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Die Talvogtei, von Kirchzarten - ihre Bedeutung für das Dreisamtal

von Christina Schweizer 21.7.1997
 
Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen
Wissenschaftliche Hausarbeit


Vorwort
Angesichts der momentanen Renovierung der historischen Talvogtei zum neuen Rathaus von Kirchzarten, meiner Heimatgemeinde, war ich von der Idee begeistert, meine wissenschaftliche Hausarbeit zum Thema "Die Talvogtei von Kirchzarten - ihre Bedeutung für das Dreisamtal und als exemplarisches Beispiel für den Sachunterricht in der Grundschule" zu schreiben.

Mit dem ersten Teil (Teil A) habe ich das Ziel verfolgt, die Thematik wissenschaftlich darzustellen. Aus der Struktur der Thematik ergibt sich für diesen ersten Teil der Arbeit eine weitere Untergliederung: Talvogtei' wird zum einen das Wasserschloß von Kirchzarten genannt, zum anderen bezeichnete die Stadt Freiburg ihr von Anfang des 16. Jh. bis Ende des 17. Jh. bestehendes Herrschaftsgebiet im Dreisamtal als "Talvogtei'.

Der erste Teil beginnt mit einer kurzen Beschreibung Kirchzartens, wie sich der Ort heute dem Betrachter vor Augen stellt.

Um den Zeitabschnitt von ca. 300 Jahren, in dem Kirchzarten unter der Herrschaft der Stadt Freiburg stand, in die Gesamtgeschichte Kirchzartens, des Dreisamtales einordnen zu können, habe ich versucht, die einzelnen Etappen, ausgehend von der Ur- und Frühgeschichte, die im hiesigen Raum durch die Kelten, Römer, Alemannen und Franken gekennzeichnet war, bis hin zum Mittelalter zusammenzufassen. In der Betrachtung des Mittelalters habe ich einen Schwerpunkt auf die über 500 Jahre andauernde Verbindung Kirchzartens mit dem Kloster St. Gallen gelegt. Im weiteren Verlauf der wissenschaftlichen Darstellung soll deutlich werden, daß die Entwicklung hin zur Freiburger Talherrschaft im allmählichen Übergang der staatlichen Hoheitsrechte von den geistlichen Institutionen auf weltliche Gewalten, zunächst den Adel, begründet ist.

In den dann folgenden Kapiteln möchte ich aufzeigen, wie es der Stadt Freiburg unter dem österreichischen Landesherrn am Übergang des Mittelalters zur Neuzeit gelang, ihr Herrschaftsgebiet auf Teile des Dreisamtales auszudehnen. Hierbei möchte ich auch einen kleinen Ausblick auf einige Adelsherrschaften geben, die neben der Stadt Freiburg Hoheitsrechte im Dreisamtal besaßen.

Am Beispiel der Vogtei Kirchzarten möchte ich detailliert darauf eingehen, wie die Stadt Freiburg ihr Herrschaftsgebiet, die Talvogtei, verwaltete. Bedeutende Punkte sind hierbei die Gebietseinteilung, die einzelnen öffentlichen Ämter, sowie das Gerichtswesen. Im Hinblick auf das Ziel des zweiten Teiles meiner Arbeit, einen Vorschlag zur unterrichtlichen Behandlung der Thematik auszuarbeiten, war es mir auch wichtig, die Situation der Talvogteibewohner in den Blick zu nehmen. Als Beispiel für Geschehnisse in Kirchzarten im Rahmen der Freiburger Geschichte habe ich den Bauernkrieg von 1525 näher betrachtet. Schließlich soll aufgezeigt werden, wie die Freiburger Herrschaft im Dreisamtal durch die Gründung des Großherzogtum Badens 1805 ihr Ende fand.

Gegenstand des zweiten Abschnittes der wissenschaftlichen Darlegung ist das Schloß von Kirchzarten. Zu Beginn soll eine kurze Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes mit der Anlage bekanntmachen. Hierauf folgen Überlegungen zur Bedeutung der Talvogtei als geschichtliches Denkmal. An dieser Stelle referiere ich die Ergebnisse zur Geschichte des Bauwerkes, die ich aus Nachforschungen in historischem Quellenmaterial erhalten habe.

Abschließen möchte ich diesen ersten Teil mit einer Darstellung der momentanen Renovierung der Talvogtei zum Rathaus der Gemeinde und der neuen Erkenntnisse zur Geschichte der Talvogtei, die im Zuge der Renovierungsarbeiten durch Funde gewonnen wurden.

1. Die Gemeinde Kirchzarten - heute

Der Ort Kirchzarten liegt in einer Höhe von 322-398 m.ü.d.M. inmitten des Dreisamtales; nur wenige Autominuten von der Breisgau-Metropole Freiburg entfernt. Seit 1974 zählen die ehemals selbstständigen Gemeinden Zarten und Burg zur Gesamtgemeinde hinzu. Der Gemarkungsfläche und der Einwohnerzahl nach ist Kirchzarten die größte Gemeinde des Dreisamtales. Trotz der enormen Entwicklung in den Nachkriegsjahrzehnten, hat der heute 9489 Einwohner (Stand 30.06.1997) umfassende Ort jedoch seinen dörflichen Charakter behalten. Kirchzarten ist in mehrfacher Hinsicht Mittelpunkt des Dreisamtales. Das Zentrum des Ortes ist gekennzeichnet durch die Hauptstraße, in der zahlreiche Geschäfte und Gasthäuser angesiedelt sind, das Rathaus, das Verkehrsamt und die katholische Pfarrkirche St. Gallus. Das wirtschaftliche$ Fundament der Gemeinde wird von Handel, handwerklichen Betrieben, und Industrie, hauptsächlich im Industrie- und Gewerbegebiet im nördlichen Bereich Kirchzartens lokalisiert, gebildet. Auch im Fremdenverkehr, der ein zweites wirtschaftliches Standbein darstellt, hat der Kirchzarten einen hohen Stellenwert. Durch seine klimatisch günstige Lage in der reizvollen Landschaft des Dreisamtales und der Nähe zu den Höhen des Schwarzwaldes ist der Kurort Anziehungspunkt von Erholungssuchenden des In- und Auslandes. Den Besuchern steht ein umfangreiches Angebot touristischer Einrichtungen (Hotels, Privatunterkünfte, Campingplatz, Freischwimmbad, Kurhaus, usw.) und Veranstaltungen zur Verfügung.

Aber natürlich auch als Wohnort wird Kirchzarten sehr geschätzt. Dies ist zum einen sicherlich durch die verkehrsgünstige Lage Kirchzartens begründet. Zum anderen trägt ein differenziertes Bildungsangebot zu dieser Attraktivität bei. Darüber hinaus werden auch die kulturellen Belange der Gemeinde in einem vielfältigen Programm (Vorträge, Konzerte, Vereine, usw.) erfüllt.
Somit ist Kirchzarten sehr beliebt als Wohngemeinde wie auch als Luftkurort.

2. Geschichtlicher Überblick
2.1. Ur- und Frühgeschichte des Dreisamtals
2.1.1. Stein-, Bronze- und Eisenzeit

Zahlreiche Funde, materielle Hinterlassenschaften von Menschen, wie zum Beispiel Festungen oder Werkzeuge, deuten darauf hin, daß das Zartener Becken schon sehr früh besiedelt war. Wirft man einen Blick auf die hervorragende Qualität der Lage, des Klimas, des Bodens, sowie der Wasservorkommnisse der Beckenlandschaft, so ist ihre Bedeutung als Altsiedelland leicht nachzuvollziehen. Die Besiedelung der Höhen des Schwarzwaldes über die Seitentäler erfolgte hingegen erst um das Jahr 1000 n. Chr..

Einige wenige Funde deuten darauf hin, daß in der Oberrheinebene Menschen zum ersten Mal in der Epoche der Altsteinzeit (20000-8500) während der ausklingenden Eiszeit in Erscheinung traten.1 Im Dreisamtal werden die ältesten Funde in das 2. Jahrzehntausend datiert. Die in dieser Zeit als nicht seßhafte Jäger und Sammler lebenden Menschen fertigten aus Steinen grobe Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände. Auf Kirchzartener Gemarkung wurden 1935 fünf, nur wenige Zentimeter große, Silikatgesteinssplitter gefunden, deren scharfe Kanten eindeutig auf zielbewußtes menschliches Bearbeiten zurückzuführen sind.
Auch die Mittelsteinzeit (8500-2500) hinterließ menschliche Spuren im Dreisamtal.2 So ließen zum Beispiel vielfältige Funde am Nordostabhang des Engenberges auf einen ehemaligen Lagerplatz von in jener Epoche lebenden Menschen schließen. Die Lage aller Fundstellen im hinteren Dreisamtal auf erhöhten, trockenen Schotterflächen über Bächen, zeugt von einer überlegten Auswahl der Siedlungsstellen.
Jungsteinzeitliche Funde (2500-1800) sind im Dreisamtal sehr rar und ungewiß.3 Ein Steinbeil, das aus der Umgebung von Kirchzarten stammen soll, könnte auf die Seßhaftwerdung unserer Vorfahren hindeuten.

Über die folgende Periode, der Bronzezeit (1800 - 850), gibt ein 1882 bei Wiesneck gefundenes Bronzebeil Auskunft.4

In der jüngeren Eisenzeit, der La Tene-Zeit (400-Christi Geburt) spielte das Volk der Kelten eine große Rolle im Dreisamtal.5 Eine Fülle von keltischen Gewann-, Orts- und Flußnamen weisen auf eine starke keltische Urbesiedelung hin. Die Kelten waren eine hochstehende Zivilisation, die ihren Machtbereich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten über Mitteleuropa bis in die Poebene und den Balkan und bis zu den Britischen Inseln ausgeweitet haben. Ihre Zentren lagen in sogenannten oppida, befestigten Gebieten mit stadtartigem Kern.

Der ägyptische Mathematiker, Astronom und Geograph Ptolemaios hatte in seiner um 150 n.Chr. erschienenen Länderkunde mehrere tausend Ortsnamen, darunter die Polis Tarodunum aufgeführt. Aus den beigefügten Längen- und Breitenangaben konnte lediglich ausgesagt werden, daß sich Tarodunum irgendwo in der Nähe der Stadt Freiburg befinden mußte. Der Naturforscher Lorenz Oken konnte die Lokalisierung 1815 weiter eingrenzen. Er brachte Tarodunum nämlich in sprachgeschichtlichen Zusammenhang mit Zarten: Im Mittelalter hieß Zarten Zarduna, also Tarodunum - Zarduna - Zarten. 1901 gelang es dann einem Freiburger Forscherteam durch Grabungen Beweise zu erbringen. Tarodunum lag auf der sicher schon in der Mittelsteinzeit genutzten Terrassenfläche im östlichen Teil des Zartener Beckens zwischen dem Wagensteigbach und dem Rotbach.

1 Haselier (1966) S. 57 ff.
2 Lais (1950) S. 3 ff.
3 Lais (1950) S. 3 ff.
4 Haselier (1966) S. 62
5 Schneider (1983) S. 73 ff.


2.1.2. Römer, Alemannen und Franken

Im letzten vorchristlichen Jahrhundert wurden die Kelten jedoch von aus dem Norden einfallenden germanischen Völkerschaften nach Süden abgedrängt. Julius Cäsar gelang es jedoch ‚die Germanen 58 v.Chr. durch seinen Sieg über Ariovist im Elsaß wieder zurückzuschlagen. Darauf nahmen die Kelten ihre Siedlungsgebiete wieder ein, standen jedoch nun unter römischer Verwaltung. Die Kelten lebten mit den Römern ohne Probleme zusammen. 1936 wurden beim Brandenburger Hof die Grundmauern römischer Häuser entdeckt.6

Doch die Römer konnten den ständigen Angriffen der Germanen nicht lange standhalten. Im 4. Jh. strömten die Alemannen in das Dreisamtal ein. Ihr Herrschaftsbereich erstreckte sich vom Main bis an die Alpen und von den Vogesen bis an den Lech. Die Alemannen teilten ihr Herrschaftsgebiet in Gaue ein. Das Dreisamtal lag im Breisgau.

Im 8. Jh. konnten die Franken ihren Machtbereich auch in das rechtsrheinische Gebiet ausdehnen. Die Alemannen wurden von den Franken besiegt und ihr Territorium nach und nach in den fränkischen Zentralstaat eingegliedert.
"Um 750 war daher Dreisamtal auch schon organisiert als Marca Zardunensis, mit alemannischen Gehöften und fränkischen Herrensitzen."7

6 Haselier (1966) S. 84
7 Büttner (1939)



2.2. Kirchzarten im Mittelalter
2.2.1. Das Lehenswesen im Dreisamtal

Das Lehenswesen bildete die Grundlage der politisch-gesellschaftlichen Ordnung des Mittelalters. Die fränkischen Könige hatten die oberste Souveränität in ihrer Person vereinigt. Als Lehensherr gab der König Mitgliedern des fü renden Adels Land und Leute zu Lehen. Diese vom König abhängigen Grafen,
genannt Vasallen, übten stellvertretend dessen Funktionen im engeren Bereich aus, leisteten Amts- und Kriegdienste. Der Treueeid zwischen König und Vasallen war dabei wechselseitig. Diese Kronvasallen konnten ihrerseits Land an Untervasallen (Ritter, Dienstmänner) weiterverleihen. So entstand eine vielfach abgestufte Lehenspyramide, an deren Spitze der König stand. Da Lehen frühzeitig erblich wurden, erlangten die Lehensleute eine starke Machtposition gegenüber dem König und versuchten ihre Ämter als Eigentum auszubauen. Um diesem Machtstreben ein Gegengewicht zu setzen, übertrug der König oftmals Reichsgut oder staatliche Aufgaben an Reichsabteien. So waren auch Bischöfe
und Äbte Reichsvasallen des Königs. Diese mußten jedoch wiederum auf weltliche Kräfte zurückgreifen, da die meisten Verwaltungsaufgaben gar nicht von den Äbten ausgeübt werden konnten. Diese herbeigerufenen Adeligen strebten nun gleichfalls wieder danach, sich eine eigene Herrschaft aufzubauen.

