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Kreisschulvisitatur Freiburg.
Gemeinde Wittenthal
Amtsbezirk Freiburg.

Badische Volkskunde.

Fr. Aug. Metzger, Hauptlehrer
in
Wittenthal.
1894

 

 1. Das Dörfchen Wittenthal liegt im Kirchzartenerthal. Es besteht aus zwei zertstreut liegenden Örtchen, nämlich Wittenthal (in mundartl. Beziehung Witethal= weitesThal) u. Attenthal (im Volksmunde Attethal oder Mattethal genannt) u. ist ein Filial des Kirchspiels Kirchzarten. Kirchenpatron: Gallus. Der Marktverkehr richtet sich nur nach dem 5 km entfernten Freiburg.

2. Flurnamen: Auf dem Harsch (wohl vom frühern Festungskommandanten Freiburgs); in der Emme; in der Schasel; im Winter- u. Sommerberg; am Flaunser; am Hom= u. Guggenbühl; im Möösli; am Bach; auf den Balderwegermatten; im Ruschbach; (Rauschbach).
Wegnamen: Villingersträßle; Wittenthaler-Weg; Attenthalerweg; Hüsliweg. Bachnamen: Eschbach.(v. Esche!)
Hofnamen: Fohrenhof, Rauferhof, Albrechtshof, Hugehof; Bankenhof; Baldenwegerhof (Bald am Weg); Breitehof (breit=eben); wo das Thal breit u. eben ist).

3. Familien = u. Taufnamen: Bürkle; Vogt; Raufer; Bank; Tritschler; Sumser; Scherer; Hug; Thoma; Steiert; Schurt; Dufner; Andris; Mäder; Frei; Fehr; Meier; Willmann; Laule. (Bank, Hug am häufigsten). Rosa; Maria Josepha; Februana; Johanna; Maria Anna (Mariann); Theresia; Maria Theresia; Amalia; Sophie; Helena; Joseph; Heinrich; Karl; Johann; Georg; (Jörgli); Fridolin; Wilhelm; Andreas; August; Jgnaz; Konrad; Viktor; Max;  Peter;. (Sophie; Marianne; Rosa; Joseph; Karl die häufigsten). Doppelnamen selten; dagegen kommen Bezeichnungen vor, wie: s Fohrenpeters hanse -Amalia; s Rotepeters-Karls-Max.

4. Hausbau u. Dorfanlage: Man unterscheidet hier zweierlei Häuser: die alten u. neuen. Erstere sind im gewöhnlichen Schwarzwaldstyl gebaut (Haus u. Scheuer unter einem Dach); an den Berg gelehnt; mit Stroh oder Schindeln gedeckt, mit Galerien oder Lauben; breit u. schwerfällig wie der Bewohner; ohne jegliche Verzierungen; Scheuer über Wohnung u. Stall; großer Stube mit Kachelofen u. Schiebefenstern. Küche mit Hürde; also ohne Kamin. Letztere sind aus Stein gebaut u. mit Ziegeln bedeckt. Haus u. Scheuer getrennt. Haus immer zweistöckig u. mit dem Giebel, selten mit der Front gegen die Straße gerichtet. Alle alten Häuser (Holzhäuser) sehen mit dem Giebel gegen die Straße. Nachbardörfer gegenüber bestehen keine Abweichungen im Bau; es herrscht sogar Schablone; wer ein altes oder neues Haus gesehen, hat alle gesehen. Die Gemeinde besteht aus zerstreuten Höfen. Eine Dorflinde gibts nicht.

5. Hauswappen = oder Marken gibt's hier nicht u. waren solche nie im Brauch.

6. Volkstracht: Es herrscht die gewöhnliche Thaltracht ohne Unterschiede von Nachbarorten; bei Männern am Werktage Zwilchhosen u. Jacke (Zwilch); Pechschuhe; am Sonntag: wolliger (langhaariger) Bauernhut u. Tuchrock oder Buxkingjoppenanzug; bei Weibern: grüner oder roter Rock; schwarze, rote oder grüne Schürze; schwarze Jacke mit auswattierten Puffärmeln; schwarze Kappe mit Stickerei hinten (sog.Salzbüchsli); Schuhe ohne Absätze u. blaue Strümpfe (an Fronleichnamstagen Jungfrauen weiße Strümpfe u. Schürzen u. Kranz; ebenso an Hochzeiten u. Begräbnissen v. Jünglingen oder Jungfrauen.) Im Sommer tragen Weiber einen schwarzen; Mädchen einen gelben Strohhut.

