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Spuren der Kelten
aus: Roland Weis / Ramesh Amruth (Fotos) 
MAGISCH MYSTISCH MEGALITHISCH 
Die rätselhafte vorchristliche Vergangenheit von Süd- und Hochschwarzwald 
II. TEIL: STIMMEN AUS DER VERGANGENHEIT
Rombach Verlag 2013

Auch beim Eindringen in diese Zeit halten wir uns streng an die unumstößlichen und wissenschaftlich unstrittigen Sachverhalte. Wir kennen rund um den Hochschwarzwald mehrere Themen- und Fundkomplexe, die wir eindeutig den Kelten zuordnen können: das Fürstengrab Magdalenenberg bei Villingen, die Siedlung Tarodunum im Dreisamtal, die Wallanlage Krumpenschloss mit der Siedlung Laubhausen im Bregtal, die Wallanlage Heidenschloss bei Berau. Nimmt man den Hochrhein hinzu, dessen Besiedelung seit den Tagen der Neandertaler und der frühen Steinzeit nachgewiesen ist und der bis weit in den Südschwarzwald hinein zahlreiche bronze- und eisenzeitliche Fundstellen entlang der Unterläufe von Wehra, Murg, Alb, Schwarza, Schlücht und Wutach aufweist, so finden wir den Hochschwarzwald eingekreist von Zeugnissen aus der Latenezeit (500-100 v.Chr.), der Hallstattzeit (800-450 v.Chr.) und der Urnenfelderzeit (1200-750 v.Chr.), also jenen drei Kulturepochen, die gemeinhin als Repräsentanten der späten Bronze- und Eisenzeit gelten. Die Kelten selbst, da, wo sie als Volk oder Volksgruppe angesprochen sind, tauchen um 700 v.Chr. erst aus dem Dunkel dieser Frühepochen auf. Für die Völkerschaften davor fehlt für unsere Region die einvernehmliche Namensgebung oder Zuordnung zu einem Volk oder Volksstamm. Das gilt auch für die Erbauer der bereits erwähnten Grabhügelfelder im Raum Löffingen/Titisee- Neustadt/Hinterzarten, soweit diese Grabhügelfelder älter als 700 v.Chr. sein sollten. Letzteres ist nicht auszuschließen, solange der eindeutige archäologische Nachweis eines keltischen Ursprungs nicht erbracht ist.  Der Villinger Magdalenenberg sitzt, wie bereits dargestellt, auf einer Anhöhe über dem Brigachtal, und zwar an einer Stelle, an der die Brigach einen markanten, beinahe rechtwinkligen Knick von Ost nach Süd beschreibt. Knapp 15 Kilometer weiter fließt die Brigach mit der Breg zusammen und bildet in Donaueschingen die Donau. 

Wiederum 15 Kilometer die Breg flussaufwärts befindet sich die keltische Wallanlage Krumpenschloss im Bregtal. Die Entfernung zwischen Krumpenschloss und Magdalenenberg beträgt in der Luftlinie zehn Kilometer. Vom Magdalenenberg die Brigach flussaufwärts bis zur Brigachquelle sind es in der Luftlinie ebenfalls nur 15 Kilometer, vom Krumpenschloss bis zur Bregquelle knapp 20 Kilometer. Brigach- und Bregquelle liegen zehn Kilometer auseinander. Während es im Bregtal beim Krumpenschloss einen Flurnamen »Krumpendobelk gibt, finden wir im Brigachtal unweit der Quelle ein »Krumpenloch«. Das komplette Quellsystem von Donau, Brigach und Breg — und jenseits der Wasserscheide auch der Elz - steht aufgrund dieser räumlichen Nähe seiner keltisch-archäologischen Stätten im Verdacht eines signifikanten Zusammenhangs. Wir werden diesem Zusammenhang später über den Umweg der Namensforschung noch näher auf den Leib rücken und auch im Kapitel, das sich mit der Bedeutung heiliger Quellen und Haine beschäftigt. An dieser Stelle beschränken wir uns jedoch auf die simple Geografie. Wollte jemand bestreiten, dass der Wirkungsradius eines bronzezeitlichen Kelten nicht mit Leichtigkeit den skizzierten geografischen Raum umfasst haben könnte? Erinnern wir uns an Ötzi und seine Wege. Der Gletschermann lebte mindestens 2500 Jahre vor den Kelten des Magdalenenberges. Was er zu seiner Zeit zu Fuß in den Alpen geschafft hat, das dürfte zwei Jahrtausende später den gut berittenen keltischen Stämmen im Südschwarzwald wohl kaum ein Problem bereitet haben. 