Dieses Machtstreben im Mittelalter ließ sich auch im Dreisamtal deutlich erkennen. Zwei mächtige Adelsgeschlechter standen in ständigem Konkurrenzkampf um Besitzungen und Rechte. "Das waren einmal die Herzöge von Zähringen, welche ihr Kloster von Weilheim unter Teck 1093 hierher verlegten: St. Peter wurde das neue Hauskloster und Familienbegräbnis der Herzöge. St. Peter rodete in ihrem Auftrag und baute so das Zähringer Herrschaftsgebiet aus entlang der neu angelegten Straße von der Zähringergründung Freiburg zu ihrer anderen Gründungsstadt Villingen aus. Die Rivalen waren die Herzöge von Hohenberg, die ihren Stammsitz in der Gegend von Haigerloch hatten und über die Baar und das Triberger Gebiet zum Kandel vorstießen. Die Hohenberger gründeten als Gegenpol das Augustiner-Chorherrenstift St. Märgen, gleichfalls an der Straße über den Schwarzwald.8 Die Zähringer waren Anhänger der Welfen, die Hohenberger Anhänger der Staufer. Die Zähringer und die Hohenberger setzten für ihre Besitzungen Lehensleute ein. Untervasallen der Hohenberger waren Edelknechte von Digesheim. Im Ministerialenkreis der Zähringer standen Mitglieder der groBen Familie der Falkensteiner. Die Falkensteiner verschwägerten sich vielfach mit anderen Ritterfamilien, wie den Schnewlins oder den Blumenecks. Dieser aufsteigende Niederadel löste im Laufe der Zeit die hochadelige Herrenschecht ab. Weder die Zähringer, noch die Hohenberger erreichten so ihr Ziel, einen großen Flächenstaat zu errichten.

8 Schneider (1983)


2.2.2. Das Kloster St. Gallen und seine Besitzungen im Kirchzartener Tal

Wie schon im vorrausgegangenen Kapitel erwähnt, bildeten die Reichsklöster ein wichtiges Instrument in der Hand des Königs. Eine solche Abtei, das Kloster St. Gallen, spielte viele Jahre eine bedeutende Rolle in der Geschichte Kirchzartens.

Entstanden war das Kloster St. Gallen 612 n.Chr. aus der Einsiedlerzelle des irischen Mönchs Gallus.9 Erst ein Jahrhundert später wurde dann das Kloster durch den Priester Otmar gegründet. In der Zeit um 750 n.Chr. wollte das fränkische Königtum unter Karl Martell und Pippin die fast wieder selbstständig gewordenen Alemannen stärker abhängig machen und unter straffere Zentralregierung bringen. Aus Angst vor Landentzug durch die Karolinger entschieden sich viele alemannische Adelige, ihre Besitzungen freiwillig dem eigenen Stammeskloster zu übertragen. In den meisten Fällen bekamen die Schenker ihre Besitzungen als Lehen bis zu ihrem Tod zurück (Prekarie, Rückleihe). Im Jahr 759, nach dem Tod Otmars, nahm die Zentralregierung dem Kloster schließlich die Selbstständigkeit: Der Bischof Sidonius setzte den Reichenauer Mönch Johannes als Nachfolger Otmars ein. Dieser Mönch übernahm später zugleich auch die Führung des Bistum Konstanz. So begann ein langer Unabhängigkeitskampf zwischen dem Kloster und dem Bistum Konstanz. Bischof Johannes, wie auch König Pippin strebten einen Ausgleich zwischen den Franken und den Alemannen an. Der König hatte durch das Kloster nun Einfluß auf den alemannischen Adel und die Alemannen fanden durch ihre Schenkungen Schutz beim Kloster. Durch diese zahlreichen Schenkungen wurde das Kloster St. Gallen zu einem der größten Landbesitzer im alemannischen Raum.

In einem Schenkungsbrief aus dem Jahre 765 10 wird uns der Name Zarduna zum ersten Mal urkundlich überliefert. Die Urkunde selbst ist nur noch in einer Kopie aus dem 9. Jh. in lateinischer Sprache erhalten.

[Orginaltext der Urkunde siehe Anhang]

In dieser Urkunde schreibt ein gewisser Drutpert, daß er in dem Dorfe Zarduna seinen Hörigen Waldkozo mit seiner Frau und drei Leibeigenen, mit seinem Hofgut und allem seinem Besitz, ferner in der Mark Zarten Felder, Wälder, Wiesen, Weiden, Wege, Wasserläufe dem Kloster des heiligen Gallus schenkt, um etwas für sein Seelenheil zu tun. Ferner spricht er dem Abt und den Mönchen uneingeschränkte Verfügungsgewalt über seinen Besitz zu. Er fügt die Vereinbarung an, daß er diesen Besitz mittels eines Prekarienbriefes auf Lebenszeit gegen einen Zins zur Nutzung vom Kloster zurückerhält. Als Zins sind jählich 10 Eimer Wein festgelegt. Zum Schluß setzt er eine Strafe für den Fall fest, daß jemand gegen diese Vereinbarung angehen sollte.

Durch diese Schenkung hat auch Drutpert vermutlich beim Kloster St. Gallen Schutz vor den fränkischen Herren gesucht. Die Tatsache, daß er seinen Besitz in Form der Prekarie wieder auf Lebenszeit erhält und durch sein Gesinde bewirtschaften läßt. unterstützt diese Vermutung, obwohl er in der Urkunde ja religiöse Gründe für sein Handeln angibt.

Neben dieser Urkunde aus dem Jahre 765 sind noch sechs weitere St. Galler Urkunden erhalten, welche Einblicke in die Entwicklung Kirchzartens als Mittelpunkt der großen Besitzungen des Klosters St. Gallen geben.11

So berichtet uns eine Urkunde von 791 über ein Rechtsgeschäft in Zarduna. Der Alemanne Waltger übertrug seinen Grundbesitz in Ebringen dem Kloster St. Gallen. Dieser Vertrag, der eine auswärtige Angelegenheit behandelt, zeigt, daß der Dinghof in Kirchzarten die Funktion eines Hauptsitzes der St. Galler Verwaltung hatte. Fachleute sind sich bis heute noch nicht einig, ob sich aus diesem Dinghof später die Talvogtei entwickelte.

In einer Urkunde von 816 übertrug ein Graf Cotzpert unter anderm seinen Anteil an der Kirche in Zarduna dem Kloster St. Gallen. Hier erhalten wir das erste Zeugnis dafür, daß in Zarduna eine Kirche bestand.
Verbunden mit den Erwerbungen durch Schenkungen erhielt das Kloster nämlich auch die Pflicht, die Seelsorge für die Dreisamtalbewohner zu übernehmen. Gegen Ende des 8. Jh. erbauten Mönche von St. Gallen eine Pfarrkirche für das Dreisamtal, die St. Gallus Kirche in Kirchzarten. Die Kirche wurde an einer unbesiedelten Stelle am Hochufer des Krummbachs errichtet. Eine Siedlung um die Kirche entwickelte sich erst im Laufe der Zeit. Von dieser einstigen Kirche ist uns jedoch nichts mehr erhalten geblieben. Die heute an der gleichen Stelle stehende Kirche St. Gallus ist wesentlich größer.

1125 wurde eine Urkunde ausgestellt, in der Bischof Ulrich von Konstanz einen Streit zwischen St. Gallen und dem neugegründeten Kloster St. Märgen wegen des Zehntrechtes entscheidet. In dieser Urkunde wird der volle Ortsname der Siedlung bei der Galluskirche zum ersten Mal erwähnt. Aus dieser Streitfrage um das Zehntrecht können wir weiter erkennen, daß die Pfarrei über die gesamte alte Mark Zartuna ausgedehnt war. Die Mönche kümmerten sich um das seelische Wohl der Talbevölkerung, während die Bauern dafür dem Pfarrer den zehnten Teil jeden Betrages abliefern mußten.

Die Urkunde aus dem Jahre 1237 gibt uns Hinweise, wie St. Gallen seine Besitzungen verwaltete. Die Verwaltung war geteilt in die Verwaltung des Klosters selbst im engeren Bereich und in die Verwaltung der einzelnen Besitzungen. Die einzelnen Besitzungen hatten jeweils einen Meierhof, Dinghof, oder nach römischem Vorbild benannt, eine 'villa' als Mittelpunkt. Dies war ein Gut mit umfangreichem Landbesitz, welches gewissermaßen als Musterhof fungierte. Diese Dinghöfe standen jeweils unter der Verwaltung eines Meiers. Das Verwaltungssystem bestand aus vielen Einzelgütern, die unter dem Verwalter, dem
Meier, selbständig arbeiten und bestimmte Erträge abgeben mußten.

Der Meier hatte sogar das Recht, Gericht zu halten über die ihm anvertrauten Bauern, solange es nicht um Kriminalfälle ging. Weiter hatte er die Aufgabe,
die gesammelten Abgaben dem Kloster abzuliefern. Das Koster mußte im Laufe der Zeit wie alle Reichsklöster wichtige Aufgaben im Staatsleben übernehmen. So konnte der Abt seinen ursprünglichen Aufgaben kaum mehr nachgehen. Für alle wirtschaftlichen Angelegenheiten hatte er deshalb Vertreter, Prioren oder Pröpste. Diesen hatten die einzelnen Meier Rechnung abzulegen.

An der Urkunde von 1297, die das Verhältnis St. Gailens zu Kirchzarten beendet, sehen wir, daß das Kloster auch Hoheitsrechte, wie die Gerichtsbarkeit, oder den Wildbann, innehatte und diese durch weltliche Adelige, Vögte — genannt werden ein gewisser Vogt Konrad, sowie Vögte aus der Familie der Falkensteiner oder der Tengen - verwalten ließen.

9 Sprandel (1958)
10 St. Galler Urkundenbuch I S. 48
11 Haselier (196

2.2.3. Die Johanniter im Kirchzartener Tal

Am 18. April 1297 fand die mehr als ein halbes Jahrtausend bestehende Beziehung zwischen dem Kloster St. Gallen und Kirchzarten ihr Ende. Die Reichsabtei war in eine finanzielle Notlage geraten und entschloß sich deshalb, das Gut Kirchzarten mit allem Zubehör zur Tilgung der Schulden an den Johanniterorden in Freiburg zu verkaufen.12

Die Anfänge dieses Ordens gehen in die Mitte des 11. Jh. zurück.13 Die Johanniter waren keine Ordensgemeinschaft mit religiöser Zielsetzung, wie sie uns heute bekannt sind, sondern eine Gemeinschaft von christlichen Rittern, die caritative, politische und militärische Aufgaben verfolgten.

Die unterste Verwaltungseinheit des Ordens war die sogenannte Kommende. Diese einzelnen Ordenshäuser unterstanden jeweils einem Komtur. Die einzelnen Kommenden verwalteten sich weitgehend selbstständig. So führte der Komtur von Freiburg, Bruder Gotbold zu Blumeneck, den Kauf Kirchzartens selbstständig aus. Die Abgaben, die Kirchzarten an die Freiburger Kommende abzuführen hatte, leitete er an den Orden weiter. Als um 1500 die Freiburger Kommende mit der in Heitersheim zusammengelegt worden war, hatte Kirchzarten immer mit zwei Instanzen Verhandlungen zu führen.

Nach der St. Galler Verkaufsurkunde von 1297 hatten die Johanniter "erstens das jus patronatus, das Recht des Kirchenpatronats, wozu Pfarrsatz und Zehnt gehören, zweitens die Oberhoheit, das dominum dirfectum über die curia, den offenbar ziemlich umfangreichen Gutskomplex des alten St. Galler Dinghofes mit seinem Grundbesitz, den in den Hof fälligen Zinsen - aber auch die niedere und hohe Gerichtsbarkeit, ...”14 erworben.

Der Vertrag hatte weiter festgesetzt, daß die Johanniter den bisherigen Vogt von St. Gallen, Ritter Jakob von Falkenstein, zu übernehmen hatten. Ritter Jakob von Falkenstein hatte lehensweise die Ausübung des Hoheitsrechts inne. Es wird angenommen, daß der Falkensteiner wiederum den Dinghof und das Niedergericht einem Meier weitergeliehen hat und selbst nur das hohe Gericht behielt. Nach dem Tod Jakobs 1298 erhielt dessen Verwandter, Gregor von Falkenstein das Lehen Kirchzarten.

Der Johanniterorden als Landesherrschaft war für das Kirchzartener Tal nicht mehr so bedeutungsvoll wie das Kloster St. Gallen im 8./9. Jhd.. Die meisten Rechte, die er beim Kauf erworben hatte, waren bedeutungslos, da sie in Wirklichkeit schon auf die ansässigen Adelsfamilien, z. B. die Falkensteiner, übergegangen waren. Dem Orden blieb nur noch das Kirchenpatronat und die Zehntherrschaft, die mit dem Recht, den Seelsorger einzusetzen, verbunden war. Diese beiden Rechte behielten die Johanniter jedoch bis zum Untergang des Ordens im Jahre 1805.

