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  Kriegsende 1945
 Angst und Schrecken in Zarten

 Die Kriegsgeneration erinnert sich
  Augenzeugenberichte zusammengestellt von Fridolin Hensler in Kirchzarten 2014

Im Jahr 2014 erfährt der Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren große Aufmerksamkeit. Augenzeugen von damals leben nicht mehr. Aber auch die Spuren des 2. Weltkrieges, der vor 70 Jahren in Europa und weltweit tobte, scheinen sich langsam zu verwischen. In der Stadt Freiburg und in deren Umland konnte allerdings die verheerende Bombardierung  am 27. November 1944 nicht in Vergessenheit geraten und soll weiterhin im heimatgeschichtlichen Bewußtsein verankert werden durch nachträgliche Dokumentation von Augenzeugen. An vielen anderen Orten sind jedoch die traurigen und  bedrückenden Ereignisse vom Kriegsende 1945 mit der folgenschweren Besatzungszeit kaum noch oder nur in zunehmend blasser Erinnerung, weil  sie nicht schriftlich festgehalten werden.
Frühgeschichtlichen Funden wird in der Öffentlichkeit viel Interesse bekundet. Die lokalen heimatgeschichtlichen Ereignisse ohne sensationellen Wert versickern jedoch leider oft. In meinem Geburtsort im Hegau bei Engen (Biesendorf) hatte ich schon vor längerer Zeit über die dort teils dramatischen Ereignisse eine Zusammenstellung von Augenzeugenberichten vom Kriegsende 1945 gemacht.
Nachdem ich mit meiner Familie 1970 in Stegen und 30 Jahre später in Kirchzarten heimisch wurde, habe ich eigentlich nur zufällig von der Sprengung der Brücke kurz vor dem Kriegsende 1945 in Zarten  erfahren. Dadurch wurde ich angeregt, weitere Informationen zu sammeln. Diese sinnlose Zerstörung brachte für längere Zeit nicht nur für die Zartener, sondern auch für Durchreisende im Straßenverkehr viele Schwierigkeiten. In vielen geschichtlichen Rückblicken einzelner Orte wie in Stegen oder Kirchzarten werden die Ereignisse vom Kriegsende jedoch meist nur allgemein nebenbei erwähnt.  Darum versuche ich jetzt noch, von den wenigen Zeitzeugen einige Erinnerungen zu dokumentieren. Es ist schon fast zu spät.

