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Sankt Wilhelm im Breisgau.
Kurzgefaßte Geschichte der Propstei Oberried und des Thales S. Wilhelm,
von Ambros Eichhorn 1805
aus: Badenia 3.1844, Seite 137 bis 146
Zunächst unter
der höchsten Kappe des Feldberges, gegen Nordwest, wo der Immisberg
einen schmalen Ausläufer bildet, eröffnen sich zwei Thäler, deren
wildromantische Natur die Aufmerksamkeit des Wanderers erweckt. Das
nördlichere derselben, welches vom Osterbache bewässert wird, heißt der
Zastler und ist eine enge, tiefe, finstere, wenig bewohnte Schlucht;
das westlichere dagegen, in dessen Schooße die Bruggach rinnt, führt
den Namen Sankt Wilhelm, und gewähret, obwohl um ein geringes weniger
tief und enge, doch einen viel freundlichern und einladendern Anblick,
als sein düsterer Nachbar. Es beginnt mit einer höchst anmuthigen,
multenförmigen Bergwiese, senkt sich alsdann schnell in die Tiefe,
welche sehr sinnbildlich „im Napf“ genannt wird, und hat zu beiden
Seiten jähe, waldbewachsene Abhänge und kühne Felsvorsprünge, welche
mit dem üppigen Baum- und Gesträuchwerke, mit dem wilden Steingerölle,
den schäumenden Bergwassern, lieblichen Thalmatten und einsamen
Bauernhütten oft sehr malerische Gruppen darstellen.
Nach einer Länge
von ohngefähr zwei Stunden vereinigen sich diese beiden Thäler und
bilden das breitem, sonnige, wohlbewohnte Oberrieder Wiesenthal, durch
welches der Osterbach und die Bruggach am Saum der Thalwände hin,
parallel neben einander, in die Ebene hervorströmen, wo die Dreisam sie
aufnimmt. Sankt Wilhelm hat nur ein bewohntes Nebenthal, dasjenige von
Hofsgrund, dessen tobelähnliche Tiefe durch die Abhänge der Haldenhöhe,
des Grindeuwaldes und Erzkasten gebildet, und vom Huselbach bewässert
wird. Im Oberrieder Thal dagegen unterscheidet man links den
Witolfsbach am Goldberg, das Geroldsthal und den Dietenbach, wie rechts
den Weilersbach und Bickenreute, lauter kleine Bergeinschnitte, welche
ihre Wasser der Bruggach oder dem Osterbache zusenden. Am Eingange des
Thales endlich liegt das große Dorf Kirchzartem der Hauptort der ganzen
Umgegend.
Da von Breisach,
dem alten mons Brisiacus, ein Heerweg durch diese Gegend nach dem
Schwarzwalde und sofort nach Schwaben führte, so war dieselbe schon den
Römern bekannt, und der keltische Name von Zarten, wie die weitläufigen
Wallüberreste oberhalb des Dorfes lassen auf eine noch ältere
Ansiedlung schließen; auch bot die wasserreiche, sonnige und fruchtbare
Ebene, welche von den milden Vorhügeln der Schwarzwälder Berge
amphitheatralisch umschlossen ist, Reize genug zur Niederlassung dar.
In die Schluchten des Zastlers, des Sankt Wilhelmer und des Hofsgrunder
Thals indessen mag lange Zeit kein Anbau gedrungen seyn, und es
bedurfte wohl eines nicht sehr großen Opfers der Frömmigkeit, wenn
diese Wildnisse während des achten Jahrhunderts von ihren Besitzern an
das berühmte Kloster Sankt Gallen verschenkt wurden. Die klösterliche
Oekonomie konnte damals weit befördernder aus die Kultur der bereits
angebauten Gegenden, wie auf die Beurbarung der noch öde liegenden
einwirken, als die beschränktere der einzelnen Grundherren, dennoch
aber verfloß beinahe ein halbes Jahrtausend, bis die Ortsnamen um
Oberried in der Kulturgeschichte unseres Landes auftauchten.
