zum Inhaltsverzeichnis
Vor
Freiburgs Toren
Ein Streifzug durchs
Dreisamtal
Freiburger Zeitung Sonntag 3. Mai 1936
Badische Chronik der Freiburger Zeitung
Wer schon einmal vom Waldrand oberhalb Littenweiler oder vom
Turm auf dem Roßkopf seine Blicke nach dem Dreisamtal hat
schweifen lassen, wird vielleicht die Wahrnehmung gemacht
haben, daß es seiner Gestaltung nach mit einer Handfläche zu
vergleichen ist, die sich in der vier Kilometer breiten
Talebene bei Kirchzarten ausbreitet. Ihr Unterarm wird durch
den engen Talausgang zwischen Ebnet und der Stadt Freiburg
gebildet, während die fünf Finger die fünf Nebentäler sind,
die sich nach Norden, Osten und Süden in das Bergland
erstrecken.
Seinen Namen hat das von einer mächtigen Gebirgskette
eingeschlossene, mit idyllisch daliegenden Ortschaften, mit
grünen Auen und fruchtbaren Äckern besäte Tal von der Dreisam,
dem Hauptwasserlauf, der es durchzieht. Ihr Ursprung ist
droben in einem kleinen Weiher beim Wilmenhof westlich vom
Hohlen Graben nahe dem ehemaligen Ort Berghaupten. "Das
wasser, das entspringet zu Berghaupten, heißet Treisam", heißt
es im Dingrodel von Zarten des Jahres 1397, und in dem Rotulus
Sanpetrinus, einer Beschreibung des Klostergutes von St.Peter
aus dem 13. Jahrhundert, wird bereits in jener Gegend die
Örtlichkeit Treisimesprine (sprine = Quelle, Ursprung)
genannt. Der Name Dreisam ist keltischen Ursprungs und wird
abgeleitet vom keltischen Wort Trag = laufen, bedeutet also
die schnell laufende Tragisa, Trigsiuna, Dreisam.
Nun geht allerdings auch heute noch vielfach die Ansicht
dahin, daß erst durch den Zusammenfluß des Wagensteigbachs,
des Ibachs und des Rot- oder Höllbachs die Dreisam, die
"Drüzsemma" gebildet wurde. Auf dieser Auffassung beruht auch
die Darstellung der Brunnengruppe oberhalb des Teiches
gegenüber beim Alleegarten gegenüber der Universität. Von den
Knabengestalten bedeutet die mit dem Zahnrad in der Hand und
dem Hammer im Gürtel den Rot- oder Höllbach mit seinen
ehemaligen Eisenwerken, der Fischer mit dem Kästchen den
Wagensteigbach, der Hirte im Lammfell den Ibenbach.
So schön dies auch gedacht ist, in Wirklichkeit war, wie oben
dargelegt, der Wagensteigbach, an seiner Quelle Erlenbach
genannt, schon vor mehr als zweitausend Jahren die alte
"Treisem"
Machen wir nun einen Streifzug durch das Dreisamtal, so
gelangen man zunächst nach
Ebnet
(Ebenote, "in der Ebene") am Fuß des Roßkopfs, geschützt vor
rauhen Nordwinden und überragt von prächtigen Weinbergen,
sonnig gelegen, beim Zusammenfluß des Eschbaches mit der
Dreisam. Das Dorf ist schon 825 Jahre alt, wird 1111 erstmals
erwähnt und gehörte im Mittelalter den Herren Snewlin von
Landeck, ging 1568 durch Heirat der einzigen Erbin Anna von
Landeck in den Besitz der Freiherren von Sickingen über, die
nach der Zerstörung der Burg im Sommer im Schlosse zu Ebnet,
im Winter in dem von ihnen in der Salzstraße auf der Stelle
der alten Häuser zum "Majenthau" und zum "Wolkenbruch"
erbauten Palais, heute Großherzogliches Palais, wohnten. Als
im Jahre 1806 das Geschlecht der Sickinger seine Hoheitsrechte
verlor, erwarb die badische Regierung sowohl das Schloß in
Freiburg wie auch jenes in Ebnet, verkauften dieses jedoch
1811 an die Freiherren von Gayling, die heute noch Besitzer
desselben sind. Es liegt inmitten eines schönen Parks und
enthält wertvolle Skulpturen des berühmten Freiburger
Bildhauers Christian Wenzinger. Im Jahre 1874 wurde Ebnet von
einem großen Brand heimgesucht, dem viele Bauernhäuser zum
Opfer fielen. Interessant ist "das stainin Burgklein zu
Ebnet", das schon 1512 erwähnt wird, für den heutigen starken
Autoverkehr aber eine gefährliche Stelle. Malerisch erhebt
sich die stattliche Kirche am Bergabhang und überragt das
ganze Dorf; seit 1681 bildet Ebnet eine eigene Pfarrei,
während es vorher eine Filiale von Kirchzarten war und nur
eine dem hl. Hilarius und Remigius geweihte Kapelle besaß. Bis
zum Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts genoß
das alte Keltendorf einen gewissen Ruf durch die naturwüchsige
Grobheit seines "Schenkelewirtes" Gipfel, der zu sagen
pflegte: "Suffet Wi bigott !" wenn einer Bier trinken wollte.
