zum Inhaltsverzeichnis

Der Streit zwischen Stegen und Unteribental

Auszug aus:
Frei und doch untertänig - das Unteribental und seine Bauern
von Ursula Huggle
Ein Kapitel aus dem Buch: Unsere Heimat Buchenbach. Vom Kirchspiel zur Gemeinde.
Seite 145 bis 170

....
Taglöhner und eigenwillige Bauern
Unter Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. wurde eine Reihe von Reformen durchgeführt, die gerade auch für die Bauern von Bedeutung waren, wurde doch der Landbau intensiv gefördert. Um 1800 umfaßte das Unteribental 2372 Juchert Land (rund 854 ha). Davon war etwa die Hälfte Weid- und Brandfeld, nur 162 ha Äcker, knapp 20 Prozent. Außer Roggen und Hafer wurden Hülsenfrüchte und Gemüse angepflanzt, seit dem 18. Jahrhundert auch Kartoffeln als einzige neue Pflanze. Die Ibentäler waren Neuerungen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen, sie betrieben die Landwirtschaft auch noch Anfang des 19. Jahrhunderts wie schon ihre Vorfahren Jahrhunderte zuvor. Bedingt durch die landschaftlichen Gegebenheiten waren Wald- und Viehwirtschaft für die Bauern von größerer Bedeutung.82 Die Viehzucht wurde auf eine schon damals nicht mehr aktuelle Weise betrieben, denn man ließ von Martini bis Ostern Pferde, Schweine, Schafe und Geißen ohne Hirten auf die Flur, was natürlich oft zu Schwierigkeiten mit den Nachbarn führte. Der Anbau von Futterkräutern wie Klee hatte noch 1835 keinen großen Anklang gefunden, so daß nicht von einer durchgängigen Stallfütterung ausgegangen werden kann. Zu dieser Zeit waren offenbar weite Teile der Berghänge nicht bewaldet, sondern wurden angepflanzt, was wiederum der Aufsichtsbehörde, dem Großherzoglichen Landamt, unsinnig vorkam, da man ja hierfür wesentlich mehr Kraft und Zeit brauche und dazu mit „Abgang an Schiff und Geschirr" rechnen müsse. Höchst befremdend wirke auf jeden Landwirt, daß man überhaupt nicht an Trockenlegung der feuchten Wiesen denke, die nur Binsen und saures Futter geben würden. Die Viehzucht könne intensiviert werden durch Haltung tüchtiger Wucherstiere, und die Veredelung der Pferdezucht wäre ebenfalls empfehlenswert. Aber die Ibentäler waren eigenwillige Bauern. Interessant ist ihre Mentalität im Vergleich mit ihren Nachbarn in Buchenbach, Wagensteig und Falkensteig, wie sich an der Begebenheit mit dem Magnusstab aus Füssen zeigte, der als Schutzmittel gegen die Mäuse- und Raupenplage eingesetzt wurde. Der Legende nach hat der hl. Magnus mit seinem wundertätigen Stab einst das Land von Würmern und Schlangen befreit. Anfang des 18. Jahrhunderts erfuhr die Magnusverehrung in Süddeutschland großen Auftrieb, und auch die hiesigen Gemeinden machten von dem wundertätigen Stab Gebrauch. 1792 wurde dieser erneut von den Gemeinden Buchenbach, Wagensteig und Falkensteig angefordert, nur der Vogt des Ibentals lehnte ab - den Aberglauben oder die Kosten? Den Stab herzubringen und die Flur segnen zu lassen hätte die Gemeinde einen tüchtigen Batzen gekostet. Leider ist nicht überliefert, ob nun die Ibentäler Felder verstärkt durch die Mäuseplage verwüstet wurden ...