7. Nahrung: Die hauptsächlichsten Speisen sind geräucherter Speck gekocht; Donnerstag u. Sonntag; roh: jeden Tag, mit Ausnahme des Freitag, um 9 Uhr (z Nüni) u. abwechselnd mit Butter oder Käse auch nachmittags (z Obe). Eiermocken (Brotstücke mit Eiern), Sauerkraut; gesotten, gebratene u. abgeschmolzte Kartoffeln. Knöpfle mit Schnitzen (gedörrtes Obst) u. Salat; Milch (sauer u. süß); Klöße (Pflutten genannt) aus Mehl, Wasser u. Milch. (Blutwürste werden Kutteln genannt).
Rind = u. Kalbfleisch giebt es nur an den 4 höchsten Feiertagen des Jahres; ferner an Kirchweih (3 Tage wird geschmaust u. zwar auch die Dienstboten); an Fastnacht Am Aschermittwoch giebt es Strübli (aus Mehl u. Eier in Öl gebacken) u. Stockfisch. Gegessen wird: morgens 6 Uhr Kaffee) u. 9 Uhr; mittags 11 Uhr; nachmittags 3 Uhr u. abends 7 Uhr. (Suppe, Kartoffeln u. Milch). In den Nachbarorten ist ebenso.

8. Gewerbe: Die hies. Bewohner sind alle Landwirte u. Waldarbeiter. Es gibt hier nur einen Weber u. einen Schreiner.

9. Volkslieder: Der Hirtenbub singt auf der Weide u. stößt, wie der Waldarbeiter, seinen Jauchzer aus; junge Burschen singen beim Fuhrwerk oder thun sich an Sonntagabenden (namentlich im Sommer) zusammen u. singen. (Schön klingt es gerade nicht, da die Töne glucksend u. am Ende eines Reimes immer langgezogen sind). Spinnstuben kennt man hier nicht. Für Musik u. Gesang hat man hier wenig Verständnis u. daher auch wenig Interesse; nur wenn der Stoff schlüpfrig ist, hört man zu u. amüsiert sich. Gesungen wird hauptsächlich: das Hohenzollernlied; Ach, Mädichen laß das Weinen sein, ade.

b. Kinderreime:

Ringel, ringel Rosenkranz, spielen sie in der Sonne Glanz oder:
Reihe, Reihe Rose, der Kaffee wenner blose;
Weckli dri, Bretzli dri, alli wenner lustig si oder
Blaue, blaue Fingerhut, das Mädchen steht im ganzen Huet. Das Mädchen soll auch tanzen, das Mädchen soll auch knien; das Mädchen soll auch stehen; das Mädchen soll eins ziehen.
Eins, zwei, drei, picke, backe Ei, picke, backe Pfannenspiel, sitzt e Männli in der Mühl, het e staubig Hütli uf, s lit e neue Pfennig druf.
3, 6, 9 u. mi er g hört di oder
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, eine alte Frau kocht Rüben, eine alte Frau kocht Speck u. du bist weg.

c. Volksschauspiel sowie

d. Sprichwörter außer den gewöhnlichen, Hausinschriften

e. Schwänke u.

f. Ortsneckereien gibt es hier nicht.

g. Rätsel Wie viel Nadeln hat eine Tanne? Antwort:soviel als Stiel.