Weiter nach Osten, am Fuße des Flaunser, liegt das weit
zerstreute Dorf
Wittental
wozu noch der Weiler Attental gehört; in seiner Nähe stehen
auf einer Anhöhe
noch Reste der einstigen Burg Falkenbühl.
Am Ausgang des Eschbachtals ( im 12. Jahrhundert Apschebach
genannt) in der Dreisamebene liegt die Gemeinde Stegen mit den
Nebenorten Oberbirken, Unterbirken, Rechtenbach, Reckenbach
und dem Zinken Weiler, der den ältesten Teil des Dorfes
bildet. In diesem finden wir auch das große Schloß der Grafen
von Kageneck, die schon früh im Breisgau reich begütert waren,
mit älteren und neueren Gebäuden, einer Kapelle und einem
Park. Im eigentlichen Eschbachtal liegt nur das Dorf Eschbach
mit den Zinken Hintereschbach und Steurental, das früher zum
Kloster St.Peter gehörte und von diesem 1788 die jetzige
Kirche gebaut bekam. Der Eschbach erhält seine Wasser aus
kleinen Seen und Sümpfen, die sich auf der hügeligen
Hochfläche von St.Peter befinden.
Vom Eschbachtal getrennt durch den Lindenberg und seinen
südlichen Ausläufern mit der Ruine Brandenburg wird das
landschaftlich interessante Ibental, in dem weit zerstreut
bald im Talgrund, bald an Berglehnen liegende Bauernhöfe die
Gemeinde Unteribental und den zu St.Peter gehörenden Zinken
Oberibental bilden. Schon 1118 wird das Dorf Ibental in
Urkunden als Iwa (gleich Eibe) erwähnt. Am Südhang des
Kapfenberges entspringt der Ibenbach, durchfließt die
Hochfläche zwischen St.Peter und St.Märgen, fällt stark ins
eigentliche Ibental herab und vereinigt sich oberhalb Burg mit
dem Wagensteigbach.
Burg ist eine zerstreute Landgemeinde und wird schon 1318
erwähnt. Zu ihr gehören Brand und Höfen, der Rainhof,
Birkenhof und Erlenhof, die Station Himmelreich und die untere
Blechschmiede am Ausgang des Höllentals. Allerliebst ist der
Ausblick von der am Südhang des Kappenecks gelegenen Ruine
Wiesneck über die Obstbäume besäte Gemarkung.
Wer die
Burg Wiesneck
erbaut hat, ist unbekannt, vielleicht, ja sogar wahrscheinlich
stand schon zur Zeit der Römer ein Wartturm zum Schutz der von
ihnen erbauten Baarstraße durch die Wagensteige. Ihr richtiger
Name ist wohl Wieseneck, den sie von der Lage des in das
Wiesengelände hineinreichenden Bergrückens hat. Zum ersten mal
wird sie 1096 in einer Chronik genannt und war im Besitz der
fränkischen Grafen von Hohenberg, denen auch die Wagensteige
und die Gegend von St.Märgen gehörte. Im Jahre 1298 wurde
"Burg und Herrschaft Wiesneck" für 16800 Gulden an das reiche
Freiburger Patriziergeschlecht Derer von Turner, deren
Edelsitz auf dem Turner beim "Hohlen Graben" sich befand,
verkauft. Aber nur 25 Jahre war sie im Besitz der Turner, dann
ging "Herrschaft Wiesneck mit Schirmvogtei über St.Märgen" an
die Ritter von Schnewelin über, 1372 an die Edlen von
Blumeneck, unter deren Gewaltherrschaft sowohl die Bauern als
auch das Kloster St.Märgen schwer zu leiden hatten. 1451
kauften die Schnewelin das Schloß wiesneck zurück, 1498 erwarb
es Erzherzog Sigismund, der David von Landeck damit belehnte.
