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Hofübergabe im Hannissenhof
1842


Aus den Akten des Gemeinde-Achives Stegen (W1 Nr.109) übertragen und zusammengestellt von Fridolin Hensler

Die vorliegende Hofübergabe des Hannissenbauern Joseph Andris an seine verheiratete Tochter Maria, Ehefrau des Joseph Birkenmeier aus Stegen gibt nicht nur Einblick in die familiären Verhältnisse, sondern auch in die Arbeitswelt im Jahr 1842. Dabei werden neben dem Grundbesitz auch zahlreiche Einzelheiten der Beschaffenheit der häuslichen Verhältnisse und die seinerzeit benützten Gerätschaften und Werkzeuge im Haushalt und der landwirtschaftlichen Arbeit in Feld und Wald beschrieben. Da es keinerlei Bildmaterial dazu gibt, sind die aufgeführten Materialien, Werkzeuge und Gerätschaften heute nicht immer eindeutig zu bezeichnen oder vorstellbar.

Familie Andris 1842
Der Vater Joseph Andris Hannissenbauer geb. 25. Febr. 1782
Die Mutter, seine Ehefrau Marianne Bank geb. 16. Sept. 1778
Kinder:
Magdalena Andris geb. 19. Mai 1803
Maria geb.10. Jan. 1805, Ehefrau des Josef Birkenmeier aus Stegen
Joseph geb. 17. Jan. 1808
Regina geb. 13. Nov. 1817
Rosina geb. 19. April 1822

Von den vorhandenen 5 Kindern war die am 19. Sept. 1822 geborene Tochter noch nicht volljährig. Aus diesem Grund war bei der notariellen Übergabe die Einwilligung ihres Pflegers Andreas Müller (Schweinehändler) erforderlich. Die vertragliche Übergabe des Hofgutes wurde mit behördlicher Genehmigung vor dem zuständändigen Distriktsnotar Alban Glyckherr von Neuhäuser am 7. Februar 1842 in Wittental vorgenommen. Josef Andris Hannissenbauer und seine Frau Marianne geb. Bank hatten zuvor die landamtliche „Alters Dispens zur Übergabe“ erhalten. In Gegenwart der Beteiligten und der Urkunds Personen Bürgermeister Johann Tritschler und Weisenrichter Lorenz Janz wurde das Vermögen beschrieben und zuvor das nachfolgende Leibgeding vereinbart.

Die Übergeber (Eltern) behalten sich folgendes lebenslängliche Leibgeding auf dem Hofgute dem s.g. Hannissenhof vor.

