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St. Ottilien

Zu den schönsten Ausflugsorten in der näheren Umgebung von Freiburg, gehör! zweifellos St. Ottilien, das in zauberischer Waldeinsamkelt am Südabhang des Roßkopf gelegen ist und aus einer kleinen Wallfahrtskirche einem Bruder (Meßner-) und einem Wirtshaus besteht, Letzteres wurde in diesem Frühjahr einer Erneuerung unterzogen und macht nun einen recht einladenden und behaglichen Eindruck.

Wann die Kapelle erbaut worden ist, steht mit (Bestimmtheit nicht fest, etliche geben dieser Kirche ihren Ursprung im Jahre 679, andere im Jahre 682; Kapuziner berichten, daß sie "schon um das Ende des 1100 Jahr-Lauffs vergrössert“ wurde. Als gewiß ist jedoch anzunehmen, daß sie geraume Zeit vor 1500 in St.Ottilien gestanden hat und die Stadt Freiburg jeweils einen besonderen Pfleger darüber ernannte. Die heutige gotische Kapelle, an deren Langhausfenstern noch Spuren von früher angebrachten Maßwerken und an der Rückseite des Hochaltars die alte gotische Mensa noch sichtbar sind, gehört dem Ausgang des 15. oder dem Anfang des 16. Jahrhunderts an; im Sturz, der Sakristeitüre befinden sich die Jahreszahl 1508 sowie drei Wappen, das städtische, das österreichische und dasjenige des Freiburger Zunftobristmeisters Peter Sprung und seiner Gattin Elisabeth Zehennderin, die wie aus einer Urkunde hervorgeht, die "widerbringer" (Wiederhersteller) der Kapelle und deren vielseitige Gönner waren. Die Einweihung erfolgte im Jahre 1505 am 1. Dezember durch den Weihbischof von Konstanz, dem der Lesemeister der Franziskaner-Konventualen an St. Martin, Stephan von Dörfer, assistierte.

Ueber die Gründung der Sl. Ottilienkapelle entnehmen wir dem Buche des Prämonstratenserpriors P. Hugo Peltre von Hohenburg auf dem Odilienberg (Elsaß): La vie de sainte Odile (1699) folgendes: Herzog Eticho von Hohenburg ward ums Jahr 657, ein blindes Töchterlein geboren, worüber große Trauer auf der Burg herrschte. Um dem Zorn seines Vaters zu entziehen, schickte es die Herzogin durch eine treue Dienerin in das Kloster Palma, jetzt Beaume-les-dames, in Burgund, wo es in der Taufe das Augenlicht und den Namen Odilia oder Ottila (Tochter, des Lichts) bekam. Zur Jungfrau herangewachsen, erfuhr Ottilia das Geheimnis ihrer Herkunft und kehrte aus Sehnsucht zu ihrer Mutter in ihre Heimat zurück. Bald stellten sich auch verschiedene Fürsten ein, welche die schöne Prinzessin zur Ehe begehrten. Unter ihnen war auch ein "Herzog aus Teutschland" an dem die Eltern Ottilias wohlgefallen hatten. Diese aber weigerte sich und floh über den Rhein nach Freiburg und in die Vorberge des Schwarzwaldes. Ihr Vater verfolgte ihre Spuren und ereilte sie, wie sie sich gerade ermattet hinter einem Felsen niedergelassen hatte. Die Gefahr erkennend, flehte sie den Himmel um Kraft und Schutz an. Da tat sich der Felsen auf. Ottilia flüchtete  hinein, worauf er sich wieder schloß. Nach überwundener Gefahr ging der Felsen wieder auf, Ottiia hatte ihre Freiheit. Aus ihm aber sprang von dieser Stunde an eine heilsame Quelle bis auf diesen Tag. „Etliche Jahr darnach hat die heilige Odilia bey diesen Felsen zur Dankbarkeit eine Capell ohnweit Freyburg in dem Ort Mußbach bauen lassen.”

Wiederholt hatte St. Ottilien unter den kriegerischen Gefahren zu leiden, iedesmal wurden „die beyden Gloggen außer dem Thürmlin abgehebt", im Walde verborgen, „und andere ornata (Kirchengeräte) seindt verwarth worden“ (in der Stadt). Großer Schaden widerfuhr ihm 1718, als die Franzosen vom Roßkopf herab auf die Stadt schossen, so daß im folgenden Jahr an Stelle der früheren Gebäude teilweise Neubauten errichtet werden mußten. War schon unter Kaiser Joseph Il. (1780-1790) die Aufhebung der St. Ottilienkapelle mehrmals verfüg, aber auf Betreiben des Magistrats in Freiburg wieder zurückgenommen und schließlich ausdrücklich durch kaiserliche Verordnung bestimmt worden, daß diese und die St. Lorettokapelle von der „Exekrirung und Schlüßung der Nebenkapellen“ ausgenommen seien, so drohte durch den Preßburger Frieden (1805) erneut die Gefahr der Aufhebung. Aber auch sie konnte abgewendet werden unter Berufung darauf, daß "beyde Kapellen zur Zufriedenheit und Beruhigung der gesamten dahiesigen Bürger und Inwohnerschaft bis izt noch bestehen“.