10. Märchen: keine

11. Sagen: In hiesiger Gemeinde liegt der Baldenweger Hof, schon seit den fünfziger Jahren dieses Jahrdunderts der Familie Stößer gehörig. Früher soll er einmal "Sickingisch" gewesen sein. Auf diesem Hof "geht es" d.h. geht zu Zeiten der Geist eines früheren Besitzers aus der"Sicking schen Zeit” um. Das Volk erzählt darüber folgendes u. soll auch die weitverzweigte Familie Stößer fest davon überzeugt sein: " Als die Großmutter des jetzigen Herm Stößer, die Mutter des erst im Oktober d.J. in Freiburg verstorbenen Herrn Stadtdirektors Geheimen Regierungsrat Max Stößer, in den 50er Jahren eines Tages im Lehnsessel allein im Zimmer saß, da sei plötzlich ein älterer Herr in schwarzem Anzug, Handschuhe u. einem Zylinderhut geräuschlos ins Zimmer getreten u. nach einer höflichen Verbeugung vor ihr stehen geblieben. Sie habe ihn gefragt: "Mein Herr, was wünschen Sie ?". Keine Antwort erfolgte. Sie fragte zum zweitenmale:" Mein Herr, was wünschen Sie ?". Wieder keine Antwort erfolgte. Ganz bestürzt rief sie zum drittenmal: "Um Gotteswillen, was wünschen Sie, mein Herr ?” darauf habe der Unbekannte mit hohler Stimme gesagt: "Ich wollte nachsehen, wie es in diesem Hause geht; früher war ich hier Herr". Die Stößere (Frau Stößer) habe ihn dann gefragt, ob sie mit ihm gehen solle. Da habe er sich umgedreht u. geantwortet: " Wenn ich wiederkomme," u. sei vor ihren Augen verschwunden. Niemand habe ihn kommen u. gehen sehen. Infolge davon sei Frau Stößer vom Hofe weggegangen u. habe nie mehr darauf gewohnt." Der jetzige Pächter des Hofes, unter dessen Vater die Geschichte geschehen sein soll, erzählt, daß sein Vater ihm oft die Sache erzählt habe, so wie die Leute sie erzählen. Sein Vater sei damals auch Pächter auf dem Hofe gewesen u. die Frau Stößer habe es ihm oft so erzählt u. ihn gefragt, ob er noch nie etwas gesehen habe. Die jetzt lebenden Stößer muß der Geist wenig genieren; denn sie halten sich jeden Sommer auf dem Hofe auf; vielleicht geniert sich auch der alte Herr in altmodischer Garderobe seine Aufwartung zu machen, Item, das Volk ist aber fest überzeugt, daß es auf dem Baldenweger Hof nicht" g hüer" (geheuer) ist. Dieser Geist soll aber nicht nur im Hause, sondern auch auf dem ganzen Gute, also auch den dazugehörigen Grundstücken u. denjenigen Feldern, welche früher dazugehörten, spucken. Der Flurname für diese Felder ist "im Adelhauser". deswegen heist man den Geist" den Adelhauser Geist'. Da auch das jetzt dem Baron v. Gayling in Ebnet gehörige Schloß dortselbst zur Herrschaft Sickingen gehört haben soll, so zeige sich der Geist in der Gegend von Ebnet bis zum gräflich v. Kageneck'schen Schloß in Stegen, weshalb diese Gegend sehr verrufen ist. Der "Adelhauser Geist' präsentiere sich in verschiedenen Formen: Als totes Pferd, welches quer im Wege liege u. plötzlich verschiedenen; als großer Hund, welcher die Leute drohend umspringe; als Mann ohne Kopf (ein Geistlicher erzählte einem Freunde von mir, daß er ihm so erschienene u. bis Stegen neben ihm hergegangen; dann aber plötzlich verschwunden sei !); als Fackellicht; als feuriger Reiswelle; welche durch die Luft schieße u. als älterer Herr. (Als solcher nur im Baldenweger Hof; daher dort auch "Baldenweger Geist' geheißen.)

