zum Inhaltsverzeichnis

Ausverkauf der Revolution
Zusammengestellt und transkripiert von Fridolin Hensler

Nur wenige Wochen dauerte das lodernde Feuer der Revolution 1849 nach der erneuten Erhebung, die in der Amtsprache als Maiaufstand geführt wurde, im Dreisamtal. Die Zusammenhänge mit der überregionalen politischen Entwicklung in den einzelnen Gebieten und den Bemühungen um die Schaffung eines deutschen Kaiserreiches durch die erste Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt mit dem Ziel einer Reichsverfassung sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Die spezielle Situation in der Gemeinde Stegen mit der verlangten Ausrüstung für eine Bürgerwehr, (offensichtlich für 13 Mann) soll in diesem Bericht skizziert werden.
Die Ereignisse im Dreisamtal waren im Mai 1849 durch die Verbrüderung der Bürgerwehren mit den Soldaten vom 2. Infantrie Regiment in Freiburg in einem „patriotischen Soldatenverein“ mit dem Hofgerichtsadvokat Karl Rotteck als Fanal für andere Landesteile verstanden worden. In großer Eile wurde nun versucht, größere bewaffnete revolutionäre Verbände aufzustellen. Der Großherzog hatte zwar fluchtartig die Residenz in Karlsruhe und das Land verlassen jedoch, vor allem in Preußen um Hilfe gebeten. Es mußte deshalb mit militärischer Gegenwehr gerechnet werden.
In Rastatt waren große Teile der dortigen Garnison zu den Revolutionären übergelaufen. In Freiburg forderte die provisorische revolutionäre Regierung am 20. Mai 1949 die allgemeine Volksbewaffnung und dafür von den Bürgermeistern der umliegenden Gemeinden die Aufstellung und Bewaffnung einer Bürgerwehr. Auch in Stegen erging diese Anweisung an die Gemeinde unter Strafandrohung bei Befehlsverweigerung. Flüssige Geldmittel fehlten jedoch in der Gemeindekasse.
Aus diesem Grund wurden am 20. Juni 1849 beim Bärenwirt in Freiburg 300 Gulden geliehen und in den nächsten 2 Tagen 13 Gewehre in Basel, Hemden, Hüte, „Dornister“ (Rucksäcke), Gürtel und Patronentaschen in Freiburg angeschafft. Diese Ausrüstungsgegenstände sind aber offensichtlich nicht in die Hände der aufgebotenen Bürgerwehr gekommen, denn mit Ausnahme der Gewehre wurden die angeführten Dinge bei einer Versteigerung durch die Gemeinde verkauft.
Das Versteigerungsprotokoll vom 21. Januar 1850 zeigt in namentlicher Liste die verkauften Gegenstände, die Käufer und den jeweiligen Preis. Diese Aufstellung ist als Beilage Nr. 30 Teil der Gemeinderechnung 1850/51, wonach beispielsweise:

Mathias Heitzler 1 Stück „Wesch“ (in der Originalrechnung als „Wehrmannshemd“ à 1 fl 30 x bezeichnet) für 21 x erhielt.
Joseph Föhr ersteigerte einen Hut, der beim Einkauf 1 fl 30 x kostete für 38 x.
Xaver Laule erstand einen Gurt für 6 x, vormaliger Einkaufspreis 18 x.
Johann Hummel bekam einen „Dornister“, der im Einkauf 1 fl 30x kostete für 20 x.
Johan Zäringer bekam von den Patronentaschen, die à 1 fl 6 x eingekauft wurden, eine davon für 6 x.

Die Gesamtausgaben für die Ausrüstung der Bürgerwehr in Stegen waren 345 fl 56 x. Der Einkauf der Gewehre hatte die größte Summe benötigt mit 262 fl. Diese fielen aber vermutlich der Beschlagnahme zum Opfer. Dafür gab es allerdings keine Entschädigung. Durch die Versteigerung der Gegenstände am 21. Januar 1850 kamen lediglich 15 fl 20 x zurück in die Gemeindekasse.

Kein Bürger, der zur Umsturzpartei gehörte

Im Vergleich mit anderen Landesteilen war die Begeisterung und die Teilnahme bei der revolutionären Bewegung im Dreisamtal, besonders auch in Stegen, sehr gering. Auch die am 7. August 1850 durchgeführte amtliche Ortsbereisung schildert eine ruhige politische Lage mit den Worten: „Die hiesigen Bürger sind ruhige, der gesezlichen Ordnung zugethane Leute, obgleich dieselben im Laufe des vorigen Jahres durch den entwichenen Fortunawirth Lorenz Riesterer und Geometer Carl Reber verdorben wurden und sich in die revolutionären Bewegungen hinein reißen ließen, so haben sie doch die schädlichen Folgen bald davon eingesehen, sind ganz von ihren früheren Bestrebungen abgekommen und zum Gehorsam und zur Ruhe zurük gekehrt.
(STAF 702/1 Nr. 4370 S. 1)
Vielerorts wurden einzelne Personen wegen ihrer revolutionären Haltung anschließend strafrechtlich verfolgt. Das war in Stegen nicht der Fall. Der damalige Bürgermeister Laule wurde allerdings aus seinem Amt entfernt, aber sonst nicht weiter zur Rechenschaft gezogen. Die von der Gemeinde bezahlten Kosten für die revolutionäre Ausrüstung mit Gewehren, Tornistern usw. wurden aber noch kritisch untersucht, um haushaltstechnisch eine befriedigende Lösung zu finden. In diesen Bemühungen ist das Protokoll vom 19. Juni 1850 zu verstehen, das mit der Unterschrift des Bürgermeisters und des Gemeinderates an die Rechnungprüfungsstelle (Revisiorat) des Landamtes in Freiburg übergeben wurde.
(Gemeinderechnung Stegen 1849)

