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Vor Freiburgs Toren

Ein Streifzug durchs Dreisamtal

Freiburger Zeitung Sonntag 3. Mai 1936
Badische Chronik der Freiburger Zeitung

Wer schon einmal vom Waldrand oberhalb Littenweiler oder vom Turm auf dem Roßkopf seine Blicke nach dem Dreisamtal hat schweifen lassen, wird vielleicht die Wahrnehmung gemacht haben, daß es seiner Gestaltung nach mit einer Handfläche zu vergleichen ist, die sich in der vier Kilometer breiten Talebene bei Kirchzarten ausbreitet. Ihr Unterarm wird durch den engen Talausgang zwischen Ebnet und der Stadt Freiburg gebildet, während die fünf Finger die fünf Nebentäler sind, die sich nach Norden, Osten und Süden in das Bergland erstrecken.
Seinen Namen hat das von einer mächtigen Gebirgskette eingeschlossene, mit idyllisch daliegenden Ortschaften, mit grünen Auen und fruchtbaren Äckern besäte Tal von der Dreisam, dem Hauptwasserlauf, der es durchzieht. Ihr Ursprung ist droben in einem kleinen Weiher beim Wilmenhof westlich vom Hohlen Graben nahe dem ehemaligen Ort Berghaupten. "Das wasser, das entspringet zu Berghaupten, heißet Treisam", heißt es im Dingrodel von Zarten des Jahres 1397, und in dem Rotulus Sanpetrinus, einer Beschreibung des Klostergutes von St.Peter aus dem 13. Jahrhundert, wird bereits in jener Gegend die Örtlichkeit Treisimesprine (sprine = Quelle, Ursprung) genannt. Der Name Dreisam ist keltischen Ursprungs und wird abgeleitet vom keltischen Wort Trag = laufen, bedeutet also die schnell laufende Tragisa, Trigsiuna, Dreisam.
Nun geht allerdings auch heute noch vielfach die Ansicht dahin, daß erst durch den Zusammenfluß des Wagensteigbachs, des Ibachs und des Rot- oder Höllbachs die Dreisam, die "Drüzsemma" gebildet wurde. Auf dieser Auffassung beruht auch die Darstellung der Brunnengruppe oberhalb des Teiches gegenüber beim Alleegarten gegenüber der Universität. Von den Knabengestalten bedeutet die mit dem Zahnrad in der Hand und dem Hammer im Gürtel den Rot- oder Höllbach mit seinen ehemaligen Eisenwerken, der Fischer mit dem Kästchen den Wagensteigbach, der Hirte im Lammfell den Ibenbach.
So schön dies auch gedacht ist, in Wirklichkeit war, wie oben dargelegt, der Wagensteigbach, an seiner Quelle Erlenbach genannt, schon vor mehr als zweitausend Jahren die alte "Treisem"
Machen wir nun einen Streifzug durch das Dreisamtal, so gelangen man zunächst nach
Ebnet

(Ebenote, "in der Ebene") am Fuß des Roßkopfs, geschützt vor rauhen Nordwinden und überragt von prächtigen Weinbergen, sonnig gelegen, beim Zusammenfluß des Eschbaches mit der Dreisam. Das Dorf ist schon 825 Jahre alt, wird 1111 erstmals erwähnt und gehörte im Mittelalter den Herren Snewlin von Landeck, ging 1568 durch Heirat der einzigen Erbin Anna von Landeck in den Besitz der Freiherren von Sickingen über, die nach der Zerstörung der Burg im Sommer im Schlosse zu Ebnet, im Winter in dem von ihnen in der Salzstraße auf der Stelle der alten Häuser zum "Majenthau" und zum "Wolkenbruch" erbauten Palais, heute Großherzogliches Palais, wohnten. Als im Jahre 1806 das Geschlecht der Sickinger seine Hoheitsrechte verlor, erwarb die badische Regierung sowohl das Schloß in Freiburg wie auch jenes in Ebnet, verkauften dieses jedoch 1811 an die Freiherren von Gayling, die heute noch Besitzer desselben sind. Es liegt inmitten eines schönen Parks und enthält wertvolle Skulpturen des berühmten Freiburger Bildhauers Christian Wenzinger. Im Jahre 1874 wurde Ebnet von einem großen Brand heimgesucht, dem viele Bauernhäuser zum Opfer fielen. Interessant ist "das stainin Burgklein zu Ebnet", das schon 1512 erwähnt wird, für den heutigen starken Autoverkehr aber eine gefährliche Stelle. Malerisch erhebt sich die stattliche Kirche am Bergabhang und überragt das ganze Dorf; seit 1681 bildet Ebnet eine eigene Pfarrei, während es vorher eine Filiale von Kirchzarten war und nur eine dem hl. Hilarius und Remigius geweihte Kapelle besaß. Bis zum Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts genoß das alte Keltendorf einen gewissen Ruf durch die naturwüchsige Grobheit seines "Schenkelewirtes" Gipfel, der zu sagen pflegte: "Suffet Wi bigott !" wenn einer Bier trinken wollte.
Weiter nach Osten, am Fuße des Flaunser, liegt das weit zerstreute Dorf