Direkt bei der Brigachquelle, um genau zu sein: direkt auf ihr, steht der Hirzbauernhof. Als in diesem Hof 1888 ein Küchengewölbe erneuert wurde, kam eine Steinplatte zum Vorschein, die von den Erbauern des Hofes in das Backofengewölbe eingebaut worden war. Diese Steinplatte zeigt die eingemeißelten Figuren von Hirsch, Hase und Vogel sowie drei Köpfe. Als »Dreigötterstein« oder »Dreigötterrelief« ist diese Steinplatte heute im Stadtmuseum von St. Georgen aufbewahrt. Eine Nachbildung ist in die Quellfassung am Hirzbauernhof eingearbeitet. In der Literatur ist von der Darstellung einer Quellgottheit oder der Jagdgöttin Diana die Rede, jedenfalls ist aber unstrittig, dass es sich um ein keltisches Artefakt handelt, mehr als 2000 Jahre alt, in engem Zusammenhang mit der Brigachquelle stehend, möglicherweise dieser gewidmet.16 In allen historischen Quellen, in denen die Kelten als Volksstamm dingfest gemacht werden, sind Süddeutschland und die Alpenregion als Kern- und Ursprungsgebiet dieses Stammes unstrittig.17 Ja, genauer noch, es sind der Oberlauf von Donau und Neckar, das Quellgebiet dieser beiden Flüsse sowie der Breisgau, wo sich die zentralen Siedlungsplätze, Fürstengräber, Prunkgräber und andere archäologische Fundplätze konzentrieren. Am Oberlauf der Donau erreichen wir mit dem Magdalenenberg, dem Krumpenschloss und der Brigachquelle die westlichsten Fundplätze. Im Westen des Schwarzwaldes sind der Breisacher Berg und Tarodunum im Dreisamtal die prominentesten Keltenplätze, am Hochrhein das Oppidum Altenburg18 und Richtung Südschwarzwald die Wallanlage von Berau. Besieht man sich dies alles aus der Vogelperspektive, so findet man den Hochschwarzwald regelrecht eingekreist von keltischen Metropolen und Handelsplätzen und steht vor zwei Fragen. Erstens: Haben die Bewohner dieser Zentren jeweils einen großen Bogen um den Hoch- und Südschwarzwald geschlagen, wenn sie untereinander Kontakt hielten? Zweitens: Waren die zwischen diesen Zentren liegenden Höhen und Täler des Hoch- und Südschwarzwaldes unbezwingbar, undurchdringlich, menschenfeindlich, siedlungsungeeignet? Ötzi belehrt uns eines Besseren. Was 2000 Jahre früher in den Alpen möglich war, kann 700 v.Chr. im Hochschwarzwald nicht völlig unmöglich gewesen sein. 

Die Wallanlagen von Berau und von Hammereisenbach sind in vielen Details identisch, jedenfalls in der Konzeption und Dimension auffallend übereinstimmend mit der Wallanlage auf dem Kapf beim Villinger Keltengrab Magdalenenberg. In der Beschreibung dieser Wallanlagen auf dem Kapf heißt es: »Diese zieht in weitem Bogen von Hangkante zu Hangkante und sichert ein Areal von etwa zwei Hektar Größe [...]. Der ursprünglich durch ein Holzrahmenwerk stabilisierte Wall ist |...| noch deutlich als Erhebung zu erkennen. Davor liegt ein seichter Sohlgraben, der einmal der Materialgewinnung diente, gleichzeitig natürlich die Fortifikation weiter verbesserte.«19 Ohne an den Formulierungen auch nur ein Wort verändern zu müssen, könnte man den Text auch auf die Wallanlagen bei Berau und bei Hammereisenbach beziehen. Wir reden offensichtlich von ein und denselben Baumeistern.

Tausende von Grabhügeln 

Unser Verbindungsglied zwischen den Standorten Villingen, Hammereisenbach, Zarten und Berau sind aber nicht weitere Wallanlagen ähnlicher Bauart, sondern die zahlreichen bereits beschriebenen Grabhügelfelder, die sich überall auf den Höhen zwischen diesen Standorten befinden. 