Schlimm ging es der Burg im Bauernkrieg. Die Villinger Chronik
schreibt darüber: "Am Freitag, 12. Mai 1525, verließen die
Bauern das Kloster St.Georgen und zogen gen Furtwangen. Auf
diesen Tag kamen sie gen St.Peter, gen Kirchzarten und Ebnet,
nahmens ein und ließen sie schwören. Sofort warfen sich einige
Haufen dem Junker David von Landeck vor sein Schloß Wiesneck,
stürmtens, nahmens, plündertens und verbranntens auf Sonntag
den 14. Mai". Die Burg wurde zwar aufgebaut und ging 1568 an
die Freiherren von Sickingen über, aber ihre Bedeutung hatte
sie verloren und wurde im Dreißigjährigen Krieg in Trümmern
gelegt. Was die Franzosen nicht zerstörten, das vollendeten
die Bewohner der Umgebung. Nur eine Wand zeugt heute noch von
ihrem ehemaligen Bestand.
Östlich der Ruine Wiesneck, zu ihren Füßen, liegt am Ausgang
des Wagensteigtales das Dorf
Buchenbach
das zur "Herrschaft Wiesneck" gehörte und die Schicksale mit
ihr teilte. Seit 1796 hat es eine eigene Pfarrei. Hier zog
vielleicht schon von den Kelten, bestimmt aber durch die Römer
erbaute schmale Heerstraße von Breisach nach dem Schwarzwald
vorbei, das enge Wagensteigtal hinauf, benannt nach dem schon
1125 bestandenen Dorf Waginstadt, Steige, Wagensteig. Da
zwischen Freiburg und Villingen im ganzen Mittelalter ein
reger Handelsverkehr herrschte, wurde 1357 beschlossen, daß
beide Städte die alte Römerstraße neu herstellen und
unterhalten lassen. Allerdings war es nur eine schmale Straße,
so daß zwei Pferde nicht nebeneinander, sondern hintereinander
gingen. An der engsten Stelle im oberen Tal, Letze oder
Gefälle genannt, waren Schanzen und ein mächtiges Tor
errichtet, um die höher gelegenen Schwarzwaldgemeinden vor
plünderndem Kriegsvolk zu schützen. Heute führt eine
vorzügliche Straße durch das von hohen Bergwänden eingefaßte
Tal, das noch reich an Sägmühlen und alten prächtigen
Schwarzwaldhäusern ist, in vielen Windungen hinauf nach
St.Märgen, nicht mehr nach dem Thurner; die Straße zeigt
mehrfach die an hervorragender Stelle stehenden Ohmenkapelle.
Auf unserem Streifzug durch das Dreisamtal werfen wir nun
einen kurzen Blick ins "Himmelreich" und das hier beginnende
allbekannte Höllental, erwähnen aber, daß der Höllenbach oder
Rotbach, der in dem dunklen Mathisleweiher in der Nähe des
Feldbergs entspringt, seinen Lauf durch das malerische
Löffeltal mit seinen Mühlen und Sägen an Höllsteig vorbei, wo
sich der Ravennabach mit ihm vereinigt, nimmt und unterhalb
Himmelreich das freundliche Dreisamtal erreicht, wo er sich
zwischen den Ortschaften Burg und Zarten mit dem
Wagensteigbach trifft.
Zarten
liegt in der Mitte der "Handfläche", um in dem eingangs
erwähnten Bilde des in dieser Gegend am weitesten sich
ausdehnenden Dreisamtales zu bleiben, und leitet seinen Namen
von der von Kelten vor 2000 Jahren gegründeten, mit Wall,
Graben, Mauer und Pfahlhag wohlbefestigten , aber längst
verschwundenen Stadt Tarodunum ( Zardunum, Zarduna) her;
gleichen Namensursprung haben auch Kirchzarten und
Hinterzarten. Das Tal zwischen Zarten, Kirchzarten,
Himmelreich, Ebnet und Littenweiler bildet von jeher ihrer
günstigen Lage wegen den Mittelpunkt des ganzen Dreisamtales;
der fruchtbare Ackerboden, die von zahlreichen Wasserläufen
bewässerten Wiesen und die herrlichen Wälder an den Berghängen
waren Grund genug, daß sich schon frühe Ansiedler hier
niederließen. Mönche aus Irland und Schottland brachten das
Christentum in diese Gegend, Kapellen und Kirchen entstanden,
und schon im Jahre 616 wird in einer Urkunde des Klosters
St.Gallen die dem hl. Gallus geweihte Kirche in
Kirchzarten
erwähnt. Erst in jüngster Zeit wurde sie äußerlich und
innerlich mit einem großen Kostenaufwand renoviert und bildet
eine nicht nur für den namentlich seit Erbauung der
Höllentalbahn aufstrebenden Ort Kirchzarten, sondern auch für
das Dreisamtal, in dem sie die älteste ist. Der untere Teil
des Turmes zeigt den romanischen Baustil. im übrigen stammt
die jetzige Pfarrkirche aus den Jahren 1508 bis 1510.