Wittental

wozu noch der Weiler Attental gehört; in seiner Nähe stehen auf einer Anhöhe
noch Reste der einstigen Burg Falkenbühl.
Am Ausgang des Eschbachtals ( im 12. Jahrhundert Apschebach genannt) in der Dreisamebene liegt die Gemeinde Stegen mit den Nebenorten Oberbirken, Unterbirken, Rechtenbach, Reckenbach und dem Zinken Weiler, der den ältesten Teil des Dorfes bildet. In diesem finden wir auch das große Schloß der Grafen von Kageneck, die schon früh im Breisgau reich begütert waren, mit älteren und neueren Gebäuden, einer Kapelle und einem Park. Im eigentlichen Eschbachtal liegt nur das Dorf Eschbach mit den Zinken Hintereschbach und Steurental, das früher zum Kloster St.Peter gehörte und von diesem 1788 die jetzige Kirche gebaut bekam. Der Eschbach erhält seine Wasser aus kleinen Seen und Sümpfen, die sich auf der hügeligen Hochfläche von St.Peter befinden.
Vom Eschbachtal getrennt durch den Lindenberg und seinen südlichen Ausläufern mit der Ruine Brandenburg wird das landschaftlich interessante Ibental, in dem weit zerstreut bald im Talgrund, bald an Berglehnen liegende Bauernhöfe die Gemeinde Unteribental und den zu St.Peter gehörenden Zinken Oberibental bilden. Schon 1118 wird das Dorf Ibental in Urkunden als Iwa (gleich Eibe) erwähnt. Am Südhang des Kapfenberges entspringt der Ibenbach, durchfließt die Hochfläche zwischen St.Peter und St.Märgen, fällt stark ins eigentliche Ibental herab und vereinigt sich oberhalb Burg mit dem Wagensteigbach.
Burg ist eine zerstreute Landgemeinde und wird schon 1318 erwähnt. Zu ihr gehören Brand und Höfen, der Rainhof, Birkenhof und Erlenhof, die Station Himmelreich und die untere Blechschmiede am Ausgang des Höllentals. Allerliebst ist der Ausblick von der am Südhang des Kappenecks gelegenen Ruine Wiesneck über die Obstbäume besäte Gemarkung.

Wer die
Burg Wiesneck

erbaut hat, ist unbekannt, vielleicht, ja sogar wahrscheinlich stand schon zur Zeit der Römer ein Wartturm zum Schutz der von ihnen erbauten Baarstraße durch die Wagensteige. Ihr richtiger Name ist wohl Wieseneck, den sie von der Lage des in das Wiesengelände hineinreichenden Bergrückens hat. Zum ersten mal wird sie 1096 in einer Chronik genannt und war im Besitz der fränkischen Grafen von Hohenberg, denen auch die Wagensteige und die Gegend von St.Märgen gehörte. Im Jahre 1298 wurde "Burg und Herrschaft Wiesneck" für 16800 Gulden an das reiche Freiburger Patriziergeschlecht Derer von Turner, deren Edelsitz auf dem Turner beim "Hohlen Graben" sich befand, verkauft. Aber nur 25 Jahre war sie im Besitz der Turner, dann ging "Herrschaft Wiesneck mit Schirmvogtei über St.Märgen" an die Ritter von Schnewelin über, 1372 an die Edlen von Blumeneck, unter deren Gewaltherrschaft sowohl die Bauern als auch das Kloster St.Märgen schwer zu leiden hatten. 1451 kauften die Schnewelin das Schloß wiesneck zurück, 1498 erwarb es Erzherzog Sigismund, der David von Landeck damit belehnte. Schlimm ging es der Burg im Bauernkrieg. Die Villinger Chronik schreibt darüber: "Am Freitag, 12. Mai 1525, verließen die Bauern das Kloster St.Georgen und zogen gen Furtwangen. Auf diesen Tag kamen sie gen St.Peter, gen Kirchzarten und Ebnet, nahmens ein und ließen sie schwören. Sofort warfen sich einige Haufen dem Junker David von Landeck vor sein Schloß Wiesneck, stürmtens, nahmens, plündertens und verbranntens auf Sonntag den 14. Mai". Die Burg wurde zwar aufgebaut und ging 1568 an die Freiherren von Sickingen über, aber ihre Bedeutung hatte sie verloren und wurde im Dreißigjährigen Krieg in Trümmern gelegt. Was die Franzosen nicht zerstörten, das vollendeten die Bewohner der Umgebung. Nur eine Wand zeugt heute noch von ihrem ehemaligen Bestand.
Östlich der Ruine Wiesneck, zu ihren Füßen, liegt am Ausgang des Wagensteigtales das Dorf
Buchenbach