Diese Grabhügelfelder sind ausführlich beschrieben und katalogisiert bei Gerhard Wesselkamp20 und ergänzt durch neuere Beschreibungen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis,21 die vor allem auch das gesamte Bregtal miteinbeziehen, ebenso das Brigachtal.22 Die Zählungen differieren zwar im Detail, aber in der Summe kommen dabei für das Bregtal mindestens vier Fundplätze mit zusammen rund 100 Grabhügeln zusammen, für den Raum St. Märgen/St. Peter/Wagensteig drei Fundplätze mit zusammen 70 Grabhügeln, für Eisenbach-Oberbränd rund 440 Grabhügel an den zwei Fundplätzen Höchst/Wagner
eckle und Oberbränd / Heidenloch, für Hinterzarten-Breitnau verteilt auf zehn Fundplätze rund 340 Grabhügel, für Lenzkirch mit Ortsteilen zwölf Fundplätze mit über 300 Grabhügeln, für Titisee-Neustadt mit Ortsteilen an 25 Fundplätzen (nahezu alle Hügel über dem Ort und den Tälern) über 1300 Grabhügel, im Großraum Schluchsee weit über 3000 Grabhügel und in Löffingen mit Ortsteilen weitere 2000 Grabhügel an etwa 20 Fundplätzen. 

Wesselkamps Schlussfolgerung ist deshalb nur zuzustimmen, wenn er konstatiert: »Das  massierte Auftreten von Steinhügeln in dieser Region kann eigentlich nur in Zusammenhang mit relativ kontinuierlicher Besiedlung gesehen werden |...] dann hätte die Besiedlung des Hochschwarzwaldes durch den Menschen bedeutend eher begonnen als bisher angenommen.«23  Eine systematische archäologische Erkundung dieser Grabhügelfelder steht noch aus. Dies liegt auch daran, dass sich die Archäolo
gie von einer Öffnung der Grabhügel wenig erhofft, wie sie insgesamt die engen Schwarzwaldtäler und Höhen für unergiebig hält.24 Der Kirchzartener Archäologe Heiko Wagner hat dies wie folgt begründet: Weiden und Wiesen fallen für die archäologische Begehung weitgehend aus. Eventuell besiedlungsgünstige Stellen sind bereits von Bauernhöfen oder den auf alten Trassen immer weiter verbreiterten Verkehrswegen überbaut. Hinzu kommt die Reliefdynamik mit Erosion und  Sedimentation. Allgemein verbreitet sind saure Böden, in denen sich Bodenverfärbungen, die neben Mauerresten und Scherbenfunden die wichtigste Befundgattung der Archäologie darstellen, nur undeutlich abzeichnen. Da die sauren Böden des Schwarzwaldes für eine schnelle Verwitterung und damit Vernichtung allen organischen Materials sorgen, sind auch Zufallsfunde höchst unwahrscheinlich.25 In der mittleren und späten Bronzezeit (also zwischen 1500 und 500 v.Chr.), der die süddeutschen Hügelgräber zugeordnet werden, herrschte die Sitte der Brandbestattung. Die typische Brandbestattung hat jeweils an Ort und Stelle stattgefunden. Aus Untersuchungen an einem geöffneten Grabhügel bei Lauchringen am Hochrhein hat sich folgender Befund ergeben: Der Scheiterhaufen, auf dem der Leichnam verbrannt wurde, bestand aus Eichenholz. Der Brand war vollständig und   das Feuer muss eine Temperatur von über 800 Grad Celsius erreicht haben. Die Archäologen fanden in Lauchringen nur sehr kleinflächige Scheiterhaufen und spekulierten, dass entweder nur ein kleines Feuer geschürt wurde oder aber die Toten in Hockstellung verbrannt wurden. Zum Verbrennungsritus gehörte die Verwendung mindestens eines Gefäßes, das sich zerschlagen und auf der Grabsohle verstreut vorfand. Nach der Verbrennung lasen die Angehörigen (oder zeremonielle Priester) den Leichenbrand mitsamt Holzkohleresten auf und deponierten ihn in einer körpergroßen Kammer aus aufgesetzten Steinen, die dann mit Lehm verfüllt und später mit einer Packung aus Geröllsteinen überdeckt wurde.  Diese Hügel erreichten eine Größe von maximal vier Metern Länge und maximal ein bis zwei Metern Höhe. Die inwendig verbauten Grabkammern waren 1,6 Meter lang und 0,4 Meter breit.26 Das Wenige an archäologischen Funden, das in Oberlauchringen aus solchen Gräbern geborgen wurde, Keramikscherben, bronzene Armreifen, Bronzenadeln, Fragmente eines Bronzedolches, Eisenring aus gebogenem Draht, Knochenreste, deutet alles in die Spät- und Mittelbronzezeit. Auch ohne solche Funde in den Grabhügeln im Hochschwarzwald lässt ihre frappierende Ähnlichkeit mit diesen Grabhügeln vom Hochrhein aber nur den einen Schluss zu: Sie stammen aus der gleichen Zeit. 