12 Haselier (1966) S. 167
13 Haselier (1966) S. 169 ff.
14 Haselier (1966) S. 174

2.2.4. Die Herrschaft Kirchzartens in Händen Adeliger

Wie bereits erwähnt, hatte schon das Kloster St. Gallen weltliche Mächte, die Grafen von Hohenberg, als Vögte zur Ausübung der politischen Aufgaben im Dreisamtal eingesetzt. Gegner der Grafen von Hohenberg waren die Herzöge von Zähringen, die ebenfalls zum Hochadel zählten. Untervasallen der Hohenberger waren die Edelknechte von Digesheim. Als Lehensleute der Zähringer erschienen die Ritter von Falkenstein.

Nachdem die Hohenberger sich aus dem Dreisamtal und dem Breisgau wieder zu ihren schwäbischen Besitzungen zurückgezogen hatten und das Geschlecht der Herzöge von Zähringen ausgestorben war, wurden die Falkensteiner die eigentlichen Machthaber im Dreisamtal.

Die staatlichen Hoheitsrechte gingen langsam von den geistlichen Institutionen auf weltliche Gewalten über. Dies wird schon in der im vorangeganenen Kapitel beschriebenen Beschränkung des Johanniterordens auf die Ausübung des Kirchenpatronats und der Zehntherrschaft deutlich.

1320 verkauften die Johanniter schließlich ihre Hoheitsrechte in Kirchzarten an den Ritter Kuno von Falkenstein. So wurde dieser Ritter Inhaber des Gerichtes und Vogt zu Kirchzarten.15

Die Falkensteiner verschwägerten sich in den folgenden Jahren vielfach mit patrizischen Geschlechtern, wie den Turnern, den Schnewlins, den Digesheim, oder den Blumenecks, wodurch die Herrschaft Kirchzartens immer wieder anderen Familien oblag.

1395 erscheint der Edelknecht Hans von Digesheim als Herr von Kirchzarten. Dieser Hans von Digesheim hielt am 7. Juni 1395 ein offenes Gericht in Kirchzarten, bei dem er die alten Rechte verlesen und von der Bauernschaft, die in den Bann Kirchzarten gehörte, beurteilen ließ.ıs Die beurteilten Rechte ließ er dann in einem sogenannten Dingrodel aufschreiben. Dieser Dingrodel von Kirchzarten aus dem Jahre 1395 ı7, verdeutlicht uns heute die Grundlagen der Herrschaft Digesheims - den ganzen Inhalt der damaligen Dorfherrschaft.

Der Name Dingrodel läßt sich aus der Form des Schriftstückes ableiten. Mehrere schmale Pergamentblätter waren an den Schmalseiten aneinander geheftet; und dieses Band konnte dann aufgerollt werden.

Zu Beginn sagt der Rodel aus, daß derjenige, der Eigentümer des Dinghofes, also Herr von Kirchzarten ist, ausschließlich Gerichtsherr über den dazugehörigen Bezirk ist. Dabei wird ausdrücklich hervorgehoben, daß dieser Bezirk sich mit den Banngrenzen deckt. Der Rodel erklärt desweiteren, daß die Gemeinde als Genossenschaft anerkannt wird, die der Herrschaft als solche mit gewissen Rechten gegenübersteht. Der Rodel geht sodann auf verschiedene Rechte und Pflichten des Herrn ein, wie z.B.  Bannweinrecht, welches besagt, daß an Weihnachten und an Pfingsten der Herr das alleinige Recht zum Weinausschank hat, oder der Geleitpflicht, nach welcher jeder Einwohner von dem Herrn Geleit bis an den Rhein oder auf den Schwarzwald verlangen kann. Weiter regelt der Rodel verschiedene Angelegenheiten, die Handel und Verkehr in der Gemeinde betreffen, z.B. die Brotschau oder der ’Wasserschutz. Der Rodel behandelt Fragen von Strafe und Gericht, und setzt z.B. auch die Behandlung von Erbschaften fest.

Hans von Digesheim hatte drei Töchter, von denen eine mit Martin von Blumeneck verheiratet war. So kam der Besitz in Kirchzarten an die Blumenecks. 1416 erscheint Martin von Blumeneck als Inhaber des Gerichts. Nach dem Tod Martins ging das Erbe an fünf seiner Brüder und Vettemüber, wobei sein Sohn Heinrich nicht berücksichtigt wurde. Er kämpfte um sein Erbe, bis er schließlich von Junker Heinrich, dem Bruder seines Vaters, mit einem Drittel der Herrschaft Kirchzartens belehnt wurde. In diesem Lehensbrief von 1437 18 erhalten wir den ersten ausdrücklichen Beleg für das Existieren einer Burg in Kirchzarten [siehe Anhang]. Später wird er vom Sohn Junker Heinrichs, Engelbert, nochmals belehnt. Dieser verkauft aber einen Teil des Besitzes 1450 an die verwandte Familie Schnewlin-Landeck. So führten Hans Schnewlin von Landeck und Heinrich Blumeneck eine Doppelherrschaft und setzten gemeinsam den Vogt Glewy Gessler ein. Die Landecker behielten den Besitz jedoch nicht lange, sondern verkauften ihn an Konrad von Hailfingen. Der Zeitpunkt des Verkaufes läßt sich jedoch nicht rekonstruiren.

1 Wir Heinrich und Ludwig von Blumneck Engelhart von Blumneck Melchior und Balthasar von Blumneck alle gebrüde(r) und

2 gevettern tunt kunt menglichem mit disem briefe als wir Heinrichen Martins von Blumneck uns(rs) vettern seligen Süne

3 uns(rn) teile Das ist Der Dritte teile an Der Burg und Dem Dorff Kilchzarten mit gerichten zwingen bennen nutzen zinsen ackern

4 matten holtz velde wasser wanne und weide was wir Denne von Desselben undrs) Dritteils wegen Daselbs gehept hant un(d)

5 in dem selben gerichte gelegen ist gegeben hant Ime und sinen Lehens erben knaben und tochtren zu einem Lehen ze habende

6 nach Innhalt solicher briefen Darumb gegeben Und als Denne Der abgent Marti von Blumneck unser vetter selig ettliche

7 gutt Die auch in Dem abgenten Dorff Kilchzarten und in dem selben gerichte und banne gelegen sint und die er vorziten

8 erkaufft und harbracht hett und Die aber nit in Den abgenten Dritteile gehörent Da Liehent wir Die abgenten gebrüdelr)

9 und gevettern von Blumneck alle offenlich in Disem briefe Das wir Dem selben Heinrichen Martins von Blumneck uns(rs)

10 vettern seligen süne alle die gütt Die Der yetzgent Martin unser vetter selig erkaufft und harbracht hett Die in dem

11 abgenten Dorff Kilchzarten und in Dem selben gericht und banne gelegen sint und Die nit in Den Dinckhofe sehörent

12 Es syent hüser acker matten auch Die Badstuben und mül(y) oder ande(r) gütere wie Die alle genant sint (nützit) ußgenome(n)

13 Ime und sinen Lehenserben knaben und tochtere(n) zu dem abgenten Dritteile ze habende ze nutzende und ze niessende gegebe(n)

14 hant Die auch ze glicher wise Ir Lehen sin und sü Die allwegen so Dicke Das ze schulden oder ze valle kompt von einem

15 eltesten von Blumneck wolher Denne ye Der eltest ist enphahen söllent als Den abgenten Dritteile und sol auch Der selbe

16 Dritteile und Die vorgen güte(r) alle ein Lehen sin und in einem enpfahen zügan Und Des zü (E)inem vesten waren urkunde

17 Es hant wir Die abgenten gebrüde(r) und gevettern von Blunneck alle fünffe unse(r) Ingesiegele für uns und unser erben

18 gehenckt an Disen briefe Der geben ist uff Sant anthonyen tage Des Jares Da man zalt von gottes gepurte viertzehen-

19 hundert Drissig und Syben Jare.



15 Haselier (1966)
16 Haselier (1966) S. 203
17 Schreiber (1828) S. 97
18 STAF Ai/VIlla


3. Kirchzarten unter Freiburger Herrschaft

"Mit der Markt- und Stadtgründung Freiburgs 1120 setzt die Zähringerzeit noch einen weiteren, schweren Schicksalsstein für das Dreisamtal. Die Stadt liegt zwar draußen vor dem Torabschluß des Tales, die zähringschen Gründer bestimmen sie jedoch zum Vorort ihres Staates, zur Kaufmannsstadt, zum Wirt-
schaftszentrum und damit zum Einflußfaktor für das Umland. Mit der Zähringer Stadtgründung von 1120 ist dem Dreisamtal somit ein neuer, ein externer Bestimmungsfaktor erwachsen, das Tal ist in ein neues Kraftfeld geraten."19

Am Übergang des Mittelalters zur Neuzeit gelang es dann der Stadt Freiburg, ihr Herrschaftsgebiet auf Teile des Dreisamtales auszudehnen. In diesem Herrschaftswechsel vom Landadel auf die Stadt Freiburg drückt sich die allgemeine Entwicklung aus, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die Geschichte nun nicht mehr von den Burgen, sondern von den Städten bestimmt wird.

Da früher der Verwalter der Hoheitsrechte als Vogt bezeichnet wurde, gab man dem Herrschaftsgebiet die Bezeichnung Talvogtei. Die Stadt faßte die zahlreichen zersplitterten Herrschaftsgebilde wieder zusammen und baute sich so ein eigenes Territorium im Dreisamtal auf. Im Laufe der zweiten Hälfte des 15. Jh. erwarb die Stadt nacheinander die einzelnen Teile der Talvogtei: 1462/63 St. Märgen, 1491-1496 Kirchzarten, 1493 Himmelreich und 1499 das Attental.20 Diese Talvogtei war ein großer Teil der alten Marca Zardunensis. Zum Sitz des Talvogtes hatten die Freiburger den Ort Kirchzarten wegen seiner zentralen Lage im Dreisamtal auserwählt. Als Kirchensitz war Kirchzarten schon lange Zeit zuvor Mittelpunkt des Kirchzartener Tales. An den Kirchtagen kamen die Bewohner der ganzen Umgebung hier zusammen, kauften bei Händlern ein und versorgten sich mit Nachrichten.

Über die genauen Beweggründe der Stadt Freiburg zu ihren Erwerbungen im Dreisamtal macht die Literatur im allgemeinen kaum Angaben. An einigen Steilen wird ausgesagt 2ı, Freiburg habe das Bestreben gehabt, ein Territorium zu errichten, um weitgehende Unabhängigkeit von der österreichischen Landeshoheit zu erlangen. Der österreichische Landesherr sah diese Selbststänigkeitsgelüste Freiburgs natürlich nicht sehr gerne und schritt beim Kauf von Kirchzarten schließlich ein, nachdem der Erwerb der St. Märgener Gebiete schon ohne seine Einwilligung vollzogen worden war. Das selbstständige Vorgehen der Stadt wird besonders daran deutlich, daß sie bei der Übernahme der Hoheitsgewalt kaum Rücksicht auf ihre Abhängigkeit von der österreichischen Landeshoheit nahm. Fast immer ernannte und vereidigte die Stadt die Amtsleute, Talvögte, Meier, usw. auf sich selbst. Nur in einem Vogteid von 1530 lesen wir: "gegen meiner Statt Freyburg vor unseren gnedigsten herrschaften von österreichischen landvögte, regenten und räten"22.

19 Schneider (1989) S. 80
20 Haselier (1966) S. 244 ff.
21 Armbruster (1950)
 
22 TVA Gen.IV,;5



3.1. Der Erwerb der einzelnen Gebiete der Talvogtei 23
3.1.1. Die wilde Schneeburg

Wie schon angedeutet, hatte die Stadt Freiburg ihre Talvogtei in Etappen aufgebaut.

Schon 1315 hatte die Stadt die Wilde Schneeburg mit den dazugehörigen Matten und Wäldern käuflich erworben. Hiermit war der erste Vorstoß ins Talgebiet vollzogen. Abgeschlossen wurden diese Erwerbungen im Jahr 1365 mit dem Vertrag über die Gefällmatte, auf der zwei Güter entstanden, die die Stadt verpachtete.

