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Talvogtei Kirchzarten
aus:
Heiko Wagner
Burgenführer Oberrhein
66 Burgen von Basel bis Karlsruhe
Herausgegeben von Joachim Zeune
THEISS Verlag 2003

Am westlichen Ortsrand von Kirchzarten ragt aus der Niederung die aufgrund ihres auffälligen roten Anstriches kaum übersehbare T. auf. Im Jahre 1297 ist der Verkauf eines Dinghofes an die Johanniter überliefert. Es ist unklar, ob er an der Stelle der Talvogtei, oder in deren Nähe stand. In Betracht käme u.a. der Platz der Zehntscheune.

Das in der Kirche von Kirchzarten aufbewahre, fein gearbeitete Epitaph des Kuno von Falkenstein (ges. 1343) lässt vermuten, er habe auf der Talvogtei gesessen. Dies ist spekulativ, denn die Kirche diente früher einem größeren Gebiet als durchaus promienter Bestattungsort.

Die Herrschaft ging über verschiedene Falkensteiner 1395 an Hans von Tigesheim, der vermutlich mit dem Bau der Burg begann. Danach wurde die Ortsherrschaft meist unter verschiedene Blumenecker und Schnewlin aufgeteilt.

Die erste direkte Burgnennung fällt erst in das Jahr 1437.

Um 1492 und 1496 erfolgte der Verkauf Kirchzartens an die Stadt Freiburg. Ab etwa 1497 wurden die ausgedehnten Gebiete der Stadt Freiburg im Dreisamtal durch die Kirchzartener „Talvogtei" verwaltet. Nachdem die Verwaltungsgebäude 1502-1716 als „Schloss“ bezeichnet wurden, übertrug man erst ab 1785 den Verwaltungsbegriff „Talvogtei" auf das Gebäude selbst. Im Bauernkrieg 1525 blieb die Burg von Zerstörungen verschont. Im Jahre 1540 wurde eine Laube an der Südseite des Nordflügels errichtet, jedoch schon 1620/21 wieder abgerissen. Im 18. Jh. erwähnen die Akten Bauarbeiten wie 1796 den Umbau des Tores und Pflasterarbeiten im Hof.

Der Verwaltungsbezirk T. bestand bis 1808 und wurde beim Anfall des Breisgaus an das Großherzogtum Baden aufgelöst, das Gebäude 1918 an zwei Bauern verkauft. Aus dem Jahre 1818 stammen zwei interessante Federzeichnungen von F. Lederle. Das Anwesen wurde als Landwirtschaft und Werkstatt mindergenutzt, wodurch sich der Zustand der Bausubstanz kontinuierlich verschlechterte. Im Jahre 1952 stürzte der Süd ein und wurde in zwei Etappen wieder aufgebaut. Im Jahre 1981 erwarb die Gemeinde den Mittelteil, 1990 den Nordflügel und schloss nach Voruntersuchungen und Planungen die umfassende Sanierung Im Jahr 2000 ab.

Die Anfahrt erfolgt über die B 31 durch Freiburg ins Dreisamtal bis zur Abfahrt bei Zarten/Kirchzarten. Man durchquert Kirchzarten bis fast zum westlichen Ortsrand, wo bei einer Tankstelle rechts ein Schild „Talvogtei" steht.

Die nach Befund rot gestrichene, kastenförmig wirkende, daher kaum übersehbare T. zeigt einen nahezu quadratischen Grundriss. Der neu geschaffene Zugang befindet sich an der Stelle des Burgtores von 1786, das Im späten 19. Jh. abgerissen worden war

Der Baukörper umfasst drei in Hufeisenform angelegten Flügel, wobei diese Wohn- und Verwaltungsbauten lediglich die westliche Hälfte der Burgfläche einnehmen; die östliche Hälfte besteht dagegen heute aus einem Hof mit Garten und moderner Laube. Die relativ niedrige Umfassungsmauer stellt in Wirklichkeit die im Bestand stark reduzierte, ursprünglich wesentlich höhere Ringmauer der mittelalterlichen Burg dar, die den alten Burghof einst beträchtlich verfinsterte. Im Winkel zwischen West- und Nordflügel steht ein fünfeckiger Treppenturm, dessen reich verzierte Tür das Datum 1621 und Wappen mit Bindenschild (Österreich) und Kreuz (Freiburg) trägt. Mit ihren spitzgiebeligen Flügeln wirkt die T. zunächst wie ein homogener Baukörper. Erst ein Rundgang um das Schloss herum zeigt, wie kompliziert die bauliche Genese in Wirklichkeit ist.