Lange Zeit bildete Kirchzarten nicht nur den kirchlichen
Mittelpunkt für alle Dörfer und Höfe von Ebnet und Kappel bis
hinauf nach Hinterzarten mit allen dazwischenliegenden
Seitentälern, sondern auch den weltlichen. Die Stadt Freiburg
hatte Ende des 15. Jahrhunderts viele Dörfer und Ländereien im
oberen Dreisamtal erworben und 1496 in Kirchzarten eine
Landvogtei errichtet. Der Vogt oder Talschaffner hielt an
bestimmten Tagen "Ding" oder Gericht ab und erhob auch die
Steuern und Abgaben. Während des Dreißigjährigen Krieges und
in den nachfolgenden Franzosenkriegen hatten die Talgemeinden
schwer zu leiden und standen auch zwanzig Jahre unter
französischer Herrschaft. Im Jahre 1805 hörten die
Obrigkeitsrechte der Stadt auf, und die Gemeinden der
einstigen Talvogtei kamen, wie auch Freiburg, an Baden. Nur
der 1740 von der Stadtverwaltung gekaufte Birkenreutehof
zwischen Kirchzarten und Oberried verblieben bis heute in dem
Besitz derselben. Im Jahre 1807, am 27.März (Karfreitag),
wurde Kirchzarten von einer großen Freuersbrunst heimgesucht,
der viele von den alten, aus Holz gebauten und mit Stroh und
Schindeln gedeckten Häuser zum Opfer fielen. In den letzten
Jahren hat sich Kirchzarten immer mehr zu einer
Sommerfrischestation entwickelt, zahlreich neue Häuser sind
entstanden, ein gar prächtiges Strandbad hat sich aufgetan,
und so ist es heute , nicht zuletzt auch seiner gesunden Lage
wegen, mehr denn je als Mittelpunkt des oberen Dreisamtales
und Ausgangspunkt zahlreicher Touristenwege und mehrerer
Autoverkehrsstraßen zu einem gern besuchten Aufenthaltsort
geworden, wozu auch die nahen Waldungen das ihre beitragen.
Östlich von Kirchzarten erhebt sich der Giers- oder Geiersberg
(Kilchberg) als Vorhügel des Hinterwaldkopfes mit der 1710
erbauten Wallfahrtskapelle, in südlicher Richtung erstreckt
sich das Oberriedertal, das durch die Flußgebiete der Brugga
und des Krummenbaches gebildet wird, bis hinauf zum Notschrei
in einer Höhe von 1121 Metern, auf der Wasserscheide zwischen
Dreisam und Wiese. Links und rechts schneiden fünf Täler ein,
das Weilersbach-, Zastler-, St.Wilhelm-, Hofsgrunder und
Dietenbachtal. Schon im Jahre 765 waren diese Täler im Besitz
des Benediktinerklosters St.Gallen. Das größte Dorf ist
Oberried
nach dem das Tal auch seinen Namen hat, mit Kirch und Gebäuden
eines früheren Klosters, das 1806 aufgehoben wurde. Zu dem
früheren Priorat Oberried gehörte auch das Dorf Neuhäuser,
1298 unter dem Namen Nüwa Hüsirne und 1319 als Nüwenhüsern
bekannt, und
Kappel.
Die erste geschichtlich bekannten Herren von Kappel waren die
Grafen von Rötteln, was auch auf folgender Verkaufsurkunde
hervorgeht: "Wir Luitold und Otto, Herren von Rötteln, haben
gegeben alles Gut das Herr Walter von Falkenstein von uns zu
Lehen hatte zu Kappel, welches unser eigen war mit Zwing und
Bann, mit Wasser und Fischrecht, mit Wein, Weide, Holz und
Feld, mit Kirchensatz und Leuten, mit Gütern, Eigenschaften
und allen Rechten, geschrieben und ungeschrieben, Unserer
Lieben Frau, der hl. Maria, dem Orden des Spitals zu Jerusalem
des deutschen Hauses für Eigen." Den Grafen von Rötteln folgte
also im Besitz der deutsche Ritterorden, 1311 die Schnewelins,
1480 die Wilhelmiten des Klosters Oberried. 1806 fiel auch
Kappel an Baden.