das zur "Herrschaft Wiesneck" gehörte und die Schicksale mit ihr teilte. Seit 1796 hat es eine eigene Pfarrei. Hier zog vielleicht schon von den Kelten, bestimmt aber durch die Römer erbaute schmale Heerstraße von Breisach nach dem Schwarzwald vorbei, das enge Wagensteigtal hinauf, benannt nach dem schon 1125 bestandenen Dorf Waginstadt, Steige, Wagensteig. Da zwischen Freiburg und Villingen im ganzen Mittelalter ein reger Handelsverkehr herrschte, wurde 1357 beschlossen, daß beide Städte die alte Römerstraße neu herstellen und unterhalten lassen. Allerdings war es nur eine schmale Straße, so daß zwei Pferde nicht nebeneinander, sondern hintereinander gingen. An der engsten Stelle im oberen Tal, Letze oder Gefälle genannt, waren Schanzen und ein mächtiges Tor errichtet, um die höher gelegenen Schwarzwaldgemeinden vor plünderndem Kriegsvolk zu schützen. Heute führt eine vorzügliche Straße durch das von hohen Bergwänden eingefaßte Tal, das noch reich an Sägmühlen und alten prächtigen Schwarzwaldhäusern ist, in vielen Windungen hinauf nach St.Märgen, nicht mehr nach dem Thurner; die Straße zeigt mehrfach die an hervorragender Stelle stehenden Ohmenkapelle.
Auf unserem Streifzug durch das Dreisamtal werfen wir nun einen kurzen Blick ins "Himmelreich" und das hier beginnende allbekannte Höllental, erwähnen aber, daß der Höllenbach oder Rotbach, der in dem dunklen Mathisleweiher in der Nähe des Feldbergs entspringt, seinen Lauf durch das malerische Löffeltal mit seinen Mühlen und Sägen an Höllsteig vorbei, wo sich der Ravennabach mit ihm vereinigt, nimmt und unterhalb Himmelreich das freundliche Dreisamtal erreicht, wo er sich zwischen den Ortschaften Burg und Zarten mit dem Wagensteigbach trifft.

Zarten

liegt in der Mitte der "Handfläche", um in dem eingangs erwähnten Bilde des in dieser Gegend am weitesten sich ausdehnenden Dreisamtales zu bleiben, und leitet seinen Namen von der von Kelten vor 2000 Jahren gegründeten, mit Wall, Graben, Mauer und Pfahlhag wohlbefestigten , aber längst verschwundenen Stadt Tarodunum ( Zardunum, Zarduna) her; gleichen Namensursprung haben auch Kirchzarten und Hinterzarten. Das Tal zwischen Zarten, Kirchzarten, Himmelreich, Ebnet und Littenweiler bildet von jeher ihrer günstigen Lage wegen den Mittelpunkt des ganzen Dreisamtales; der fruchtbare Ackerboden, die von zahlreichen Wasserläufen bewässerten Wiesen und die herrlichen Wälder an den Berghängen waren Grund genug, daß sich schon frühe Ansiedler hier niederließen. Mönche aus Irland und Schottland brachten das Christentum in diese Gegend, Kapellen und Kirchen entstanden, und schon im Jahre 616 wird in einer Urkunde des Klosters St.Gallen die dem hl. Gallus geweihte Kirche in