Spuren der Steinzeit 

Wenn wir damit schon bis weit in das 2. vorchristliche Jahrtausend in die Vergangenheit des Hochschwarzwaldes zurückgewandert sind, so ist das immer noch nicht das Ende unserer Reise. Denn auch die Steinzeit hinterließ bereits ihre Spuren im Hochschwarzwald. Wieder einmal lieferte der Bau der Schluchsee-Staumauer den interessantesten Fund. Zur Vorbereitung der Baumaßnahmen senkte die Schluchseewerk AG den Spiegel des eiszeitlichen Schluchsees um 16 Meter ab. Meterhohe Torfwände erschienen dabei überall am Ufer, jene Torfwände, die unter anderem auch den oben vorgestellten alamannischen Einbaum freigaben. Der Botaniker Erich Oberdorfer nutzte diese einmalige Gelegenheit, um die im Torf konservierten Tausende Jahre alten Blütenpollen zu untersuchen. Dabei fand er in der Torfwand der Erosionsschlucht, die der Fischbach infolge der künstlichen Absenkung in sein altes Delta gerissen hatte, einen 4,7 Zentimeter langen Feuersteinsplitter mit deutlichen Spuren menschlicher Bearbeitung.27 Es handelt sich um einen Dreikant, der aus einem Feuersteinknollen herausgeschlagen wurde. Dieser Fund ist besonders gründlich untersucht worden, denn Oberdorfer beschäftigte sich mit der paläolithischen (altsteinzeitlichen) und mesolithischen (mittelsteinzeitlichen) Botanik der Schluchseeregion. Oberdorfer hat seinen Fund in einer Schicht gemacht, die laut Pollenanalyse vornehmlich Birkenbewuchs, 20 Prozent Haselsträucher und ansonsten Erle und Eiche auswies, dem typischen Schwarzwaldbewuchs der Mittelsteinzeit (8000-5000 v.Chr.). Seine Schlussfolgerung: »Die Paläolithiker selbst mögen einerseits am Ufer des Sees, andererseits am Ufer des Fischbachs gesessen sein.«28 Der Geologe Wilhelm Deecke nahm den Feuerstein von Aha später nochmals genau unter die Lupe. Die nächstgelegenen Feuersteinvorkommen befinden sich im Markgräflerland oder auf der Schwäbischen Alb. Feuersteinmaterial dieser Art ist für den Hochschwarzwald auf jeden Fall ortsfremd. Deecke fasste seine Erkenntnisse wie folgt zusammen: »Aber er [der Feuerstein] ist immerhin sehr wichtig dafür, dass viel früher, als wir bisher annahmen, auch die höchsten Teile des Gebirges von Bewohnern der Niederungen durchstreift worden sind. Die Ähnlichkeit des Gesteins mit den schwäbischen Hornsteinen lässt weiter vermuten, dass von Osten her auf der Abdachung zur Baar und Alb diese Wanderungen als auf dem bequemsten Weg erfolgten.«29 