In den 1860er Jahren entstand ein Rechtsstreit, wessen Eigentum St. Ottilien sei, der damit endete, daß Kapelle, Bruderhaus und dieStationen der katholischen Kirchengemeinde, das Wirtschaftsgebäude aber der Stadt zugesprochen wurden. Dieses diente ursprünglich den aus weiter Ferne derhergewanderten Pilgern als Herberge. Am 20. September 1885 brannte es ab, an seiner Stelle wurde das heute noch stehende errichtet.

Während heute mehrere, prächtige Aussicht nach der Stadt, dem Dreisamtal und den Schwarzwaldbergen gewährende, wohlgepflegte Wege und eine Fahrstraße nach St. Ottilien führen, war ursprünglich nur ein Weg von Freiburg her vorhanden, von der Südseite aus entlang der Talsohle des Muß, oder Miesbaches. Er muß aber bei schlechtem Wetter nicht gut begehbar gewesen sein; denn in einer Rechung heißt es: weilen es lang geregnet (muß der Pfleger der Kapelle} einen ganzen Tag allort verbleiben" An diesem Weg standen "steinerne Creutz", welche die sieben Stationes oder Fußfäl des bitteren Leydens unseres Herrn und Heylands Jesu Christi representieren und vorstellen”. Später wurde auch ein Zugangsweg von Ebnet her geschaffen, 1683 machte ein Zimmermann von da „4 Creitz ahn den Ebneterweg gegen St. Othilia, 1685/86 wurden am St. Othilia Weeg 6 Creitz newuffgerichtet“, Maler Schwöry bekam „vor 6 Taflen“ an dieselben 24 Gulden bezahlt. 1690 haben "etwelche Taglöhner und die Bahnwart die heyligen Stöcke der 7 Todesfälle, so die Soldaten umgeworfen gehabt, widerum uffgericht". 1714 ist "durch den zuvor harten, rauhen, mit Gestreyß verwachsenen Berg mit Mühe und Unkosten ein bequemlicher, schöner, ebener Weg gemacht, und solcher den Reysenden in Ungewitter zu Schutz und Vermehrung der Andacht mit sieben neu-erbauten Capellelein gezieret, nicht minder in starker Hitz denen ein erquickden Schatten zu machen, selbier mit jungen Eich-Bäumen besetzt" worden. Für "7 Taflen in diesen 7 Capellen gemahlt” erhielt “ erhielt Joh. Winther, Maler von Waldkirch, 35 Gulden. 1719/20 wurden zum neuen Weg drei gewölbte Brücklein erstellt und dieselben 1722 erhöht. 1746 erhielt Joh, Pfunner (derselbe, der in der St. Michaelskapelle auf dem alten Friedhof die Deckengemälde erstellt) "vor gemachte Mahler Arbeit in siben Stacionen bestehent auf den Weg hacher St. Otilia sambt einem Blatt in die sogenannte Wendelinus Capellen 48 rheinische Gulde und einen Gulden Trinkgeld" 1808, wohl infolge Verwüstungen durch die Franzosen im Jahre 1800, erhielt Maurermeister Philipp Siegenthaler "für die St. Ottilien Kirche, die 7 Stations Kapellen und die St. Wendelin Kapelle zu reparieren, die Tächer umbzuschlagen und das Bruederhäusle auszuweißen, auch die Materialien anzuschaffen 95 Gulden 8 Kreuzer". Im selbe Jahre wurden wieder neue Gemälde in die 7 Stationskapellen gemalt, und zwar von Maler Hermann von Freiburg um den Preis von 66 Gulden, Schreinermeister Anton Lederle fertigte die Tafeln mit Rahmen dazu. 1872 restaurierten die Freiburger Malerinnen Kreszentia Stadler und Marie Jacquot die 7 hermannschen Stationsbilder um 100 Gulden. Schon 9 Jahre später mußten sie, weil stark verdorben, wieder erneuert werden, und zwar besorgte dies Maler August Lederle um 20 Mark vermutlich durch Firnisanstrich.

Im Lauf der Zeit, sowohl durch Witterungseinflüsse wie durch die Zerstörungswut der Menschen, litten die Bilder und der Anstrich der Stationen so sehr, daß eine gründliche Erneuerung vorgenommen werden mußte. Diese erfolgte im vergangenen Jahre durch den Freiburger Kunstmaler Aug. Böbel, den Malermeister Herm. Weber und den Schreinermeister Riesterer unter der Leitung von Erzbischöfl. Oberbaurat Graf in einer Weise, die allen, die daran gearbeitet, zur Ehre gereicht.

Hoffentlich bleiben die Stationen, die eine Zierde des Wegen bilden, vor „menschlichen Angriffen" verschont, sie bilden jede für sich eln kleines Heiligtum, das der Beachtung und des Schutzes aller, die daran vorbeiwandern, wohl wert ist. EAE
Aus: Freiburger Zeitung - 9.Juli 1933