Die Geschichte
der Kultivirung des Thales von Sankt Wilhelm, welche vornehmlich durch
das Kloster zu Oberried geschah, gewährt einiges Interesse, wir theilen
daher die Erzählung der Schicksale dieser frommen Anstalt, wie solche
der Prior Ambros Eichhorn der Nachwelt hinterlassen hat, hier unsern
Lesern mit - zugleich als ein kleines Andenken an den um die
Kirchenhistorie (Er schrieb für die unter dem Fürstabt Gerbert
begonnene Germania sacra die Geschichte des Bisthurms Chur. Sie kam
1797 in Sankt Blasien heraus. Zu dem gegenwärtigen Aufsatze habe ich
die Noten beigefügt, größtentheils nach den zwei mit S und T
bezeichneten oberriedischen Copeybüchern, wovon das erste aus dem
14ten·und 15ten, das andere aus dem 17ten Jahrhunderte stammt)
verdienten Verfassser.
Der Bezirk von
Oberried gehörte anfangs dem Stifte Sankt Gallen im Thurgau, von
welchem die Herren von Thengen denselben als Lehen besaßen. Rudolf von
Thenge, Domprobst zu Straßburg, mit seinen Brüdern Niklaus und Konrad,
übergaben einen Theil davon, mit Einwilligung des Lebensherrn, im Jahre
zwölfhundert sechs und dreißig ohngefähr, den Klosterjungfrauen zu
Günthersthal (Das heißt, sie resignirten das Lehenstück zu Oberried an
ihren Lehensherrn, welcher dasselbe hierauf, unter Vermittlung des
Domprobsts von Thengen, den Güntersthaler Nonnen überließ. Die Urk. ist
gegeben aput G. Gallum, anno MCCXXVII. Ind .X, und bei Gerbert (Ill,
141) abgedruckt.
Die Beschreibung
vom Ursprunge des Klosters, welche im Jahr 1300 von dem Konventualen
Konrad Sturn aufgezeichnet worden, und unter der Aufschrift:
„Compendium fundationis monasterii Oberried in Nigra sylva“ im
Copeybuch S, S. 69 bis 71, enthalten ist, erzählt im damaligen Geiste,
daß die Bauern von Oberried in der benachbarten Thalwildniß immer
hätten Lichter gesehen und Glockentöne gehört; dieses Wunder habe den
Probst Rudolf veranlaßt, die Günthersthaler Nonnen, deren Hausfreund er
gewesen, zur Niederlassung daselbst, und seine Brüder zur Vergabung des
Ortes an dieselben zu bereden). Diese bildeten in derjenigen Gegend,
welche jetzt Sankt Wilhelm heißt, ein Klösterlein. Die Unfruchtbarkeit
und Wildheit des Platzes jedoch, wie die fast unmögliche Zufuhr der
Lebensmittel, bewogen den damaligen Zisterzienser Abt, die
Klosterfrauen wieder nach Günthersthal zurückzurufen.
Indessen kam der
Platz mit den umliegenden Wildnissen an die Herren Schnewlin und Ritter
von Munzingen, welche ihn nebst dem Distrikte zwischen der Bruggach und
dem Huselbach, im Jahre zwölfhundert zwei und fünfzig den Wilhelmiter
Brüdern übergaben (Stiftungsbrief vom 21. Mai 1252, ebenfalls bei
Gerbert III, 157). Aber auch diese konnten es daselbst nicht über zwölf
Jahre aushalten, und zogen hierauf nach Freiburg. Bald nach ihrem
Abzuge indessen fiel es dem Johann von Urberg mit seinem Bruder
Burkhard ein, die verlassene Wildniß wieder zu besetzen, und auf diese
Weise entstanden zwei sogenannte Oberrieder Klöster, das eine „in der Stadt“,
das andere „im Wald“. Beide wußten sich späterhin ansehnlich zu
erweitern, und durch Aufnahme bemittelter Jünglinge ihre Oekonomie zu
verbessern, was auch besonders noch durch fromme Schenkungen des
benachbarten Adels geschah.