1. Freie Wohnung in dem hintern Stüble mit dem Bemerken, daß das Stüble nemlich die Wand vier Schuhe gegen die Nebenkammer zurükgestellt werden muß.
2. Die Kammer auf den beiden Stüblein, wann der Bauer die Kammer gerne unterschlägt, so behalt der Leibgedinger die außere Hälfte der Länge nach.
3. Den hintern Keller, wozu aber der Bauer den Keller hälftig der Länge nach unterschlagt, so beheltet der Leibgedinger den Theil auf der rechten Seite vor.
4. Statt und Plaz in der Küche; der Bauer muß aber unter dem hintern Gewölbe einen kleinen Feuerherdt und Kochwerk herstellen lassen und eine Kochpfanne und einen kleinen eisernen Hafen einmauern lassen.
5. Behalt sich der Leibgedinger das nöthige Holz zum Waschen und Backen, sowie zum Kochen und Einheitzen, und die nötigen Lichtspähne vor.
6. Der Leibgedinger hat das Recht mit dem Bauern zu backen und das Brod mitten in den Backofen zu legen.
7. Behelt der Leibgedinger den kleinen Krautgarten vor beim Speicher, und der Bauer muß den nötigen Dung dazu geben und den Haag im Stand erhalten.
8. Behelt der Leibgedinger eine Kuh vor, welche hinten im Stall an des Bauern Kühe gestellt werden muß und welche der Bauer mit seinen Kühen im Sommer und Winter gehörig zu füttern hat, wann aber die Leibgedingskuh keine Milch gibt, so muß der Bauer dem Leibgedinger alle Tag von seinen Kühen von denselben weg eine Maas Milch abgeben bis die Leibgedingskuh wieder Milch gibt.
9. Wochentlich ein Pfund Butter, wenn die Leibgedingskuh keine Milch gibt.
10. Behelt sich der Leibgedinger ein Mutterschwein vor und das Recht dieselbe in dem fünfhintersten Stall zu stellen, und auf dem Wasen mit des Bauern laufen zu lassen.
11. Behelt der Leibgedinger ein Mutterschaf vor, welches im Winter mit des Bauern gefüttert und im Sommer mit des Bauern geweidet werden muß, wann das Schaf im Spätjahr Junge macht, so müssen die Junge bis im Frühjahr geduldet werden; wann es aber im Frühjahr lämmlet, so müssen die Junge bis im Spätjahr geduldet werden.
12. Beheltet der Leibgedinger die Hühner vor, welche der Bauer auf dem Wasen laufen lassen muß.
13. Behelt der Leibgedinger an Obstbäumen zur andern Wahl vor: vier Kirschbäume, vier Zwetschgenbäume, ein Apfelbaum und ein Birnenbaum.
14. Alle Jahr vier Maas Oehl
15. Alle Jahr an wohlgesäuberten Früchten: dreißig zwei Sester Roggen, dreißig zwei Sester Haber, zehn Sester Weizen
16. Behaltet der Leibgedinger das Rechjt vor, alle Jahr zwölf Sester Erdäpfel in des Bauern gebessertes Erdäpfelfeld hinten oder vornen zu sezen.
17. Alle Jahr zwölf Pfund Reisten und zehn Pfund Kuder.
18. Alle Jahr an wohlgeräuchertem Speck fünfzig Pfund, und vom größten Schwein das halbe Eingeschläft.
19. Das Recht einen Immen im Immenhaus zu stellen.
20. Wenn einer der Leibgedings Leute mit Tod abgeht, so hat der Ueberlebende das ganze Leibgeding ungeschmälert fortzubeziehen.
21. DieVorgesezten geben das pflichtmäßige Zeugnis, daß der Vorbehalt der Uebergeber durch vorbeschriebenes Leibgeding mehr als hinlänglich gesichert sey.
22. Die Vorgesezten schlagen das Leibgding jährlich auf 190 fl an.
(23. fehlt)
24. An Fahrnissen behalten die Leibgedinger als Eigenthum vor:
(auszugsweise mit Angabe des Geldwertes)
1 Gährkasten (4 fl) , 1 Gährgeschirr (2 fl), 1 Branntweinhafen (18 fl), 1 Kühlstanden ( 1fl) , 4 Branntweinguttere (1 fl 36 x), 1 Oehlflasche (2 fl), 1 Kuh ( 66 fl), 1 Mutterschwein (30 fl), 1 Mutterschaft (5 fl), 4 Hühner ( 48 x), 1 ohmiges Weinfässle (3 fl), ½ ohmiges Weinfässle (1 fl 30x) 1 Krautstande (2 fl ), 1 Milchkasten (3 fl 30 x) , . . . . 2 Hauen (48 x) , 2 Tröge ( 6 fl) , 2 Kärste (48 x) . 1 Schrotaxt (1 fl ), 1 Handbeil (1 fl), 1 Handsäge (24 x ), 1 Laterne (18 x), 1 Wanduhr (1 fl ) , 1 Seite Speck (20 fl ) , 1 Hafen Schmalz (5 fl ), 4 Maas Oehl (4 fl ) 3 Better (24 fl) , 2 Bettstatten (3 fl ),
25. Das Natural Leibgeding hat der Bauer jeweils auf Weihnachten und 1842 erstmals zu entrichten.
26. Die Uebergeber behaltgen am Kaufschilling fünfhundert Gulden als Eigenthum, und Käufer hat denselben noch zwanzig fünf Gulden baar als Trinkgeld zu bezahlen. Der Vorbehalt ist vom Kauftag an mit vier Prozent verzinslich.
27. Wenn ein Theil der Leibgedinger vor dem andern mit Tod abgeht, so soll der Ueberlebende das ganze Vermögen behalten und mit den Kindern nicht abtheilen dürfen. Hierauf hat man verzeichnet die Schulden.
In 27 Beträgen sind die Schulden und Gläubiger an verschiedensten Orten aufgeführt, mit einem Gesamtbetrag von 4 275 fl 45 x.