3.1.2. St. Märgen

Die eigentliche Grundlage für die Ausbildung des Freiburger Territoriums stellte der Kauf des Klosters St. Märgen dar. Das Hauskloster der Grafen von Hohenberg wurde um die Wende des il. zum 12. Jhd. von dem Stifter Dompropst zu Straßburg, Graf Bruno von Hohenberg, gegründet. Die Hohenberger hatten Besitzungen in Zarten, Burg, Ebnet, Attental, Wagensteig, Geroldstal, Birkenreute, Dietenbach, Merdingen, Endingen, Tiengen und Herdern bei Freiburg. Unterschieden wurden diese in vogtbare und vogtfreie Besitzungen, zu letzteren gehörten der engere Klosterbereich, das Gut Birkenreute und der Hof in Dietenbach. Mittelpunkt der Herrschaft bildete die Burg Wiesneck. Im Laufe der Zeit kam es immer wieder zu Streitigkeiten mit dem Hauskloster der Zähringer, St. Peter, z.B. zu Grenzstreitigkeiten. Zu Beginn hatte wohl die Stifterfamilie die Vogtei über das Kloster erblich inne. Im Jahr 1293 waren die Hohenberger aufgrund ihrer finanziellen Lage gezwungen, die Herrschaft Wiesneck und die mit ihr verbundene Vogtei über St. Märgen an den Freiburger Patrizier Burkhard Turner zu veräußern. Das Gut und Gericht Attental waren von dem Verkauf ausgeschlossen. Dieses verliehen die Hohenberger als Lehen an die Falkensteiner. 1318 erwarben die Schnewlin-Landeck von der Familie Turner die Burg Wiesneck und die Vogtei über St. Märgen, zu der Geroldstal und das Gut Birkenreute gehörten. Die Schnewlins versuchten in der folgenden Zeit immer wieder, ihre Herrschaft auch auf die vogtfreien Güter auszuweiten und standen so in ständigen Streitigkeiten mit der Abtei. Diese besserten sich für kurze Zeit, als der Besitz von den Schnewlins auf die Blumenecker überging. Als jedoch die Herrschaft 1450 wieder an die Schnewlins zurückging, sahen die Chorherren keinen anderen Ausweg mehr, als den umstrittenen Klosterbesitz im Jahr 1462 an die Stadt Freiburg zu verkaufen. Für 4800 Gulden erhielt die Stadt somit das Kloster, den oberen Hof von Birkenreute, das Lehen in Dietenbach und den Dinghof in Zarten; nur die Kirche in St. Märgen mit ihrem Zehntrecht und einige unbedeutende Grundstücke waren ausgeschlossen.24 Da nun die Vogtei über das Gebiet von St. Märgen für die Schnewlins uninteressant geworden war, weil sie nun kein eigenes Territorium mehr aufbauen konnten. verkaufte Hans Schnewlin 1463 gegen 1000 Gulden die Vogteirechte über das Kloster. Die Kauf- urkunde 25 bezeugt den Erwerb des Hohen Gerichts über den schon zuvor erworbenen Grundbezitz, das Gericht, Recht und Steuern zu Geristal, Zarten, Wittental, Schweigbrunnen- und Wagensteigtal. Für seinen kleinen Restbestand erkennt das Kloster die Stadt als ewigen Kastvogt an. Mit diesem Erwerb der Hoheitsrechte war die Grundlage für den Ausbau eines Territoriums im Dreisamtal geschaffen. Die Stadt hatte diesen Kauf ohne die Zustimmung der österreichischen Erzherzöge, die diese vermutlich auch nicht erteilt hätten aus Vorsicht, daß Freiburg könnte zum Rivale werden, der sich von der Oberhoheit distanzieren wollte. Erst im Jahre 1495 bestätigte Kaiser Maximilian den Kauf.

23 vgl. zum folgenden Haselier (1966) S. 244 ff.
24 Schreiber (1828) S. 473
25 Schreiber (1828) S. 479

 
3.1.3. Kirchzarten

Um 1500 nutzte die Stadt Freiburg die Spannungssituation zwischen Heinrich von Blumeneck und Konrad von Hailfingen (siehe Kapitel 2.2.4.) aus, um auch Kirchzarten in ihr Territorium eingliedern zu können. Diese Doppelherrschaft, und schon zuvor die von Heinrich von Blumeneck und Hans von Landeck, brachte lange Zeit zahlreiche Schwierigkeiten mit sich, unter denen auch die Bevölkerung Kirchzartens zu leiden hatte.

In seinen Einzelheiten ist der Erwerb des Dorfes Kirchzarten nicht aufzuhellen, da Urkunden, insbesondere Kaufbriefe, fehlen. Konrad von Hailfingen veräußerte seine zwei Drittel am Dorfe Kirchzarten wahrscheinlich im Jahre 1492 für 1650 Goldgulden an die Stadt. Heinrich von Blumeneck hatte diesen Verkauf des Hailfingers 1491 noch angefochten und sogar Kaiser Maximilian zum Einschreiten veranlaßt. Dieser gab Freiburg zwar den Befehl vom Kauf Kirchzartens Abstand zu nehmen, woran sich die Stadt jedoch nicht hielt. 1496 konnte sie sich schließlich auch mit dem Blumenecker einigen, und erwarb sein Drittel am Dorfe für 925 fl..26

Aus einem Lehensbrief von 1504 27 wissen wir, daß der Teil des Hailfingers auch das Schloß mit den dazugehörigen zwei Scheunen, Kräutergärten, vier Weihern, acht Jucharten Acker und Fischgewässer eingeschlossen hatte. [siehe Anhang] Mit dem Erwerb der Kirchzartener Gebiete ist zwar der Zuwachs an Grundbesitz für Freiburg nicht besonders hoch, bedeutend ist jedoch der Gewinn der Hoheitsrechte. Die Stadt konnte nun den größten und wichtigsten Teil des Drei
samtales, die Wagensteigstraße, den Eingang ins Höllental und ins Oberriedertal kontrollieren.

26 Haselier (1966) S. 246
27 STAF F 26/7


3.1.4. Himmelreich

Der Name Himmelreich stammt aus dem 15. Jh.; zuvor wurde dieses Gebiet Löwenlehen genannt. Ursprünglich gehörte Himmelreich zum Klostergut St. Märgen. Hier war es dem Meieramt Wagensteig zugeordnet. Doch die Herren von Blumeneck, die Vögte dieses Klostergutes, hatten die Hoheitsrechte und das Eigentum an Grund und Boden an sich gerissen. 1454 konnte sich das Kloster wenigstens die Gerichtshoheit wieder erstreiten, die jedoch von den Blumeneckern wiederum nicht anerkannt wurde.

Die Stadt Freiburg versuchte lange Zeit vergeblich ihren Anspruch auf die gerichtlichen Hoheitsrechte geltend zu machen. Erst am 12. Juni 1493 konnte die Stadt diese Hoheitsrechte, nicht jedoch die privaten Eigentumsrechte, von Junker Martin von Blumeneck erwerben. Die privaten Eigentumsrechte übertrug Martin von Blumeneck an Bauern, die sogar im Namen des Blumeneckers auf ihrem Hof selbstständig Gericht halten durften.

3.1.5. Attental

Ursprüglich war das Attental hohenbergischer Besitz, der zur Herrschaft Wiesneck gehörte. Die vogtbaren Güter und Hoheitsrechte wurden den lisenbergern zu Lehen gegeben. 1276 verkaufte Rudolf von lisenberg den Zehnten zu Attental dem Deutschordenshaus in Freiburg. Später waren lange Zeit die Falkensteiner Lehensträger. 1438 verkaufte Hans Adam von Falkenstein-Tachswangen das Attental an Konrad Tegelin den Älteren. Dessen Sohn Konrad war gezwungen, das Lehen dem Kloster St. Peter zu verpfänden.

1499 verkaufte das Kloster seine Rechte schließlich an Freiburg. Die vogtfreien Teile des Tales, die Selgüter hatte die Stadt ja schon 1462 mit dem Kauf St. Märgens erworben. Wie in Kirchzarten, so deckten sich auch im Attental Gerichts- und Banngebiet.

3.1.6. Birkenreute

Der obere Hof von Birkenreute, der verwaltungsmäßig an Zarten angeschlossen war, kam schon 1462 als St. Märgener Seelgut an die Stadt Freiburg. Der untere war freies Rittergut, das sich mehrmals in Händen der Falkensteiner und der Blumenecker befand.

Erst 1556 konnte die Stadt den unteren Hof von Georg von Schneider für 4050 Gulden kaufen. Obwohl das Besitzrecht weiterhin in verschiedenen Händen lag, konnte die Stadt ihre Hoheitsrechte verteidigen.

3.2. Adelsherrschaften neben der Talvogtei

Neben der Herrschaft der Stadt Freiburg bestanden jedoch weiterhin einige Adelsfamilien mit mehr oder weniger weitreichenden Hoheitsrechten im Dreisamtal. 28

28 vgl. zum folgenden Haselier (1966) S. 277 - 296 und Schneider (1983)
 
3.2.1. Die Reichsfreiherren von Sickingen

Die Sickinger, das Adelsgeschlecht aus dem Kraichgau, kam“durch Friedrich, dem Enkel des Reichsritters Franz von Sickingen in den Breisgau. Durch die Heirat Friedrichs von Sickingen mit der Erbtochter Anna von Schnewlin-Landeck auf Wiesneck im Jahre 1568 kamen die Sickinger auch im Dreisamtal zu Besitzungen. Sie hatten in zahlreichen Orten Besitzungs- und Herrschaftsrechte: in Ebnet, Breitnau, Hinterzarten, Eschbach, Burg, Wiesneck, Baldenweg, Wittental, Littenweiler und Riegel. Die Orte: Steig, Falkensteig, Biengen, Krozingen, Zastler, Weilersbach, Dietenbach, Rainhof, Horben, Zähringen und Föhrental wurden im Laufe der Zeit durch Erbteilungen wieder von den Sickingern abgetrennt. Ihren Hauptsitz hatten die Sickinger in Ebnet. In Familienbesitz hatten die Sickinger auch ein Stadthaus in der Salzstraße in Freiburg, welches als großherzogliches Palais bezeichnet wurde.

Mit Kirchzarten standen die Sickinger immer schon in Verbindung, da viele der Orte, in denen sie Besitzungen hatten, zur großen Pfarrei Kirchzarten gehörten. 1809 verkaufte die Familie die Herrschaft Ebnet und das Palais in Freiburg an den Großherzog.

3.2.2. Die Herrschaft Weiler-Stegen

Das Meiertum Weiler (heutiger Name Stegen) geht vom Hause Österreich zu Lehen. Das geschlossene Gebiet umfaßte außer Stegen noch Unteribentai, mit dem Lindenberg, 2 Höfe im Rechtenbach, Ober- und Unterbirken, sowie die beiden Nadelhöfe. Das ganze Gebiet gehörte bis 1781 zur Pfarrei Kirchzarten. Wie schon die Adeligen von den Burgen aus ihre Herrschaft ausdehnten, so gelang es auch den Inhabern des Meier-Gutes in Weiler ihre Rechte auszudehnen und sich aus dem Bauernstand zu erheben. 1480 stirbt Hans Ulrich Meyer von Weiler, der 1464 Bürgermeister in Freiburg war und von Erzherzog Friedrich in die Adelsgesellschaft des Georgenschildes aufgenommen wurde, als letzter Vertreter des Namens Weiler.

Seine Witwe heiratet Junker Hans von Reischbach, der 1486 mit der Herrschaft Weiler belehnt wurde.

Im Jahre 1700 wurde Weiler einem Mitglied der Familie Kageneck zu Lehen gegeben. Die Stammburg der Kagenecker liegt in der Nähe von Colmar. Schon im 14. Jh. kamen sie durch das Erbe der Familie Pforr in den Breisgau. Ihren Hauptsitz hatte die Familie in Munzingen. 1671 wurde Johann Friedrich in den Freiherrenstand, 1717 dessen gleichnamiger Enkel in den Grafenstand erhoben.

3.2.3. Kleinere Adelsherrschaften

Die Freiherren von Pfirt
Die Freiherren von Pfirt stammen wie die Kagenecks aus dem Oberelsaß. Sie kamen erstmals im 14. Jh. als Lehensträger der Habsburger in den Breisgau. Sie versippten sich dann mit verschiedenen Geschlechtern. Sie bekamen von den Sickingen die Herrschaften Biengen und Krozingen. Johann Reinhart von Pfirt, der 1660 in den Reichsherrenstand erhoben wurde, kam durch die Heirat mit Franziska Maria von Sickingen in den Besitz von Rain, Zastler, Mißschwendi und Dietenbach.

Die Freiherren von Neveu
Die Familie Neveu hatte ihren Hauptsitz in Durbach-Windschläg. Erstmals traten sie während des 30 jährigen Krieges im Breisgau auf. Karl Neveu de la folie trat in Dienste des Kaisers Leopold. Dieser belohnte diesen mit der Landvogtei Ortenau. Sein Sohn Franz Neveu heiratete die Tochter des Reinhart von Pfirt und bekam Zastler, Mißschwendi, das untere Weilersbach, Dietenbach und das selbständige Hofgut Rain.
Wie auch die anderen Herrschaften gingen auch die Neveuschen Besitzungen an das Großherzogtum Baden über.

Die Herren von Wittenbach
Die Wittenbachs kamen aus dem Kanton Bern. Sie wurden von Habsburg mit einem Teil von Buchenbach, der zur Pfarrei von Kirchzarten gehörte, Amoltern und Kranzenau am Kaiserstuhl belehnt. 1697 erhielten sie durch Heirat die Herrschaft Elzach hinzu.
Die Freiherren von Wittenbach sind auch noch im 19. Jh. in Freiburg als groBherzogliche badische Kammerherren und Mitglieder der Ersten Kammer vertreten.

3.3. Die Verwaltung der Talvogtei
3.3.1. Die Einteilung des Gebiets

Die Freiburger Talherrschaft läßt sich grob in zwei Phasen gliedern: Die Phase der Herrschaft über die von St. Märgen übernommenen Gebiete (1462 bis ca.1496) und die Phase der Herrschaft über die hinzugewonnenen Gebiete, also über die ganze Talvogtei (1496 bis 1805).