In alter Zeit hieß das Dorf Capella oder zu Kapelle, heute
heißt es zum Unterschied von gleichlautenden Orten "Kappel im
Tal" und besteht aus dem eigentlichen Dorf an der Bereinigung
des großen und kleinenKappeler Tales, aus den Höfen von Groß-
und Kleinkappel, dem Zinken Schauinsland mit dem wieder in
Betrieb gesetzten Erzbergwerk und dem Zinken Untertal, in dem
sich auch die Haltestelle der Höllentalbahn befindet. Das
Großkappeler Tal wird vom Reichenbach durchflossen, der beim
Dorf Kappel den das kleine Kappeler Tal bewässernde Interbach
aufnimmt. In diesem Tal liegt auch das nach alter Chronik von
1588 viel besuchte Kybad, das, von den Franzosen 1704
niedergebrannt, nie wieder vollständig aufgebaut wurde.
In Littenweiler, dem schon im elften Jahrhundert "Lütenwile"
genannten Dorfe, seit 1914 der Stadtgemeinde Freiburg
eingemeindet und seitdem in ständigem Aufschwung begriffen,
beenden wir unseren Streifzug durchs Dreisamtal und blicken
noch einmal hinüber nach Ebnet und den Gefilden des gesegneten
Tales der Dreisam; das von einem Kranz hoher Berge
eingeschlossen ist.
-----------------------------------
Eine Fahrt ins Kirchzartener Tal
Freiburger Zeitung Samstag/Sonntag 6./7. November 1937
Badische Chronik der Freiburger Zeitung
Zu einem der schönsten Ausflüge in die nähere Umgebung der
Schwarzwaldhauptstadt Freiburg gehört eine Fahrt ins
Kirchzartener Tal, die sich mit dem Besuch eines der
bedeutendsten und wichtigsten Denkmäler aus der Vorgeschichte
unserer Heimat, der keltischen Volksburg Tarodunum verbinden
läßt.
Der Ausgangpunkt unserer Wanderung ist Littenweiler, das vor
der Eingemeindung nach Freiburg (1. Januar 1914) eine Filiale
von Kappel war. Nachdem das Dorf vorher Eigentum der Herren
von Snewlin gewesen, wurde es 1520 von Hans Erhard von
Neuenfels an den Deutschorden in Freiburg verkauft, Bei dem
berüchtigten Zug des französischen Marschalls Tallard durch
das Kappeler und Dreisamtal im Jahre 1704 wurde das Dorf in
einen Trümmerhaufen verwandelt. Nur langsam erhoben sich die
Gebäude aus Schutt und Asche wieder. Über dem Dorf erhebt sich
die nach einer einstmals dort gestandenen Kapelle genannte
Anhöhe von St. Barbara, von der aus sich ein prachtvoller
Blick über das Dreisamtal bis zu den Höhen von St. Peter und
St. Märgen bietet.
Die Volksburg Tarodunum
An der sogenannten Bruckmühle vorbei gelangen wir nach
Kirchzarten, dem Hauptort jener alten Mark Zarten (Marcha
Zardunum), die einstmals den ganzen Bezirk von Ebnet bis an
die fürstlich fürstenbergische Landgrafschaft Baar umfaßte.
Seinen Ursprung verdankt das Dorf Zarten dem keltischen
Refugium Tarodunnum. In seinen acht Büchern von der
Länderkunde zählt Ptolemäus (um 130 n. Chr.) unter den
„Städten“ Germaniens Tarodunum auf. Lange wurde von den
Gelehrten über die Lage dieser Niederlassung gestritten, bis
es dem badischen Naturforscher Oken gelang, nachzuweisen, daß
diese Siedlung in der Mark Zarten gelegen sein mußte. Er
machte darauf aufmerksam, daß sich der Name Zarten
lautgesetzlich von Tarodunum ableiten lasse, Die älteste
deutsche Benennung stammt aus dem Jahre 765 und heißt Zarduna,
814 und 818 Zardunum. Später hat sich der bekannte Freiburger
Geschichtsforscher Heinrich Schreiber mit Tarodunum
beschäftigt. Das Hauptverdienst für die Erforschung der Anlage
gebührt Geheimrat Fabricius und Professor Leonhardt, die durch
größere Grabungen und Untersuchungen im Jahre 1901 feststellen
konnten, daß es sich hier, wie schon der Name besagt — dunum
heißt Berg — um eine keltische Anlage handelt.