Der ca. 12-14 m breite Wassergraben ist zwar verfüllt, doch wurde ein Abschnitt mit einem Bächlein wieder geöffnet und ein neuer Teich angelegt.

Die Außenseite der Burg zeigt vielfältige Fensteröffnungen unterschiedlichster Form, Größe und Höhen, die teilweise wieder freigelegt und deren Gewände z.T. ergänzt wurden. Hinzu kommen weitere aussagekräftige Baudetails wie Schießscharten oder Lichtschlitze im Erdgeschoss, Reste von Zinnen oben unter der Dachtraufe und türhohe Austritte auf ehemalige Aborterker. Die Sanierungsarbeiten wurden durch baugeschichtliche Untersuchungen begleitet, deren Interpretation zu einem Gesamtbild sich allerdings schwierig gestaltet.

So ist die Frühdatierung der Ringmauer und anderer, nur noch im Boden erhaltener Mauern ins „frühe 13. Jh.“ oder ins " 12./13. Jh.“ fraglich. Die viereckige Grundkonzeption der Burg, die fortschrittlichen Schießscharten mit stichbogigen Backsteinnischen im Burghof, die glatten Eckquader und das Fehlen eindeutig romanischer oder frühgotischer Baudetails deuten eher auf eine Erbauung im fortgeschrittenen Mittelalter. Hinzu kommt die Tatsache, dass 1297 beim Verkauf des Dinghofes keine Burg genannt wird, die Erstnennung der Burg vielmehr in das Jahr 1437 datiert. Daher wird hierfür die Ringmauer eine Entstehung zwischen 1297 (Kaufurkunde) und 1400 vorgeschlagen, mit klarer Tendenz Richtung 1400. Der dendrochronologisch auf 1396-1400 datierte Nordflügel ist zwar mit einer Fuge innen gegen die nördliche Ringmauer gesetzt, doch kann dies auch vom Bauablauf bedingt sein. Die Eckgestaltung dieses Baues entspricht derjenigen der Ringmauer.

Im Hof und unter den Gebäudeflügeln wurden bei Baggerarbeiten eine Reihe von Mauern unterschiedlicher Baumaterialien und Ausrichtungen gefunden, deren Ausschnitthaftigkeit im Verbund mit fehlenden Schichtbeobachtungen kaum Aussagen zu Alter und Funktion gestattet. Einige der Mauerzüge sind tatsächlich älter als die Ringmauer.

Die bei den Bauarbeiten in Deckenfüllungen und aus dem Boden geborgenen Funde sind an verschiedenen Stellen des Gebäudes in einigen Vitrinen ausgestellt. Sie umfassen Ofenkacheln der Spätgotik und Renaissance mit Darstellungen der Verkündigung und von Rittern mit angelegter Lanze, Keramikgefäße, Hohl- und Fensterglas sowie verschiedene Baumaterialien wie Ziegel, Nägel, Eisenbeschläge und vieles mehr.

Im 1. OG des Nordflügels wurde eine Fachwerkwand von 1400 mit den Begleitstrichen der Gefache schön restauriert, musste allerdings aus statischen Gründen etwas versetzt werden. Das Glanzstück der T. ist der Saal im Erdgeschoss des Nordflügels. Hier wurden jüngere Einbauten beseitigt, so dass sich der ursprünglich aus drei Einzelräumen bestehende Saal jetzt in seiner ganzen Schönheit präsentiert. Seine Decke besteht im Ostteil aus Bohlen und Balken mit Bemalung des 16./17. Jhs., im westlichen Teil, der Stube, aus einer vornehmen Deckenvertäfelung von 1430. Bemerkenswert ist eine aufwändig profilierte Eichenholzsäule mit kleinen hängenden Tierköpfen. In den gemauerten stichbogigen Fensternischen sind Ausmalungen der Renaissance erhalten.