Die Stadt Freiburg führte zur Verwaltungseinteilung des Gebietes keine durchgreifende Reform durch, wie man vielleicht hätte erwarten können, sondern behielt die früher entstandenen Grenzen und Verwaltungsformen im allgemeinen bei. Die Gebietsgliederung sollte weiterhin der Aufrechterhaltung der Ordnung und dem einfachen Einzug der Gefälle dienen.29

In der ersten Phase war das Gebiet in zwei Vogteien eingeteilt, in die Obervogtei mit St. Märgen und Wagensteig einschließlich sämtlicher Höfe auf dem Turner, in Fahrenberg und Spirtzen, und in die Niedervogtei, der die Gebiete um Zarten, Attental, Geroldstal, Birkenreute und Teile von Kirchzarten angegliedert waren. Die beiden Vogteien wurden in den Abrechnungen getrennt geführt. Mit der Verwaltung war je ein Meier beauftragt, der den Freiburger Amtmännern unterstellt war. Zu Ende dieser Phase nahm man jedoch auf die ehemalige Dreiteilung des Gebietes von St. Märgen wieder Bezug, die in den Dingrodeln von Zarten, Wagensteig und St. Märgen niedergeschrieben war, und gliederte die Obervogtei in zwei Ämter, nämlich in das Meieramt St. Märgen und Vogtei Wagensteig.

Als um 1500 die Gebiete von Kirchzarten hinzukamen, kristallisierten sich vier Vogteien heraus: Kirchzarten, Zarten, Wagensteig und St. Märgen. Diese Verwaltungseinteilung blieb dann auch bis ins 19. Jh. bestehen. Kleinere Gebiete, Geroldstal, Birkenreute, Höfen, Schlempenfeld, Weilersbach, Birken, Brand, Burg, Wittental, Himmelreich, Breitnau, Turner und Attental wechselten teilweise ihre Zughörigkeit im Laufe der Zeit. "Mit dem Bann der Gemeinde im Sinn der heutigen Gemarkung hat diese Verwaltungseinteilung Freiburgs nichts zu tun."30 So gehörten z.B. einige Höfe, weil sie einst St. Märgen angeschlossen waren, obwohl sie im Bann Kirchzarten lagen, zum Amt Zarten. Die Vogtei Kirchzarten nahm dadurch, daß hier, im Schloß zu Kirchzarten der Talvogt seinen Amtssitz hatte, gewissermaßen eine Mittelpunktsfunktion in der Talvogtei ein.

29 Haselier (1966) S. 252
30 Haselier (1966) S. 253
 
3.3.2. Die einzelnen öffentlichen Ämter

Die Talherren

An der Spitze der Hierarchie der öffentlichen Ämter standen die Pfleger des Tales, die Talherren, die eigentlichen Hoheitsträger. Diese 2 - 4 Vertreter des städtischen Rates stammten meist aus führenden Freiburger Familien.

Aus der 'Instruktion zur Versehung der Talvogtei'31 wird deutlich, daß Hauptaufgabe der Talherren war, die Vögte in ihr Amt einzuführen und diese in ihrer Arbeit zu überwachen. Weiter waren sie damit beauftragt, die örtlichen Richter einzusetzen, den Geschäftsgang bei den Rügegerichten zu überprüfen und Belehnungen mit Liegenschaften durchzuführen.

Die Talpfleger besorgten ihr Amt, sozusagen als Nebenamt, in der Hauptsache von Freiburg aus. Von Zeit zu Zeit nahmen sie jedoch Inspektionsfahrten in die Vogteien vor, für die sie immer gut entlohnt wurden. Für eine Fahrt z.B. "nach Breitnau, wo auf der Halden in des Andreas Wilmanns Haus das Dinggericht gehalten wurde, erhielt jeder Teilnehmer des Magistrats von Freiburg ein halbes Kalb oder dessen Wert in bar."32 Doch da die Talpfleger auf diese Art nur sehr wenig Einblick in die örtlichen Angelegenheiten bekamen, fiel dem Talvogt mit der Zeit die größte Bedeutung in der Verwaltung zu.

Die Talvögte

Nach den ersten Erwerbungen im Tal gingen die Ratsherren von Freiburg davon aus, sie könnten die Verwaltung größtenteils selbst durchführen. So setzten sie zunächst nur wenige Männer aus den Gebieten selbst als Vermittler zwischen der Stadt und den Meiern und Vögten ein. Als jedoch weitere Gebiete dem Freiburger Territorium angegliedert wurden, nahm man immer mehr Abstand von der persönlichen Verwaltung des Gebietes und setzte in den vier Vogteien, Kirchzarten, Zarten, Wagensteig und St. Märgen jeweils einen Vogt ein. Das Wort Vogt läßt sich auf das lateinische Verb 'vocare', welches die Bedeutung 'rufen’ hat, zurückführen. Kleinere Orte, wie z.B. Himmelreich bekamen sozusagen Untervögte. Diese waren nach heutigen Vorstellungen gewissermassen gegenüber den Vögten der vier großen Orte Ortsvorstände. Während einige Quellen auf die Einsetzung der Vögte durch die Obrigkeit schließen lassen, geben wieder andere Hinweise darauf, daß die Vögte von den Gemeinden gewählt wurden und nachfolgend durch die Organe der Stadt bestätigt werden mußten. Der Vogt in Kirchzarten hatte unter allen die bedeutenste Rolle. "Der Talvogt bildete 300 Jahre lang in jeder Hinsicht den Mittelpunkt des gesamten öffentlichen Lebens im Dreisamtal, soweit dieses Freiburger Hoheitsgebiet war. In allen Auswirkungen dieses Hoheitsrechtes ist er der Vertreter der Stadt, damit aber zugleich auch der Vermittler zwischen ihr und den Talbewohnern, zwischen Stadt und Land."33 Die Hauptlast der Verwaltung lag also beim Talvogt. Er war der tatsächliche Gewalthaber in der Talvogtei. Die Talherren, Talpfleger, blieben jedoch weiterhin oberste Instanz, der auch der Talvogt unterstellt war. Die Meier, die früheren grundherrlichen Beamten, waren nun den Vögten unter-
geordnet.

Anfangs waren die Talvögte einfache Bauern des Tales ohne besondere Kenntnisse, später setzte die Stadt jedoch nur noch qualifizierte Amtsleute ein. So hatte die Stadt beispielsweise 1622 ihren ehemaligen Amtsschreiber Johann Ulrich Stock, 1682 den Rechtssprecher Caspar Hinderfahrt, 1785 den früheren Ratsherren Dr. Schwarz und 1800 Dr. Kupferschmidt als Talvögte eingesetzt. Wie verantwortungsvoll dieses Amt war, zeigen uns verschiedene Schicksale von Vögten. Z.B.: "Johann Ulrich Stock war geschworener Amtsschreiber im Kaufhaus. Als er Talvogt wurde, mußte er 1622 all sein Hab und Gut der Stadt verpfänden zur Sicherstellung dieser Amtspflicht, von der nur Krieg, Feuerschaden oder sonstige höhere Gewalt entbanden."34

Die Talvögte standen in einem zeitbegrenzten Angestelltenverhältnis zur Stadt. Die Amtszeiten, so geht aus den vorhandenen Bestallungen hervor, waren uneinheitlich, sie lagen zwischen 1 und 10 Jahren. Fast immer blieben die Vögte bis zu ihrem Tod im Amt. Für das Amt war eine beiderseitige Kündigungsfrist von einem Viertel- oder Halbjahr festgesetzt. Bei Antritt des Dienstes hatten sie einen Diensteid vor den Ratsherren im Freiburger Kaufhaus, wie alle städtischen Amtsleute, abzulegen. In diesem schworen sie unter anderem, der Stadt getreu und hold zu sein, das Dienstgeheimnis zu wahren, Distanz zur Bevölkerung zu halten sowie keine Nebenerwerbungen anzunehmen. Die Bezahlung des Talvogtes bestand bis 1500 in einem Lohn von 6 Pfund. 1542 waren es dann 20 Gulden, 15 Malter Haber, ein Drittel der kleinen Frevelbußen und Fasnachtshühner. 1622 belief sich das Bargeld dann schon auf 100 Gulden und hinzu kamen Gebühren für das Ausstellen von Urkunden. 1808 war die Besoldung dann auf 1602 Gulden einschließlich der Naturalien festgesetzt.

Die Stadt hatte ursprünglich keinen festen Amtssitz für den Talvogt vorgesehen. Der erste Talvogt in Kirchzarten 1497, Peter Schifflin, bekam das Schloß in Kirchzarten als Privatperson verliehen, nicht als Vogt. Aus einem Lehensbrief 33 erfahren wir, daß 1502 das Schloß mit Hof, 4 Weihern, Matten und Äckerıdem Junker Hans von Lichtenburg zu einem Jahreszins von drei Pfund und 32 Schillingen von den Talpflegern zunächst für sechs Jahre zu Lehen gegeben wurde. Im Jahre 1539 wird von einer Verleihung berichtet, die zeigt, daß der Vogt im Schloß wohnte. Erst in einem Anstellungsdekret des Talvogtes Johann Laurenz aus dem Jahre 1558 wurde ausdrücklich festgesetzt, daß dieser Sitz und Wohnung im Schloß zu Kirchzarten als Teil seiner Entlohnung erhielt. Aufschluß über die Tätigkeit des Talvogtes erhalten wir aus den "Instruktionen zur Versehung der Talvogtei' von Kirchzarten von 1682 (siehe 3ı). In einem ersten Teil behandelt das kleine Buch unter dem Meieramt Zarten mit dem Attental, dem Breitehof, Burg, Birke, Brandenburgerhof und Geroldstal alles über das Gebiet St. Märgens und im zweiten Teil gibt es Informationen über Kirchzarten. Die Tätigkeit des Vogtes läßt sich grob in zwei Kategorien einteilen;
zum einen vertritt er sein Dorf gegenüber der Herrschaft, zum anderen übt er die hoheitliche Funktion der Stadt aus. Der Talvogt war sehr stark an die städtischen Behörden gebunden. Er mußte nahezu alle Entscheidungen im Einvernehmen der Talpfleger treffen. Diese Talpfleger hatten nämlich die Aufgabe, die Abrechnungen des Talvogtes zu überwachen und sie dann gemeinsam mit diesem der städtischen Wirtschaftsbehörde vorzulegen. Wenn es zu Unstimmigkeiten kam, so hatte die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim einzuschreiten, während der französichen Besatzungszeit der königlich französiche Rat in Breisach. Der Vogt hatte die Aufgabe die regelmäßigen Gefälle, wie auch die außerordentlichen Abgaben, z.B. Todfälle, Abzugsfälle, mit Hilfe der Meier einzutreiben. Für nicht eingezogene Gefälle mußte der Vogt sogar persönlich aufkommen, sofern kein Ausnahmezustand vorlag. Obwohl bis ins 19. Jh. die Verwaltung und die Justiz eng miteinander verbunden waren, beschränkte sich die Aufgabe des Talvogts auf den verwaltungsmäßigen Vorsitz bei den örtlichen Gerichten. Nach und nach übernahm er dann die freiwillige Gerichtsbarkeit, die vornehmlich im Ausstellen von Urkunden bestand.36 Zu seinen weiteren Pflichten zählte die Einziehung der Frevelbußen und Zahlungen, die die Talherren festsetzten. Weiterhin hatte der Talvogt im Namen der Stadt die Polizeigewalt inne. Er überwachte das Wirtschaftsleben; erließ und kontrollierte Gewerbe-, Feld-, Flur-, Wildbann- und Wasserordnungen. Weiter war er damit beauftragt, die Instandhaltung der Wege, Straßen und Brücken, sowie die Zolleintreibungen zu gewährleisten. Es sind sogar Bestimmungen vorhanden, wie der Talvogt die kirchlichen Einrichtungen zu überwachen hat. Das Besetzungsrecht der Johanniter für die Pfarr- und für die Frühmeßpfründe in Kirchzarten mußte anerkannt werden. Die Bestimmungen halten den Vogt dazu an, die Einwohner in die Gottesdienste zu schicken. Weiterhin hatte der Talvogt allgemein Sorge für die
Untertanen zu tragen und diese in besonderen Angelegenheiten zu unterstützen, beispielsweise durch Einziehen von Erkundigungen in fremden Ämtern, oder durch Ausstellen von Geleitbriefen, usw..

Der Amtsschreiber

Die Ratsherren schlugen dem Talvogt vor, einen Amtsschreiber zu halten, da die neue Verfassung (1785) mehr Schreibarbeiten verlangt und zum zweiten der Talvogt durch die Notwendigkeit, die oft weit entfernten Höfe besuchen zu müssen, längere Zeit abwesend sein wird. Seit 1785 ist uns solch ein Amtsschreiber auch tatsächlich bekannt. Der Talvogt mußte dem Schreiber freie Wohnung und Verpflegung, sowie ein jährliches Fixum zugestehen. Dies war mit 200 fl. veranschlagt; 100 fl. waren zu dieser Zeit ein bescheidenes Existenzminimum.

Der Talknecht

1749 wird ein Talknecht erwähnt, der wohl die Waldgeschäfte zu erledigen hatte. Es ist jedoch nicht feststellbar, ob dieser hauptamtlich angestellt war.

Die Viertleute

Die Viertleute wurden von der Bauernschaft gewählt. Sie hatten die Aufgabe, den Vogt in gewissen Angelegenheiten zu unterstützen. So standen sie zum Beispiel zum Überwachen der Dorfgrenzen, zur Preisüberwachung, Lebensmittelkontrolle oder zur Veranschlagung des Wertes von Steuerobjekten bei Nachlässen oder Verkäufen dem Talvogt hilfreich zur Seite.

Die Richter
Die Richter im Dorfgericht, meist 11 oder 12 gingen ebenfalls aus der Gemeinde hervor. Vereidigt wurden sie vor den städtischen Behörden.