Die Fläche, die eins Tarodunum einnahm, liegt zwischen dem aus
dem Höllental kommenden Rotbach und dem Wagensteigbach, die
sich westlich der Station Himmelreich bis auf 670 Meter nähern
und dann kurz oberhalb von Zarten vereinigen. Da die Böschung
nach beiden Seiten hin in einer Höhe von 12 bis 15 Meter steil
abfällt, war dieses Gelände für eine Verteidigung sehr gut
geeignet. Nur von einer Seite, von Osten her, konnte man
leichter in diesen Raum hineingelangen; er wurde dort aus
diesem Grunde durch eine besonders starke Verteidigungsanlage,
die aus einer starken Mauer und einem Graben bestand,
geschützt. Es ist der sogenannte Heidengraben, der sich in
einer Länge von 670 Meter über die Hochebene hinzieht. Die
Grabung ließ außen einen ursprünglich 12 Meter breiten und 4
Meter tiefen Spitzgraben erkennen. Innerhalb erhob sich eine
Mauer von über 8 1/2 Meter Stärke; Vorder- und Hinterfront
bestanden aus mächtigen Steinblöcken, die Füllung dazwischen
aus gelbem Kies, in dem große Mengen von Holzkohlen und eine
Anzahl etwa 20 Zentimeter langer eiserner Nägel gefunden
wurden, ein Beweis für den gemischten Holz- und Steinbau.
Demnach wurde ein Holzfachwerk erstellt und die Zwischenräume
mit Steinen ausgefüllt. In der Mitte der Ostseite wurde an ein
Tor mit aufspringenden Türmen und eine durchgehende gestückte
Straße nachgewiesen, die noch im Mittelalter benützt wurde.
Auch die anderen Seiten längs der Bäche waren befestigt, hier
erhob sich ein Randwall, der aus einer Mauer und einer
mächtigen Schüttung aus Lehm und Kies dahinter bestand. So
konnte die Mauer von den Verteidigern leicht bestiegen werden,
zugleich wurde die Schüttung nach vorne gestützt. Da jedoch
keine Anzeichen vorliegen, daß sich hier eine dauernde größere
Siedlung befand, ist anzunehmen, daß Tarodunum eine
Zufluchtsstätte war, in die sich die Bevölkerung in Notzeiten
mit Hab und Gut flüchtete.
Aus der Geschichte Kirchzartens
Kirchzarten, das 1125 noch als Kilizartun, 1297 als
Kilchzarten genannt wird, kam Ende des 10. Jahrhunderts an das
Kloster Einsiedeln, doch behielt St. Gallen den ihm gehörigen
Dinghof und den Pfarrsatz, welche Rechte es 1297 an die
Johanniter in Freiburg verkaufte. Im Jahre 1320 verkauften die
Johanniter die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit an den
Ritter Kuno von Falkenstein, und 1450 kam das Dorf an Johann
Snewlin von Landeck zu Wisneck, der fünf Jahre später vom
Kloster St. Märgen auch die Vogtei erhielt und seine Rechte in
Zarten an die Stadt Freiburg abtrat, die im Jahre 1462 vom
genannten Kloster die Obervogtei des Klosters, den Dinghof zu
Zarten, das Gut Birkenreuthe und alles Eigentum des St.
Märgener Klosters im Tal erworben hatte.
Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1397 geht hervor, daß in
Zarten alljährlich drei Dinggerichte abgehalten wurden; das
erste „ze mitten Hornung“, das andere „ze mitten meygen“
(Mitte Mai), das dritte Gding „an den nächsten Tag nach sant
Remigen Tag (im Oktober) so man dem Gotzhus zinset“.
Um das Jahr 1496 wurde die Talvogtei errichtet. Die 14
Vogteien des Tales wurden nach Kirchzarten, in dessen Schloß
der Talschaffner residierte, eingepfarrt. Erst im Jahre 1818
verkaufte Freiburg seine Güter in Kirchzarten und behielt nur
das große Hofgut Birkenreuthe.
Kaum ein Jahrzehnt des 15, und kaum ein Jahr des beginnenden
16. Jahrhunderts ist ohne einen Bauernaufstand. Sie sind ein
Zeichen der unbefriedigenden Lage der Bauern in großen
Gebieten Deutschlands besonders im Südwesten und im Süden, wo
der Bundschuh in Lehen (1518) und der „arme Konrad“ in Bühl
nur mit großer Mühe unterdrückt worden waren. Die Unruhen
begannen wieder im Mai 1524 im Gebiet von St. Blasien, die
Bewegung ebbte trotz des Anschlusses der Hegauer Bauern gegen
den Winter zu wieder ab. Dann aber griff sie auf den Breisgau
über und im Februar 1525 stand plötzlich das ganze schwäbische
Land im Aufruhr.