C. Allgemein ist hier der Glaube verbreitet, wenn das Käuzchen nachts schreie, so sage es das baldige Ableben eines Menschen im Hause an. Man heißt daher diesen Vogel "Totenweckerle". Von der Wachtel behauptet man, daß wenn sie vor der Ernte vielmal "rufe" (schlage), so werde das Korn teuer, gerate also nicht; auch thue es dann nicht hageln.
Zu den gespenstischen Tieren gehört auch die Fledermaus, welche hier Speckmaus genannt wird, weil sie Speck fresse. Ein hies. Bauer schickte ein Büblein zu mir in die Schule, welches bis auf 3 kleinere Büschelchen alle Haare verloren hat u. scheußlich aussieht. Der"Tätte" (Vater) behauptet nun steif u. fest, sein Seppli habe das Haar verloren, weil ihm eine Fledermaus auf "den Kopf gemacht habe.
Auch die Schlange spielt eine Rolle. Bei einem kleinen Bauernhofe ganz im hinteren Attenthal an einer Berglehen steht etwa 500 m davon entfemt die sog. "Schlangenkapelle"; welche erbaut wurde infolge eines Gelübdes, welches der frühere Bauer gemacht, wenn die Schlangen seinem Hause fernbleiben. Das Haus soll fürchterlich von diesen Tieren (Kreuzotter = Pelias berus bek. sehr giftig!) heimgesucht worden sein. Nachdem die Kapelle erbaut u. eingeweiht war, so seien die Schlangen ferngeblieben bis jetzt. Es hat sich in diesem Bauernhause ein Brauch erhalten, an dem zäh festgehalten wird. Jedes Jahr an Maria Lichmeß beten die Leute dieses Hofes nach dem Mittagessen drei Rosenkränze. Nachher muß ein Kind dreimal eine Kette ums Haus ziehen, um so die Schlangen abzuhalten. (Diese Giftschlange kam früher hier sehr häufig vor u. tritt auch jetzt noch verhältnismäßig zahlreich auf; wie auch die ungiftige Ringelnatter Tropidonatus natrix). Ich sah selbst vor einigen Jahren wie ein Bauer beim Dungführen im Frühjahr aus einem Misthaufen 37 Stück gezogen. Wo er mir eine Freude machen wollte, so ließ er mich rufen, weil ich mich seit Jahren mit dem Studium der Kriechtiere u.Lurche befasse u. setze die schönsten Exemplare in meine Terrarien. Im Sommer 1893 fing ich an einem Tage hier 4 Ringelnattern u. 12 Kreuzottern, darunter 7 junge. Die Gegend ist für diese Tiere besonders geeignet.)
Allgemein ist der Glaube verbreitet, die Schlangen saugen den Kühen die Milch aus. Der Schlangenkönig habe einen kostbaren Goldring. Den lege er vorher auf die Seite. Könne ihn ein Mensch nehmen, ohne daß es die Schlange merke, so gehöre er ihm; bemerke es die Schlange, so müsse der betr. Mensch sterben.
Zu den gespenstischen Tieren gehört auch die Elster, hier Agerst genannt. Wenn sie schreie oder einem über den Weg fliege, so bedeute das Unglück für den Tag.
Mit der "Wünschelrute", einen Haselnußzweig an einer Schnur, glaubt man Quellen u. Schätze auffinden zu können.