Es vergabte
ihnen im Jahr zwölfhundert ein und achtzig die Frau von Urberg einen
Hof zu Thiengen, welchen sie hernach um ein beträchtlicheres und
bessergelegenes Gut zu Oberried an Herrn Heinrich von Munzingen
vertauschten (Tauschbrief von 1283). Im Jahre zwölfhundert neun und
achtzig vermachten ihnen Herr Johann und Konrad Schnewlin den Platz
Reute, heutzutage Hofsgrund genannt (Schenkungsurk. von 1289. Es heißt
darin: „Die selbe Rüti vahet an der großen flueh zende der bruedere
mattun, vnde gat uff von dem Wasser, daz da heißet Brugga, vnz an den
walt, vnd für sich abe vnz jn den Grund“). Einige Jahre hernach
erhielten sie verschiedene Güter im Geroldsthal (Konrad der Kötscher
von Geroldsthal (urkundlich „Geroldstal“ jetzt Gehrenstal) und seine
Gemahlin Adelheid schenken ihre Güter daselbst (ein halb Lehen zu
Martinsbach, ein Drittel in dem Weiler, ein halb Viertel in der Halden
und einen Garten) für ihre Jahrzeit an das Kloster. Urk. von 1292.) und
das Zehentrecht in Witolfsbach (Witolfsbach (urkundltch – Witolfesbach)
ist, heutzutage Wittelsbach) ist von Oberried nur durch die Bruggach
getrennt. Es war daselbst der Dinghof für die umliegende kleine
Herrschaft, welche nach und nach verkaufs- und schenkungsweise von der
falkensteinischen Familie an das Kloster gelangte. Wegen des genannten
Zehents bekam dasselbe später einen Streit mit den Johannitern zu
Freiburg, welcher im Jahr 1328 endlich verglichen wurde.
Ueber die
vereinigte Herrschaft Oberried und Witolfsbach besitzt man noch eine
interessante Urkunde, womit das Coveybuch S beginnt, und welche ich
hier mittheile:
„Alle die disen
Brief ansehent oder hörent lesen, die sunt wissen, das daz guot ze
Oberriet, es si an velde alder an walde vunerscheidenlich höret an das
gottes hus ze Oberriet sant wilehelmes Brueder da vnser fröwe sant
Marie genedig ist. Vnd sont ouch wissen das alle erbliche zinse die
offen dem selben guot stänt alder sie nach stande werdent vnd alle
erschetze vnd alle dritteil vnd von yedem lehenmann ein vafnacht huon
vnuerscheidenlich hörent an das vor getraut gottes hus, und sönt den
zins die lehenlüte geben an sant Remigen tag, vnd wer jn des tages
versizzet der sol jn morndes geben mit trey schillingen, versizzet aber
er den dritten zins, so vellet das erbe in der bruoder gewalt. Jr sönt
öch merken, wer sin lehen nit besezzet mit füre vnd mit rouche als er
von recht sol nach dem tage so er wirt gemanet jn drin vierzehen
nechten, so vellet aber das erbe in der bruoder gewalt. Jr sönt ouch
wissen das sich nieman scheiden sol von sime erbe tod oder lebende wan
mit dem dritteil. Man kündet öch das daz guot nieman besizen sol wan
fryg lüte, die sont den bruedern ir hulde tuon, so sie ir erbe
empfahent Me sont ir wissen, das enkein lehenmann sin erbe sol
versezen oder verkümbern in deheime weg wan mit der brueder willen vnd
wissende. Jr sönt öch merken, das die bruoder siut des guotes vnd der
lüte herren vnd vögete vnd sont allü recht vf dem guote nach irm willen
besezen vnd enzezen vnd sönt die lehen lüte nieman dienen, wan inen,
vnd hörent in den Dinghof ze Witolsbach. «
Die Urkunde
erzählt nun, wie die Brüder den Lehenbauern die Steuern nachgelassen
für 100 Pfund Pfennige, welche aus dem Walde „auf dem Gute“ erlöst
worden, und wie sie um neun Pfund Heller und gegen Erlassung des
Waldhabers „von allen vslüten“, den Wald „an dem Burgstal“ von den
Lehenleuten zu einem Eigenthume erworben haben. Die Urkunde ist von
1296, gegeben „an dem offene Dingetag ze Meien“ und besiegelt vom Abte
von St.Märgen, vom Prior Johann von Urberg, von Herrn Albrecht von
Falkenstein und Johannes Schnewlin). Es gehörten ihnen auch schon
damals lehenherrliche und grundherrliche Rechte, als Erblehens zinse,
Ehrschätzh Fastnachthenneiy Abzugs-, Drittels- und Vogteige- bühren in
verschiedenen Orten. (Verschiedene Kauf: und Schenkungsbriefe im
Copeybuch S.).