Skeptiker mögen einwenden, ein solcher einzelner Fund beweise nicht viel. Aber bei diesem einen Fund ist es bis heute nicht geblieben. In seinem Forschungsbericht Steinzeit im Schwarzwald hat der Freiburger Frühgeschichtler Robert Lais schon 1937 auf steinzeitliche Funde am Felsenweg am Rinken bei Hinterzarten hingewiesen und die These vertreten, dass Jägersippen oder einzelne Jäger von ihren Siedlungsplätzen im Zartener Becken aus auch Streifzüge auf die umliegenden Kammhöhen unternommen haben. Selbst eine erste Begehung der höchsten Passübergänge am Feldberg hält er nicht für ausgeschlossen.30 Beim Bau des Karl-Egon-Weges im Bärental kam 1887 eine Feuersteinpfeilspitze zum Vorschein, die den F.F. Sammlungen in Donaueschingen einverleibt wurde. Über den Fund einer weiteren steinzeitlichen Feuersteinspitze 1926 in einem kleinen Moor auf der Passhöhe berichtet August Vetter 1968 in seiner Feldberschronik, weiß aber nichts über den Verbleib dieses Fundes zu sagen. Auf dem Weg von der Todtnauer Hütte zum Feldberggipfel wurde 1994 eine bearbeitete Feuersteinklinge gefunden.31  Von weiteren steinzeitlichen Funden beim Hochwarter Hof bei Breitnau sowie am Stübenwasen und am Radschert bei Todtnauberg im Oberen Wiesental lesen wir bei Robert Lais. Die Feuersteinklinge, die auf dem Nordwestkamm des Stübenwasen in 1200 Metern Höhe gefunden wurde, bezeichnet Lais als das »wohl höchstgelegene Artefakt auf primärer Lagerstätte in Deutschland«.32 Es befindet sich heute im Besitz des Museums für Ur- und Frühgeschichte in Freiburg. Auf dem Schauinsland in der Nähe des Haldenwirtshauses tauchte eine steinzeitliche Messerklinge auf. Im Jahre 1995 fand man in 1000 Metern Höhe an einem Saumpfad am Belchen ein mesolithisches Steinartefakt, nämlich einen Hornsteinkern, der genutzt wurde, um davon steinzeitliche Pfeilspitzen und Messerklingen abzuschlagen. Das Fundstück wird ins Frühmesolithikum datiert, das grob etwa von 10 000 bis 7000 v.Chr. dauerte.33 Über einen Fund, den Heiko Wagner 1990 bei St.Peter gemacht hat, heißt es in den Fundberichten des Landesdenkmalamtes: »Bei einer Begehung östlich des Hornhofes [wurde] in einer Höhe von etwa 780 m. ü.NN ein kleiner mesolithischer Fundplatz lokalisiert. Wenn man von Einzelfunden absieht, dürfte diese Stelle derzeit einer der höchstgelegenen steinzeitlichen Lagerplätze im Schwarzwald sein. Es wurden vier Mikrolithen, zwei Klingen und 16 Abschläge aus sehr unterschiedlichen, lokal nicht vorkommenden Rohmaterialien gefunden.«34 Weitere Einzelfunde von einer Pfeilspitze bei Schönwald oder einer Steinaxt bei Schonach belegen steinzeitliche Aktivitäten auch in diesen Höhenlagen.35 Am Bahnhof in Titisee unterhält der örtliche städtische Bauhof eine kleine Bauaushubdeponie, auf der immer wieder einmal Aushub aus städtischen Baustellen zwischengelagert wird. In diesem Erdhaufen fand im Sommer 2012 der Kirchzartener Archäologe Heiko Wagner steinzeitliche Feuersteinabschläge, Splitter und Pfeilspitzen sowie Keramikscherben ungewisser zeitlicher Herkunft. Die Wahrscheinlichkeit eines steinzeitlichen Siedlungsplatzes irgendwo am Titiseeufer ist damit stark erhärtet. Der Frage, wo dieser Siedlungsplatz gewesen sein könnte, nähern wir uns im nächsten Kapitel. Immer offener räumen jedenfalls in jüngerer Zeit etablierte Frühgeschichtler die Möglichkeit ein, dass wir unser Geschichtsbild hinsichtlich des Süd- und Hochschwarzwaldes revidieren und um ein vorgeschichtliches Kapitel erweitern müssen — auch dann, wenn es weiterhin an zweifelsfreien archäologischen Hinterlassenschaften mangelt.