Kirchzarten

erwähnt. Erst in jüngster Zeit wurde sie äußerlich und innerlich mit einem großen Kostenaufwand renoviert und bildet eine nicht nur für den namentlich seit Erbauung der Höllentalbahn aufstrebenden Ort Kirchzarten, sondern auch für das Dreisamtal, in dem sie die älteste ist. Der untere Teil des Turmes zeigt den romanischen Baustil. im übrigen stammt die jetzige Pfarrkirche aus den Jahren 1508 bis 1510.
Lange Zeit bildete Kirchzarten nicht nur den kirchlichen Mittelpunkt für alle Dörfer und Höfe von Ebnet und Kappel bis hinauf nach Hinterzarten mit allen dazwischenliegenden Seitentälern, sondern auch den weltlichen. Die Stadt Freiburg hatte Ende des 15. Jahrhunderts viele Dörfer und Ländereien im oberen Dreisamtal erworben und 1496 in Kirchzarten eine Landvogtei errichtet. Der Vogt oder Talschaffner hielt an bestimmten Tagen "Ding" oder Gericht ab und erhob auch die Steuern und Abgaben. Während des Dreißigjährigen Krieges und in den nachfolgenden Franzosenkriegen hatten die Talgemeinden schwer zu leiden und standen auch zwanzig Jahre unter französischer Herrschaft. Im Jahre 1805 hörten die Obrigkeitsrechte der Stadt auf, und die Gemeinden der einstigen Talvogtei kamen, wie auch Freiburg, an Baden. Nur der 1740 von der Stadtverwaltung gekaufte Birkenreutehof zwischen Kirchzarten und Oberried verblieben bis heute in dem Besitz derselben. Im Jahre 1807, am 27.März (Karfreitag), wurde Kirchzarten von einer großen Freuersbrunst heimgesucht, der viele von den alten, aus Holz gebauten und mit Stroh und Schindeln gedeckten Häuser zum Opfer fielen. In den letzten Jahren hat sich Kirchzarten immer mehr zu einer Sommerfrischestation entwickelt, zahlreich neue Häuser sind entstanden, ein gar prächtiges Strandbad hat sich aufgetan, und so ist es heute , nicht zuletzt auch seiner gesunden Lage wegen, mehr denn je als Mittelpunkt des oberen Dreisamtales und Ausgangspunkt zahlreicher Touristenwege und mehrerer Autoverkehrsstraßen zu einem gern besuchten Aufenthaltsort geworden, wozu auch die nahen Waldungen das ihre beitragen.
Östlich von Kirchzarten erhebt sich der Giers- oder Geiersberg (Kilchberg) als Vorhügel des Hinterwaldkopfes mit der 1710 erbauten Wallfahrtskapelle, in südlicher Richtung erstreckt sich das Oberriedertal, das durch die Flußgebiete der Brugga und des Krummenbaches gebildet wird, bis hinauf zum Notschrei in einer Höhe von 1121 Metern, auf der Wasserscheide zwischen Dreisam und Wiese. Links und rechts schneiden fünf Täler ein, das Weilersbach-, Zastler-, St.Wilhelm-, Hofsgrunder und Dietenbachtal. Schon im Jahre 765 waren diese Täler im Besitz des Benediktinerklosters St.Gallen. Das größte Dorf ist

Oberried

nach dem das Tal auch seinen Namen hat, mit Kirch und Gebäuden eines früheren Klosters, das 1806 aufgehoben wurde. Zu dem früheren Priorat Oberried gehörte auch das Dorf Neuhäuser, 1298 unter dem Namen Nüwa Hüsirne und 1319 als Nüwenhüsern bekannt, und
Kappel.