Im Jahre
zwölfhundert und dreizehn erkauften sie von Ritter Konrad Kollman zu
Freiburg den Erlenbach(Der Verkäufer sagt: ,,Vnd was ich rechtes hatte
an dem walde, holzes vnd bodomeß, der da lit ob des closters obrun
matten, dem man sprichet der Erlibach, den die geburen von Verlinsbach
minem sweher Johannse Snewlin seligen gaben“ Urk. von 1312), einen
schönen Wald am nordwestlichen Abhange des Feldberges; bald darauf von
der Familie Schnewlin deren meiste Güter und Gerichte im Verlinsbach,
im Geroldsthat, zu Oberried, zu Kappel, Litenweiler, Minderbach,
Reichenbach, Minschwende, Gitzenhofen und Berlachen (Die Familie
behielt sich nichts vor, als „die Burg, der man sprichet die wilde
Snewesberg, vnd die hölzer vnd die matten, die zu derselben burg
vßbenempt sint.« Kaufbriefe von Alt, 1317 und 1327), namentlich das
Waldeigenthum an letzterem Orte. Auf gleiche Weise erwarben sie um die
Mitte desselben Jahrhunderts verschiedene Lehen- und Grundzinse im
Breisgau, einige Stücke Reben zu Uffhausen (Urk. von 1335. Der Geber
war Claus Streif, der den Wilhelmitern in demselben Jahr auch einen Hof
zu Wendlingen vermachte), einen Hof zu Opfingen (Diesen Hof, „da die
Mutikover vf saßen“, schenkte Johann Hevenler, ein Bürger zu Freiburg,
dem Kloster „zu einem Almuosen“. Urk. von 1340), schöne Güter zu
Eschbach(Urk. von 1344. Diese Güter wurden hernach in ein Erblehen
verwandelt) und Schlatt(erschiedene Güter und Gülten, welche die
Aebtissin von Rothenmünster und Ritter Johann Rufe von Weißweil dem
Gotteshaus verkauften. Urk. von 1343 und 1352). Ihr namhaftester Erwerb
aber waren das Thal und Dorf Kappel (Hiebei ist zu bemerken, daß alle
angeführten Erwerbungen die Oberrieder im Wald betrafen, Kappel und
Kapplerthal dagegen an die Oberrieder in der Stadt gelangte; jene
besaßen an dem Dorfe nur ein Drittel, welches sie den letztern endlich
auch verkauften. Urk. von 1439), welche sie theils im Jahre
dreizehnhundert fünf und achtzig von den Schnewlin, theils fünf und
sechzig Jahre später von den Herrn von Staufen erkauft haben. Zu alle
dem kamen noch mehrfache Gefälle durch Jahrzeitstiftungen und
dergleichen, wie ein Lehen zu Tonsol, ein anderes zu Herdern und
bedeutende Gülten zu Thiengen (Von den verschiedenen Jahrzeitstiftungen
bemerken wir die der Adelheid aus dem Attenthal von 1283, des Johann
von Munzingen von 1306, des Kuno von Falkenstein von 1309, der Familien
Hevenler und Gelen zu Freiburg von 1325, 1339 und 1340, und die der
Klaranna von Neuenfels von 1404. Graf Konrad von Freiburg schenkte dem
Kloster im Jahr 1346 „den Aberwesch ze Nöllisfrone“ (ein ehemaliger
Bergstollen, wie der „Dieselmut“ an der Halde), und der Morser von
Freiburg zedirte demselben im Jahr 1405 für versessene Zinse die Mühle
zu Betzingen).
So hatte sich
das Wilhelmiter Haus zu Oberried zu einem, wenn auch nicht reichen,
doch wohlhabenden Kloster erhoben. Indessen ist alles irdische Gut
hinfällig und vergänglich. Kaum von einem Brande wieder erstanden,
welcher es am Schlusse des vierzehnten Jahrhunderts schwer getroffen,
erlitt das Kloster im Jahre tausend vierhundert und zwölf einen
zweiten, worin fast Alles zu Grunde ging, so daß der Schaden beider
Brünste an Gebäulichkeiten, Glocken, Meßgewändern, Büchern und
Hausgeräthe sich über fünftausend Gulden belief. Die abgeschiedene Lage
des Klosters, um welches auf eine halbe Stunde keine Menschenwohnung
war, hatte alle zeitige Hilfe unmöglich gemacht, und so war das
verlassene Gotteshaus völlig der Wuth des Feuers blosgestellt gewesen.