Josef Thoma (geb. 1938)
Herr Josef Thoma erlebte die Kriegsjahre mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern Maria (geb. 1940) und Hildegard (geb. 1942)  in Zarten. Der Vater Pirmin  (geb. 1904),  von Beruf Maurer, hatte in Rußland als Soldat im Kaukasus 1942 einen Arm verloren. Er wurde nach seiner Entlassung aus dem Lazarett umgeschult für den Dienst bei der Post und erlitt nur wenige Wochen in Zarten nach Beginn mit seiner neuen Tätigkeit im Postdienst den Tod durch einen Blitzschlag im Jahr 1943, als er im Obergeschoß des Wohnhauses in Zarten während eines Gewitters die Fenster schließen wollte.
Familie Thoma wohnte zur Miete in Zarten Haus Nr. 35 bei Familie Pfändler die eine kleine Landwirtschaft betrieb. Die Mutter Theresia (geb. 1908) stammte aus  Zastler. Sie hatte nach dem Tod des Vaters große Mühe bei einer nur sehr geringen Rente ihre drei Kinder zu versorgen. Auch ein Bruder des Vaters Wilhelm Thoma ist im Krieg umgekommen. Ort des Todes und der Zeitpunkt sind nicht mehr bekannt.
 Zu einem unvergeßlichen Erlebnis kurz vor dem Kriegsende wurde die fluchtartige Evakuierung der Familie Thoma, als die Sprengung der Dreisambrücke  in nächster Nähe des Familiensitzes beschlossen war. Gegen Protest vieler Bewohner, auch seitens der Gemeinde, bestand eine stationierte Pioniereinheit auf die längst vorbereitete Sprengung der Brücke in Zarten.
 Das genaue Datum ist nicht mehr in Erinnerung, aber die geplante Sprengung veranlaßte die Mutter mit ihren drei Kindern, in Zastler im Haus ihrer Eltern bei ihrer Mutter Theresia Albrecht Zuflucht zu suchen. Es dürfte wohl der 21. April 1945 gewesen sein. Der Großvater war seinerzeit Ratschreiber in Zastler und auch für die Verrechnung der  Holzlieferungen zuständig.
Von der Vermieterfamilie Pfändler wurde für diese Flucht ein vierräderiger Bennenwagen und eine Kuh als Zugtier überlassen. Aufgeladen wurde das Bettzeug  und einiger Hausrat. Vermutlich waren auch wichtige Dokumente  im Gepäck. Derlei Evakuierungs-vorbereitungen waren in der Kriegszeit allgemein angeordnet und auch sinnvoll und durchaus üblich.
Der Weg ins Zastlertal mit dem Kuhgespann der Mutter mit den drei Kindern ging auf der noch ungeteerten Straße von Zarten über Kirchzarten und Oberried in die großelterliche Behausung „Fabrik“ genannt. Die Dauer des Aufenthalts im Zastler ist nicht mehr erinnerlich. Inzwischen war in Zarten die Brücke gesprengt worden und nach kampflosem Abzug der deutschen Wehrmacht waren am Montag 23. April 1945 französische Truppen unter Panzerschutz im Dreisamtal vorgerückt und hatten auch Zarten und Kirchzarten und Stegen kampflos besetzt.
Im Zastler hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine französischen Soldaten blicken lassen, als Familie Thoma  mit ihrem Fluchtfahrzeug wieder nach Zarten zurückkehrte. Da die Dreisambrücke zerstört war, mußte der Weg über den südlichen Uferabhang durch die Dreisam in der Nähe des heutigen Steges gewählt werden. Erst bei der Rückkehr nach Zarten begegnete Josef Thoma erstmals den fremden Soldaten in ihren braunen Uniformen und fremdartigen Stahlhelmen. Herrenloses Kriegsgerät war vielerorts zu finden. Für Buben war es eine aufregende Zeit, danach zu suchen. Josef Thoma erinnert sich, daß z.B. auch in Stegen im Schloßpark mit fast undurchdringlichem Gestrüpp eine große Menge herumlag. Viele Eltern hatten oft keine Ahnung von derlei Fundorten und deren Gefahren.
In eindrucksvoller Erinnerung geblieben ist die im Lauf des Krieges immer stärker spürbare Bedrohung durch Flugzeuge. Vor allem im Anschluß an die erfolgte Invasion im Juni 1944 waren feindliche Flugzeuge immer zahlreicher am Himmel zu sehen. Vor allem die täglich auftauchenden meist paarweise erscheinenden und tief fliegenden kleineren einmotorigen Aufklärungsflugzeuge, „Max und Moriz“ genannt, gehörten ab dem Herbst 1944 zum täglichen Anblick bei klarem Wetter. In den Jahren zuvor hatten in zunehmend immer größerer Zahl in großer Höhe große viermotorige Bomberverbände das Dreisamtal nach Osten überflogen ohne hier Schaden anzurichten und dabei oft am blauen Himmel in dichtes Netz von Kondensstreifen hinterlassen.