Der Bannwart

Der Bannwart war der eigentliche Unterbeamte des Vogtes. Er wurde auch von der Gemeinde gewählt und vor der städtischen Obrigkeit bestätigt. Die Ordnung von 1596 enthielt einen besonderen Bannwart-Eid.

Der Stubenknecht
Ein weiterer Gemeindeangestellter war der Stubenknecht. In ihm kann der spätere Gemeinde- und Ratsdiener gesehen werden. Dieser war wohl Mitglied der Dorfwacht.

31 Instruktion zur Versehung der Talvogtei, 1628. GLA 355/Zug. 1899/21 H. 505
32 Haselier (1966) S. 253
33 Haselier (1966) S. 264

34 Haselier (1966) S. 255
35 STAF F26/7
36 Armbruster (1950) 

3.4. Das Gerichtswesen der Talvogtei

Das bedeutenste Recht, das die Stadt Freiburg mit den Gebieten im Dreisamtal erworben hatte, war die Gerichtshoheit. 37

Einblicke in die Gerichtsbarkeit erhalten wir aus den Frevelregistern der Talvögte, aus Gerichtsprotokollen, den Ordnungen, sowie dem Talvogteibuch. Mitte des 16. Jh. hatten sich vier Niedergerichte herausgebildet, die auch bis zum 19. Jh. bestehen blieben: Kirchzarten mit der Wilden Schneeburg; Zarten mit Geroldstal, Bickenreute und Attental; Wagensteig; und St. Märgen. 1538 finden wir das Attental mit einem eigenen Gericht aufgeführt. Diese Niedergerichte bildeten die erste Instanz. Zweite Instanz war das Gericht der Stadt Freiburg und nächste der österreichische Landvogt in Ensisheim. In einigen wenigen Fällen wurde das Dinggericht in Zarten als zweite Instanz gegen ein Urteil des Gerichts Wagensteig oder St. Märgens angerufen.

Die Rechtsquellen hatte die Stadt aus der Zeit vor ihrer Herrschaft übernommen. Diese waren zum einen die Grundsätze aus den alten Dingrodeln (siehe 2.2.4.) und der Talbrauch, die überlieferten Gewohnheitsrechte, wobei die einzelnen Gerichte voneinander abweichende Dingrodel hatten. Wie bedeutend dies war, zeigen verschiedene Urteile: Zum Beispiel wurde ein Kauf eines Hofes in Zarten für ungültig erklärt, da er nach Kirchzartener Brauch feilgeboten wurde und nicht nach zuständigem Zartener Brauch.

Die Richter gingen aus der Gemeinde hervor und wurden vor der städtischen Behörden vereidigt. Die Talpfleger der Stadt sorgten für die regelmäßige Einberufung der Gerichte und überwachten deren Verlauf als Vertreter der Stadt. Der Talvogt hatte die Gerichtspflichtigen der Gemeinde zu den Gerichten einzurufen. Unentschuldigtes Fehlen wurde mit 3 Schillingen bestraft. Vorsitz bei den örtlichen Gerichten hatten die örtlichen Vögte. In den Ordnungen von 1579 legten Bürgermeister und Rat von Freiburg fest, daB dreimal im Jahr Gericht abgehalten werden sollte, im Hornum, im Mai und im Herbst. Zur Unterrichtung seiner Untertanen verla& der Taivogt bei jedem Hornumgericht die Gebote und Verbote.

Die örtlichen Niedergerichte waren sowohl für die Straf-, sowie die Zivil-, als auch die freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig.

Die Strafgerichtsbarkeit hatte ihren Sitz hauptsächlich bei den sogenannten Rügegerichten. Dies liege sich mit einer Gemeindeversammlung vergleichen. Zu diesem Jahresgericht hatten alle Eidespflichtigen zu erscheinen und strafbare Handlungen anzuzeigen. Derartige strafbare Handlungen waren z.B. Ausprechen von Schimpfwörtern, Gotteslästerung, unmäßiges Trinken, Einladen von mehr Gästen zu einer Hochzeit, als es die Obrigkeit erlaubt hatte, Diebstahl, Urkundenfälschung, usw.. Gegen die hier festgesetzten Strafen gab es keine Appellation. Die Zivilgerichtsbarkeit übten ausschließlich die Dorfgerichte aus mit dem Vogt
als Vorsitzenden. Der Vogt entschied beispielsweise Streitigkeiten über Grundbesitz, Zinsversäumnisse, usw. zwischen den einzelnen Bauern und dem Grundherren. Die Appellation in diesen Zivilprozessen ging an die Stadt Freiburg. Am umfangreichsten beschäftigt waren die Niedergerichte mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier wurden private Kaufverträge, Darlehensbriefe, usw. vor dem Vogt und seinen Dorfrichtern behandelt und Leumundszeugnisse, und andere Urkunden ausgestellt. Die Ordnung von 1579 beauftragte dann ausdrücklich den Talvogt mit dem Ausstellen dieser Urkunden, wodurch die Stadt die freiwillige Gerichtsbarkeit immer stärker in die Hände der Vögte legen wollte. Nach einiger Zeit vollzogen die Vögte dann diese Art von Rechtsgeschäften aus eigener Macht ohne Richter und Zeugen. Das Ausstellen von Urkunden war also schon die Rechtshandlung an sich.

37 vgl. zum folgenden Armbruster (1950)
 
3.5. Zur Situation der Talvogteibewohner

Die städtische Obrigkeit vermischte in ihrem Territorium die dörflichen Rechte mit ihren herrschaftlichen Rechten und drängte so die ländlichen Gemeinden mit ihren Aufgaben stark zurück.38 Es gibt jedoch Hinweise, daß die Gemeinden, wenn auch nicht besonders selbstständig, dennoch weiterbestanden. Kirchzarten bestand wohl schon sehr früh als Gemeinde mit größerer Einwohnerzahl auf engem Gebiet. Bedeutend war hierbei sicherlich, daß der Ort Sitz der Kirche für einen großen Bezirk war. Da an den Kirchtagen viele Menschen dort zusammenkamen, siedelte sich Handel und Gewerbe an und machte Kirchzarten zum wirtschaftlichen Mittelpunkt des Freiburger Territoriums im Dreisamtal. Neben Kirchzarten, traten in der Freiburger Zeit noch Zarten, Wagensteig und St. Märgen als Dörfer in Erscheinung. Auch in einzelnen Tälern, wie beispielsweise dem Attental, waren durch geschlossene Gehöftgruppen erste Schritte einer Dorfentwicklung zu erkennen. In den ehemaligen St. Märgener Gebieten fand die Entstehung der Dorfgemeinden aus Einzelhöfen jedoch erst zum Ende der Klosterherrschaft statt. Auch die dörfliche Verwaltung mit Organen wie dem Vogt, oder den Viertleuten fand in diesen Gebieten erst viel später als in Kirchzarten Einzug. Alle Gewalten gingen jedoch von Freiburg als Obrigkeit aus. Hoheitliche Rechte hatten die Gemeinden keine. Sie waren von der Stadt vollständig abhängig. Die dörflichen Verwaltungsorgane erhielten ihre Befugnisse, wie schon in den vorrausgegangenen Kapiteln verdeutlicht, allein von der Obrigkeit Freiburg.

Dazu ist jedoch zu sagen, daß die Bauernschaft eines Dorfes insofern eine Einheit bildete, daß sie demselben Herrn zugehörte und dem gleichen Dorfgericht zugeteilt war. Diese Gemeinschaft ist also von unseren heutigen Dorfgemeinden, die auf einem räumlichen Ordnungsprinzip beruhen, zu unterscheiden.

Die Bevölkerungsstände hatten sich schon unter den Klosterherrschaften weit gehend nivelliert. Unter der Freiburger Talherrschaft wurde die persönliche Stellung der Talbewohner kaum verändert. Die einzelnen Standesbezeichnungen blieben zwar bestehen, hatten jedoch nur noch wenig Bedeutung. Jeder Talbewohner legte den gleichen Eid ab und war den gleichen Verpflichtungen unterzogen. Die Stadt verlangte von ihren Untertanen im Untertaneneid, den ordentlichen Gebrauch der Lehensgüter, eine genaue Rechnungslegung, pünktliche Zins- und Schuldenzahlungen, die Anerkennung der städtischen Gerichte und der obrigkeitlichen Rechte. Eine persönliche Leibeigenschaft gab es in der Talvogtei also nicht. Dies formulierte der Talvogt Dr. Schwarz ausdrücklich in einem Urteil von 1793 39, in dem er zu den durch die Josephinischen Verordnungen beunruhigten Bauern sprach: Er erklärte, daß keine Leibeigenschaft aufgehoben werden könne, wo keine Leibeigenschaft besteht. Und dies sei in den Gebieten der Talvogtei der Fall. Die Abgaben, die die Bauern zu leisten hätten, resultierten nicht aus einer Leibeigenschaft, sondern aus der Lehensherrschaft. Die Gefälle seien Mietzinsen für die Grundstücke.

Die Stadt vergab die Lehen nach einem Ratsdekret von 1663 als Erblehen. Bei Tod des Lehensträgers waren dessen Kinder oder deren Vogtleute verpflichtet, der Stadt innerhalb 6 Wochen und 3 Tagen einen Lehensträger zu melden, welcher nun die Gefälle bezahlte. Die Meierhöfe in Zarten und St. Märgen gab die Stadt nur auf Zeit als Lehen, die Zeit lag zwischen 1 Jahr und Lebenszeit. Die Bewohner hatten das Recht, ihre Güter zu verkaufen oder sie für drei Jahre zu verpfänden. Der Käufer mußte den Erwerb innerhalb eines Monats beim Talvogt oder dem Dorfvogt und Dorfgericht anzeigen. Die Bauern hatten also weitgehend Verfügungsgewalt über ihr Gut. Die Aufnahme verzinslicher Darlehen von der Obrigkeit oder Gemeindegenossen können an Urkunden beobachtet werden. Die Höhe der ordentlichen und außerordentlichen Gefälle, die die Gutsbesitzer zu entrichten hatten, wurden nach der Größe des Gutes festgelegt. Grundlage war hier weiter die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Lehen. Die Stadt Freiburg übernahm jedoch zum größten Teil die Steuereinteilung aus der Klosterzeit.

Zu Streitigkeiten zwischen der Obrigkeit und den Bauern kam es zum Beispiel in Zusammenhang mit den Abzugszinsen. Eltern durften ihr Kinder nicht ohne Wissen der Stadt nach auswärts verheiraten lassen. Hierauf war eine Strafe von 3 Rappen festgesetzt.

38 Armbruster (1950) S. 146 ff.
39 TVA Gen. IV,Conv. 8


3.6. Die Talvogtei bis zur Entstehung des Großherzogtums Baden

Im Rahmen der Geschichte Freiburgs nahmen die Bewohner der Talvogtei durch die Jahre hindurch an allen äußeren Geschehnissen, wie zum Beispiel den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Hause Habsburg und den Franzosen, teil. Die Rolle der Bewohner hierbei könnte, mit Ausnahme des Bauernkrieges von 1525, als passiv bezeichnet werden. "Den Hintersassen auf dem Land fiel nur die Aufgabe zu, die Mittel und auch die Menschen aufzubringen oder höchstens in der Rolle des Zuschauers am Rande der Geschehnisse teilzunehmen."40

An dieser Stelle möchte ich exemplarisch auf das Ereignis des Bauernkrieges eingehen. Diese Auswahl habe ich zum einen getroffen, da die Ausführungen hierzu an das vorrausgegangene Kapitel anknüpfen können, in welchem ich versucht hatte, die Situation der Talvogteibewohner in groben Zügen darzustellen. Zum anderen habe ich mich für die Darstellung des Bauernkrieges entschieden, da dieser auch bedeutende Auswirkungen auf die bauliche Entwicklung der Talvogtei hatte (siehe hierzu Kapitel 4.2.).

Die Bauern hatten durch die hohen Abgaben, die sie leisten mußten, vielfach Probleme, überhaupt genug zum Leben zu haben. Im Frühjahr 1525 standen überall in Deutschland die Bauern gegen ihre Herren auf. Als einer der Anführer der Bewegung, Hans Müller von Bulgenbach aus dem Hotzenwald, mit seinen Anhängern über St. Märgen ins Tal herabzog, schlossen sich viele Kirchzartener Bauern dieser Gruppe an. Die Bauern hatten allgemein das Bestreben, sich von Leibeigenschaft, Abgaben und Frondiensten zu befreien. Sie wollten von nun an nach dem Wort der Bibel, nicht nach der Willkür der adeligen Herren behandelt werden. Im Kirchzartener Tal war Junker David von Landeck auf Burg Wiesneck zum Beispiel von den Bauern wegen der Art und Weise der Ausübung seiner Hoheitsrechte angeklagt. Von Kirchzarten aus forderte die Gruppe die Stadt Freiburg auf, sich ihnen anzuschließen. Als die Stadt zögerte, plünderten sie die Burg Wiesneck, sowie das Schloß von Kirchzarten. Der damalige Talvogt hatte die Burg lange verteidigt, bis die Aufständischen schließlich die Ostmauer erstürmten und die ganze Burg in Flammen versetzten.4ı Daraufhin zogen die zwölftausend Bauern nach Freiburg. Die Stadt öffnete widerstandslos die Tore, da die Bauern in der Überzahl waren. Als jedoch kurz darauf das Heer des schwäbischen Bundes anrückte, zerstreute sich der Bauernhaufen. Freiburg nahm Rache an den Bauern und schickte Exekutionsmannschaften aus, die Kirchzarten überfielen und einigen Bauern den Prozeß machten. Eine weitere Konsequenz war zudem die Erhöhung der Abgaben.