Es vergingen Jahre bis es aus dem Einkommen und den frommen Beisteuern
des Landes wieder hergestellt werden konnte (Zeugnlß der Stadt Freiburg
über das Brandunglück von 1412).
Um die Mitte des
fünfzehnten Jahrhunderts nahm das Haus Oestreich die Wilhelmiter zu
Oberried in seinen Schutz, und ertheilte dem Prior den Titel eines
erzherzoglichen Hofkaplans. Diesen wie alle andern Rechte und
Freiheiten ihres Klosters erneuerte und bestätigte König Maximilian in
einem ausführlichen Diplom vom Jahre vierzehnhundert acht und neunzig,
was hernach auch die Erzherzoge Ferdinand, Max und Leopold, wie Kaiser
Matthias und Rudolf (Kaiserliche und- erzherzogliche Freiheitsbriefe
von 1457, 1498, 1587, 1601, 1605, 1612 und 1626) gethan haben.
Das Verhältniß
der Brüder im Wald mit denen zu Freiburg war nicht genau festgestellt
und veranlaßte in der Folge mancherlei Irrungen (Schon im Jahr 1270 war
ein Streit entstanden über den Besitz der Mobilien des ursprünglich
gemeinschaftlichen Klostervermögens. Er wurde dahin entschieden, daß
die Freiburger Wilhelmiter den oberriedischen einen Kelch, ein Tisch-
und ein Handtuch wieder herausgaben und sich verpflichteten, dieselben
wie ihre eigenen Konventualen zu bewirthen, so oft sie Geschäfte nach
Freiburg riefen. Nun aber kamen die Oberrieder wegen jeder Kleinigkeit
in die Stadt, und fielen dadurch den Freiburgern, welche ihren
Unterhalt größtentheils mit Terminiren (mendicando) erwarben, äusserst
lästig, während sie sich stets beklagten, man gebe ihnen nicht nach
Gebühr. Diese neue Streitigkeit wurde im Jahr 1272 durch genaue
Bestimmungen über die gegenseitige Hospitalität geschlichtet, aber die
Eifersucht beider Klöster dauerte fort, trotz dieser conventio
amicabilis, wie der Vergleichsbrief überschrieben ist). Es sollte nur
ein Konvent seyn, und das oberriedische Kloster unter dem Patronate des
freiburgischen stehen. Im Verlaufe der Zeit aber hatte sich in dem
erstern sowohl ein besonderer Konvent gebildet, als ein eigener Prior
an dessen Spitze gestellt, und man betrachtete mehr als zweihundert
Jahre lang die beiden Bruderhäuser als selbstständige Priorate. Zu
Anfang des sechszehnten Jahrhunderts jedoch kam das Verhältniß zur
Sprache, und der damalige Wilhelmiter Provinzial Eberhard Steinbacher
brachte die Wiedervereinigung zu Stande. Der Sitz des
gemeinschaftlichen Konvents und Priors sollte fortan das Haus zu
Freiburg verbleiben, weil der Vortheil des Klosters dies erheische,
besonders aber wegen der dortigen Hochschule, wo die jungen Brüder sich
in den heiligen Wissenschaften desto besser und erfolgreicher
unterrichten könnten, und weil daselbst überhaupt eine strengere
Aufsicht möglich war, als zu Oberried, wo man den Wilhelmitern ein
etwas zu laxes Leben vorgeworfen hatte.
Die Schirmvogtei
des Klosters war anfänglich bei den Rittern Schnewlin, kam aber zu Ende
des fünfzehnten Jahrhunderts an die Stadt Freiburg (Urkundsbrief der
Stadt, wie sie als Kastvogt angenommen worden, von 1507), wo die
Wilhelmiter das Bürgerrecht besaßen; es verursachte aber dieses
Vogteirecht mancherlei Irrungen zwischen der Stadt und dem Kloster,
welche erst im Jahre sechzehnhundert und fünf
gütlich beigelegt wurden.
