Eine Fernhandelsstation für Stiere?
Vortrag der Volkshochschule über die als keltisch geltende Tarodunum-Siedlung bei Kirchzarten
Badische Zeitung, 22. NOVEMBER 2018
Von Holger Schindler
KIRCHZARTEN. Dort, wo sich Höllenbach und Wagensteigbach zur Dreisam
vereinen, in einem Gebiet zwischen Burg und Burg-Birkenhof, lag einst
die Befestigung Tarodunum – und etwas weiter westlich, beim heutigen
Ort Zarten, die Siedlung Tarodunum, wiederentdeckt 1987. Beides stammt
aus keltischer Zeit, soweit man weiß. Sonst weiß man nicht allzu viel.
Doch die ambitionierten Hobbyforscher Ralf Determeyer aus Kirchzarten
und Wilfried Kromer aus Freiburg-St. Georgen wollen nun Neues zur
Vergangenheit der Dreisamtalbesiedelung herausgefunden haben. Danach
war Tarodunum möglicherweise größer, älter und wichtiger als bislang
angenommen – und besser vernetzt, wenn man so sagen will.
Bei einem Vortragsabend der Volkshochschule Dreisamtal präsentierten
die beiden ihre Erkenntnisse. Rund 60 Menschen waren in die
Talvogtei-Scheune gekommen, um zu hören, was Determeyer und Kromer zu
berichten hatten. „Das ist mehr als der Durchschnitt bei solchen
Veranstaltungen“, sagte Wolfgang Schulz, Chef der Volkshochschule
Dreisamtal. Und die Referenten ließen sich nicht lumpen. Vor allem Ralf
Determeyer brannte ein ganzes Feuerwerk ab von Fotoaufnahmen
auffälliger Geländemerkmale rund um Kirchzarten sowie von Landkarten
und Google-Earth-Szenarien der Region mit vielen bunten Linien und
Pfeilen. Wolfgang Schulz musste am Ende verbal reingrätschen, weil der
Tarodunum-Forscher in seinem Eifer wohl noch lange hätte weiterreden
können.
Ein Netz aus Handelswegen Im Kern
sagte Determeyer: Die Dreisamtalsiedlung Tarodunum lag nicht zufällig
dort, wo sie war, sondern war eingebunden in ein Netz aus uralten
Fernhandelswegen, die den ganzen Kontinent durchzogen, und war zudem –
wohl noch wichtiger – Teil eines von ganz bestimmten
mathematischgeometrischen Prinzipien geprägten Systems prominenter
Landmarken und geografischer Gegebenheiten.
So liege das alte Tarodunum beispielsweise genau auf der
Verbindungslinie zwischen den Gipfeln von Belchen und Kandel und dazu
auch noch am Punkt des sogenannten goldenen Schnitts. Auch die Zahl 23
und ihre Vielfachen spielen in den Theorien von Determeyer und Kromer
eine große Rolle. Die Tarodunum-Anlage bilde darüber hinaus den
keltischen Kalender ab.
Bei Ortsbegehungen wollen die Forscher zudem erkannt haben, dass es
auch an den Schwarzwaldhängen südwestlich von Kirchzarten bedeutende
menschliche Artefakte gibt. Auf dem weithin sichtbaren, langgezogenen
und gestuften Bergsporn, der sich von Dietenbach / Neuhäuser zum
Schauinsland hin erhebt, habe man ein riesiges Grabensystem von mehr
als zwei Kilometer Länge ausgemacht. „Die Doppel- und zum Teil auch
Dreifach-Grabensysteme erreichen an manchen Stellen eine Tiefe bis
sechs Meter“, erklärte Determeyer.
Es sei gut möglich, dass man Spuren eines wesentlich älteren, eventuell
vorkeltischen Ur-Tarodunums gefunden habe. „Meines Erachtens war der
Ort ursprünglich eine Art Fernhandelsstation für Stiere“, spekulierte
Wilfried Kromer über Tarodunums Vergangenheit.
Dass Determeyer schließlich noch Eindrücke von Wünschelrutengängern
als Argument für seine Ideen anführte, sorgte bei manchen Zuhörern
für Stirnrunzeln. „Schmeißen Sie keine Tomaten“, bat der Referent. Er
gebe nur wieder, was andere Menschen vor Ort erfahren hätten, auch wenn
dies nicht wissenschaftlich im engen Sinne sei.
Am Ende blieben viele sichtlich beeindruckte und zugleich auch meist
etwas verwirrt dreinschauende Besucher zurück. „Mir war das, ehrlich
gesagt, alles etwas zu hoch“, erklärte ein älterer Herr aus dem
Publikum, der lieber anonym bleiben will. VHS-Leiter Wolfgang Schulz
sagte: „Ich bin jedenfalls dankbar für den engagierten und auch
anregenden Abend, bei dem Menschen aus Kirchzarten und der Region
andere Menschen an ihrem Wissen und ihren Gedanken haben teilhaben
lassen – und das ganz ohne Entgelt. So muss Volkshochschule sein.“