Der Wald wurde von den 18 dazu berechtigten Bauern genutzt. 56 Juchert Wald umfaßte der lbentäler Allmendwald, den die Gemeinde vom Kloster St. Peter zu Lehen hatte. Die Lage der Waldweide im Gebiet des Oberibentals, zwischen Wolfsteigehof und Steinhof, führte immer wieder zu Zusammenstößen wegen der Nutzung für die Schweinemast oder wegen des Brennholzes. Nach mehrfachen Bitten der Ibentäler wurde diese Allmend 1772 neu vermessen und ausgesteint. Bei der späteren Aufteilung dieses 18-Bauernwaldes konnte man daher auf feste Marken zurückgreifen. Die Taglöhner und Hintersassen hatten am Gemeindewald keinen Anteil, wollten aber ebenfalls davon profitieren. Was man ihnen nicht freiwillig gab, nahmen sie sich häufig auch frevelnderweise. Als nun 1813 die Bauern um Teilung der 46 Juchert baten, setzten sich die Taglöhner zur Wehr und protestierten gegen ihre ständige Zurücksetzung: Sie seien schließlich auch Bürger und hätten ein Anrecht auf Miteigentum am Wald. Die Hofbauern argumentierten, sie allein hätten immer die Steuer dafür bezahlt. Außerdem habe es „in dieser Gemeinde vor hundert Jahren [um 1740] noch gar keine Taglöhner oder nur 2 bis 3" gegeben. Sie seien erst entstanden, als „den nicht vortheilsberechtigten Söhnen die auf den geschlossenen Bauernhöfen befindlichen Nebenhäusle als Mieth- oder auch eigenthümliche Wohnungen überlassen worden" seien. Durch die Klage der 'Taglöhner' kam es zu einem sich über Jahrzehnte hinziehenden Rechtsstreit. Der Advokat mißbilligte zwar die „Eigenmacht der Bauern", die Forderung der Taglöhner war aber nicht aufrechtzuerhalten. Ihre Klage wurde abgewiesen, da den bevorrechtigten Hofbauern der Beweis gelungen war, daß es sich nicht um Gemeindewald, sondern um Privatwald handelte. Den Klägern, also den Taglöhnern, wurden die Kosten des Prozesses aufgebürdet. 1838 wurde der Wald schließlich unter die mittlerweile nur noch 14 beteiligten Bauern verlost.
„Vor ehemaligen Zeiten" hatte jeder Taglöhner in Stegen und Unteribental der Herrschaft Kageneck jährlich einen Klafter Holz machen müssen. ,,Weil aber bey diesem Holzmachen Unfugen geschehen sint", verlangte die Herrschaft künftig an Martini 45 Kreuzer von jedem der 25 Taglöhner. Von diesen Handfronen waren die Bauern befreit, sie mußten die ebenfalls ungemessenen Fuhrfronen mit Pferd und Wagen erbringen. Sie wurden außerdem zu Arbeiten beim Bau des Schlosses in Stegen herangezogen, denn die Fronpflicht lastete auf den Bauernhöfen, auf welchen Zugvieh gehalten wurde.
Solche Frondienste sind zu der Zeit, 1824, absolut nicht mehr selbstverständlich, denn in der Regel sind sie im Breisgau bereits um 1770 abgeschafft und durch Geld abgelöst worden. Die Herren von Kageneck gingen jedoch immer noch von Diensten aus, wie sie 1748 in einem Berain festgehalten worden waren und erneuerten sie noch mehrmals.f 1825 erhielten die Bauern erstmals die Möglichkeit, die seit Jahrhunderten dem Kloster St. Peter - es war im Zuge der Säkularisation 1806 aufgelöst worden - geleisteten Hühner- und Eierabgaben durch den fünfzehnfachen Betrag abzulösen. Für ein Ei wurde ein halber Kreuzer angesetzt, für ein Huhn sechzehn. Wenn man bedenkt, daß zur selben Zeit ein Sester ( 15 Liter) Hafer 26 und ein Sester Roggen 46 Kreuzer kostete, kann man den Wert obiger 'Luxusartikel' besser einschätzen. Die Steuerabgaben, die sich am Vermögen orientierten, betrugen 5 Kreuzer pro 100 Gulden.
31 Bürger lebten zu dieser Zeit im Tal, unter diesen waren 16 wohlhabende Bauern und drei ebenfalls betuchte Witwen. Neben dem Wirt Pfister waren ein Schmied und ein Weber hier ansässig, als Vogt amtierte Andreas Heizler, während Joseph Heizler, als Lehrer im Schreiben bewandert, die Listen ausfüllte. Und wo waren alle die Söhne und Töchter der mit so zahlreicher Kinderschar gesegneten Familien? Als Besitzlose und ohne Hof zählten sie nicht zu den regulären Bürgern, sie bezahlten der Herrschaft in Weiler auch keine Grund- und Haussteuer.