Die erste geschichtlich bekannten Herren von Kappel waren die Grafen von Rötteln, was auch auf folgender Verkaufsurkunde hervorgeht: "Wir Luitold und Otto, Herren von Rötteln, haben gegeben alles Gut das Herr Walter von Falkenstein von uns zu Lehen hatte zu Kappel, welches unser eigen war mit Zwing und Bann, mit Wasser und Fischrecht, mit Wein, Weide, Holz und Feld, mit Kirchensatz und Leuten, mit Gütern, Eigenschaften und allen Rechten, geschrieben und ungeschrieben, Unserer Lieben Frau, der hl. Maria, dem Orden des Spitals zu Jerusalem des deutschen Hauses für Eigen." Den Grafen von Rötteln folgte also im Besitz der deutsche Ritterorden, 1311 die Schnewelins, 1480 die Wilhelmiten des Klosters Oberried. 1806 fiel auch Kappel an Baden.
In alter Zeit hieß das Dorf Capella oder zu Kapelle, heute heißt es zum Unterschied von gleichlautenden Orten "Kappel im Tal" und besteht aus dem eigentlichen Dorf an der Bereinigung des großen und kleinenKappeler Tales, aus den Höfen von Groß- und Kleinkappel, dem Zinken Schauinsland mit dem wieder in Betrieb gesetzten Erzbergwerk und dem Zinken Untertal, in dem sich auch die Haltestelle der Höllentalbahn befindet. Das Großkappeler Tal wird vom Reichenbach durchflossen, der beim Dorf Kappel den das kleine Kappeler Tal bewässernde Interbach aufnimmt. In diesem Tal liegt auch das nach alter Chronik von 1588 viel besuchte Kybad, das, von den Franzosen 1704 niedergebrannt, nie wieder vollständig aufgebaut wurde.
In Littenweiler, dem schon im elften Jahrhundert "Lütenwile" genannten Dorfe, seit 1914 der Stadtgemeinde Freiburg eingemeindet und seitdem in ständigem Aufschwung begriffen, beenden wir unseren Streifzug durchs Dreisamtal und blicken noch einmal hinüber nach Ebnet und den Gefilden des gesegneten Tales der Dreisam; das von einem Kranz hoher Berge eingeschlossen ist.

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Eine Fahrt ins Kirchzartener Tal

Freiburger Zeitung Samstag/Sonntag 6./7. November 1937
Badische Chronik der Freiburger Zeitung

Zu einem der schönsten Ausflüge in die nähere Umgebung der Schwarzwaldhauptstadt Freiburg gehört eine Fahrt ins Kirchzartener Tal, die sich mit dem Besuch eines der bedeutendsten und wichtigsten Denkmäler aus der Vorgeschichte unserer Heimat, der keltischen Volksburg Tarodunum verbinden läßt.

Der Ausgangpunkt unserer Wanderung ist Littenweiler, das vor der Eingemeindung nach Freiburg (1. Januar 1914) eine Filiale von Kappel war. Nachdem das Dorf vorher Eigentum der Herren von Snewlin gewesen, wurde es 1520 von Hans Erhard von Neuenfels an den Deutschorden in Freiburg verkauft, Bei dem berüchtigten Zug des französischen Marschalls Tallard durch das Kappeler und Dreisamtal im Jahre 1704 wurde das Dorf in einen Trümmerhaufen verwandelt. Nur langsam erhoben sich die Gebäude aus Schutt und Asche wieder. Über dem Dorf erhebt sich die nach einer einstmals dort gestandenen Kapelle genannte Anhöhe von St. Barbara, von der aus sich ein prachtvoller Blick über das Dreisamtal bis zu den Höhen von St. Peter und St. Märgen bietet.

Die Volksburg Tarodunum

An der sogenannten Bruckmühle vorbei gelangen wir nach Kirchzarten, dem Hauptort jener alten Mark Zarten (Marcha Zardunum), die einstmals den ganzen Bezirk von Ebnet bis an die fürstlich fürstenbergische Landgrafschaft Baar umfaßte.

Seinen Ursprung verdankt das Dorf Zarten dem keltischen Refugium Tarodunnum. In seinen acht Büchern von der Länderkunde zählt Ptolemäus (um 130 n. Chr.) unter den „Städten“ Germaniens Tarodunum auf. Lange wurde von den Gelehrten über die Lage dieser Niederlassung gestritten, bis es dem badischen Naturforscher Oken gelang, nachzuweisen, daß diese Siedlung in der Mark Zarten gelegen sein mußte. Er machte darauf aufmerksam, daß sich der Name Zarten lautgesetzlich von Tarodunum ableiten lasse, Die älteste deutsche Benennung stammt aus dem Jahre 765 und heißt Zarduna, 814 und 818 Zardunum. Später hat sich der bekannte Freiburger Geschichtsforscher Heinrich Schreiber mit Tarodunum beschäftigt. Das Hauptverdienst für die Erforschung der Anlage gebührt Geheimrat Fabricius und Professor Leonhardt, die durch größere Grabungen und Untersuchungen im Jahre 1901 feststellen konnten, daß es sich hier, wie schon der Name besagt — dunum heißt Berg — um eine keltische Anlage handelt.