Verhältnismäßig spät rückte der Bauernkrieg an Freiburg selbst
heran, als die Bauern konzentrisch auf die ihnen am meisten
verhaßte Stadt zuzogen. Vom Schwarzwald herunter kam der
Schwarzwälder Haufe unter Hans Müller von Bulgenbach. Sein Weg
führte vom Hegau aus über Hüfingen, Vöhrenbach, Triberg,
St.Georgen, Furtwangen, St.Märgen nach Kirchzarten, wo sie ein
zweiter Haufe, der von St.Blasien über Todtmoos herunterkam,
mit jenem vereinigte. Das Hauptquartier wurde in Kirchzarten
aufgeschlagen. Täglich sandten die Bauern Briefe nach
Freiburg, die zur Übergabe und zum Anschluß an die Sache der
Bauern aufforderten. Als aber der Freiburger Stadtrat keine
Antwort mehr gab, rückten die Bauern gegen Freiburg. und
besetzten den unbewachten Schloßberg. Die Lage war dadurch
unhaltbar geworden, besonders, da man auch der Bürgerschaft
nicht sicher war, von der ein großer Teil mit den Bauern
sympathisierte. So kam es zu einem Waffenstillstand, dem am
28. Mai 1526 der Einzug der siegreichen Bauern und am Tage
darauf der Abschluß einer „Christlichen Vereinigung“ folgten.
Wie Freiburg kam auch das ihm gehörende Kirchzarten von 1679
bis 1697 unter französische Oberhoheit. Neue Drangsale brachte
der Durchzug Moreaus. durch das Höllental (1796). Bei dem
großen Brande im Jahre 1807 blieben in Kirchzarten nur wenige
Bauten erhalten, so die Kirche, die schon im Jahre 816 genannt
wird. Die heutige Pfarrkirche stammt in ihren Hauptteilen aus
dem Anfang des 16. Jahrhunderts. In der Kirche ist das Grabmal
des Ritters Kuno von Falkenstein, des Erbauers der nach ihm
benannten Burg im Höllental besonders bemerkenswert.
Das alte Schloß — die Talvogtei
Ihren Besitz im Dreisamtal ließ die Stadt Freiburg von der
Talvogtei bei Kirchzarten aus bewirtschaften. Das „alte
Schloß“, eine der größten Wasserburgen des Breisgaus, wurde im
Bauernkrieg wie die anderen Burgen der Gegend von den
aufrührerischen Bauern belagert und zerstört, bald aber wieder
aufgebaut. Die geräumige, hufeisenförmig gebaute Burg liegt
westlich von Kirchzarten in der Höhe der Bahnlinie, die am
Rand des ausgefüllten Weihers vorbeiführt. Der Hof ist in der
westlichen Hälfte von dreistöckigen Gebäuden umgeben; die
andere Hälfte ist durch eine Mauer geschützt. Die Nordostecke
ist durch einen Geschützstand ausgefüllt, an der Südostecke
liegt eine kleine Scheune, die aber erst später errichtet
wurde. In der durch die beiden Flügel gebildeten Ecke steht,
ähnlich wie beim sogenannten Schloß in Staufen , ein
Treppenturm. Er ist nach außen achteckig, die schiefen Fenster
sind profiliert. Die drei Geschosse der schmucklosen Bauten
mit ihren einfachen, offenbar erst später eingesetzten
Fenstergewänden zeigten früher auf der Westseite keine
Fensteröffnungen sondern nur (die jetzt vermauerten)
Schießscharten. Auf dem geraden Sturz des Turmportals sind
zwei Wappenschilde (Vorderösterreich und Freiburg) und die
Jahreszahl 1621 erkenntlich.
In diesem „Schloß“ wohnte bis 1806 der Freiburger Talvogt oder
Talschaffner, dem das Talamt unterstand. Er erhob den Zehnten
und hielt Gericht im Namen Freiburgs.
Zu diesem Talamt gehörte außer den städtischen Besitzungen in
Zarten, Kirchzarten, Wagensteig, St.Märgen und Himmelreich das
Gut Birkenreuthe, das im Laufe einer langen Geschichte gar
oftmals seinen Herrn wechselte. Vor seinem Überganq an
Freiburg war es Besitz des bekannten Freiburger
Stadtschreibers Franz Ferdinand Mayer von Fahnenberg. Das
jetzige Schloß, ein einfacher rechteckiger Bau aus dem Anfang
des 18. Jahrhunderts, ist wie die Talvogtei ebenfalls eine
Wasserburg. Noch vor einigen Jahren waren die nördlichen
Weiher mit Wasser gefüllt, die allmählich versumpften und
zugeschüttet wurden.
