällt, dagegen Bedenken tragen, und die Geistlichen in der Baar im Begriffe sind, eine gemeinschaftliche Gegenvorstellung zu machen. Schon hat die badische Regierung die neuen Kirchenverordnungen zum Theil bestätigt, als nun der König von Württemberg das ganze Wesen und Unwesen in Stockung bringt. Nach zuverlässigen Nachrichten soll der König die Wessenbergischen Verordnungen geradezu mit dem Bemerken verboten haben: Se. Majestät habe ihren katholischen Unterthanen freie Uebung des katholischen Gottesdienstes versprochen und wolle das Versprechen auch halten. Der katholische Gottesdienst solle wie bisher gehalten und keine Neuerung dabei eingeführt werden. Die Verordnungen des Vicariates Constanz sollen nicht approbirt und zurückgegeben werden. Letzteres findet sich nun veranlaßt, die Ausführung der bereits gedruckt ausgegebenen Verordnungen durch ein Circular an die Decanate auf sechs Monate zu suspendiren, und auch der badischen Regierung hievon Anzeige zu machen. Jetzt erst findet der Herr Generalvicarius, daß derlei Sachen großer Ueberlegung bedürfen und nur sehr behutsam Aenderungen sollen vorgenommen werden. Der König von Württemberg hat Recht, und so muß ein protestantischer Fürst die Neuerungssucht eines katholischen Generalvicariates zurückhalten. Salus ex inimicis.

6. Das Hinderniß, auf welches Wessenberg bei seinen liturgischen Neuerungen in Württemberg stieß, scheint übrigens nicht von nachhaltiger Wirkung gewesen zu sein; denn noch im nämlichen Jahre, im November 1809, findet sich folgende weitere Aufzeichnung des Prälaten Ignaz in seinem Tagebuch: Die Bemühungen des Constanzer Vicariates Aenderungen in der Liturgie zu machen, werden noch immer fortgesetzt. Die Regierung in Freiburg hat sich zwar dagegen erklärt, allein in Carlsruhe finden sie Beifall und werden von dort unterstützt. Die Einführung geschieht aber auf eine schleichende Art. Es ist das Ganze nirgends publicirt worden, nur stückweise wird nach Umständen da oder dort etwas eingeführt. Mir ist das Wenigste davon bekannt, nur merke ich an, was zu St.Peter geschieht, wo der Pfarrer im Aendern sehr eifrig ist. Heute (1. Nov.) ward also nach dem Amte verkündet, daß Nachmittag um 2 Uhr, zufolge Erzbischöfl. Anordnung, eine Predigt gehalten, dann eine Litanei gebetet werde, dann werde man auf den Gottesacker gehen. In der Predigt wurde weiter erklärt, daß man Alles deutsch halten werde; auch wurde das Volk erinnert, daß nicht jeder aus das Grab seiner Verwandten gehen solle, sondern alle sollten den Klerus begleiten, was unmöglich ist, weil der ganze Gottesacker von dem Volke angefüllt ist. Auch solle man kein Weihwasser auf die Gräber sprengen, bis die Geistlichen wieder vom Gottesacker weggegangen seien. Nach der Litanei ging man in Procession auf den Kirchhof; die Sängermädchen sangen deutsche Lieder. Die Geistlichen begingen die Unklugheit, dem Studenten K, eine Sutane und einen Chorrock anzulegen, und so ging derselbe mit und half singen, zeigte aber durch sein leichtfertiges Benehmen, wodurch er dem Volke Anlaß zu Gespött gab, daß er trotz des Chorrockes doch noch Student sei. Es wurde nun auf vier Stationen gesungen und deutsch gebetet, und endlich bei der Linde incensirt und die Oration: Fidelium Deus etc. gleichfalls deutsch gebetet. Es wurde weder die Vesper de festo, noch das Officium defunctorum gehalten. Wenn dadurch nun das Volk mehr erbaut worden, so wäre es gut; aber es scheint dies nicht der Fall zu sein. Vom Gesang verstand man nichts; einige Leute spotteten, andere ärgerten sich.

7. In der Augsburger Zeitung Nr. 204 vom 20. August 1809 am Ende, unter den kurzgefaßten Nachrichten, heißt es: Nach öffentlichen Berichten haben Se. Hoheit der Fürst Primas Dalberg dem bekannten deutschen Schriftsteller Jean Paul Richter und dem Verfasser der „Weihe der Kraft“, Werner, jedem eine Pension von tausend Gulden ausgesetzt  ! - Der ganze Titel der Schrift heißt: „Martin Luther, oder die Weihe der Kraft.“ Zum Motto hat sie: „Der Bischof soll untadelhaft sein, eines Weibes Mann.“ Es ist eine der schändlichsten und boshaftesten Piecen, welche zu dieser Zeit gegen die katholische Religion, gegen den Papst, Kaiser Karl V., ec. gedruckt worden sind. Die Weihe der Kraft besteht in Luthers Heirath mit Katharina v. Bora. Und diesem Verfasser gibt der erste katholische Bischof von Deutschland eine jährliche Pension von 1000 Gulden, - derselbe Erzbischof, welcher den abgebrannten Regensburgern 500 Gulden zuschickt  !