Der
dreißigjährige Krieg war, wie überall, so auch für die Wilhelmiter eine
Zeit des Verderbnis. Beide Gotteshäuser, das im Walde, wie das in der
Stadt, erlitten das Schicksal, geplündert und ruinirt zu werden. Der
Schaden war um so schmerzlicher, da die freiburgischen Brüder ihre
beste Habe mit dem Archiv nach Sankt Wilhelm verbracht und dort in dem
Thurme der alten Burg (Diese war wohl ehedem ein Sitz der Schnewlin,
welche auf der Höhe bei Oberried auch die wilde Schnewburg erbaut
hatten) verborgen hatten, was aber den Schweden verrathen wurde, welche
nun herbei eilten, das Beste des Schatzes wegschleppten und das Uebrige
verbrannten. Von dem an blieb die Sanktwilhelmer Zelle eine Ruine,
während die freiburgische vom Jahr sechzehnhundert fünf und vierzig bis
ein und fünfzig wieder hergestellt wurde. Diese Wiederherstellung
geschah durch den Subprior Maier mit der größten Aufopferung und
Standhaftigkeit, indessen der Prior Matthäus Deck noch immer im
Auslande verweilte, was ihm die Brüder sehr übel deuteten.
Um diese Zeit
trachtete der Johannitermeister, Kardinal von Hessen, als Komthur zu
Heitersheim das Kloster Oberried mit allen Besitzungen entweder dem
Malteser- oder dem Jesuitenorden einzuverleiben, was aber das Erzhaus
Oestreich nicht gestattete (Der freiburgische Stadtschreiber Schmidtlin
war den Wilhelmitern in dieser Angelegenheit besonders behilflich,
sodann der Stadtrath Ponnhos, wie der konstanzische Offizial Schäfer.
Doch scheint der gewandte Stadtschreiber den Wolf im Schafspelze
gespielt zu haben). Und als man im französischen Kriege, wo die Stadt
Freiburg an Frankreich überging, auch die Wilhelmiter zu bewegen
suchte, sich mit ihren Unterthanen zu Oberried, Kappel und Hofsgrund an
diese Krone zu überlassen, wandten sie sich abermals an Oestreich,
erhielten dessen Schutz und verließen hierauf ihr Konventhaus zu
Freiburg und erbauten das neue Kloster im Orte Oberried, wozu sie von
Kaiser Leopold eine Beisteuer in Geld nebst ansehnlichen Vorrechten
erhalten hatten (Er nahm den Prior und Konvent in kaiserlichen Schutz
und Schirm, Verspruch und Geleit erlaubte ihnen, Freiburg zu verlassen
und sich anderswo in seinen Landen niederzulassen; überließ ihnen zu
dem neuen Klosterbau auf 30 Jahre lang die ihm als Landesherrn in ihren
drei Vogteien Oberried, Kappel und Hofsgrund fallenden Wein- und
Salzumgelder, Kontributionen und Accise, wie alle ordinären und
extraordinären Onera, und versprach ihnen endlich, bei Besetzung von
Pfarreien auf sie bedacht zu seyn. Gnadenbrief vom 3.Okt.1681).
Dieser Wegzug
brachte den guten Wilhelmiten aber die Feindschaft sowohl der Stadt
Freiburg, als der Franzosen auf den Hals. Beide Theile behandelten sie
sehr übel, plünderten und verbrannten die Wohnung zu Sankt Wilhelm mit
dem dortigen Hofe, schlugen die Religiosen zu Oberried und schleppten
sie hinweg. Endlich aber erfolgte der Friede von Ryßwick, die Franzosen
räumten den Breisgau, und die alten Verhältnisse traten wieder ein. Da
sammelten sich auch die Wilhelmiten um ihr neues Kloster wieder, lebten
friedlich darin fort, und verwalteten einige Pfarreien, welche man
ihnen zur Unterstützung angewiesen.