12 Sitten u. Bräuche.

A.     das Leben des Menschen betreffend:
A. A. Die Schwangeren genießen hier das Vorrecht zu nehmen, wonach sie gelüstet. A. B. Die Kinder kommen vom Storch; auch von der Hebamme. Besuch wird gleich nach der Geburt u. vor der Taufe, wenigstens die ersten acht Tage, nicht gern gesehen. Die Taufe findet hier am Geburts = oder dem darauffolgenden Tage statt. Wer dem ersten Kind Pate (Getti u Gotti) ist, der ist allen. Der Taufschmaus ist immer in der Wirtschaft des Kirchdorfes . Am 40. Tage geht die Wöchnerin zum erstenmale in die Kirche u. wird dann dort ausgesegnet.
A.C. Knaben u. Mädchen werden vom 6. Jahre an zum Viehhüten verwendet. Zuerst werden sie Schweine= u. Schafhirt; später Kuhhirt. Morgens um 1/2 4 Uhr müssen sie ausfahren u. bleiben bis 1/2 11 Uhr auf der Weide; dann fahren sie mit dem Vieh nach Hause; essen zu Mittag u. dann geht s mit leichtem Sinn u. Kopf zur Schule. Selbstverständlich hat der Lehrer seine liebe Not; die Kinder würden lieber schlafen, als lernen. Was es heißt, körperlich müde Kinder unterrichten, versteht nur der, der es durchgemacht. Die sog. Hirtenschulen sind daher in der Lehrerwelt berüchtigt. Ist die Schule um 3 Uhr aus, so befindet sich der Hirtenbube um 4 Uhr schon wieder auf der Weide, wo er bis 9 oft 10 Uhr nachts bleibt. Auf jedem Bauernhofe befinden sich noch 1 bis zwei fremde Hirtenbuben. Diese schlafen bei den Knechten. Dadurch u. die vollständig vernachlässigte Erziehung verkommen sie in sittlicher Beziehung u. man darf versichert sein, daß weitaus der größte Prozentsatz von Sittlichkeitsverbrechen ehemals Hirtenbuben waren. Ich wundere mich, daß noch nie statistische Erhebungen darüber gemacht wurden. In sittl. Beziehung ist hier alles locker. Selten heiratet ein Mädchen, das nicht schon" vorgändige" (vor der Ehe gehabte) Kinder hat oder gehabt hat. Solche Dinge betrachtet man von der leichtesten Seite u. bedauert höchstens ein reiches Mädchen, wenn es sich mit einem armen Burschen eingelassen hat u. dieser zu "wenig acht' gegeben hat. Deswegen stellen sich aber doch reiche Freier ein, welche “d Zhui (die Kuh) mit samt dem Kalb" nehmen. Namenstage, sowie Geburtstage werden nicht gefeiert. Der Schulschluß findet am 23. April statt.
A.D. Von Spinnstuben weiß man hier nichts. Zum Mädchen geht man nachts spät vermittelst Einsteigen. Das Liebeszaubermittel ist hier einzig " das Geld".
A.E. Am Tage vor der Hochzeit kommt der Brautwagen. Ist die Braut oder der Bräutigam aus einem anderen Dorf, so wird von jungen Burschen oder Mädchen mit einer Kette demselben (Brautwagen) vorgespannt u. ein Spruch gesagt. Der Bräutiagm muß sich oder die Braut mit einem Geldgeschenk (oft 50 - 60 M) loskaufen. Die Hochzeit ist immer am Dienstag oder Donnerstag. Die Braut trägt außer der hier üblichen Landestracht eine weiße Schürze; weiße Strümpfe; einen Kranz auf dem Kopfe u. zwei Kränze auf der Brust. Der Bräutigarn hat auf dem Hute einen "Struß" (Strauß) oder "Maien" u. einen am linken Rocklatz. An der Hochzeit behält er den Hut im Wirtshaus auch während des Essens konequent auf. Alle Gäste haben Sträuße auf dem Hut. Alle Hochzeiten werden im Wirtshaus abgehalten u. bezahlt, jeder Gast, was er verzehrt. Die Eltem geben den Hof einem Kinde, gewöhnlich hier dem jüngsten. Das älteste Kind heißt "Leibsitzer u. hat, im Falle es sich nicht sonst wohin verheiratet, den Leibsitz auf dem Hof d.h. Unterstand. Die Eltern gehen dann auf das "Libtig" (Leibgeding) u. bilden bis zu ihrem Tode eine oft schwere Belastung für den Hofbesitzer, da das Leibgeding oft so groß ist als das Erträgnis des Hofes. Daher das Sprichwort:" Leibgeding ein böses Ding".
A.F. Es wird sehr viel gewallfahrtet namentlich auf den Lindenberg bei St. Peter; dann auf den Giersberg; bei Kirchzarten; hier wir der Saupatron verehrt u. erhält der Kapellenbruder gewöhnlich aus jedem Haus jährlich einen Schinken geschenckt; nach Oberried (hierher werden Wallfahrten gemacht für Kranke u. solche die lang "reckse oder reble müssen d.h. furchtbare Schmerzen ausstehen u. doch nicht sterben können. Man sendet gern Schulkinder dorthin, um für Kranke u. Sterbende zu bitten u. soll dies besondere Wirkung haben.) nach St. Ottilien bei Freiburg; nach St. Georgen bei Freiburg; (am “Jörgetag” dieser ist der Roßpatron.)
Ist jemand im Hause gestorben u. hält man Bienen, so muß man es ihnen ansagen, sonst sterben sie ab. Trauertracht ist schwarz. (Der Rock ist bei Weibem gewöhnlich grün !) Die Trauerzeit dauert ein Jahr.
A.H. Der Dienstwechsel der Dienstboten ist am Neujahr. Wildern und fischen hält man nicht für unrecht, Unrecht ist s nur, wenn mann erwischt wird.