8. Das neue Jahr 1810 brachte weitere kirchliche Neuerungen. Die Predigt, welche der Pfarrer am Neujahrstage zu St.Peter hielt, sollte darauf vorbereiten. Das Beispiel Jesu, welcher zwar das alte Gesetz beobachtet, aber doch ein neues eingeführt, mußte dazu angewendet werden, dem Volke die kirchlichen Neuerungen zu empfehlen. Es scheint, daß Hr. v. Wessenberg sich als beglaubigten Gesandten Gottes betrachtet. Die mit dem neuen Jahre beginnenden Einrichtungen sind zwar, wie manche Frühere, nicht von bedenklicher Art; z. B. soll an Sonntagen eine Frühpredigt gehalten, an Werktagen in der Pfarrmesse das Evangelium auch deutsch gelesen werden - aber die Aenderungssucht wird je länger desto bedenklichem und es läßt sich bald zweifeln, ob die Absichten dabei ganz rein sind. Schon wird das Volk gleichgültig bei den Aenderungen, und vielleicht nur gar zu geneigt, auch in wichtige Neuerungen einzugehen, welche man alsgemach vorzubereiten scheint. Es ist schon traurig, daß man jetzt sehr oft vom gemeinen Volk sagen hört: „Wir müssen halt lutherisch werden  !“ Man sagt das noch mit Wehmuth, aber schon mit einiger Kälte und die täglichen Aenderungen befördern diese Kälte und Gleichgültigkeit in der Religion. Auch entsprechen solche fortwährende Neuerungen nicht dem Geist der Kirche. Noch nie sind kirchliche Aenderungen von orthodoxen Vätern und Lehrern dem Volke so empfohlen worden, sondern nur von jenen, welche Urheber und Beförderer von Spaltungen und Secten waren. Am Epiphaniefest war die erste Frühpredigt um 7 Uhr. Es waren keine 20 Personen anwesend, weil es noch zu früh war. Um 8 Uhr wurde, wie sonst gewöhnlich der Rosenkranz gebetet. Nach dem Spätgottesdienst verkündete der Pfarrer, der Rosenkranz solle künftig um 7 Uhr gebetet werden, doch könne man auch um 8 Uhr selben beten, wenn man wolle. Nur immer anders  !

9. Bei den Exequien für den verstorbenen Großherzog Carl Friedrich im Jahre 1811 war im ganzen Lande keine Gleichförmigkeit. Von Carlsruhe kam die unbestimmte Anordnung. Exequien zu halten nach dem Gebrauche jeder Religion. Bei den Katholiken mußte nothwendig darüber Zweifel entstehen; einige wollten von der Curie Weisung haben und abwarten; andere konnten nicht genug eilen ihre Devotion zu bezeugen. Zu Freiburg wetteiferten Protestanten und Katholiken; zu Triberg hielt man die Exequien noch Früher als in Carlsruhe mit großer Solennität; sogar der Pfarrer trug einen Flohr am Baret. An einigen Orten betete man die Oration: Fidelium Deus im Allgemeinen, an anderen Orten wurde namentlich für den Verstorbenen gebetet. In einigen Kirchen hielt man sogar zwei Aemter, bald mit, bald ohne Opfergang. Gepredigt wurde in allen Amtstädtchen, was beim Ableben österreichischer Kaiser nur in der Hauptstadt Freiburg geschah. In Carlsruhe selbst hatte die Predigt des katholischen Pfarrers Dereser, vormals Professor zu Freiburg und ehemals Karmelit und Professor zu Bonn, einen unglücklichen Erfolg für den Prediger. Am Tage nach den Exequien erhielt er Befehl die Residenz binnen 24 Stunden zu verlassen. Derselbe wurde nach Rastatt verwiesen und unter polizeiliche Aufsicht des Stadtamtes gestellt. Nach einigen Tagen erhielt er die Sentenz, daß er mit einer Besoldung von 450 fl. als Professor an das Lyceum zu Constanz geschickt werde, um die orientalischen Sprachen zu lehren. Allerdings eine große Strafe für einen durch Herausgabe einer Bibelübersetzung und vieler anderer Schriften berühmten Manne. Es heißt, Dereser habe bereits einen Ruf nach Landshut erhalten, welchen er wohl der Kanzel zu Constanz vorziehen wird. Ueber den Inhalt der Predigt wird zwar verschieden geurtheilt, doch fanden die Herren Decani facultatum, von Freiburg, welche zugegen waren, eben kein so großes Verbrechen darin. Einige bestätigen zwar die Unklugheit des Predigers, aber doch auch die Wahrheit der Hauptsache; andere finden die Freiheit des Predigers die Wahrheit zu sagen nicht so sehr tadelhaft. Der Inhalt der nun gedruckt vorliegenden Predigt ist folgender: Der Zustand der katholischen Religion in badendurlachischen Landen vor Carl Friedrich und unter ihm. Freilich enthält die Predigt gar keine Schmeicheleien und kein weiteres Lob als der Inhalt forderte; nämlich, daß Carl Friedrich den Schlingen, welche ihm zum Nachtheil der Katholiken gelegt worden seien, sich zu entziehen gewußt habe; daß er den Katholiken die Ausübung ihrer Religion vergönnt. Pfarrei und Kirche gestiftet, und eben darum den Dank und die Trauer derselben verdient habe. Im Eingange der Rede ist bemerkt, daß es ungewöhnlich sei öffentliche Exequien für Jemanden zu halten, der nicht in der Gemeinschaft der katholischen Kirche gestorben sei. Carl Friedrich aber sei ein zu warmer Christ gewesen, als daß er nicht sollte gewünscht haben in der wahren Kirche zu sterben, sei also dem Willen nach Katholik gewesen. Am Ende der Predigt richtete der Redner eine Ermahnung im Namen des Verstorbenen an den neuen Fürsten, billig zu sein gegen alle Religionsparteien, besonders bei Auswahl der Minister und Räthe, den eigenen Glaubensgenossen keine Vorzüge einzuräumen und nicht zu vergessen, daß wenigstens zwei Drittel seiner Unterthanen katholisch seien. -
So intolerant man gegen Dereser verfuhr, so duldsam bis zur Absurdität war man in andern Stücken. Als am 19. März 1811 zu Carlsruhe in der katholischen Kirche das erstemal ein musicirtes Amt gehalten wurde, sang der reiche Jude Seligmann unter der Messe nach der heiligen Wandlung das Benedictus qui vendi in nomine Domini, - wahrscheinlich der erste Jude, der es nach dem Einzug Jesu in Jerusalem gesungen. Man will daraus einen Beweis von der Aufklärung und Toleranz unserer Zeit machen. Ist es aber nicht vielmehr ein Beweis von Gleichgültigkeit gegen die Religion  ? ist es nicht vielmehr theatralischer Auftritt als religiöse Handlung für den Sänger und die Zuhörer ? -