Albert Pfändler (geb. 3. März 1933)
Seine ersten Erinnerungen gehen zurück auf die Zeit kurz vor Kriegsbeginn 1939, als er die erste Klasse der Volksschule besuchte. Der davor fertiggestellte „Westwall“ wurde von Adolf Hitler persönlich besichtigt. In diesem Zusammenhang scheint auch die Erwartung in Zarten bestanden zu haben, den „Führer“ bei der Durchreise begrüßen zu können. An einem Sommertag war deshalb mit der Dorfbevölkerung auch die Schuljugend aufgeboten, um am Straßenrand stehend mit den verteilten Hakenkreuzfähnchen zu winken. Die vermeintliche Durchfahrt einer Autokolonne fand allerdings dann nicht statt.
An den Ausbruch des Krieges hat Albert Pf. keine Erinnerung mehr. Sehr deutlich sind allerdings die Bilder geblieben vom endlosen Durchzug der Wehrmacht zu Beginn des Frankreichfeldzuges im Mai 1940. Tagelang marschierten Kolonnen von Soldaten, die Kompanien voran mit einem Offizier zu Pferd angeführt. Besonders eindrucksvoll war dann die von jeder Einheit mitgeführte zweiräderige Feldküche mit aufragendem Kamin. Bei diesem Durchmarsch waren nur Fußtruppen und Pferdegespannfahrzeuge. Es waren keine Motorfahrzeuge oder gar Panzer dabei. Die deutschen Panzerverbände waren für den Vormarsch durch Belgien nach Nordfrankreich andernorts mit Eisenbahntransport bereitgestellt. An Gefechtslärm zu Beginn des Krieges bei Albert Pfändler ist keine Wahrnehmung geblieben, obwohl es auch am Oberrhein gelegentlich Artilleriegefechte gab. Fridolin Hensler (Jahrg. 1925) erinnert sich jedoch an den fern hörbaren Kanonendonner im Herbst 1939 in seiner Heimat im Hegau, auf den ihn sein Vater aufmerksam machte, der ihn als Soldat im 1. Weltkrieg kennen lernte.
Spuren hinterließ der Krieg aber dann bald vermehrt durch die Todesnachricht von Gefallenen. In der Nachbarschaft kehrte der Vater von Josef Thoma aus dem Krieg zurück, weil er einen Arm verloren hatte. Immer häufiger kamen ab 1941 Todesnachrichten, vor allem aus Rußland. Ein Ende des Krieges schien nicht in Aussicht. An einem siegreichen Ende glaubten allerdings nicht mehr alle. Zweifel am Sieg zu äußern aber galt als Hochverrat. Die offiziellen Nachrichten und Informationen waren völlig auf Propaganda eingestellt. Auch das Hören von ausländischen Radiosendern war bei schwerer Strafe verboten. Für viele Bewohner unserer Gegend war aber der Schweizer Radiosender Beromünster ein wichtiger Bestandteil der objektiven Information. Nur im eng vertrauten Kreis wurden diese Sendungen heimlich gehört. Weiterverbreitung dieser Nachrichten galt als Hochverrat und konnte die Unterbringung in ein KZ bedeuten oder sogar die Todesstrafe zur Folge haben. Auch der Vater Alois Pfändler hörte nicht selten, aber nur heimlich Radio Beromünster, ohne in der Familie darüber zu sprechen. Alois Pfändler war nicht im Besitz eines Rundfunkgeräts, aber der benachbarte Adolf Fehrenbach, der als Arbeiter im Bergwerk in Kappel beschäftigt  war, hatte eine der damals verbreiteten „Volksempfänger“. Kritische politische Gespräche konnten nur mit erklärten Nazigegnern geführt werden. Vermutlich hat Vater Alois nur mit Adolf Fehrenbach derartige Gespräche geführt.
Es war übrigens technisch sehr einfach, mit dem „Volksempfänger“ den Schweizer Sender Radio Beromünster zu hören, auch wenn man ihn nicht direkt eingestellt hatte. Der genehmigte Sender Stuttgart hatte seine Frequenz auf der drehbaren Skala dicht daneben. Mit dem Sender Stuttgart konnte man auch noch nebenbei Beromünster empfangen.
Ein auf der Skala auf „Feindsender“ eingestelltes Radiogerät konnte bei Kontrollen durch Beauftragte der NS-Partei als schweres politisches Vergehen gewertet werden. Unangemeldete Kontrollen zumal bei politisch Verdächtigen waren durchaus üblich.
Im Lauf der Kriegsjahre waren die feindlichen Flugzeuge in der Luft immer mehr ein Hinweis auf nahende Gefährdung. 1941 und 1942 waren die Feindflugzeuge nur nachts zu hören. Gelegentlich setzten sie auch Leuchtschirme für Fotos der Luftaufklärung. Bomben fielen 1942  in unserer näheren Heimat  nur selten.
