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  Arbeitsunfähigkeit durch Unfall
transkripiert und kommentiert von Fridolin Hensler

Ein eindrucksvolles Bild des sozialen Netzwerks innerhalb der Gemeinde um 1840 vermittelt uns eine Beilage der Jahresrechnung 1843/44 im folgendem Wortlaut:

Geschehen Stegen den 26 te November 1843
              vor versammelter Gemeinde.

Verpflegung des presthaft kranken
Martin Föhr ledig von hier betr.

Martin Föhr Zimmermann verunglükte im Jahr 1842 bei Holzabladung so, daß ihm ein Stük Bauholz auf den Ruken fiel und ihn so beschädigte, daß ihm die Füße gelehmt wurden, auch bisher nicht wieder geheilt werden konnte, und nicht mehr vom Bettler kommen kann.
In dieser langen Zeit über ein Jahr hat er sein wenig gehabtes Vermögen aufgezehrt; weswegen er bei der Gemeinde um Verpflegung nachsuchte.

Bei der heutigen Gemeindeversammlung wurde dieser Gegenstand vorgebracht und der Antrag gemacht, welcher Bürger allenfalls denselben und um welchen Betrag ihn in die Verpflegung nehmen wolle, es fand sich aber keiner vor:

Am Ende tragt sich Mathias Föhr Schneider und Bruder desselben an, sein Bruder, da er ihn schon in seiner Wohnung hab,  für täglich 30 x, dreißig Kreuzer, in allem nöthigen ohne Medikamenden, deren er bedürfe, auf längere Zeit oder auf ein Jahr, wenn keine Änderung vorfalle, verpflegen wolle.

Da man den Antrag für billig fand, so wurde dieses als Festsezung obigen dreyßig Kreuzer dem Mathias Föhr aus der Gemeindekasse zu zahlen, unterzeichnet“.
Gemeinderechnung Martin Föhr
Diese Vereinbarung ist mit Unterschrift des Bürgermeistern und der 3 Gemeinderäte unterschrieben. Bei der im Bericht erwähnten „Gemeindeversammlung“ waren aber nicht alle volljährigen Einwohner der  Gemeinde zu verstehen, sondern eine Versammlung der Gemeindebürger. Einwohner ohne Bürgerrecht hatten keine Mitsprache bei Entscheidungen über Gemeindeangelegenheiten. Der Erwerb des Bürgerrechts in einer Gemeinde war eine bedeutende soziale Aufwertung, aber auch an bestimmte materielle Voraussetzungen des Vermögens oder besondere handwerkliche Qualifikation und an die Volljährigkeit gebunden. Innerhalb einer Gemeinde war gelegentlich auch die Zahl der Bürgerrechte begrenzt. In Stegen waren im Jahr 1842 unter 352 Einwohnern 56 Personen mit Bürgerrecht. Mancherorts, allerdings nicht in Stegen, war das Bürgerrecht auch mit einem Bürgernutzen (kostenlose Abgabe von Holz oder kostenloses Pachtfeld) verbunden.

(siehe Gemeindearchiv Stegen - Gemeinderechnungen 1843/44 Foto: F.Hensler)