Im Jahre
siebzehnhundert sieben und zwanzig wurde das Priorat Oberried, durch
die Bemühungen des päbstlichen Nuntius zu Luzern, dem Stifte Sankt
Blasien einverleibt. Diese Veränderung wirkte auf die oberriedischen
Unterthanen nicht vortheilhaft ein; denn es erhob sich über das
Eigenthum der Waldungen und dergleichen ein heftiger Prozeß, welcher
kein Ende erreicht hat (Ganz in neuerer Zeit erst fand dieser
langwierige Waldprozeß endlich seine Schlichtung). Indessen sind die
Güter des Priorats unter der sanktblasischen Obsorge merklich
verbessert und die Einkünfte vermehrt worden. In Rücksicht der
Seelsorge war dieses kleine Gotteshaus immer sehr wohlthätig für die
umliegende Gegend, und diente der weitschichtigen Pfarrei Kirchzarten
zur Aushilfe und Unterstützung, bis es im Jahre siebzehnhundert sieben
und achtzig eine selbstständige Pfarrei erhielt, deren Besorgung
einigen sanktblasischen Kapitularen oblag, welche unter einem Prior ein
klösterliches Leben führten.
Als in Folge des
Friedenstraktates zu Preßburg das Breisgau mit seinen Stiftern an das
Kurhaus Baden abgetreten worden, hat der neue Landesherr am vier und
zwanzigsten Februar achtzehnhundert und sechs auch das Priorat Oberried
in Besitz nehmen lassen.
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So weit die
Skizze Pater Eichhorns, welcher sie, wie es scheint, nach dem Chronicon
oberriedanum des Pater Wilberz entwarf. Dieser Mann war wohl der
fleißigste aller sanktblasischen Gelehrten, aus dessen umfassenden
Analekten (Seine Analecta genealogica z. B, sollen eine mit vielen
Abbildungen von Siegeln, Wappen u. dgl. geschmückte Arbeit von mehreren
dicken Foliobänden seyn. Ich habe davon Auszüge zu Gesichte bekommen,
und die gerühmte Genauigkeit des Verfassers daraus ersehen) und
Abhandlungen auch Abt Gerbert den meisten Stoff für seine Geschichte
des Schwarzwaldes entnommen hat. Ich ergreife diese Gelegenheit mit
Freude, um einem unbekannten, von Andern vielfach benützten Verdienste
öffentlich das gebührende Lob zu zollen.
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Badenia oder das
badische Land und Volk: eine Zeitschrift zur Verbreitung der
historisch, topographisch u. statistischen Kenntniß des Großherzogthums
; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung
Pater Ambros Eichhorn.
Dieser Gelehrte, geboren am 6ten September 1758 zu Wittlighofen im
Bonndorfischen, war der Sohn des dortigen Schullehrers, welcher den
fähigen Knaben in den Elementarkenntnissen unterrichtete und hierauf
nach Rotweil zu den Jesuiten schickte. Nachdem derselbe die Schule der
eifrigen Väter fünf Jahre lang fleißig besucht, begab er sich, um die
Rhetorik zu studieren, nach S. Blasien und erhielt einen Freiplatz im
Stiftsconvicte.
Hier nun
erwachte in dem strebsamen Studiosen die Neigung, ein Mitglied des
unter dem Abte Gerbert so rühmlich aufblühenden Ordenshauses zu
werden, und da seine Bitte um Aufnahme durch löbliche Zeugnisse
unterstützt war, erhielt er dieselbe auch. Sofort widmete sich
Eichhorn der Philosophie und Theologie, worin Pater Rottler, der
nachmalige Abt, sein Lehrer war. „Unermüdet in der Lectüre,“ heißt es
bei Waitzenegger, „sammelte er, gleich einer Biene, alles Gute und
brachte es immer sogleich in Ordnung. So kam das Jahr 1779 herbei, wo
ihm am 8ten November zu S. Blasien das Ordensgelübde abgenommen ward.“
Im Jahre 1782
absolvierte Pater Ambros das Studium der Theologie, konnte jedoch die
Priesterweihe, wegen Mangel des vorgeschriebe-nen Alters, erst 1783
erhalten; aber „eben in dieser Zwischenzeit legte der emsige junge
Pater den Grund zu seinen später gewonnenen vielseitigen Kenntnissen,
namentlich in der Diplomatik, Numismatik, Altertumskunde und
Geschichte. Fürstabt Gerbert arbeitete gerade an seiner Historia
Sylvae nigrae und Ussermann stand der quellenreichen Stiftsbibliothek
vor — eine höchst glückliche Constellation für den angehenden
Geschichtsforscher.“
Damals
gelangte Gerberts Lieblingsgedanken, die Gründung einer Germania
sacra, zur Ausführung und Eichhorn wurde dabei mit der Bearbeitung des
Bischtums Chur betraut. Er zeigte dieß dem dortigen Fürstbischofe von
Rost mit dem Gesuche an, ihm die Benützung der betreffenden Archive zu
gestatten, erhielt die Erlaubniß unter schmeichelhaften Ausdrücken,
bereiste hierauf die Bezirke des Churer Sprengels, sammelte
unermüdlich fleißig und kehrte mit einem reichhaltigen
Quellenmateriale nach S. Blasien zurück, wo man ihn auf Stellen
versetzte, welche die nöthige Muße gewährten, das Gesammelte zu
verarbeiten und an’s Licht zu fördern.