„Großh. Wohllöbl. Landamts Revisiorat !
Der Aufwand für Mobilmachung und Einübung des Bürgerwehr 1te Aufgebots in der Gemeinde Stegen betr. Laut § 20 der Revisionsbemerkungen zur Gemeinderechnung pro 1849 sind wir beauftragt, Zeit und Umstände anzugeben, unter welchen die Waffen p p angeschafft wurde und nachzuweisen, daß man diese Gegenstände durch Zwang usw angeschafft habe.
Die Zeit in welcher wir diese Waffen herbeizuschaffen genöthigt wurde, war, als die Revolutionsmänner die Regierungsgewalt und alle hohe Staatsstellen an sich gerissen, und alles Recht nach ihrem Willen umgekehrt hatten. Die Zeit, in der dem Bürger die schönste Freiheit auf dem Papier gegeben wurde, wo er aber jeder Schurke, der sich Ansehen und Einfluß zu verschaffen wußte, pünktlichen Gehorsam leisten musste, wenn er nicht das Gröbste befürchten wollte.
Daß die Ortsvorgesetzten zur Anschaffung aller dieser Gegenstände gezwungen waren, braucht, wie wir glauben, fast nicht bewiesen zu werden.
Sobald von den sogenannten Volksmännern alle Staatsordnung niedergeworfen war, kam sogleich von dem damaligen Regierungsdirektor (?) von Freiburg der Auftrag zur ungesäumten Ausrüstung der Bürgerwehr I. Aufgebots. Man suchte sich diese Lasten zu ersparen und wandte sich 7 mal an den damaligen Minister ? L. Brentano selbst, allein man erhielt gar keine Antwort nur die Aufträge vom obigen Regierungsdirektor wurden immer schärfer, ebenso von dem sogenannten Oberkommissär Heunisch. Einmal wurde den Ortsvorgesetzten „schwere Strafe“ angedroht, wenn diese Gegenständ nicht schleunigst angeschafft werden.
Ein andersmal wurde dem Bürgermeister sogar gedroht, man lasse ihn binden und durch die Gendarmen einführen u.s.w.
Was war nun zu befürchten unter „Schwerer Straf?“ Und was hätte nicht von diesen Schreckensmännern der Bürgermeister zu gewärtigen gehabt ? Man hat sich jedoch nicht ohne Mühe hinausgewunden, so lange es nur immer möglich war.
Nachdem man aber da und dort Exekution von Freischärlern einlegte und man dazu noch hörte, an verschiedenen Orten auch Todesstrafe drohte, so konnte man sich in der so geringen Entfernung von Freiburg, wo dazumal das sauberste Gesindel jeden guten Bürger dressirte, nicht mehr lange zurükziehen. Und da endlich sogar das Standrecht angedroht wurde, und die ganze Gemeinde höchst ungebetene Besuche befürchtete, wozu noch das gräflich v. Kagenecksche Schloß neue Gelüste rege machte, hielt mans für besser, dem Drange der Noth, wie es so viele gethan, nachzugeben, und das Verlangte endlich herbeizuschaffen.
Wie es in dem gräfl. Kageneckschen Schloß dahier zu gieng, ist allbekannt und so wäre es der ganzen Gemeinde aufgewartet worden. Daß es nun gerathener war, etwas freiwillig, in Gezwungenheit, hinzugeben als sich gänzlich in Lebensgefahr ausrauben zu lassen, ist gewiß ausgemacht.
Hat man sogar nach einem Gemeinderath gefeiert, und demselben mit gefälltem Gewehr nachgesetzt, der die Räuber nicht höflich genug ersuchte, ein junges Pferd stehen zu lassen und nicht zu rauben, was für ein Unglück hätte entstehen können, wenn die Gemeind geplündert worden wäre ?
Aus dem Angeführten geht zur Genüge hervor, daß die Anschaffung aller dieser Gegenstände nicht im Entferntesten aus freiem Antrieb geschah, umsomehr da in der ganzen Gemeinde kein Bürger ist, der zur Umsturzpartei gehörte – und man ersucht daher ein Wohllöbl. Landamts Revisorat gehorsamst beim Großh. Landamte wohlgefälligst beantragen zu wollen, daß die Beträge wegen Anschaffung der Bürgerwehrgeräthschaften in die Gemeinderechnung aufgenommen werden dürfen.
Stegen, den 19 ten Juni 1850
Der Gem. Rath
Bürgmster Andris
Märtin
G. Rath Föhr
G. Rath Pfister
Rathschrbr Wagner“