Die Fläche, die eins Tarodunum einnahm, liegt zwischen dem aus dem Höllental kommenden Rotbach und dem Wagensteigbach, die sich westlich der Station Himmelreich bis auf 670 Meter nähern und dann kurz oberhalb von Zarten vereinigen. Da die Böschung nach beiden Seiten hin in einer Höhe von 12 bis 15 Meter steil abfällt, war dieses Gelände für eine Verteidigung sehr gut geeignet. Nur von einer Seite, von Osten her, konnte man leichter in diesen Raum hineingelangen; er wurde dort aus diesem Grunde durch eine besonders starke Verteidigungsanlage, die aus einer starken Mauer und einem Graben bestand, geschützt. Es ist der sogenannte Heidengraben, der sich in einer Länge von 670 Meter über die Hochebene hinzieht. Die Grabung ließ außen einen ursprünglich 12 Meter breiten und 4 Meter tiefen Spitzgraben erkennen. Innerhalb erhob sich eine Mauer von über 8 1/2 Meter Stärke; Vorder- und Hinterfront bestanden aus mächtigen Steinblöcken, die Füllung dazwischen aus gelbem Kies, in dem große Mengen von Holzkohlen und eine Anzahl etwa 20 Zentimeter langer eiserner Nägel gefunden wurden, ein Beweis für den gemischten Holz- und Steinbau. Demnach wurde ein Holzfachwerk erstellt und die Zwischenräume mit Steinen ausgefüllt. In der Mitte der Ostseite wurde an ein Tor mit aufspringenden Türmen und eine durchgehende gestückte Straße nachgewiesen, die noch im Mittelalter benützt wurde.

Auch die anderen Seiten längs der Bäche waren befestigt, hier erhob sich ein Randwall, der aus einer Mauer und einer mächtigen Schüttung aus Lehm und Kies dahinter bestand. So konnte die Mauer von den Verteidigern leicht bestiegen werden, zugleich wurde die Schüttung nach vorne gestützt. Da jedoch keine Anzeichen vorliegen, daß sich hier eine dauernde größere Siedlung befand, ist anzunehmen, daß Tarodunum eine Zufluchtsstätte war, in die sich die Bevölkerung in Notzeiten mit Hab und Gut flüchtete.

Aus der Geschichte Kirchzartens

Kirchzarten, das 1125 noch als Kilizartun, 1297 als Kilchzarten genannt wird, kam Ende des 10. Jahrhunderts an das Kloster Einsiedeln, doch behielt St. Gallen den ihm gehörigen Dinghof und den Pfarrsatz, welche Rechte es 1297 an die Johanniter in Freiburg verkaufte. Im Jahre 1320 verkauften die Johanniter die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit an den Ritter Kuno von Falkenstein, und 1450 kam das Dorf an Johann Snewlin von Landeck zu Wisneck, der fünf Jahre später vom Kloster St. Märgen auch die Vogtei erhielt und seine Rechte in Zarten an die Stadt Freiburg abtrat, die im Jahre 1462 vom genannten Kloster die Obervogtei des Klosters, den Dinghof zu Zarten, das Gut Birkenreuthe und alles Eigentum des St. Märgener Klosters im Tal erworben hatte.

Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1397 geht hervor, daß in Zarten alljährlich drei Dinggerichte abgehalten wurden; das erste „ze mitten Hornung“, das andere „ze mitten meygen“ (Mitte Mai), das dritte Gding „an den nächsten Tag nach sant Remigen Tag (im Oktober) so man dem Gotzhus zinset“.

Um das Jahr 1496 wurde die Talvogtei errichtet. Die 14 Vogteien des Tales wurden nach Kirchzarten, in dessen Schloß der Talschaffner residierte, eingepfarrt. Erst im Jahre 1818 verkaufte Freiburg seine Güter in Kirchzarten und behielt nur das große Hofgut Birkenreuthe.

Kaum ein Jahrzehnt des 15, und kaum ein Jahr des beginnenden 16. Jahrhunderts ist ohne einen Bauernaufstand. Sie sind ein Zeichen der unbefriedigenden Lage der Bauern in großen Gebieten Deutschlands besonders im Südwesten und im Süden, wo der Bundschuh in Lehen (1518) und der „arme Konrad“ in Bühl nur mit großer Mühe unterdrückt worden waren. Die Unruhen begannen wieder im Mai 1524 im Gebiet von St. Blasien, die Bewegung ebbte trotz des Anschlusses der Hegauer Bauern gegen den Winter zu wieder ab. Dann aber griff sie auf den Breisgau über und im Februar 1525 stand plötzlich das ganze schwäbische Land im Aufruhr.