Die Bevölkerung verarmte stark durch die Kriegsdienste und Abgaben. Die Einwohnerzahl der Talbevölkerung vermehrte sich von 1860 im Jahre 1700 auf 3149 Einwohner im Jahre 1786.

Als Kaiser Joseph II. im Jahre 1778 bei seinem Besuch der Vorlande versprach, die Untertanen im Rahmen seiner Reformation großzügig zu befreien, versuchten die Bauern natürlich erneut y sich von den Abgaben an die örtlichen Herrschaften loszureißen. 1783 begann im ganzen Breisgau ein Drittelskrieg. Freiburg führte gegen unzählige Gemeinden Prozesse. Obwohl die Stadt darauf hinwies, das der Dritteilabzug, der sowieso in den Händen der Gemeinden lag und längst nicht mehr mit seiner Wortbedeutung übereinstimmte, so milde gehandhabt wird, und sogar die Regierung Vermittlungsversuche zwischen den Bauern und der Stadt unternahm, endeten die Prozesse ohne Erfolg. Die Stadt hatte hohe Steuereinbußen zu verzeichnen.

Neben diesen inneren Schwierigkeiten war Freiburg auch noch von den äußeren Ereignissen betroffen. Durch den Frieden von Luneville 1801 und die Pariser Konvention hatte der Breisgau bis zum 18.10.1803 einen neuen Landesherren, Herzog von Modena. Am 27.12.1805 fand die österreichische Herrschaft in Freiburg durch den Frieden von Preßburg ein Ende. Der größte Teil des Breisgaus fiel an Baden. Der Württembergische Nachbar versuchte noch Ansprüche auf das ehemalige österreichische Gebiet durchzusetzen, hatte jedoch keinen Erfolg. Eine schwäbische Besitznahmekommission konnte bis nach Zarten und Kirchzarten vordringen; jedoch der Bevölkerung, die sich nicht davon abbringen ließ, der kurbadischen Regierung zu folgen, nicht lange standhalten.

Zunächst wurden die Talvogteigebiete weiterhin vom Talvogt verwaltet. Die Vogteien St. Märgen und Wagensteig wurden jedoch aus der Talvogtei herausgenommen und dem neuen Stabsamt St. Peter zugeordnet. In der Verfügung der großherzoglichen Regierung vom 9. April 1806 wurde die bisherige Form der Verwaltung schließlich aufgehoben und der übriggebliebene Teil des Talvogteiamtes unter das Oberamt Freibug gestellt.

Nach und nach wurden die Untertanen von ihren lehensrechtlichen Pflichten befreit und die stadteigenen Güter, die letzten Überreste der Freiburger Herrschaft im Dreisamtal, verkauft. 42

40 Haselier (1950) S. 297
41 Hesselbacher (1958) S. 52 ff.

42 Haselier (1966) S. 371


4. Die Talvogtei - Das Schloß von Kirchzarten

4.1. Beschreibung der Anlage

Kaum jemand würde wohl das Dreisamtal als bedeutende Burgengegend bezeichnen, da sich nirgendwo im Tal auch nur ein einziger Wehrturm oder Mauerzinnen finden lassen. Bei genauerem Hinsehen kann man jedoch Erstaunliches entdecken.

So hat Eduard Schuster, Großherzoglicher Wasser- und Straßenbauinspektor und zugleich sorgfältiger Erkunder badischer Burgen, in seinen Ausführungen "Die Burgen und Schlösser Badens"43 von 1908 für das Gebiet des Dreisamtales 16 Schlösser und Burgplätze aufgezählt. Um einen kleinen Einblick zu geben, könnte man beispielsweise die Burg Falkenstein am Eingang des Höllentales, von der wir noch einige wenige Mauerreste sehen können; die Wilde Schneeburg, die im Oberriedertal ihren Standort hatte; die Burg Falkenbühl, die bei Wittental lag; das Schloß Ebnet oder das Schloß Weiler in Stegen nennen.

In dieser Aufreihung nimmt auch die Talvogtei von Kirchzarten ihren Platz ein. Besonders von Freiburg her fällt der am westlichen Rand Kirchzartens neben der Bahnlinie gelegene dreigeschossige Bau ins Auge. Zusammen mit der auf leichter Anhöhe stehenden St. Gallus Kirche charakterisiert die Talvogtei die Silouette des Dorfes Kirchzarten.

Im folgenden möchte ich die Anlage der Talvogtei beschreiben, wie sie sich dem Betrachter 1994, also noch vor Beginn der Renovierungsarbeiten zum Rathaus der Gemeinde, darbot. Bei den Maßangaben beziehe ich mich hier auf die 1988 von zwei Karlsruher Architekten erstellte Bestandsaufnahme zur Talvogtei. 44

In den äußeren Abmessungen mit Länge der Nordflanke 30,5 m, Länge der Ostseite 33,5 m, Länge der Westseite 33,8 m, und Länge der Südseite 32,1 m ist die Anlage nahezu rechtwinklig und quadratisch. Der Gebäudekomplex, bestehend aus einem Nordflügel, einem Südflügel, sowie Westflügel (Mittelflügel), ist hufeisenförmig angelegt. Bis zu 1,40 m dicke Bruchsteinmauern aus unbehauenem Steinwerk mit Lagerschichten von ca. 30 cm Höhe umgeben die gesamte Burganlage. Der Innenhof ist von Osten her durch eine 7,50 m breite Lücke in dieser Außenmauer zugänglich. Der Nordflügel mit ca. 9,50 m Gebäudetiefe ist unterteilt in einen längeren 3-geschossigen Gebäudeteil, der direkt an den Mittelflügel anschließt, und einen kürzeren 1-geschossigen Gebäudeteil in Leichtbauweise, die sich an die historische Außenmauer anlehnt. Ebenso gliedert sich der Südflügel in zwei Gebäudeteile: einen; westlichen, ca. 8 m tiefen Bauteil mit 4 Geschossen und einem östlichen, ca. 13 m tiefen, 1-geschossigen Bauteil, ähnlich dem des Nordflügels. Nord- und Südflügel schließen den ca. 15 m langen und ca. 8 m tiefen West- oder Mittelflügel mit 3 Geschossen ein. Die Dächer der Gebäude, ausgenommen der Hallenbauten, sind mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Am ganzen Gebäudekomplex sind die Fenster sehr unterschiedlich dimensioniert und auf verschiedenen Höhen ohne festen Rythmus angeordnet. Im nördlichen Bereich der Außenmauer sind mehrere schmale Schießschartenöffnungen zu sehen. In der vom Mittelflügel und Nordflügel gebildeten Ecke des Innenhofes steht ein Treppenturm mit Steinwendel, über die die Obergeschosse der beiden Flügel erreicht werden können. Der Turm ist außen achtseitig und zeigt schiefe Fenster, innen ist er hingegen rund. Der Türsturz des Turmes trägt die Wappen von Freiburg und Österreich mit der Jahreszahl 1621. Zur Erschließung des Südflügel dient ein Treppenhaus aus Kunststeinstufen.

43 Schuster (1908)
44 Schirmer (1988) S. IV.1


4.2. Historische und bauliche Zusammenhänge der Talvogiei (T. in den historischen Quellen)

Talvogtei im Jahre 1881
Federzeichnung Lederle [Schneider (1983)]

Über die Talvogtei als geschichtliches Denkmal haben wir einen direkten Zugang zur Vergangenheit Kirchzartens. Das Gebäude spannt gewissermaßen einen Bogen vom Mittelalter bis in unsere heutige Zeit.

Vom Mittelalter bis in die Gegenwart übernahm die Talvogtei immer wieder neue Funktionen. So war sie ganz zu Anfang, im 13. Jh., wohl Burgsitz der Falkensteiner, dann zur Zeit der Freiburger Herrschaft im Kirchzartener Tal Amtssitz verschiedener Talvögte, bis sie um 1800 für private Landwirtschaft genutzt wurde und schließlich im 20. Jh. überwiegend Wohnräume und Werkstätten zur Verfügung stellte. Aus dieser unterschiedlichen Nutzung des Schlosses durch die Jahre resultierten unzählige bauliche Veränderungen, wie zum Beispiel Anbauten oder Änderung der Raumaufteilung, usw..

Aussagen über diese bauliche Entwicklung der Talvogtei lassen sich heute zum einen aus unmittelbaren Beobachtungen und Untersuchungen am Bauwerk machen. Wie mir Herr Dr. Schärf, derzeit mit der Renovation der Talvogtei beauftragter Architekt und Kunsthistoriker, in Gesprächen vermittelte, fällt bei diesen Untersuchungen den heute angewandten Altersbestimmungsmethoden verschiedener Materialien, wie der Dentrochronologie oder der Radiocarbon - Methode (Ci4-Methode), die bedeutenste Rolle zu.

Neben diesen Nachforschungen am Bauwerk selbst muß historisches Quellenmaterial ausgewertet werden. Im Falle der Talvogtei sind hier Kaufbriefe, Lehensbriefe, sowie besonders die gut erhaltenen Rechnungsbücher relevant.

Aus dem so erhaltenen Wissen über die baulichen Veränderungen der Talvogtei lassen sich dann auch wieder Schlüsse ziehen, welche Bedeutung das Schloß oder Teile davon in den verschiedenen Zeitphasen hatte.

In diesem Abschnitt möchte ich nun die bauliche Entwicklung der Talvogtei vorwiegend vor dem Hintergrund der historischen Quellen beleuchten. Auf Untersuchungen und Beobachtungen am Gebäude selbst werde ich dann im folgenden Abschnitt, 4.3., in Zusammenhang mit der momentanen Renovierung der Talvogtei eingehen.

4.2.1. Die Talvogtei im Mittelalter

Wer die Erbauer der Talvogtei waren, ist bis heute noch ungewiß, da hierzu leider kein Quellenmaterial zur Verfügung steht.

Den ersten ausdrücklichen Beleg für das Existieren einer Burg erhalten wir aus einem Lehensbrief aus dem Jahre 1437 45. In dieser Urkunde ist die Rede von der Verlehnung des dritten Teiles der Burg und dem Dorfe Kirchzarten an Heinrich von Blumeneck (vgl. Kapitel 2.2.4.). Die übrigen zwei Drittel an Dorf und Burg Kirchzarten hatte, so wissen wir aus der Kaufurkunde der Stadt Freiburg, von 1492 46, Konrad von Hailfingen zu dieser Zeit inne.

Man geht jedoch allgemein davon aus, daß vor den Junkern von Blumeneck und dem Ritter von Hailfingen wohl auch schon einige Falkensteiner in der Burg gewohnt hatten.47 Diese Falkensteiner werden nun vorsichtig mit der möglichen Entstehungszeit der Burg in Verbindung gebracht. Die mittelalterliche Burganlage hatte dann wahrscheinlich für die Falkensteiner Wehrcharakter und stellte deren Machtsymbol dar.

Die Meinungen darüber, ob die Burg mit dem in noch früheren Urkunden (z.B.: Verkaufsurkunde des Dinghofes an den Johanniterorden Freiburg von 1297 48) erwähnten Dinghof gleichzusetzen ist, sind hingegen jedoch stark zweigeteilt. Ein Anhaltspunkt für diese Gleichsetzung wäre beispielsweise, daß ein Altarbild der St. Gallus Kirche in Kirchzarten den Heiligen Gallus mit einem der Talvogtei wirklich sehr ähnlichen Gebäude zeigt (siehe Anhang).

45 STAF A1 / VIII
46 STAF A1/VIII
47 Dreisamtäler 22.12.1994
48 GLA Abt. 20/1300/Conv. 10

4.2.2. Die Talvogtei als Amtssitz der Freiburger Talvögte
1 Ich Hans von Lüchtenbergk Bekenn mich offenlich mit diesen Briefe. Das ich von den vesten

2 fursichtigen ersamen wisen Burgermeister und Ratt der Sttet fryburg im Brysgau min lieben Hern

3 Ein Lehenbrieff uber ein lehen so ich vor Zite entpfangen Zunhab. Von wortt Zu wortt also (h)ittende. Wir

4 Bürgermeister unnd Ratt der Stett fryburg im Brysgau Bekennen mit disem briefe. Das mir dem

5 (..) vesten hansen von luchtenburg Kompther kunglicher maiestat Bergkrichter diser vorderen

6 lande. Zu rechtem lehen Im und sinen Erben geluhen haben. Und luhen Im wissentlich mit und

7 in crafft des brieffs. Den Teil des Schloßs Zu Kilchzarten So des Hallfingers gewesen in dem buttzher

8 peter schifflin gesessen ist mit sampt den Zweyen schuren Zeug und kreutter gertten dem selbigen Schloss

9 zugehorende. Darzu die vier wyher so umb das schloss ligend. vier Juchartten matten am vischrein

10 und acht Juchartten ackers auch am selbigen ende aneinander gelegen Zu Sampt den vischwassern

11 die man nennet die Krumen und dem Hagen. wie wir das bis har Inn gehapt und genessen haben mit

12 (iren) influssen und Zugehörden. fur (unnerkumbert) das alleser und sin erben. Acht Jar lang nach dis

13 brieffs dato nechst nacheinander volgende Inn Zuhabende Ze nutzen und Zuniessen an unser und unsere nach-

14 komen (..) und Irrung. fur und umb funffundZwentzig gulden (..) oder aber Sechtzig (..)