10. Juni 1812. Vor einigen Tagen erhielt ich Nachricht, daß der Weihbischof von Constanzt H. v. Bissingen nach Rheinau auf Besuch kommen werde und mich zu sprechen wünsche. Ich reiste also am 22. Juni dahin. Wir blieben daselbst bis am 26. und genossen einige frohe Tage zur Erheiterung und Erbauung. Der Hr. Prälat und alle Geistlichen überhäuften uns mit Freundschaftsbezeugungen. Der allgemein geachtete und würdige Bischof v. Bissingen wird nun in Constanz der Regierung des Bisthums ganz fern gehalten. Wessenberg schaltet und waltet mit unbeschränkter Vollmacht ohne alle Rücksicht auf den geistlichen Rath nach seinem Eigensinn. Der würdige Bissingen mißbilligt auf's Höchste Wessenbergs kirchliche Neuerungen, der immer nur umkehren und ändern will; allein er selbst vermag nichts anderes dagegen zu thun, als daß er in der Domkirche als Decan die Aenderungen Wessenbergs nicht aufkommen läßt. Im Uebrigen muß Bissingen dulden und schweigen, da er keine Macht hat. Alle Guten ehren und schätzen ihn. - Unter andern schönen Grundsätzen Wessenbergs ist nun auch erhoben, daß einige Seminaristen beim Austritt aus dem Seminar sogleich für 48 Kreuzer die Dispensation vom Breviergebet erhalten haben, jedoch unter der Bedingung, daß sie ein Breviarium romanum im Hause halten sollen ( ! ?) - Ein sehr wohlfeiler Ablaß  ! - Auch wird ohne Anstand manchen Pfarrern die Erlaubniß ertheilt vor der hl. Messe zu frühstücken. So werden nun die positiven Kirchengesetze geachtet und gehandhabt.

11. März 1813. Die Freimaurerei wird, seitdem wir badisch sind, wieder ganz offen und laut getrieben. Sie kauften in Freiburg eine Loge und ließen selbe ganz neu nach ihrem Plane einrichten und mit vielem Auswand ausstatten. Nicht nur zahlreiche Weltliche suchten das Glück der Aufnahme, sondern auch mehrere Geistliche. Genannt wird Pfarrer Jäck zu Triberg, Schmitt zu Kirchzarten, einige in Freiburg. Endlich kam der Befehl von Carlsruhe (wahrscheinlich auf höchste Ordre Napoleons), daß alle Verbindungen der Studenten, Landsmannschaften ec. auch die Freimaurerei aufgehoben sein sollen; daß alle Staatsbeamte einen Revers ihres Austrittes auszustellen hätten. Auch in Bayern wurde ein gleicher Befehl publicirt. Die Weltlichen mußten namentlich angegeben werden; den Geistlichen suchten ihre Herren Collegen hinauszuhelfen, um sie beim Volke nicht odios zu machen, so sehr scheuen sie das Volk. Ist die Sache gut, so dürften sie Niemand scheuen; ist sie schlecht - besonders für Geistliche - so hätten die Herren den kirchlichen Verordnungen gehorsamen und nie Antheil nehmen sollen.

12. Den 4. Oct. 1813 kam der Erzbischof und Primas Dalberg zu Freiburg an, von Emmendingen her, wo Hochderselbe übernachtet hatte. Man fand es schon tadelnswerth, daß Se. Excellenz in diesem protestantischen Städtchen Nachtquartier genommen, obschon er dort ziemlich früh angekommen. Einige sagten sogar, er habe dort in jenem lutherischen Städtchen Frühmesse gehalten. Zu Freiburg stieg Hr. v. Dalberg beim Mohren aus, berief die beiden Stadtpfarrer und ließ sich von denselben in das Münster begleiten, wo er vor dem Altare ziemlich lange betete, und dann dem Volk den Segen gab. Nun aber zeigte der niedere und höhere Pöbel seine Gesinnung. Niemand kniete nieder; mehrere sagten; „Wir brauchen Deinen Segen nicht, behalte ihn nur für Dich  !“ Selbst Dalbergs Bediente hörten dieses und erzählten es zu Neustadt mit tiefem Unwillen. Dalberg empfing noch die Deputation der Universität, bestehend aus den Professoren von Rotteck, Eckert und Rues - sowie den Kreis- und Stadtdirector, und reiste hierauf nach Neustadt weiter. Man erzählt in Freiburg noch allerhand Sottisen, welche während Dalbergs kurzem Aufenthalt vorgekommen sein sollen. Gewiß ist, daß Viele gar zu laut ihre Gesinnung in Verachtung und Haß gegen Dalberg äußerten. Gewiß ist auch, daß Dalberg eben nicht in kirchlichen Angelegenheiten reiste. Er hatte sehr schwer gepackt.