Ab 1943 waren dann auch tagsüber größere viermotorige Bombergeschwader in großer Höhe zu sehen und zu hören. Der Anflug kam meistens von Nordwesten her und galt den süddeutschen Großstädten.
Das Jahr 1944 brachte den Krieg auch ins Dorf. Nach der Invasion wurde Frankreich von den Alliierten zurückerobert. Vermehrt erschienen nun auch einmotorige  Jagdbomber (Jabos) am Himmel und machten im Tiefflug Luftangriffe auf Eisenbahnen, Brücken und auch ziemlich wahllos auf einzelne Gebäude oder Personen. Die Jabos waren sehr gefürchtet. Im Herbst war auch Zarten ein Angriffsziel. Es war am Okt. 1944. Albert Pfändler erinnert sich, daß der Angriff um die Mittagszeit erfolgte. Dabei wurde der Seppenhof und das Rößle in Brand geschossen. Menschen kamen nicht zu Schaden. Beide Häuser aber verbrannten. Im Rößle kam dabei auch Kleinvieh in den Flammen um. Der Einsatz der örtlichen Feuerwehr erfolgte zwar schnell. Es waren aber nur noch wenige tüchtige Feuerwehrleute daheim im Dorf, weil die meisten Männer als Soldaten einberufen waren. Seinen Vater Alois Pfändler erlebte Albert beim Einsatz der Feuerwehr und hat noch vor Augen, daß das benachbarte Haus vom brennenden Seppenhof, welches mit Schindeln gedeckt war, mit  Feuerlöscher (Minimax) und nassen Tüchern auf dem Dach, vor Schaden bewahrt werden konnte.
Für den Zweck der Warnung waren während des 2. Weltkrieges in allen Städten und Dörfern eingerichtet worden. In geschlossenen Ortschaften war  die Sirene auf einem zentral  liegenden Gebäude eines Wohnbezirks fest montiert und wurde nach telefonischer Benachrichtigung  des Hausbewohners ausgelöst werden. Es gab verschiedene Stufen der Luftgefährdung. Auf- und abschwellender Heulton galt als Gefahr. Gleichmäßiger Dauerton bedeutete „Entwarnung“. Der Kriegsgeneration jagt auch heute noch der heulende Sirenenton den Schrecken in die Glieder. Weitere Einzelheiten sollen hier nicht  erörtert werden. In Zarten war keine auf einem Dach fest installierte Sirene vorhanden. Es gab aber drei Handsirenen, die in drei unterschiedlichen Häusern, im Ober-, Mittel- und Unterdorf bereit waren und nach fernmündlicher Benachrichtigung durch die Bewohner im Handbetrieb zum Einsatz kamen und dabei einen beachtlichen Lärmpegel erreichen konnten.
Gegen das Kriegende entfiel die zuvor sehr häufige Luftwarnung, weil ab Sommer 1944 praktisch überall zu jeder Zeit mit Luftangriffen gerechnet werden mußte. Über Abwehr gegen feindliche Flugzeuge gab es mancherorts stationierte „Flak“- Geschütze. Nach Spuren oder Erinnerungen an Flak-Stellungen habe ich zuerst vergeblich gefahndet. Ein Foto im Besitz von Albert Pfändler zeigt eine winterliche Flakstellung, die zwischen Zarten und Kirchzarten aufgestellt war.
Die Flaksoldaten posierten auf dem Foto in spaßhafter Aufmachung mit Gewehren im Anschlag. Das Flakgeschütz ist nicht zu sehen. Das Foto entstand vermutlich im Winter 1944/45.
Der Beschreibung von Albert Pfändler nach, könnte es sich dabei um eine  2 cm Granaten verschießende Kanone gehandelt haben, die vielerorts im Einsatz war. Es war eine wirksame Waffe gegen tief fliegend Flugzeuge bis in eine Höhe von 1000 m. Beim Verfehlen eines Zieles explodierten diese Geschosse in ca 2000 m Höhe und hinterließen  dabei dann eine Reihe von Explosionswölkchen. Gegen hochfliegende Flugzeuge konnten nur großkalibrige Geschütze  (z.B. 8,8 cm) eingesetzt werden und wurden vor allem zum Schutz von Industriestädten aufgestellt. Die  oft recht großen Explosionsteile als Granatsplitter der Flakgranaten waren nicht ungefährlich, wenn sie auf die Dächer oder auf den Boden herabfielen.
Viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg bestand ein Barackenlager neben der B 31 bei der Straßenkreuzung der Stegener Straße. Dieses Barackenlager wurde nach Erinnerung von A. Pfändler erst nach dem 2. Weltkrieg von der französischen Armee errichtet und kam später in den Besitz der Bundeswehr. Heute ist es der Standort neuer Industriebetriebe.