Der Nordflügel stellt dendrochronologischen Datierungen zufolge mit seinem Baudatum von 1396-1400 den ältesten aufgehend erhaltenen Teil der Burg dar, abgesehen von der Ringmauer. Im 16. Jh. kam der Südflügel als Wohnung des Vogtes hinzu. Erst um 1621 entstand der Nord- und Südflügel verbindende Mitteltrakt (Westflügel) mit seinem baudatierten Treppenturm. Im 18. Jh. erfolgten Umbauten wie die Neugestaltung der Fassade vor allem des Mitteltraktes durch neue Fenster. Spätestens damals trug man den oberen Teil der Ringmauer ab- falls dies nicht schon in der Renaissance geschehen war. Auf einem Plan von 1799 ist ein Barockgarten
mit kreuzförmig verlaufenden Wegen auf der Nordseite des Hofes belegt, der in dieser Gestalt wieder rekonstruiert wurde. Im Jahre 1786 wurde auch ein neues Tor erbaut, wobei offenbar eine Verschiebung des Tores in die Mitte der Ostseite erfolgte. Das ältere Tor muss sich
dezentral im nördlichen Teil der Ostseite geöffnet haben. Ein Teil des Schlusssteines des Torbogens von 1786 wurde in sekundärer Lage aufgefunden und 1999 im neu errichteten Tor wieder eingebaut.

Die aufwändig restaurierte T. dient heute als Rathaus der Gemeinde, kann besichtigt werden (Gästeführungen) und wird auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt.













Ansicht der Talvogtei von Südwesten. Foto: H. Wagner 2002

BZ 10.8.1985
Talvogtei als künftiges Rathaus
Das alte Gemäuer ist wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt 
Kirchzarten (ar). Am Sonntag jährt sich zum 33. Mal der Tag, an dem der Südflügel der Kirchzartener Talvogtei aufgrund zu starker Baufälligkeit in sich zusammenbrach. Mit viel Privatinitiative und Zuschüssen des Denkmalamtes wurde er wieder erstellt, und es entstand so aus der ehemaligen „Zehntscheuer“ der mittelalterlichen Wasserburg ein Wohngebäude. Die Talvogtei hat in den Jahrhunderten ihres Bestehens überhaupt schon einiges mitgemacht; erst kürzlich wurde die Öffentlichkeit erneut auf das alte Gemäuer aufmerksam, nachdem knapp eine dreiviertel Million Mark aus dem Denkmalnutzungsprogramm für die Sanierung der Talvogtei bereitgestellt wurden. Das mittelfristige Ziel heißt daher: Ausbau zum „neuen“ Rathaus der Dreisamtalgemeinde. 

Dieses Ziel, obgleich anvisiert, liegt  jedoch in weiter Ferne. Denn die über  das Denkmalnutzungsprogramm des Landes bereitgestellten Mittel dürfen ausschließlich solchen schützungswürdigen Objekten zukommen, die öffentlich genutzt werden. Weitere Bedingung ist, daß andere Investitionen der öffentlichen Hand eingespart werden.

Diese Sache ist für Kirchzartens Bürgermeister, Georg-Wilhelm von Oppen klar: Wenn die Gemeinde, für die eine einheitliche Unterbringung der Verwaltung wünschenswert wäre, auf ein „Rathaus auf der grünen Wiese“ verzichtet und statt dessen in die Talvogtei zieht, gibt es die Landesgelder.

Indes: Es sei eine mittelfristige Maßnahme, erklärt von Oppen, es bedürfe hierzu weiterer Planungen und insbesondere Gespräche mit den Eigentümern. Denn der Süd- und der Nordflügel der Talvogtei befinden sich in Privatbesitz. Lediglich der mittlere Teil gehört inzwischen der Gemeinde. Doch der Bürgermeister sieht die Entscheidung des früheren Gemeinderates in seinem Rücken: Mit dem Kauf des Mittelteiles sei eine Absicht klar erkennbar, auch wenn es „aktuelle Beschlüsse und Vorhaben“ nicht gäbe.