13. Hr. Cherubini, Auditor bei der Apostolischen Nuntiatur in Luzern, schrieb unter dem 5. October des folgenden Jahres 1814 an den Abt Ignaz: Reverentissimus Dehlbergius conversionem et poentitentiam simulavit, und in der That ist Dalberg seit einigen Wochen in Meersburg, hält selbst die Ordinationen, wohnt im Seminar höchst eingeschränkt in zwei kleinen Zimmern. Er soll die Ordinanden sehr nachdrucksam ermahnt haben, besonders auch zum Gebete; er betrage sich sehr erbaulich und habe geäußert, er bedauere, daß er mehr um sein Großherzogthum, als um sein Bisthum besorgt gewesen sei; ferner: er sehe wohl ein, daß er werde „ausfegen“ müssen, er werde auch den Mann dazu finden. Dalberg widme sich nun den Geschäften des Bisthums und alle Wochen müsse ihm ein- oder auch zweimal von der Curie referirt werden, was vorkomme. Mit Wessenberg soll er höchst unzufrieden sein. - Dalberg starb am 10. Februar 1817 zu Regensburg. Abt Ignaz widmet ihm in seinem Tagebuch folgenden Nachruf: Carl Theodor von Dalberg, vormals durch Bonaparte Großherzog zu Frankfurt, Fürst Primas zu Deutschland, vorher aber Bischof von Constanz, Erzbischof von Mainz, durch den Regensburger Reichsdeputationshauptschluß Erzbischof von Regensburg, geboren 1744, war ein Mann, dessen Name in Deutschland groß gewesen, der große Erwartungen erregte und wie ein glänzendes Gestirn aufging: der aber die Hoffnungen täuschte, sich selbst überlebte, von Manchen gesegnet, von viel mehreren - bedauert wird: ein Mann, dessen Einfluß eine Zeit lang groß war, am Ende aber ganz kraftlos wurde. Man zählte ihn unter die Sekte der Illuminaten, und so hoch man ihn Anfangs erhob, so tief setzte man ihn später herab - vielleicht beides über Verdienst. Für seinen Ruhm starb Dalberg zu spät; hoffentlich nicht zu spät für sein Heil. Sein Tod wird wichtiger und einflußreicher sein, als seine letzten Lebensjahre. Nun muß sich doch das Schicksal der deutschen katholischen Kirche entscheiden.

14. Im April 1817. Jetzt erfährt man, daß Wessenberg Generalvicar zu Constanz, welchem Dalberg noch kurz vor seinem Tod zum Coadjutor und Coadministrator des Bisthums ernannt hatte, den aber der Papst nicht bestätigte, nun selbst nach Rom reise. Er war seit Jahr und Tag in Frankfurt, ohne andere bekannte Vollmacht, wie es ihm in öffentlichen Schriften vorgeworfen wurde, als von Dalberg. Nach Dalberg's Tod eilte Wessenberg nach Carlsruhe, von da kehrte er nach Frankfurt zurück. Den Grund seiner Reise nach Rom kennt man noch nicht, daß er selbst das Bisthum mit allem Eifer und auf allen Wegen suche, liegt am Tage. Nach spätern Nachrichten mochte wohl diese Reise, wenn sie wirklich ausgeführt wird, eine andere Absicht haben. Man versichert nämlich, das Capitel zu Constanz habe nach Dalbergs Tod bei einer neuen Wahl Wessensberg wieder gewählt, und darum sei dieser nach Carlsruhe gekommene um die Bestätigung zu holen. Der Papst aber habe durch ein, Schreiben an das Constanzer Capitel, wovon dem Bischof Neven von Basel eine Abschrift zugeschickt worden, erklärt, daß Wessenberg die päpstliche Bestätigung nie erhalten werde. Auch nach Carlsruhe sei, wie man versichert, eine ähnliche Erklärung vom Papste gegeben worden, mit dem Zusatze: v. Wessenberg habe sich zu bessern, wenn und insofern derselbe noch einer Besserung fähig sei.

15. Am 12. April wurde in Freiburg das erwähnte, an das Constanzer Domcapitel gerichtete päpstliche Breve durch Privatcommunication bekannt, welches viel Aussehen erregte. (Dasselbe ist abgedruckt in v. Longner´s Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz) Das Breve bedarf wohl keines Commentars. Unter Auderm erklärt es sich nun, warum Wessenberg von Constanz so lange abwesend war und Reininger Provicar geworden. Wessenberg war schon lange vom Papste verworfen; Dalberg und Wessenberg hielten dies zwar geheim, doch entfernte sich Wessenberg von Constanz. Aber Dalberg beging die unbegreifliche Schwachheit, ut mitius loquar, daß er den vom Papst als Generalvicar abgesetzten Wessenberg zum Coadjutor und Coadministrator des Bisthums Constanz ernannte, vom Capitel denselben noch bei seinen Lebzeiten wählen ließ und Carlsruhe bestätigte aus Unverstand diese nichtige Ernennung. Die Urtheile über das päpstliche Breve sind natürlich sehr verschieden. Man sagt, daß man in Carlsruhe einen Vorschlag habe, der gegen alle Klugheit sei. So schrieb Pfarrer Burg von Kappel an Dr. Biechele dahier.