B. Tiere

ba. Rosse: Krankheiten: Der Friesel,dämpfig (Asthma;) der Koller (s isch e Kolteri); rotzig; s Grimme (Kolik). Schutzpatron: St. Georg.
b.b. Rinder: Krankheiten: der Flug; die Perlsucht; die Klauensucht; die Lungensucht.
b.c. Schweine: Der Schlachttag ist gewöhnlich Dienstag oder Donnerstag.
Bienen werden viel gehalten u. heißt die Königin hier"Meister"; die Drohnen werden "Brutbienle" genannt.

D. Am St. Nikolaustage kommt nachts der" Santiklaus". Er hat den "Höllenhund" bei sich, der mit seinen Ketten schrecklich rasselt. Brave Kinder erhalten Obst geschenckt, nachdem sie gebetet; böse werden mit der Rute gehauen, namentlich wenn sie nicht beten können. An Fastnacht wird ein Fastnachtfeuer angezündet u. Scheiben geschlagen. (alte Fastnacht). Dazu werden Sprüche gesagt z.B. Schibi, Schibo ab Rai (Rain). Wem soll die Schibo si? Sie soll s Hansebure Käthri sie (Scheibe, Scheibe, Rain ab)

13 Sprachliches.

A Zeiteinteilung: Wochentage, Mentig, Zischtig, Mittwuche, Dunstig, Frittig, Samstig, Suntig.
Festtage: Wihnete, Ufert (Christihimmelfahrt), Fasnet.
Lostage: Bartholomäus, ist da gutes Wetter, so gibt es ein gutes Spätjahr. Maria Heimsuchung: Wie Maria über s Gebirg goht, kummt sie wieder. 40 Ritter: Wenn Vorwind (Roßschinder = Nordwind) geht, so weicht er 40 Tag. Von Wihnete bis Dreikünig (12 Tag): Wie jeder dieser 12 Tage ist, so ist jeder entsprechende Monat des kommenden Jahres.
Zeitbestimmungen: Letztesch oder s vergangene Johr. S nächst Jahr; gestert z Nacht; montriges ( den anderen Tag), um fierobe (zwischen Licht u. Dunkelheit). Herbst = Spätlig

B. Naturerscheinungen: Gewitter = Wetter. Wetterleuchten heißt man hier kühlen. (s het kchület).

C Farbenbezeichnungen: hell = licht. Dunkel = schwarz, pechschwarz Kohlrabenschwarz, fischter (finster). rein = sufer, schneeweiß, nett, zierli, stattlig. Schmutzig = dreckig, schlampig, u reinli (unreinlich). u schö (unschön) heißt dagegen sehr schön; wie toll “ganz schön” u. u toll "sehr schön" heißt.

D Familie: Onkel, statt dessen ist hier das Wort Getti allgemein gebräuchlich. So sagt man auch allgemein statt Tante Base, Bäsli, (Getti u. Gotti sind dann auch die Paten.) Neffe u. Nichte heißen Vetter u. Bäsli.
Die Hochzeit heißt man Hohzit; die kirchliche Trauung den Kilchgang oder Kirchgang. Die Ehrenjungfrauen werden Brut=(Braut) oder Kranzjungfern genannt. Nach der  Kindstaufe geht s in s Wirtshaus zum Taufschmaus, welchen man d Schenki heißt u. die der Vater bezahlen muß. Die Paten dagegen müssen "den Korb tragen" d.h. 8 - 14 Tage nachher einen Korb voll Sachen z.B. Zucker, Kaffee, Brot, Mehl, Eier den Eltern bringen oder schicken. Das Patenkind heißt Getti = Gottikind, je nachdem es der Pate oder die Patin sagt oder es ein Bube oder Maideli ist Wittmann = Witlig.