Verdunkelungsmaßnahmen im Haus, Fahrzeuge bei Nacht - Tarnscheinwerfer, Kontrollgänge. Die Brücke in Zarten wurde gesprengt vermutlich am April 1945, Ankündigung durch Sirenen-Signal
Familie Pfändler sucht Schutz vor der Explosion nicht im Keller, sondern in der Scheune unter dem Heustock.
Die deutsche Wehrmacht war nach der Sprengung der Brücke in Zarten verschwunden. Vom Himmelreich her wurden einzelne  Kanonenschüsse in Richtung Zarten u. Freiburg abgegeben ohne erkennbaren Schaden.
Die Information über den Verlauf der Frontlinie mit Ortsangaben war mangelhaft. Beromünster war die beste Nachrichtenquelle.
Das Einrücken der französischen Soldaten (es waren größtenteils Marokkaner) war wenig spektakulär. Der Familienvater Alois Pfändler mit Kriegserfahrung des 1. Weltkrieges, wies die Familie anfänglich streng zurück in das Haus. Die französischen Soldaten kamen mit offenen, kleinen geländegängigen Fahrzeugen mit aufmontierten Waffen (Jeep). Panzerfahrzeuge waren in Zarten nicht dabei. Die Angst war groß, zumal der Anblick der fremden und dunkelhäutigen Menschen unheimlich wirkte.
Beim Einrücken der Soldaten gab es einzelne Schüsse, die aber nicht auf Menschen, sondern auf Tiere oder sonstwie abgefeuert wurden. Auch die Hirschfigur im Höllental bekam seinerzeit eine größere Zahl von Einschüssen, wie man später bei einer Renovation feststellte.
Die gesprengte Brücke wurde behelfsmäßig mit Balken und Brettern bald wieder gangbar gemacht. Für diese Arbeit wurden deutsche Kriegsgefangene eingesetzt, die von einem Lager in Freiburg mit Lastwagen herbeigebracht wurden. Bald nach dem Einmarsch der Franzosen wurde in fast endlosen Kolonnen deutsche Soldaten als Kriegsgefangene in Richtung Freiburg getrieben. Kontakte mit diesen Kriegsgefangenen wurden von den Wachmannschaften nicht geduldet. Das Wetter war damals Ende April sehr heiß und der Durst der Gefangenen sehr groß. Um den Durst stillen zu können, stellten manche  Zartener Wassereimer an die Straße. Gelegentlich wurden diese aber von den Wachmannschaften absichtlich umgestoßen. Unmenschlichkeiten gab es zu allen Zeiten immer schon in vielfacher Form.
Mit dem Einmarsch der Besatzungstruppen war die bisherige gesetzliche Ordnung außer Kraft. Es war die Zeit für unkontrollierte Übergriffe durch französische Soldaten, aber auch für Ganoven und verbrecherische Personen,  die unter dem Deckmantel oder in Zusammenarbeit mit diesen sich schamlos bereicherten. Albert Pfändler erlebte, wie derlei Gestalten wenige Tage nach dem Einmarsch nachts im elterlichen Haus eindrangen und ein Schwein erschossen und mitnahmen. Einige der Eindringlinge waren Deutsche und Bekannte aus Kappel, die dabei mitmachten.
Albert Pfändler floh aus seinem Bett halb bekleidet und floh über den hölzernen Balkon, von wo er auf einen unten  stehenden Wagen sprang. Dann hastete er weiter über die gesprengte Brücke, wo er dabei ins kalte Wasser rutschte. In einem Haus suchte er dann Zuflucht, bis es wieder ruhig war. Erst dann traute er sich wieder zurück ins Elternhaus. Eine Strafverfolgung derartiger Taten war in den ersten Tagen der Besatzungszeit  nicht möglich. Auch beim früheren Bürgermeister Alfons Pfändler wurde auf diese Art zur gleichen  Zeit ein Schwein weggenommen.