16. Den 6. Mai 1817 Abends kam der päpstliche Nuntius von Luzern auf der Reise nach Carlsruhe zu Freiburg an. Derselbe logirte im Zähringer Hof. Er schickte sogleich nach mir in mein Quartier. Da ich aber in Friedenweiler abwesend war, wollte man schleunigst durch einen Boten mich holen lassen. Der Nuntius nahm diesen Vorschlag aber nicht an, sondern ließ sagen, er werde auf dem Rückwege wieder hieher kommen. Er ließ sodann Hrn. Stadtpfarrer Boll rufen, besuchte die Münsterkirche und die Bibliothek; von Geschäften sprach er nur Weniges, doch äußerte er besonders die Absicht des Papstes, auf Herstellung einiger Klöster anzutragen. Die Münsterkirche gefiel ihm und er fand dieselbe für tauglich zu einer Domkirche; auch bemerkte er, daß Rom nicht abgeneigt sei, den erzbischöflichen Sitz nach Freiburg zu verlegen. Um 6 Uhr in der Frühe des folgengen Tages reiste der Nuntius wieder ab.

17. Der päpstliche Nuntius kehrte nicht über Freiburg, sondern über Straßburg zurück. Einige Tage nachher kam der Bischof von Basel hieher, den der Nuntius auf seiner Hin- und Herreise besucht hatte. Letzterer war in Carlsruhe mit gebührender Achtung empfangen worden, doch ist man über den Erfolg seiner Sendung noch nicht unterrichtet. Die Hauptabsicht seiner Sendung soll darin bestanden sein, den Großherzog einzuladen einen Gesandten nach Rom zu schicken. Wessenberg habe eine kurze Audienz gehabt, unterdessen versichert man jetzt von allen Seiten letzterer sei am 28. oder 29. Juli nach Rom gereist und Hr. Pfarrer Burg von Kappel, Wessenbergs rechter Armt begleite ihn, fast zu gleicher Zeit erschien ein Circular von der Bisthumsverwesung in Constanz des Inhaltes: Da das päpstliche Breve der Form und dem Inhalte nach irregulär sei, so werde befohlen den Wessenberg als Bisthumsverweser anzuerkennen. Dieser Erlaß sei auf ausdrücklichen Befehl des Großherzogs von der geistlichen Regierung publicirt worden. Von Hrn. Belli, Auditor der Nunciatur erhielt ich ein Schreiben, worin dieser Wessenbergs Streben absurdos irritosque conatus im Vorbeigehen nennt. Das Benehmen vieler von der niedern Geistlichkeit ist inzwischen so auffallend als jenes des katholischen Kirchendepartements in Carlsruhe. Einige wollen sich sogar gegen den Papst beschweren, andere erschöpfen sich in Wessenbergs Lob und behaupten, daß ganz Deutschland denselben schützen und zum Bischof haben wolle. Im Freiburger Capitel wurde sogar eine besonders gedruckte Sammlung von Zeitungsangriffen gegen das päpstliche Breve und zu Gunsten von Wessenberg´s Erhebung durch den Capitelboten verbreitet. Wessenbergs Römerreise erscheint doch immerhin als ein Zeichen, daß derselbe sich gefaßt, und seine Pflicht thun, sich submittiren werde.

18. Auf einer Reise nach Offenburg und Gengenbach hatte der Abt Gelegenheit die Stimmung des Curatclerus bezüglich der Wessenbergischen Angelegenheit besser kennen zu lernen. Im Allgemeinen glaubte er zu bemerken, daß die Gesinnungen der meisten Geistlichen von jeder Trennung weit entfernt seien, und daß folglich Wessenbergs Anhang sich verlieren werde, wenn sich derselbe mit dem Papst nicht aussöhne und an die Einigkeit der Kirche sich nicht halte. Wessenbergs Lobredner suchen denselben zu entschuldigen, defendiren auch nicht so fast dessen Sache, als excusiren sie ihn. Nicht er habe das Bisthum gesucht sondern Andere hätten es für ihn gethan. Sie versprechen sich Vieles von ihm zum Besten der Kirche, wenn er einst fest aus dem bischöflichen Stuhle sitzen werde.

19. In den Zeitungen liest man nun die Nachricht von Wessenbergs Ankunft in Rom, wo derselbe am 18. Juli eine Audienz bei dem Staatssecretär Consalvi gehabt habe. Man behauptet, Wessenberg habe direkte Aufträte von den süddeutschen Höfen zur Einleitung des Concordats und Empfehlungen von den großen Höfen Oesterreich und Preußen. Zugleich verbreiten Wessenbergs Anhänger in den Zeitungen die Behauptung, es sei ein Clubb von Obscuranten, welche gegen Wessenberg arbeiten. Gründlichen Nachrichten zufolge wurden Hrn. v. Wessenberg in der ersten Audienz bei Cardinal Consalvi im Allgemeinen die Beschwerden und Klagen gegen ihn vorgehalten. Ziemlich fest (oder dreist) soll derselbe geantwortet haben, daß er sich keines Vergehens schuldig wisse. Darauf soll der Staatssecretär befohlen haben, daß man dem Hrn. v. Wessenberg die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Einzelnen vorlege. Daraus scheint nun zu folgen, daß die Sache so schnell nicht werde abgethan werden.