Das „geschichtlich sicher bedeutendste Bauwerk“, informiert das Landesdenkmalamt, sei in Kirchzarten - neben der Kirche - die Talvogtei. Der genaue Zeitpunkt des Baus der Wasserburg ist nicht bekannt. Anhaltspunkte werden allenfalls durch Schießscharten geliefert, die Fachleute auf das 13. und 14. Jahrhundert datieren. Dort, wo ehedem der Burgweiher war, verläuft
heute die Höllentalbahn.

Um die Frage der Eigentumsrechte  war es schon in jungen Jahren der Talvogtei gegangen. So kam es etwa in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Erbstreitigkeiten unter den Besitzern. Heinrich von Blumeneck oder Hans von Landeck ließen Besitzverhältnisse schon früh gerichtlich regeln — natürlich, nachdem man sich zuvor ordentlich in den Haaren gelegen hatte. 1497 setzte die Stadt Freiburg ihren ersten Talvogt in das „Weiherhaus“; Kirchzarten war von da an für mehr als 300 Jahre Verwaltungssitz für das Dreisamtal. Die Talvögte, auch Talschaffner genannt, nahmen im Auftrag der Stadt die Hoheitsrechte wahr. 

Daß das nicht immer einfach war, 
das belegen die Chroniken, die des öfteren von schweren Heimsuchungen berichten. Als sich beispielsweise im Bauernkrieg 1525 die Aufständischen bei Kirchzarten vereinten, um von dort die Stadt zu belagern, hält auch die Wasserburg den rund 12000 anstürmenden Mannen nicht mehr stand. Derart gebrandschatzt dauert der Aufbau der Talvogtei offensichtlich lange Zeit. Die Jahreszahl über dem Eingang des Treppenturmes nennt 1621; vermutlich, so führt etwa das „Nachrichtenblatt der Denkmalpflege“ aus, sei darin der letzte Bauabschnitt erkennbar.  ‘Beim Wiederaufbau der Burg erhielt das rund 1,20 Meter dicke Gemäuer — statt Schießscharten - auch an den Außenwänden Fenster. Ende des 18. Jahrhunderts wurde im Tal erneut gebrandschatzt. Die Talvogtei wurde anno 1769 völlig geplündert sowie die Archivalien vernichtet. Der damalige Talvogt, heißt es, habe nahezu nackt nach Freiburg fliehen müssen. 

1806 fiel die Talvogtei mit der Abtrennung des Breisgaus von Österreich an Baden; es war damit auch der Talverwaltung von Kirchzarten aus ein Ende gesetzt. In diesen Zeitraum fällt der Verkauf der Talvogtei an zwei Landwirte; schon zuvor war der Südflügel eine einzige große Scheune gewesen, in der die Herren des Dreisamtales den Zehnt lagerten. Am 11. August 1952 dann krachte der Südflügel des ehemaligen Schlosses in sich zusammen. Beim Wiederaufbau mußten die Denkmalschützer hinnehmen, daß die neuen Geschoßhöhen niedriger wurden als die alten; dies läßt sich auch heute noch erkennen. 

Obwohl die Denkmalschützer dem privaten Bauherrn dankbar sind für den Wiederaufbau, steht in der Liste der Denkmalobjekte des ehemaligen Landkreises Freiburg (von 1969) ein für die Gemeinde wenig rühmliches Fazit: Die Talvogtei sei „heute durch, moderne Werkhallen und umgebendes Wohngelände verunstaltet“. Ob die Aufnahme in das Denkmalnutzungsprogramm hier Chancen bietet, wird sich in den kommenden Jahren erweisen.  












DIE TALVOGTEI in Kirchzarten, die möglicherweise einmal die Dienststellen der Gemeindeverwaltung beherbergen wird.