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Zarten Wiege der Schwarzwalduhr?
In Kirchzartens Kirchenbüchern ist zu lesen, dass Jacob Kuonle, der Alt-Uhrmacher zu Zarten, am 4. April 1672 starb

von
DIETER SCHNECKENBURGER
Badische Zeitung 13.6.2003


KIRCHZARTEN. Die Hochburg der Schwarzwälder Uhrmacherei war in den vergangenen zwei Jahrhunderten das Gebiet um Furtwangen/Neukirch und Triberg. Der Ursprung der Herstellung der Schwarzwalduhr wurde immer im Spirzendobel bei St. Märgen vermutet. Alte Urkunden legen jedoch die Vermutung nahe, dass die ersten Schwarzwälder Uhren in Kirchzarten gefertigt wurden.

Im Spirzendobel soll ein Lorenz Frev, neben Musikinstrumenten, so genannte Hackbretter, die erste Schwarzwalduhr gegen Ende des 17. Jahrhunderts hergestellt haben. Man lachte wohl den einfältigen Schreiner aus, der nichts Wichtigeres zu tun hatte, als unnötiges Zeug zu machen. Denn seinen Uhrenhandel musste Frey alsbald wieder aufgeben. Einem weiteren Zeitgenossen, dem Kühler Simon Henninger im Stockwald bei St. Georgen, gelang es ebenfalls nicht, zur Jahrhundertwende selbst hergestellte Uhren zu verkaufen.

Nun geben Urkunden und Akten der Talvogtei im Stadtarchiv Freiburg und Kirchenbücher der Pfarreien Kirchzarten und St. Margen Aufschluss von einem Uhrmacher vor dem Jahre l 700, also noch vor jener ersten Periode der Geschichte von der Erfindung der Schwarzwälder Uhr nach böhmischen Vorbild im Spirzendobel. Trotz fehlender Einzelheiten lässt sich heute vermuten, dass die erste Schwarzwalduhr in Kirchzarten gebaut wurde. Eine Stelle in dem Protokoll der Talvogtei besagt folgendes: „Des Christen Rauffers Witwe Rosina verkauft am 18. April 1662 an Jacob Kuonle, dem Uhrmacher in Kirchzarten, eine Behausung samt der Schmiede in Zarten um 323 Gulden“. Nach dieser Aufzeichnung zu schließen gab es also vor dem ersten bisher schriftlich erwähnten Uhrmacher im Spirzen, dem „Hackbretterlenz“, schon in Kirchzarten Uhrmacher als Handwerker.


Die erste Schwarzwalduhr ist vermutlich Mitte des ‘l7. Jahrhunderts in Kirchzarten hergestellt worden. FOTO: DIETER SCHNECKENBURGER

Die Kirchenbücher in Kirchzarten geben hierüber noch nähere Auskunft: „Dieser Jacob Kuonle, der Alt-Uhrmacher zu Zarten, stirbt am 4. April 1672 .. .“. Auch bei der Ausstellung eines Geburtsscheines bei der Geburt des Sohnes Franz im Jahre 1664 wurde Kuonle ausdrücklich als Uhrmacher bezeichnet. Beim Tod des Sohnes Barthle im Jahre 1683, der seinem Vater Jacob im Handwerk des Uhrmacher folgte, wurde eine Verlassenschaftsaufstellung, mit interessanten Rückschlüssen auf sein Uhrenhandwerk verfasst. Nach der Aufstellung des Vermögens wurde das Werkzeug aufgeführt. Da Kuonle auch noch Schmied war, waren diese aufgeführten Werkzeuge wohl großteils für die Schmiede bestimmt, die kleinen Werkzeugarten aber wohl auch für feine Arbeiten, wie die des Uhrmachers. Auch diese Aufstellung lässt vermuten, dass Kuonle die ersten Uhren herstellte.
Eine weitere Vermutung liegt nahe, dass die Kuonles in Kirchzarten einen Uhrenhandel betrieben. Das Dorf mitten im Dreisamtal war damals ein bedeutender Handelsplatz, und vor allem an Sonntagen kamen Bauern aus allen Tälern und holten die notwendigen Dinge für ihr Hauswesen. Vor und nach dem Gottesdienst waren Krämerläden aufgeschlagen, wo man alle Dinge kaufen konnte. Hier auf diesem Markt haben die Uhrhändler Kuonle ihre Ware feilgeboten. Man könnte annehmen, dass der „Hackbretterlenz“ aus dem Spirzen bei einem Kirchgang in Kirchzarten eine solche Uhr sah und siedarauf nachbaute.
Nach dem Tod Barthel Kuonles fehlen Aufzeichnungen von Kirchzartener Uhrmachern. Ihr Geschlecht ist bei späteren Aufzeichnungen über Schwarzwälder Uhrmacher nicht vertreten. Nach 1700 verzog sich nach Berichten die Uhrmacherei über St. Märgen/Waldau in das Gebiet von Furtwangen und machte wie kein anderer Gewerbezweig den Schwarzwald in aller Welt bekannt. Die Uhr wurde zum wichtigsten Exportartikel und ermöglichte vielen Bewohnern des Schwarzwaldes ein Auskommen in ihrer Heimat.