20. Anfangs Mai 1817 hatte Abt Ignaz den Auftrag von der päpstlichen Nuntiatur erhalten einen Bericht über den kirchlichen Zustand des Bisthums Constanz, über die Verhältnisse der Katholiken in Baden und in der Nachbarschaft zu verfassen. Schon im August desselben Jahres empfing der Prälat die Meldung, daß diese relatio de statu et conditione Ecclesiae catholicae in terris Badensibus vom Cardinal Consalvi und selbst vom hl. Vater sehr gut ausgenommen worden sei. Den 23. September 1817 ließ der päpstliche Nuntius den Abt nach Rheinau zu einem Besuche einladen. Der Prälat spendet in seinem Tagebuch dem leutseligen Wesen und dem würdigen und erbaulichen Benehmen des Nuntius, dessen Gestalt ihn an den hl. Carl Borromäus erinnert habe, die größten Lobsprüche. Der Nuntius ertheilte bei diesem Anlaß zu Rheinau das Sacrament der Priesterweihe und am folgenden Tag die hl. Firmung. Bezüglich seiner Sendung nach Carlsruhe sagte er: die Absicht sei gewesen den Großherzog zu einem Concordate einzuladen und das Breve wegen Wessenberg zu überreichen. In Carlsruhe sei er zwar mit allen Ehren empfangen worden, aber er habe nie allein mit dem Großherzog sprechen können, sondern nur in Gegenwart des Ministers Hacke. Auch Wessenberg habe sich nur in Begleitung desselben Ministers Hacke vor dem Nuntins gestellt, und sei auf dessen Antrag so sehr betroffen gewesen, daß er gar keine passende Antwort zu geben gewußt. Ueber den wahrscheinlichen Ausgang dieser Angelegenheit äußerte sich der Nuntius nicht deutlich, sagte jedoch: Legatus Austriacus favet Wessenbergio. Auditor Belli, der jetzt als Internuntius in Luzern bleibt, bemerkte, man habe von Rom geschrieben: Wessenbergius venit Romam legem daturus: sed legem accipiet. Seither kam von Rom Nachricht, daß eine Congregation von drei Cardinälen mit der Untersuchung der Sache Wessenbergs beauftragt worden sei.

21. Als ein seltsames Gegenstück zu den Wessenbergischen kirchlichen Tendenzen reihen wir folgende Aufzeichnung des Tagebuchs hier ein: Den 18. October 1817. Seit zehn oder mehr Tagen treibt die bekannte Madame Krüdener ihr Wesen dahier in Freiburg  - zum Schimpfe der Stadtbewohner. Schon vor mehr als einem Jahre ward diese neue Prophetin oder Apostolin aus dem badischen Lande verwiesen, in der Schweiz von Canton zu Canton geschoben. Dennoch kommt sie jetzt wieder nach Freiburg, wo, sie großen Zulauf von Fürwitzigen und Abergläubigen hat. Sie predigt im Gasthaus zum Zähringer Hof Buße und Belehrung, weissagt schlimme Zeiten, singt und betet unter dem Zulauf der Menge. Leute, die nie ein Knie in dem Hause Gottes beugten, fallen nieder und hören ihr albernes Geschwätz. Die Obrigkeit läßts geschehen. Unterstünde sich ein katholischer Priester ähnlich aufzutreten, er würde eingesperrt. Es ist nicht der Mühe werth die vielen Anekdoten in diesem Betreffe aufzuzeichnen. Aus allem ergibt sich, daß sie eine Schwärmerin, vielleicht auch eine betrogene Betrügerin ist. Viele Freiburger bewundern sie, sogar Geistliche hörten sie wenigstens ohne offenbare Mißbilligung an.

22. Am Ende des Jahres 1817 gab das schon im Juli abgeschlossene und nun allgemein publicirte Concordat des Papstes mit Bayern bessere Aussicht für die Religion und die katholische Kirche. Ueber alle Erwartung werden darin die Grundsätze zur Erhaltung und Beförderung der Religion festgesetzt; acht Bisthümer darunter zwei Erzbisthümer werden hergestellt und dotirt, das Confirmationsrecht des Papstes und der freieVerkehr mit dem hl. Stuhl werden anerkannt. Seminarien errichtet, den Bischöfen die Aufsicht über die öffentlichen Lehranstalten eingeräumt. Maßregeln gegen verderbliche Bücher getroffen, auch die Wiederherstellung einiger Klöster wurde zugesichert. Alle Gutgesinnte freuen sich dessen, danken Gott und wünschen, daß nach den nämlichen Grundsätzen auch die Concordate mit den übrigen deutschen Regenten abgeschlossen werden möchten. Nicht so denken unsere Reformer. Der Exfranciscaner Burg, Pfarrer zu Kappel, bischöfl. Constanzischer Commissär, Begleiter und Procurator Wessenberg's zu Rom, soll von dorther geschrieben haben: Das bayerische Concordat sei ein Meisterstück der römischen Politik, der Triumph des Obscurantismus über die Aufklärung  ! - Und ein Mann von dieser Denkungsart ist Wessenbergs geheimster, vertrautester Rath  !

23. Um die Mitte des Monats Januar 1818 kam Hr. v, Wessenberg aus Rom, wo er am Vorabend des Weihnachtsfestes abgereist war, wieder in Carlsruhe an. Ueber den Erfolg seiner Reise ist bis jetzt noch nichts Zuverlässiges bekannt. Die Zeitungen ergießen sich nun im Lob der Unbeugsamkeit Wessenbergs, womit er die Freiheit der deutschen Kirche vertheidigt und sich geweigert habe, seine Früheren Handlungen und Anordnungen zu widerrufen. Von Carlsruhe meldet ein Privatschreiben des Hrn. v. Fahnenberg, daß Wessenberg unverrichteter Dinge aus Rom zurückgekommen sei. Alle Lobeserhebungen der Wessenbergianer, welche immer ganz Deutschland zu repräfentiren vorgeben, werden niedergeschlagen durch folgende vier wichtige Schriften: 1) Die Ernennung Wessenberg's zum Coadjutor. 2) Der deutsche Patriarchat. 3) Die dermalige Lage des Bisthums Constanz, alle 3 von Professor Frey in Bamberg. 4) Die deutsche katholische Kirche, von Weihbischof Zirkel zu Würzburg, der von Bayern bereits zum Bischof von Speyer bestimmt war, inzwischen aber gestorben ist. Diese letzte Broschüre ist einer Schrift Wessenbergs: Die deutsche Kirche betitelt, entgegengesetzt.