Unter
solchen Arbeiten verflossen unserm Pater 17 Jahre, welche er theils in
der Seelsorge, namentlich als Pfarrer zu Bernau, theils als
Novizenmeister in S. Blasien verbrachte. Seine Arbeit gelangte im Jahre
1797 unter die Presse der stiftischen Druckerei, worauf ihn der neue
Fürstabt Mauriz zum Bibliothekare, wie später dessen Nachfolger
Berchtold zum Archivare des Gotteshauses und folgends, seiner
vielfachen Verdienste wegen, zum Prior von Oberried ernannte, wo er bis
zum Unglücksjahre 1807 verblieb.
Nach
seiner Ankunft in S. Paul wurde Eichhorn sogleich zum Präfecte des
Gymnasiums zu Klagenfurt ausersehen und begann, in diesem Amte auf’s
Thätigste und Gewissenhafteste zu wirken. Pater Ambros „war streng,
aber die Studenten liebten ihn, denn als weiser Psycholog wußte er die
rechte aequitas zu treffen, und die pädagogische Grundregel: Nulli
aetati facere injuriam ward bei ihm zur Handlungsmaxime. Um den
Studierenden ein ihnen angemessenes und zugleich im Style nützliches
Erbauungsbuch in die Hände zu geben, schrieb er ein kleines
lateinisches Gebetbuch, welches sich durch religiöse Nüchternheit, wie
durch einige besonders schönen Hymnen empfahl.“
Alle von seinen Amtsgeschäften zu erübrigende Zeit verwendete Eichhorn auf die Sammlung von Urkunden und Nachrichten zur
Geschichte von Kärnthen. Manches Ergebnis; seiner Forschungen machte er
in Hormayers Archive oder in der Zeitschrift Carinthia bekannt, was die
erfreuliche Folge hatte, daß man ihn als Archivar wieder nach S. Paul
zurück berief, um seine historischen Studien auf diese Weise am
Entsprechendsten zu fördern.
Bereits
hatte der Unermüdliche eine reiche Sammlung von Urkunden-Abschriften
beisammen, welche derselbe als Grundlage zu einer Geschichte von
Kärnthen zu veröffentlichen beabsichtigte, als ihm 1818 das Amt eines
Präfecten am Gymnasium zu S. Paul aufgetragen ward. Freudig unterzog er
sich diesem Berufe, aber schon 1820 ergriff ihn eine Lungenentzündung,
welche seinen Tod herbeiführte. Pater Eichhorn verschied den 21sten
März genannten Jahres, am Tage seines Ordensstifters Benedictus, von
allen Guten und Redlichen aufrichtig betrauert.
Schriften.
Gedanken über
die Freiheit, für den deutschen Landmann (wider die Revolution in
Frankreich). Ohne Angabe des Namens und Druckorts (aber gedruckt in S.
Blasien), 1793.
Episcopatus
Curiensis in Rhaetia sub Metropoli Moguntina, chronologice ac
diplomatice illustratus. Cum codice probationum 161 documenta praecipua
complectente. Typis San-Blasianis 1797.
Kurzgefaßte Geschichte der Propstei Oberried und des Thales S. Wilhelm, von 1805 (abgedruckt in der Badenia von 1844, S. 137).
Libellus precum ad usus studiosae juventutis christianae. Klagenfurti 1811.
Beiträge zur Geschichte und Topographie des Herzogtums Kärnthen. Klagenfurt, erste Sammlung 1817, zweite 1819.
Urkunden-Sammlung zur Geschichte von Kärnthen, Handschr.