Liegenschaften
Häuser und Gebäude

1. Ein einstöckigtes Wohnhaus Scheuer und Stallung unter einem dach von Holz.
2. Ein Back und Waschhaus von Stein
Aecker
3. Fünf Jauchert Acker im Winterberg
4. Zwei Jauchert im Sommerberg
Matten
5. Vier Jauchert 10 Ruthen Hausmatten
6. Zwei Viertels Dobelmatten
7. Ein Jauchert zwei Viertel Moosmatten
8. Drei Viertel Zweitelmatten
Weidfeld
9. Dreizehn Jauchert im Sommer und Winterberg
10. Sechs Jauchert 56 Ruthen allda
Oedfeld
11. zwei Viertel zwischen dem Winter und Sommerberg
Wald
12. zwei Jauchert achtzig Ruthen im Sommerwald
13. zwei Jauchert Frauenwald
14. zwei Jauchert im Sommerwald

Vorbeschriebene Liegenschaften bilden ein untheilbares Hofgut, und werden von Joseph Andris und seiner Ehefrau Marianne Bank an die Tochter Maria Andris, Ehefrau des Joseph Birkenmeier um die unwiderrufliche festgesezte Summe von 7 000 fl - sieben tausend Gulden übergeben unter folgenden Bedingungen:
1. Die Erbgleichstellungsgelder der Geschwister sind ein halbes Jahr unverzinslich, dürfen mithin erst vom 7 ten August 1842 mit 4 % verzinst werden.
2. Alle laufenden Lasten und Abgaben so wie das Zehntablösungskapital hat der Käufer zu übernehmen.
3. Die Kaufkösten bezahlen die fünf Erben zu gleichen Theilen.
4. Die ledigen Geschwister haben im ledigen Stande die lebtägliche Herberg im Haus , jedoch nur in Krankheits- und Nothfällen
5. Der Käufer darf das Hofgut nicht fremde Hände verkaufen, wenn er aber das Hofgut verkauft, so muß der Ueber Erlös über gegenwärtigen Kaufschilling unter die Erben vertheilt werden.
6. Die Käufer geben dem Bruder Joseph Andris ein Vortheilsgeld von zweihundertfünfzig Gulden, vom 7 ten August 1842 mit 4 % verzinslich, womit der Bruder und Sohn Joseph Andris sich zufrieden stellt, und auf ein Vortheilsrecht verzichtet.
(7. fehlt)
8. Dem Sohn Joseph Andris wird noch besonders eine Kammer, nemlich die untere zur lebtäglichen Herberge verschrieben.
9. Die sämtlichen Kinder nehmen das übertragene Vermögen und die Tochter Maria Andris das übergebene Hofgut dankbar an.

Zusammenstellung des Vermögens
Liegenschaften ----- 7 000 . – fl
Fahrnisse --------------- 372. 30
Vorempfang ------------ 312. 42
Summa Summarum 7 685. fl 12 x Siebentausend achthundert achtzig fünf Gulden 12 x.

Verrechnung
Das Vermögen beträgt        7 685. 12
die Schuld                           4 275. 45
Mithin das reine Vermögen 3 409. 27

hiervon ab der Vorbehalt der Eltern         500.—
Mithin theilbares Vermögen                  2 909. 27
Trifft jeden der fünf Erben                         581. 51

Der Entwurf der Theilzettel wird dem Notar überlassen.
Vorgelesen, anerkannt und unterschrieben.
Wittenthal den siebenten Februar Eintausend achthundert vierzig und zwei.
Josef Andris
Maria Bank (hat das Schreiben nicht erlernt)
Magdalena Andris (ist Schreibensunerfahren)
Maria Andris
Joseph Birkenmeier
Joseph Andris
Rosina Andris
Andreas Müller

Urkundspersonen
Bürgermeister Tritschler
Waisenrichter Janz
Distrikt Notar Alban Glykherr