24. Seit der Rückkehr Wessenbergs aus Rom ist man zu Constanz in größerer Verlegenheit als zuvor. Eine gedruckte actenmäßige Schrift, welche die Denunciation des Geheimen Rathes Gärtler in Bruchsal gegen Wessenberg, in specie gegen das Pastoralarchiv enthält, gibt wichtige Aufschlüsse. Wessenberg hält sich ganz an die weltliche Macht. Von dieser erschien bald nach Wessenbergs Rückkehr aus Rom eine Resolution des Ministeriums des Auswärtigen, worin befohlen wird, den Wessenberg als Bisthumsverweser zu schützen, auch mit Anrufung der Staatsgewalt, so oft und so viel es nöthig sein sollte. Wenn dieses nicht Intrusion ist - was ist es dann ? Und Wessenberg, wenn er diesen Befehl nicht selbst veranlaßt hat, hätte dagegen öffentlich protestiren und sich in keinem Falle von der weltlichen Gewalt intrudiren lassen sollen.

25. April und Mai 1818. Die wichtigsten Angelegenheiten sind dermal die der deutschen Kirche, und was uns näher angeht, des Bisthums Constanz. In Frankfurt hat sich eine Deputation der protestantischen Fürsten wegen der Angelegenheiten der katholischen Kirche Deutschlands versammelt. Von Seite Badens ist der Frühere Malteserkanzler Ittner (ein Mann ohne Religion) und Wessenbergs Rath und Procurator, Pfarrer Burg von Kappel dabei. Diese Versammlung schien sich Anfangs in den Kopf gesetzt zu haben, sie dürfe nur Gesetze geben; ja es schien auf eine Trennung vom Papst, wenigstens durch den nassauischen Deputirten, einen katholischen Priester, Namens Koch, angetragen worden zu sein. Nun werden sie aber geschmeidiger, wie man glaubt, auf eine Erinnerung von Oesterreich und Bayern. Die Flugschriften schwirren übrigens im frühern Geiste umher, doch mangelt es nicht an gründlichen Antworten. - Wessenberg sitzt immer noch in Carlsruhe, doch verlor er selbst bei seinen Anhängern unter dem Clerus viel an Achtung durch die badischen Manutenenz-Decrete, welche er selbst nicht hätte zulassen sollen.

26. In den ersten Tagen des Monates Juli 1818 kam Wessenberg auf seine Herrschaft Feldkirch im Breisgaut wo derselbe mit vielem Jubel, Geläute und Schießen empfangen wurde. Die Vorsteher des Capitels Breisach, auch die beiden Freiburger Stadtpfarrer, Boll und Biechele, machten ihm ihre Aufwartung. Sie wurden sehr höflich empfangen, von der Hauptangelegenheit wurde jedoch nichts gesprochen. Wessenberg besuchte seinen Freundt Pfarrer Jäck zu Kirchhofen; nach Freiburg zu kommen, wurde ihm abgerathen, weil der Adel sein Verhalten mißbillige. - Nach einer kurzen Abwesenheit nach Freiburg zurückgekehrt, fand ich eine Menge Briefe und Paquete, darunter auch die Schrift: „Die Kehrseite Wessenberg´s.“ Diese Broschüre beurtheilt Wessenberg aus seinen eigenen Schriften, und beleuchtet dessen höchst auffallende Grundsätze, - so daß man nicht umhin kann zu glauben, wenigstens zu fürchten, Wessenberg gehöre zu jenen, welche der katholischen Kirche, ja dem Christenthum den Untergang bereiten und an dessen Stelle die Philosophie oder Naturreligion einführen wollen. Wessenberg lebt unterdessen in Feldkirch, besucht die Pfarrer der Umgegend, scheint Popularität zu affectiren und läßt von der Aarauer Zeitung sich loben durch die Bekanntmachung der Komödie zu St.Trudpert, wo ihm Pfarrer Jäck eine Medaille übergab mit der Aufschrift: Angelo Ecclesiae Germanicae laetans ac gratus Clerus Brisgoviensis 11. Jul. 1818.