So formuliert etwa Gerhard Fingerlin (zwar auf keltische Funde bezogen, aber genauso auf neolithische Funde anwendbar): »Auch bei den Siedlungen muss man sich vor Augen führen, womit gerechnet werden kann: Mit hoher Wahrscheinlichkeit nur flach fundamentierte Holzbauten mit Schindeldächern (keine Ziegel!), ein geringer Fundanfall, nicht einmal unbedingt an jedem Platz Keramik, da vieles, auch Gefäße, aus Holz hergestellt wurde [...] Spuren eines solchen Lebens in dieser Landschaft zu finden ist äußerst schwierig, ja fast unmöglich, jedenfalls in hohem Maß von Zufällen abhängig.«36 Konrad Spindler formuliert ähnlich: Trotz des negativen Befunds »darf man aber auf keinen Fall annehmen, die Höhen seien wirtschaftlich bedeutungslos gewesen. Sicher ist der Wald |...] in der Steinzeit auch [...] begangen worden; |...| doch hinterlassen z. B. Waldweide, Eichelmast, Jagd, Fallenstellerei, Pechsammeln und Zeidlerei (Wildhonigsammeln) in der Regel keine archäologischen Spuren.«37 Letztlich sei auch noch verwiesen auf eine altsteinzeitliche Fundstelle bei Altensteig im Nordschwarzwald. Dort haben Forscher Anfang der 1990er Jahre rund 400 steinzeitliche Artefakte geborgen, darunter Rückenmesser, Kratzer, Klingen, vielleicht eine Säge, Kernsteine und Abschläge, also den klaren Beweis erbracht, dass Steinzeitmenschen das Mittelgebirge nicht nur durchstreiften, sondern tatsächlich auch dort siedelten.38

16 Vgl. Konrad Spindler: Aus der Geschichte, in: Rainer Gutknecht (Hg.): Der Schwarzwald-Baar-Kreis, Stuttgart/Aalen  1977, S. 56-84. 
17 Ausführlich in: Archäologisches Landesmuseum u.a. (Hg.): Die Welt der Kelten. Zentren der Macht — Kostbarkeiten  der Kunst, Ostfildern 2012, S. 94ff.
18 Ludwig Schnitzler: Der Raum des Kreises Waldshut in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, in: Landkreis Waldshut (Hg.):  Der Kreis Waldshut, Stuttgart 1975, S. 59-75, hier S. 66ff.
19 Konrad Spindler: Magdalenenberg, S. 35f.
20 Siehe Gerhard Wesselkamp: Grabhügel, S. 95ff.
21 Siehe Heribert Saldik: Bregtal, S. 8ff. 
22
Siehe Verena Nübling: Untersuchungen an Steingrabhügeln bei Überauchen, Gemeinde Brigachtal, Schwarzwald- Baar-Kreis, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1986 (1987), S. 63-65.
23 Gerhard Wesselkamp: Grabhügel, S. 95. 
24
Vgl. Heiko Wagner: Tarodunum und das Zartener Becken in der keltischen Zeit (Latènezeit) und in der Römerzeit, in:  Wolfgang Kleiber (Hg.): Tarodunum/Zarten — Brigobannis/Hüfingen, S. 21-53, hier S. 25
25 Vgl. ebd.
26
Vgl. Gerhard Wesselkamp: Grabhügel, S. 39f. 
27 Vgl. Robert Lais: Die Steinzeit im Schwarzwald, in: Badische Fundberichte 13 (1937), S. 29-66, hier S. 35.
28 Zit. nach ebd
29 Wilhelm Deecke: Badische Fundberichte 2 (1932), S. 366, zit. nach Robert Lais: Steinzeit im Schwarzwald, S. 35. 
30 Vgl. Robert Lais: Steinzeit im Schwarzwald, S. 50f. 
31 Vgl. Fundberichte aus Baden-Württemberg 19/2 (1994), S. 10. 
32 Robert Lais: Steinzeit im Schwarzwald, S. 36.
33 Vgl. Frank Baum/Clemens Pasda: Ein Steinartefakt vom Belchen, in: Archäologische Nachrichten aus Baden 64  (2001), S. 3-8. 
34 Fundberichte aus Baden-Württemberg 22/2 (1998), S. 13. 
35 Vgl. Konrad Spindler: Aus der Geschichte, S. 60.
36 Gerhard Fingerlin: Der Beitrag der Archäologie zur Frage einer »Romania submersa« im mittleren und südlichen Schwarzwald, in: Wolfgang Kleiber (Hg.): Tarodunum/Zarten — Brigobannis/Hüfingen, S. 13-19, hier S. 18.
37 Konrad Spindler: Aus der Geschichte, S. 63. 
38 Vgl. Egon Schallmayer: Die endpaläolithisch-mesolithische Fundstelle »Nonnenwiese« bei Altensteig, Kreis Freudenstadt, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1991 (1992), S. 40-45.