Verhältnismäßig spät rückte der Bauernkrieg an Freiburg selbst heran, als die Bauern konzentrisch auf die ihnen am meisten verhaßte Stadt zuzogen. Vom Schwarzwald herunter kam der Schwarzwälder Haufe unter Hans Müller von Bulgenbach. Sein Weg führte vom Hegau aus über Hüfingen, Vöhrenbach, Triberg, St.Georgen, Furtwangen, St.Märgen nach Kirchzarten, wo sie ein zweiter Haufe, der von St.Blasien über Todtmoos herunterkam, mit jenem vereinigte. Das Hauptquartier wurde in Kirchzarten aufgeschlagen. Täglich sandten die Bauern Briefe nach Freiburg, die zur Übergabe und zum Anschluß an die Sache der Bauern aufforderten. Als aber der Freiburger Stadtrat keine Antwort mehr gab, rückten die Bauern gegen Freiburg. und besetzten den unbewachten Schloßberg. Die Lage war dadurch unhaltbar geworden, besonders, da man auch der Bürgerschaft nicht sicher war, von der ein großer Teil mit den Bauern sympathisierte. So kam es zu einem Waffenstillstand, dem am 28. Mai 1526 der Einzug der siegreichen Bauern und am Tage darauf der Abschluß einer „Christlichen Vereinigung“ folgten.

Wie Freiburg kam auch das ihm gehörende Kirchzarten von 1679 bis 1697 unter französische Oberhoheit. Neue Drangsale brachte der Durchzug Moreaus. durch das Höllental (1796). Bei dem großen Brande im Jahre 1807 blieben in Kirchzarten nur wenige Bauten erhalten, so die Kirche, die schon im Jahre 816 genannt wird. Die heutige Pfarrkirche stammt in ihren Hauptteilen aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. In der Kirche ist das Grabmal des Ritters Kuno von Falkenstein, des Erbauers der nach ihm benannten Burg im Höllental besonders bemerkenswert.

Das alte Schloß — die Talvogtei

Ihren Besitz im Dreisamtal ließ die Stadt Freiburg von der Talvogtei bei Kirchzarten aus bewirtschaften. Das „alte Schloß“, eine der größten Wasserburgen des Breisgaus, wurde im Bauernkrieg wie die anderen Burgen der Gegend von den aufrührerischen Bauern belagert und zerstört, bald aber wieder aufgebaut. Die geräumige, hufeisenförmig gebaute Burg liegt westlich von Kirchzarten in der Höhe der Bahnlinie, die am Rand des ausgefüllten Weihers vorbeiführt. Der Hof ist in der westlichen Hälfte von dreistöckigen Gebäuden umgeben; die andere Hälfte ist durch eine Mauer geschützt. Die Nordostecke ist durch einen Geschützstand ausgefüllt, an der Südostecke liegt eine kleine Scheune, die aber erst später errichtet wurde. In der durch die beiden Flügel gebildeten Ecke steht, ähnlich wie beim sogenannten Schloß in Staufen , ein Treppenturm. Er ist nach außen achteckig, die schiefen Fenster sind profiliert. Die drei Geschosse der schmucklosen Bauten mit ihren einfachen, offenbar erst später eingesetzten Fenstergewänden zeigten früher auf der Westseite keine Fensteröffnungen sondern nur (die jetzt vermauerten) Schießscharten. Auf dem geraden Sturz des Turmportals sind zwei Wappenschilde (Vorderösterreich und Freiburg) und die Jahreszahl 1621 erkenntlich.

In diesem „Schloß“ wohnte bis 1806 der Freiburger Talvogt oder Talschaffner, dem das Talamt unterstand. Er erhob den Zehnten und hielt Gericht im Namen Freiburgs.

Zu diesem Talamt gehörte außer den städtischen Besitzungen in Zarten, Kirchzarten, Wagensteig, St.Märgen und Himmelreich das Gut Birkenreuthe, das im Laufe einer langen Geschichte gar oftmals seinen Herrn wechselte. Vor seinem Überganq an Freiburg war es Besitz des bekannten Freiburger Stadtschreibers Franz Ferdinand Mayer von Fahnenberg. Das jetzige Schloß, ein einfacher rechteckiger Bau aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, ist wie die Talvogtei ebenfalls eine Wasserburg. Noch vor einigen Jahren waren die nördlichen Weiher mit Wasser gefüllt, die allmählich versumpften und zugeschüttet wurden.