27. Am 20. September 1818 wurden die Preise der Saurier-Stiftung zu Freiburg ausgetheilt. Wessenberg erschien auch dabei - Ich kam neben ihn zu sitzen, ohne ihn zu kennen, doch muthmaßte ich aus der Anrede des Dr. Biechele und aus der Begleichung mit Wessenberg´s Portraitt das ich hatte, daß er es sei. Nach der Rede sprach ich Hrn. v. Wessenberg an - wir wechselten einige gleichgültige Worte und jeder ging seines Weges. Wessenberg blieb ein paar Tag zu Freiburg, ohne an Achtung zu gewinnen. Der Magistrat und die Universität schickten eine Deputation an ihn. - Gegen Mitte November kam Pfarrer Burg von Kappel, nachdem die Einleitung eines Concordates über die katholischen Kirchenangelegenheiten in Frankfurt beendet war, nach Feldkirch zu Wessenberg. Bald nachher verließ letzterer seinen Landaufenthalt, um über Rastatt und Carlsruhe nach Constanz zurückzukehren. Die Machinationen dauerten im Stillen fort. Dr. Biechele, St.Martinspfarrer zu Freiburg, versuchte noch einmal, Unterschriften für Wessenberg zu sammeln, in der Voraussetzung, daß Wessenberg schon bestimmt sei, als bevollmächtigter Repräsentant der Geistlichkeit bei einem badischen Landtag aufzutreten. Biechele war aber diesmal in seinem Unternehmen nicht glücklich. Einige Decane protestirten dagegen, die geistliche Regierung in Constanz und sogar das Kreisdirectorium mißbilligten seinen Schritt. - Am 10. Dec. erhielt ich die Abdrücke einer kleinen Schrift, die ich verfaßt und in Bamberg hatte drucken lassen: „Wessenberg's Aufenthalt im Breisgau. 3. Auflage mit Anmerkungen von einem Zuschauer der noch ohne Brille sieht.“ Die kleine Schrift findet Beifall.

28. Die fortgesetzten Umtriebe der Anhänger Wessenbergs veranlaßten mehrere katholische Pfarrer zu einer gemeinsamen Kundgebung ihrer gegentheiligen Ueberzengung. Sie besprachen sich mit Abt Ignaz und dieser verfaßte mit Zustimmung und auf den Rath seiner gleichgesinnten Freunde die bekannten vier Fragen an die Geistlichen des Landes (vgl. Katholische Zustände); auch setzte er eine Eingabe an den Großherzog auf und ließ dieselbe durch den General Lingg überreichen, obwohl das Ministerium des Innern alle weiteren Erklärungen für und gegen Wessenberg verboten hatte. Diese Vorstellung wurde vom Großherzog zwar gnädig entgegengenommen, doch erhielt er von der katholischen Kirchensection den Bescheid: „Er (Speckle) sei nicht das Organ der Geistlichkeit und die Form seiner Eingabe sei nicht untadelhaft; die Sache hätte durch Capitel und Decane an die Vicariate gelangen sollen. Wessenberg als Bisthumsverweser, sei nicht blos Repräsentant der Geistlichkeit, sondern als Deputirter habe er über Kirchliches und Politisches zugleich zu sprechen. In Ermanglung eines Bischofs habe der Großherzog ein Provisorium getroffen, womit alle Geistlichen zufrieden sein sollten.“

29. In den Ständeverhandlungen zu Carlsruhe (Juni 1819) kam die Wessenbergische Angelegenheit gleichfalls zu Sprache. Rotteck machte in der ersten Kammer die Motion zu einer Dankadresse an den Großherzog für den dem Wessenberg geleisteten Schutz, fand aber wenig Beifall. Darauf kam Professor Duttlinger aus Freiburg in der zweiten Kammer mit einer Motion über Kirchenfreiheit, worin er sich die ungebührlichsten Ausfälle gegen den Papst erlaubte. Kreisrath Dreher von Constanz bemerkte demselben: Diese kirchliche Sache gehöre nicht vor die Landstände. Duttlinger ereiferte sich so sehr, daß er sich bis zu der Aeußerung verstieg: Lieber werde er seine Stimme zu einem Schisma geben, als zu einem Concordate, wie Bayern eines sei ausgedrungen worden. So weiß man nun das Endziel dieser Partei. Nachdem die Ständeversammlung eine Wendung genommen, die dem Hofe nicht angenehm sein konnte, die zweite Kammer insbesondere sich zu bedenklichen Grundsätzen hinneigte und in ihren Forderungen zu anmaßend erschien, wurde dieselbe im August ganz unerwartet vertagt. Rotteck wurde zu Freiburg sehr glänzend empfangen; viele Studenten waren demselben bis Emmendingen entgegen geeilt. Die Freiburger Bürgerschaft ließ dem „Vertheidiger der Freiheit“ einen silbernen Pocal mit den Wappen der 12 Zünfte anfertigen und überreichen. Darauf machte ein witziger Kopf folgende Verse: „Den Papst schalt in der ersten Kammer jüngst ein Sprecher, (Hr. v. Rotteck) Dafür erhielt der Mann von Silber einen Becher. Ein And'rer (Prof. Duttlinger) in der zweiten Kammer schalt frecher noch ganz ohne Maß und Fessel: Was gibt man dem  ? Ich denke, statt des Bechers einen großen Kessel.

30. Wir schließen diesen Abschnitt mit den Worten des Verfassers der „Katholischen Zustände in Baden“: Die Verhandlungen mit Rom überzeugten den Großherzog, daß er Wessenberg nicht mehr zum Bischof vorschlagen konnte. Er wollte ihn aber nicht geradezu aufgeben, das war eine Rücksicht der Billigkeit, sondern ließ durch die Decane des Landes drei Candidaten zur bischöflichen Würde erwählen, das war ein Beweis der Unparteilichkeit, obwohl das Verfahren nicht für canonisch gelten konnte. Die Decane wählten den Hrn. Wessenberg und nöthigten dadurch den Großherzog, daß er denselben bestimmen ließ, sich zurückzuziehen, was auch geschah (1822) damit erklärte Ludwig, daß die Coadjutorswahl Wessenbergs und ihre Bestätigung durch die Regierung so wie die amtliche Denkschrift abgethan seien. Die Partei aber die sich, an Wessenbergs Namen anschloß und in und außerhalb der Regierung Anhänger hatte, gab ihre unkatholischen Plane nicht auf.