15 fur ein gulden unser werung die er und sin erben uns und unsern nachkomen fürterhin die acht Jar {uß).

16 und yedes Jars bestunder uff Sant martins des heiligen Byschoffstag. und (um) Sant martins tag uber

17 ein Jar anZu(sehend9 anner Zug und widerrede Zinsen und geben soll DarZu das gemelt Schloss ob das

18 von venstern öfen und schlossen brechhafftig wurde. auch die schüren gertten wyher acker und matten

19 mit anderen im gutten Zynlichen wasenlichen (Buven) und eren Zu haben. und uff dem

20 wasser unser vischer ordnung halten. Kein (hurling) in dem wasser vohend (Besunder) das allweg

21 wider inwerffen lassen unnd alles das so die angereckt vischer ordnung in sich halt und uffwiset

22 gemeinlich und Sunderlich volzichend dero leben und nachkomen on alle widerred. und obge-

23 dachtem hansen von Lüchtenburg oder sinen erben. uber kurtz oder vor(her) erschynung der acht Jaren.

24 mit (möre) gelegen sin wolt die gemelten vischwasser by den andern güttern So Inn als obstet gelühen

25 sint Zuhaben. Das er solichs niemans lihen. Sunder uns das wider Zu unsern handen uffgeben soll

26 Ob auch gedachter hans den Zins in acht oder viertzehen tagen ungenerlich nach Sant nartins

27 tag herlichs entrichten würde. Das dann dise lehenschafft ob wir vollen ob sye. und Zu unseren

28 willen und gefallen sten solle. In oder andern die Zu lihen ungehindert des gedachten hansen siner

29 erben und sunsten menglichs alles erberlich und angenerde. Der Zu waren Urkund haben wir

30 unser Stett Secret Ingesigel offenlich lassen hencken an diesen brieff. Der geben ist uff Samstag nach

31 dem heiligen uffartstag. Als man zalt von der gepurt unsers herren Jhesu Cristy Tusent

32 fünffhundert und vier Jar Und umb das die obgenanten von fryburg wissen was üch Zü lehen

33 von Ine hab. und Innen (davon) Zethin verbunden bin So hab ich Innen disen brief In

34 (Reuerstwyse) Zü handen gestelt und ()ben uff Sanstag vor Sant Martinstag als man

35 Zalt von der gepurt unsers lieben herren Jhesu Cristy Tusent und vier Jar und mit minem eigen Ingesigel besigelt.

STAF F26/7


Etwa 300 Jahre war das Schloß Amtssitz der Freiburger Talvögte. Aus dieser Zeit stammt auch die heutige Bezeichnung des Gebäudes als Talvogtei. Es sieht zwar so aus, als ob der erste Talvogt 1497, Peter Schifflin, das Schloß als Privatperson von der Stadt zu Lehen bekam, nicht als Vogt. 1558 jedoch erhielt Johann Laurenz das Schloß ausdrücklich als Teil seiner Entlohnung für sein Amt als Talvogt. (vgl. 3.3.2.) Aus einem Lehensbrief von 1504 49 erfahren wir, daß zum Schloß Kirchzarten weiter zwei Scheunen, Kräutergärten, vier Weiher nahe dem Schloß, acht Jucharten Acker sowie Fischgewässer gehörten. Spätere Quellen, aus dem 18. und 19. Jhd. berichten uns immer wieder, daß ein südöstlich der Talvogtei gelegenes Gebäude als Zehntscheuer genutzt wurde. In einem Lageplan der Talvogtei des Dominic Zähringer von 1799 wird dieses Gebäude eindeutig als städtischer Besitz bezeichnet.50

In dieser Zeit der Freiburger Herrschaft im Kirchzartener Tal wurde die Talvogtei unzählige Male baulich verändert. Das Gebäude gab seine Funktion als Wehranlage allmählich auf und wurde als Verwaltungssitz und Wohnraum bedeutsam. Über diese zahlreichen Umbaumaßnahmen an der Talvogtei geben uns die aus der Zeit von 1540 bis 1581 nahezu vollständig erhaltenen Rechnungsbücher Aufschluß [Auszüge siehe Anhang]. Als Beispiel für solch eine Rechnung möchte ich hier eine Glaser-Rechnung aus dem Jahre 158051 anführen. Dort stellt ein Freiburger Glaser, Paule Fedrer, der Stadt insgesamt 17 an der Talvogtei eingesetzte Fenster in Rechnung. Aus der Rechnung geht weiter hervor, daß eine Scheibe aus ca. 60 Einzelscheiben gefertigt wurde, was bedeutet, daß es sich um Butzenscheiben gehandelt haben muß. Ich denke, daß diese Rechnung auch sehr schön im Unterricht eingesetzt werden könnte, da sie exemplarisch zeigen kann, wie sich die Talvogtei langsam von einer Burganlage zu einem Amts- und Wohnhaus entwickelt hat; die schmalen Lichtscharten in den Außenmauern wurden nach und nach durch Fenster ersetzt.

Martin Hesselbacher stellt in seinen Ausführungen 1958 im Nachrichtenblatt der Denkmalpflege 52 die Vermutung an, daß es sich bei der regen Bautätigkeit an der Talvogtei im 16. Jh. wohl um Wiederaufbauarbeiten nach dem Bauernkrieg handelte. Die Burg wurde damals durch den Brand bei der Einnahme durch die Bauernhaufen (vgl. Kapitel 3.6.) stark beeinträchtigt.

Diese Um- und Wiederaufbaumaßnahmen dauerten vermutlich bis etwa zum Beginn des 17. Jh.. Zu dieser Annahme kam man, da der Türsturz des Treppenturmes heute noch die Jahreszahl 1621 zeigt. Der Treppenturm bildete, so wird angenommen, den letzten Bauabschnitt dieser Phase.53

Da aus dem 17. Jh. kein Quellenmaterial überliefert ist, können auch keine Aussagen darüber gemacht werden, ob und wenn ja, wie stark die Talvogtei während des 30-jährigen Krieges beeinträchtigt worden war.

Nach einer Lücke von 135 Jahren, von denen uns heute keine Rechnungsbücher vorliegen, berichtet uns erst 1716 wieder eine Rechnung über Arbeiten am Schloß54. Die dort nachzulesende Bemerkung, daß in der Gesindestube ein neuer Ofen gemacht wurde, da der alte Ofen von den Franzosen zerstört worden war, gibt uns den Hinweis, daß das Talvogteigebäude wohl auch während des Spanischen Erbfolgekrieges beschädigt worden war.

Auch von den Kriegswirren der Revolutionskriege blieb die Talvogtei nicht verschont, so Hesselbacher.55 1796 zog General Moreaux mit seinen Truppen durch das Höllental zurück und brandschatzte auch Kirchzarten. Die Talvogtei wurde dabei vollkommen ausgeplündert. Der damalige Talvogt, Dr. Schwarz, mußte seine ganze Habe zurücklassen und nach Freiburg fliehen.

49 STAF F26/7
50 STVF B4 Nr. 14 S8
51 STAF F27/719
52 Hesselbacher (1958)
53 Haselier (1966) S. 267
54 STAF F 26/6
55 Hesselbacher (1958)



4.2.3. Die Talvogtei in privatem Besitz

Nachdem der Breisgau im Jahre 1806 dem geschaffenen Großherzogtum Baden angegliedert und das Talvogteiamt aufgelöst worden war, machte die Stadt Freiburg erstmals 1808/09 den Versuch das Talvogteigebäude an Kirchzarten zu verkaufen, was jedoch aufgrund des zu hohen Verkaufspreises nicht glückte.56 1810 vermietete die Stadt zwei Zimmer an die Gemeinde Kirchzarten, die diese als Schulräume nutzte. Daneben vermietete die Stadt noch weitere Räume der Talvogtei an verschiedene Privatpersonen.

Nachdem die Stadt dann auch beim zweiten Versuch 1813 keinen entsprechenden Käufer gefunden hatte, verpachtete sie das Gebäude an Andreas Gremmelsbacher aus Burg.57 Dieser Pachtvertrag dauerte bis 1825. Nach 1820 geben uns die Quellen zwar keine eindeutigen Hinweise mehr zu Besitzerwechseln der Talvogtei, doch es wird angenommen, daß spätestens nach dem Ende dieses Pachtvertrages Kirchzarten die Talvogtei kaufte. Die städtische Zehntscheuer war jedoch von diesem Verkauf ausgenommen. Diese wurde von Freiburg zur Unterbringung der Ernteerträge von den städtischen Feldern genutzt.

Die Gemeinde verkaufte den Besitz jedoch kurze Zeit später wieder an Privatpersonen. Hesselbacher erwähnt zwei Landwirte als Besitzer zu dieser Zeit.58 Diese, so wird vermutet, bauten den bisher noch bewohnten Südflügel zu einer Scheune um, da die kleine Scheune der Landwirtschaft nicht genügte.

Auch von dieser Zeit bis heute sind uns nur sehr wenige Quellen überliefert. "Es kann jedoch angefügt werden, daß das Jahrhundert, in dem wir leben, für das Schloß Talvogtei nicht sehr aufregend war. Weder die deutsche Wehrmacht noch die späteren Besatzungsmächte nutzten das Schloß, was beide bei vergleichbaren Objekten nicht ungern getan haben, wofür es auch in der näheren Umgebung des Dreisamtales Beweise gibt." 59

Nach dem zweiten Weltkrieg wollte der damalige Besitzer des Südflügels der Talvogtei, Mechaniker Wießler, das Schloß zu Wohnungen ausbauen.60 Das Gebäude war stark baufällig geworden. Zum einen wies der Ostgiebel einen Riß auf, zum anderen war die hofseitige Scheunenmauer stark nach außen ausgebaucht. Auch das Dach war in sehr schlechtem Zustand. Wießler bemühte sich um die Beschaffung finanzieller Mittel, doch ohne Erfolg. So stürzte am 11. August 1952 die Hofwand und der größte Teil der Ostgiebelwand des Südflügels ein, wodurch das Dach der Scheune auch zerstört wurde.

Im Herbst 1956 interessierte sich der Landwirt Josef Ernst für den Kauf der Talvogtei. Er wollte sie zu Wohnzwecken wieder aufbauen. Dabei wurde er von 
der öffentlichen Denkmalpflege unterstützt. Herr Ernst baute den Südflügel zu einem dreigeschossigen Wohnhaus aus, wobei er die stehengebliebenen Mauern mitverwendete. Der neue Südflügel stand hofseitig nur noch 1,30 m vor dem Westflügel vor. Das Dach des Westflügels wurde über den Neubau hinweg verlängert. Es hatte die gleiche Firsthöhe wie das alte Dach. Gemäß denkmalpflegerischen Forderungen wurde das Dach mit alten handgestrichenen Biberschwanzziegeln, welche von wertlosen Bauten beschafft wurden, gedeckt. Der Südflügel als solcher steht also seit dieser Zeit nicht mehr. Aufgrund der neuen Wohnbedürfnisse mußten die Geschoßhöhen verändert werden, wodurch die Fenster nicht mehr in der gleichen Höhe, wie die alten waren. Dies wird
besonders an der Westseite deutlich.

 

56 GLA Abt.229/53128
57 STAF F 26/7
58 Hesselbacher (1958)
59 Badische Zeitung 17.7.1993 'Auf den Spuren früherer Talvögte'
60 Hesselbacher (1958)

Auszug aus dem Literaturverzeichnis

Antonow, Alexander: Burgen des südwestdeutschen Raums im 13. und 14. Jh. Konkordia Verlag Baden 1477

Armbruster, Fritz: Zur Rechtsgeschichte der Freiburger Talvogtei. Dissertation Freiburg 1950

Borst, Otto: Alltagsleben im Mittelalter. Insel Verlag Frankfurt am Main 1983

Büttner, H.: Franken und Alemannen in Breisgau und Ortenau (1939)

Haselier, Günther (Hrsg.): In Marcha Zardunense. Badenia Verlag Karlsruhe 1966

Hecht, Ingeborg: Freiburg. Schönbergverlag Freiburg 1986

Hesselbacher, M.: Die Talvogtei, das Schloß von Kirchzarten. in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 (1958) S. 52 ff.

Lais, R.: Das Dreisamtal als mittelsteinzeitliches Siedlungsgebiet. in: Schau-ins-Land 69 (1950) S. 3 ff.

Ripper, Werner (Hrsg.) u.a.: Die Welt des Mittelalters. Diesterweg Frankfurt am Main 1995

Ruhl, Klaus-Jörg: Kirchzarten. Schönbergverlag Freiburg 1985

Schirmer, Wulf; Klessing, Martin: Bestandserfassung vom Schloß Kirchzarten. Karlsruhe 1988

Schneider, Konrad: Zauberisches Dreisamtal. Schillinger Verlag Freiburg i. Br. 1983

Schreiber, H.: Urkundenbuch der Stadt Freiburg. 1828 ff.

Schuster, Eduard: Die Burgen und Schlösser Badens. Karlsruhe 1908

Sprandel, R.: Das Kloster St. Gallen in der Verfassung des karolingischen Reichs 1958

Tschira, Arnold: Wasserburgen im Breisgau. Freiburg Badische Heimat Jahreseft 1929

Uffelmann, Uwe: Geschichte des Mittelalters. Schwann Düsseldorf 1982

Weber, Max: Geschichte der Pfarrei Kirchzarten. Badenia Verlag 1967