Kirchzarten als Kurort

Die idyllische Lage des Dorfes, das milde Klima und die guten Unterkunftsverhältnisse ließen Kirchzarten als erfolgreichen Erholungs- und Kurort aufblühen. Es war namentlich der Kur- und Verkehrsverein, der in den vergangenen Jahren eine rührige Propaganda durchführte, die von Erfolg gekrönt war, was die von Jahr zu Jahr steigenden Übernachtungsziffern deutlich zeigen. Dazu kommt, daß Kirchzarten ein gegebenes Standquartier für viele Tal, und Höhenwanderungen ist. Von St.Peter aus läßt sich der Kandel ohne größere Anstrengung erreichen. Eine andere Straße führt über den Notschrei durch das Wiesental und zum Schauinsland. Über den Stübenwasen geht es hinauf zum Feldberg. Durch das Wagensteigtal führt eine andere Straße nach St.Märgen und zum Thurner. Die durch das wildromantische Zastler Tal führende Straße windet sich hinauf zum Rinken und dann ebenfalls zum Feldberg. Viel begangen wird auch der über den Giersberg mit seinem herrlichen Rundblick führende Pfad nach dem Hinterwaldkopf.

Mit dem Ausbau Kirchzartens als Kurort ging die Verschönerung des Ortsbildes Hand in Hand, Nicht nur die Gaststätten, Hotels und Pensionen wurden neuzeitlich eingerichtet, sondern auch die Eigentümer der Privathäuser trugen durch eine Erneuerung ihrer Häuser bei, den Kurfremden den Aufenthalt so behaglich als möglich zu machen.

Der aufstrebende Luftkurort Kirchzarten ist auch ein sehr beliebtes Ausruhplätzchen für Ruhestandsbeamte und andere Menschen geworden, die nach ihrer Arbeit Ruhe notwendig haben. So entstanden in den vergangenen Jahren eine stattliche Anzahl neuer Landhäuser; eine besondere Zierde des Dorfes bildet die in der Nähe des Bahnhofs gelegene Lindenau.

Viel zur Hebung des Fremdenverkehrs hat auch das 1934 errichtete Strandbad mit seiner großen Liegewiese beigetragen, die sich während der Sommermonate immer großen Zuspruchs erfreuen.

Da der Bahnhof immer die Visitenkarte eines Ortes ist und die räumlichen Verhältnisse keineswegs mehr den Anforderungen des gesteigerten Verkehrs entsprachen. wurde 1936/37 ein umfassender Umbau des Bahnhofsgebäudes Kirchzarten durchgeführt, das heute einen sehr netten freundlichen Eindruck macht. Die Bahnsteige wurden neu geteert, Sitzbänke angebracht, der Schalterraum wurde wesentlich erweitert, ebenso das Dienstzimmer, die bisher primitiv und eng gewesen waren und wie der ganze frühere Bau noch aus jener Zeit stammten, da es weder einen Sommer- noch einen Winterverkehr noch viel weniger einen Verkehr von Kurgästen gab, wie er heute schon fast selbstverständlich ist. Auch der Bahnhofsvorplatz wurde neu hergerichtet und kann nachts beleuchtet werden. So kann auch ein Bahnhof durch Verschönerung des Ortsbildes beitragen!

Daß Kirchzarten einen so erfreulichen Aufschwung als Kurort nahm, ist mit ein besonderes Verdienst des Kur- und Verkehrsvereins, der namentlich in den Jahren 192 bis 1935 eine intensive Propaganda in Westdeutschland entfaltete. So ist es erklärlich, daß neben den Kurgästen aus Berlin, Stuttgart, Pforzheim und andern Orten namentlich die Rheinländer immer sehr stark vertreten sind.

Wie uns Bürgermeister Zimmermann und der Geschäftsführer des Verkehrsvereins, Schillinger, mitteilten, war der Kurbetrieb auch in diesem Sommer sehr befriedigend. Die Gasthäuser und Pensionen waren immer überfüllt, so daß Privatquartiere in Anspruch genommen werden mußten, um alle Erholungsuchenden unterzubringen, unter denen sich sehr viele finden, die alle Jahre nach Kirchzarten kommen, das sie seiner landschaftlich anmutigen Lage, seines milden Klimas und seiner preiswerten Unterkunftsverhältnisse wegen ins Herz geflossen haben.
BSch