Die lange Trennung von Stegen
Eigene Vorstellungen hatten sie schon, die Ibentäler, so manches sahen sie anders als ihre Nachbargemeinden. Sie wollten beispielsweise keinesfalls weg von ihrer Urpfarrei Kirchzarten, als 1796 die Pfarrei Buchenbach gegründet wurde. Inständig baten sie darum, bei ihrer alten Pfarrei bleiben zu dürfen, was ihnen aber nicht gewährt wurde. 88 Dagegen wollten sie von Weiler/Stegen getrennt sein, zu dem sie schon so lange gehörten.
Die Verbindung des Ibentals mit Weiler war wohl nicht immer zur Freude der beteiligten Gemeinden ausgefallen, denn im 18. Jahrhundert erfolgte ein häufiger Wechsel zwischen Vereinigung und Trennung.89 1787 waren sie offenbar getrennt, kurz darauf wieder vereinigt. Von dort an war aber der Trennungsprozeß von dem so viele Jahrhunderte hindurch gemeinsam mit dem lbental verwalteten Stegen nicht mehr aufzuhalten. Zu dieser Zeit lebten in beiden Orten 102 Familien in 81 Häusern - man erinnere sich an die 24 Häuser vor rund 250 Jahren! 32 Bauern saßen auf größeren Gütern, darunter neunzehn auf den Ibentaler Höfen. Letztere waren ganz offensichtlich wohlhabender, hatten immer schon mehr Freiheiten besessen, ihre Höfe lagen in einem geschützten Tal, das längst nicht so häufig vom durchziehenden Militär heimgesucht wurde, was wiederum die Stegener ärgerte. Die Soldaten wollten aber gar nicht so abgelegen einquartiert sein, und die Offiziere weigerten sich, in „gemeinen Häusern" untergebracht zu werden - für sie kam nur das Schloß in Weiler in Frage. Es war die Zeit der Napoleonischen Kriege (1794-1815), unter welchen die Menschen im Lauf von mehr als zwanzig Jahren immer wieder zu leiden hatten. Zwischen Dezember 1813 und Juli 1814 mußten auch die Ibentäler insgesamt 5.566 Soldaten, darunter 127 Offiziere, und 3.134 Pferde in ihren Häusern und Höfen aufnehmen, das wären im Durchschnitt 180 Mann pro Hof innerhalb eines halben Jahres gewesen.
Die Stegener glaubten, stärker unter den Einquartierungen gelitten und mehr Steuern bezahlt zu haben als ihre Nachbarn. 1793 erreichten sie eine Trennung, die sich positiv auf die Steuer auswirkte, denn künftig mußten sie nur noch ein Viertel dessen bezahlen, was das Ibental abzuliefern hatte. Was wurde nun nicht alles ersonnen, um die drückende Steuerlast der Ibentäler zu mindern! Der Kagenecksche Beamte versicherte, daß es diesen Bauern schlecht gehe, was der Buchhalter der vorderösterreichischen Regierung 1794 wiederum nicht bestätigen konnte. Die Bauern in Unteribental hätten 283 Juchert Wald, meinte er, eigene Mühlen auf ihren Höfen und reichlich Wasser zur Mattenwässerung vom durchfließenden Bach. Die Feindseligkeiten nahmen immer mehr zu, so daß das Kagenecksche Amt die Trennung der beiden Gemeinden, die „wirklich nichts miteinander zu tun hätten", befürwortete. Stegen wehrte sich verzweifelt, aus finanziellen Gründen, versteht sich: Die Ibentäler würden dadurch ihre Kondition widerrechtlich verbessern. 1805 wurde die Steuer neu festgesetzt und jetzt sollte Stegen fast ein Drittel der Summe bezahlen: rund 46 Gulden, das Ibental 1031 Die Stegener waren empört und baten um Aufhebung der Trennung. Hin und her ging der Streit. Die Ibentäler behaupteten, die Stegener seien „halssterrig", immer gebe es Streit. Sie müßten schließlich 383 Klafter Straße instandhalten, leisteten sehr wohl ihre Frondienste und bezahlten die Kriegssteuern. Die großherzogliche Regierung - der Breisgau gehörte inzwischen zum Großherzogtum Baden - war 1807 auch überzeugt, daß die Ibentäler sich drücken wollten und verweigerten die Trennung. Nun veranlagtwaren diese aufgebracht - schließlich zahlte man doch pünktlich seine Steuern! Alle neunzehn Bauern wie auch die sieben Taglöhnerfamilien und die zwölf verheirateten Hintersassen würden doch treu die verlangten Frondienste verrichten und die Kriegssteuern bezahlen. Alles Argumentieren half nichts - die beiden Gemeinden blieben weiterhin vereinigt, da die Obrigkeit nicht in die Trennung einwilligte. Erst 1827, nach bald 50 Jahren Auseinandersetzung, gelang die Trennung; ein erneuter Widerspruch der Gemeinde Stegen wurde abgelehnt. Damit endete eine mehr als 500jährige Zusammengehörigkeit.

  
Zeittafel
Um 1113 
Erstnennung des Hofes Iwa im Rotulus
1203 Conrad und Cuno von Iwa urkunden im Rotulus Sanpetrinus
1318 Das Tal Iwa wird erwähnt
1343 Heinrich Meyernies ist Inhaber von Weiler und Unteribental
1486 Ibental mit dem Meiertum Weiler kommt an Hans von Reischach
1510 Hans von Reischach ändert einige Bestimmungen des Dingrodels
1597 Justinian Moser wird mit dem Meiertum Weiler und Unteribental belehnt
1605 Unteribentaler Bauernburschen kommen wegen eines Totschlags vor Gericht
1633 April 
Die Lindenbergkapelle wird zerstört
1702 Die Freiherren von Kageneck gelangen in den Besitz von Weiler und Unteribental
1793 Aug. 19 Stegen und Unteribental werden künftig getrennt veranlagt
1827 Endgültige Trennung des Unteribentals von Stegen
1838 Febr. 14 Der Allmendwald wird unter vierzehn Bauern aufgeteilt