Kirchzarten als Kurort
Die idyllische Lage des Dorfes, das milde Klima und die guten
Unterkunftsverhältnisse ließen Kirchzarten als erfolgreichen
Erholungs- und Kurort aufblühen. Es war namentlich der Kur-
und Verkehrsverein, der in den vergangenen Jahren eine rührige
Propaganda durchführte, die von Erfolg gekrönt war, was die
von Jahr zu Jahr steigenden Übernachtungsziffern deutlich
zeigen. Dazu kommt, daß Kirchzarten ein gegebenes
Standquartier für viele Tal, und Höhenwanderungen ist. Von
St.Peter aus läßt sich der Kandel ohne größere Anstrengung
erreichen. Eine andere Straße führt über den Notschrei durch
das Wiesental und zum Schauinsland. Über den Stübenwasen geht
es hinauf zum Feldberg. Durch das Wagensteigtal führt eine
andere Straße nach St.Märgen und zum Thurner. Die durch das
wildromantische Zastler Tal führende Straße windet sich hinauf
zum Rinken und dann ebenfalls zum Feldberg. Viel begangen wird
auch der über den Giersberg mit seinem herrlichen Rundblick
führende Pfad nach dem Hinterwaldkopf.
Mit dem Ausbau Kirchzartens als Kurort ging die Verschönerung
des Ortsbildes Hand in Hand, Nicht nur die Gaststätten, Hotels
und Pensionen wurden neuzeitlich eingerichtet, sondern auch
die Eigentümer der Privathäuser trugen durch eine Erneuerung
ihrer Häuser bei, den Kurfremden den Aufenthalt so behaglich
als möglich zu machen.
Der aufstrebende Luftkurort Kirchzarten ist auch ein sehr
beliebtes Ausruhplätzchen für Ruhestandsbeamte und andere
Menschen geworden, die nach ihrer Arbeit Ruhe notwendig haben.
So entstanden in den vergangenen Jahren eine stattliche Anzahl
neuer Landhäuser; eine besondere Zierde des Dorfes bildet die
in der Nähe des Bahnhofs gelegene Lindenau.
Viel zur Hebung des Fremdenverkehrs hat auch das 1934
errichtete Strandbad mit seiner großen Liegewiese beigetragen,
die sich während der Sommermonate immer großen Zuspruchs
erfreuen.
Da der Bahnhof immer die Visitenkarte eines Ortes ist und die
räumlichen Verhältnisse keineswegs mehr den Anforderungen des
gesteigerten Verkehrs entsprachen. wurde 1936/37 ein
umfassender Umbau des Bahnhofsgebäudes Kirchzarten
durchgeführt, das heute einen sehr netten freundlichen
Eindruck macht. Die Bahnsteige wurden neu geteert, Sitzbänke
angebracht, der Schalterraum wurde wesentlich erweitert,
ebenso das Dienstzimmer, die bisher primitiv und eng gewesen
waren und wie der ganze frühere Bau noch aus jener Zeit
stammten, da es weder einen Sommer- noch einen Winterverkehr
noch viel weniger einen Verkehr von Kurgästen gab, wie er
heute schon fast selbstverständlich ist. Auch der
Bahnhofsvorplatz wurde neu hergerichtet und kann nachts
beleuchtet werden. So kann auch ein Bahnhof durch
Verschönerung des Ortsbildes beitragen!
Daß Kirchzarten einen so erfreulichen Aufschwung als Kurort
nahm, ist mit ein besonderes Verdienst des Kur- und
Verkehrsvereins, der namentlich in den Jahren 192 bis 1935
eine intensive Propaganda in Westdeutschland entfaltete. So
ist es erklärlich, daß neben den Kurgästen aus Berlin,
Stuttgart, Pforzheim und andern Orten namentlich die
Rheinländer immer sehr stark vertreten sind.
Wie uns Bürgermeister Zimmermann und der Geschäftsführer des
Verkehrsvereins, Schillinger, mitteilten, war der Kurbetrieb
auch in diesem Sommer sehr befriedigend. Die Gasthäuser und
Pensionen waren immer überfüllt, so daß Privatquartiere in
Anspruch genommen werden mußten, um alle Erholungsuchenden
unterzubringen, unter denen sich sehr viele finden, die alle
Jahre nach Kirchzarten kommen, das sie seiner landschaftlich
anmutigen Lage, seines milden Klimas und seiner preiswerten
Unterkunftsverhältnisse wegen ins Herz geflossen haben.
BSch