Tarodunum
Fabricius
Neujahrsblätter der Bad. Hist. Kommission 1905 S. 13 ff.
Wenn man von Freiburg aus auf der Höllentalbahn in den Schwarzwald
fährt, so kommt man mitten durch das Gebiet einer sehr alten Stadt
hindurch. Bevor die Bahn bei der Station Himmelreich in die berühmte
Talenge eintritt, überschneidet sie ein 2 1/2 km langes Plateau, das
von vereinzelten Höfen und von Ackerland oder Wiesen bedeckt ist. Die
beiden Quellbäche der Dreisam, der von St.Märgen herabkommende
Wagensteigbach und der Rotbach, der das Höllental durchfließt,
umschließen vor ihrer Vereinigung vor Zarten die nach Westen mäßig
geneigte Fläche. Auf der Nord-und Südseite, sowie im Westen, wo das
Plateau in eine Spitze ausläuft, durch Steilabhänge von
durchschnittlich 15 m Höhe umsäumt, hängt es auf der Ostseite durch
einen 670 m breiten Rücken mit dem das Tal überragenden Gebirge
zusammen. An den Rändern dieses Plateaus haben sich an vielen Stellen
Reste einer zusammenhängenden Befestigung erhalten, die sich als
wallartige Erhöhung darstellt. Auf der Ostseite war das Stadtgebiet
außerdem durch einen Graben geschützt, der von Abhang zu Abhang quer
über den Rücken hinweg zieht. Er führt den Namen Heidengraben und ist
noch jetzt als flache Einsenkung im Ackerlande erkennbar. Die ganze
Anlage hat einen Umfang von 6 Kilometern, und die umwallte Fläche
bildet ein Areal von 190 Hektar.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß dies die Überreste des von Ptolemäus
unter den Städten im südlichen Germanien genannten Tarodunum sind. Denn
der Name hat sich bis heute als Zarten, Kirchzarten und Hinterzarten in
den Namen benachbarter Dörfer erhalten. Wie durch die Lautverschiebung
aus Tabernae Zabern oder aus Turicum Zürich geworden ist, so mußte nach
den Gesetzen des Lautwandels Tarodunum sich zu Zarten umbilden. Die
Zwischenstufen dieser Umbildung sind zudem in mittelalterlichen
Urkunden erhalten.
Das Wort Tarodunum ist aber keltischen, nicht germanischen Ursprungs,
keltisches dunon entspricht altdeutschem zun, neuhochdeutschem Zaun und
englischem town. Es bedeutet die feste Stadt. Keltisch ist aber auch
die Bauart der erwähnten Ringmauer.
Bei einer Ausgrabung, die mit Mitteln der Stadt Freiburg im Herbst 1901
auf der Ostseite des Plateaus am Heidengraben vorgenommen wurde,
stellte sich heraus, daß dieser ursprünglich ein Spitzgraben von 12
Meter Breite und 4 Meter Tiefe war. Auf seiner Innenseite lag eine
gewaltige, ehemals aus großen Steinen errichtete Mauer, und in der
Kieshinterschüttung dieser Mauer wurden nicht allein große Mengen von
Holzkohlen gefunden, sondern auch in beträchtlicher Anzahl etwa 20 cm
lange, schwere, eiserne Nägel. Die Befestigung von Tarodunum war also
kunstvoll genug aus abwechselnden Balken und Steinen hergestellt, wie
es Cäsar als die zu seiner Zeit übliche Bauart fast aller
Festungsmauern der Gallier ausführlich beschreibt und wie es die Funde
in Frankreich bestätigen. Die wenigen, aber charakteristischen
Gefäßscherben endlich, die in der Sohle des Grabens zwischen
Brandschutt angetroffen wurden, gehören der jüngeren La-Tene-Zeit an.
Sie können nicht erheblich älter als aus dem Ende des zweiten
Jahrhunderts vor Christi Geburt sein.
Fragen wir nach den Erbauern der gewaltigen kunstvollen Mauern der
Stadt Tarodunum und nach ihren Bewohnern im 2. Jahrhundert vor Christi
Geburt, so lautet die Antwort: es können nur Kelten, also einzig jene
Helvetier gewesen sein, die als die früheren Bewohner unseres Landes
durch Tacitus und Ptolemäus bezeugt sind.
Noch im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt war also das Dreisamtal Sitz
einer reichen und blühenden keltischen Kultur. Wenn auch die ganze
Fläche von Tarodunum nicht von Wohnstätten bedeckt war, so läßt doch
die Größe der Stadt auf zahlreiche, seßhafte Bewohner, und ihre Lage im
offenen Tal an leicht zugänglicher Stelle auf friedliche, geordnete
Verhältnisse und ausgedehnten Ackerbau schließen.
Freiburger Lesebuch.
Ein Beitrag zur volkstümlichen Erziehung der Jugend Freiburgs.
Fünfte vollständig umgearbeitete Auflage des Vaterländischen Lesebuchs
von F. Krönlein.
Herausgegeben von F. Heilig.
Freiburg im Breisgau ‚
C. Troemer´s Universitäts-Buchhandlung (Ernst Harms) 1912.
Seite 10-12