Max Dietlicher (geb. 1903) wurde 1942 Soldat

Max Dietlicher (geb. 1903) betrieb mit seiner Frau Frieda (1901 geb. Weber) eine kleine Landwirtschaft in Zarten, die mit etwa 7 Stück Großvieh und viel Arbeit verbunden einen kärglichen Lebensunterhalt ermöglichte und nicht Unwetter oder Krankheit dazwischen kamen. Fünf Kinder waren auf der Welt, als der 2. Weltkrieg ausbrach. Maria war 1933 geboren, Berta 1934, Josef folgte 1935 und Alois 1937. Hedwig erblickte das Licht der Welt 1938. Der Tag vor der Geburt der jüngsten Tochter Hildegard am 10. Mai 1940 verlief sehr dramatisch. Nachdem zu Beginn des Jahres eigentlich nichts zu verspüren war, begann am 10. Mai 1940 der große Angriff zum „Frankreichfeldzug“. Damit verbunden war ein Luftangriff deutscher Flugzeuge, der versehentlich Freiburg traf. Wegen schlechter Sicht war die Navigation zur Zielfindung schwierig und deshalb fielen die Bomben auf Freiburg im Gelände westlich vom Bahnhof.
Zu diesem Zeitpunkt war die hochschwangere Frieda Dietlicher in Freiburg unterwegs, weil sie unbedingt Einlagen für ihre Schuhe brauchte. Darum war sie nach Freiburg gegangen und wurde dort am Vormittag von der Bombardierung überrascht, als sie auf dem Heimweg in der Nähe vom Holzmarkt war. Dort suchte sie Schutz in einem der vielen Schutzräume, bevor sie sich auf den Heimweg nach Zarten machte. Am Tag darauf kam Hildegard bei einer Hausgeburt mit Unterstützung der Hebamme zur Welt. Es war der 11. Mai 1940, der Samstag vor Pfingsten.

Die Einberufung des Vaters war eine schwere Last. Arbeitskräfte waren kaum zu finden. Der Großvater lebte zwar noch, aber bereits im hohen Alter. Er starb kurz nach dem Kriegsende. Die Mutter mit den 6 Kindern war mit Arbeit im Stall und auf dem Feld gewaltig überfordert. Nachbarschaftliche Hilfe konnte nur selten in Anspruch genommen werden. In größeren landwirtschaftlichen Betrieben wurden teilweise Kriegsgefangene oder Fremdarbeiter eingesetzt, die jeweils am Abend wieder in die Sammelunterkünfte gehen mußten.

Max Dietlicher war zuerst in Straßburg zur Einkleidung, Ausrüstung und militärischen Grundausbildung. Dort habe ihn die Mutter auch einmal besucht und sei zu diesem Anlaß zuvor extra noch zum Friseur gegangen. Von einem Urlaubsbesuch in Zarten scheint ein Foto zu stammen, das Max Dietlicher in Uniform zusammen mit seiner Frau vor dem eigenen Haus zeigt.

Über seine weiteren Aufenthaltsorte, auch über den Zeitpunkt und den Ort seiner Kriegsgefangenschaft gibt es keine Unterlagen. Über seine Kriegsgefangenschaft habe er als Ortsangabe nur „an der sibirischen Grenze“ verlauten lassen. Die Rückkehr des Vaters zu Hause 1947 kam anscheinend überraschend.

Von einem Bekannten wurde er auf einem Motorrad vom Bahnhof in Kirchzarten nach Zarten gebracht. Vor allem Hildegard Roth erinnert sich noch an die anfänglich emotionale Ablehnung dieses für sie fremden Mannes, als sie ihm zum ersten Mal, in ganz spärlicher Bekleidung in den Arm gegeben wurde. Sie begegnete im August 1947 zwar tatsächlich im Alter von 7 Jahren ihrem Vater, hatte ihn aber bisher zuvor eigentlich noch gar nie gesehen.