E Begrüßung: Gute dag ! Grüß Gott! Gute n Obe. oder auch: Was trieb e ner ? Wie gohts ? Laufts ? Als Antwort erfolgt dann gewöhnlich auf : Gute Tag Au ein oder: Au e so. Beim Abschied sagt man: Adies Lebe wohl ! Schlafe wohl ! Gut d Nacht B hüt Gott! Kumme au bal wieder ! Lehet ech au bal wieder e mol sehen ! (Antwort: He, s wird s au wieder mol geh !) Beim Niesen sagt man: Helf dr Gott ! oder: Gsundheit ! oder: Ihr kemmet e Krom (Kram) über ! Als Antwort erfolgt gewöhnlich: Dank! oder: Schön Dank !
Flüche: das soll doch gli der Deixel hole ! oder: Bigelt (statt: Beigott!) auch: Bigottene ! Schimpfworte sind: Du Siech! de liederli drack ! Du Kaib ! Du Lotzi ! Du Luder! Du Brutseggel (Bock) I renn dr dr Schuh in Arsch ! (oder in s Fidle (dieser Ausdruck wird sehr häufig gebraucht). Teufel= Deixel, der Böse, der Schwarz.

F. Körperteile des Menschen: Statt Beine wird allgemein das Wort Schenkel gebraucht z.B. Es thut mir weh in de Schenkele. Der obere Teil des Fußes heißt "Rihe" (Reihe). Die Eingeweide heißen "Kuttle". So heißen auch Blutwürste von Schweinen"Kuttle". D Kuttle hang einem usi (statt die Eingeweide hängen heraus). Krankheiten haben alle den richtigen Namen, nur verhunzt z. B. Rheumatismus heißt man Rhesmatismus; Epilepsie= Epiplebsie! Diphteritis = Diphtitis. (So heißt man hier den D zierzon (bienen)stock Zessionsstock (wenn einer Schulden hat, so sagt er so) u. Sektionsstock (wenn er beim Militär gedient).
Gebrechen: Wenn einer einen Höcker hat, so sagt man "er isch übelzittig".
Körperliche u. sittliche Eigenschaften: Ist Jemand schön gewachsen. So sagt man "S isch e stattlige Mensch". Einen dummen Menschen heißt man "Trottel, Esel, Simbach (Simpel!), Dubel, Dappi". Statt jammern" sagt man "draißen"; statt "nießen" "pfnuchse"; statt "husten" "bellen" z.B. er bollet. Man benennt von Fingern nur "Daumen, Zeigefinger u. kleinen Finger;" die anderen haben keinen Namen.
Reim: Das isch dr Dume; der schüttelt Pflume; der liest sie uf, der trait sie heim u. der klei Spitzbub sait s deheim.

G Nahrung: Speisen: Erdepfel, Herdepfel; Korne, Roggen; Spik (Speck); Hammestrumpf (Schinke); Rippechli (Schweinsrippen); Gallere (Gallert); Fotzelschnitte (Brotstücke in Eiern eingetaucht u. in Fett gebacken). Schnittle (Schnittlauch); Knoble; (Knoblauch) Salat (Salat).
Getränke: Buttseggel oder Bockseggel = Schnaps der schlechtesten Sorte, die man kauft. (Alles was häßlich u. eckelhaft ist, nennt man auch so z.B. Kröte, Unke.) Kleidungsstücke: Einen vollständigen Anzug heißt man" Gwand oder Alegete". Eine kurze Jacke heißt" d Schobe". Bei Weibem ist die"gestickti Rockbrust u. der Halsmantel" bemerkenswert.

H. Ackerbau: den Rahm heißt man "Millere". Den Barbier heißt man "Bartkrazer, Schnurreputzer, Balbier”. Der Pfarrer wird "der Herr" genannt. Gruß bei Pfarrer u. Lehrer, wenn man sie besonders ehren will: Gute Tag, Sie Herr Pfarrer (Lehrer). Geräte: Sense = Sägesä. Eine kleine Axt (Holzmesser) wird "Sähsli" genannt. Statt "Reuthaue" sagt man Stockhaue; statt Heugabel Furke. Koffer wird "Gufferli" geheißen. Barometer heißt hier Bemeter." Der Teil des Pfluges, an welchem man ihn haltet, heißt "Gaize"; der lange Teil, an welchem die Pflugeisen befestigt sind "Grendel"; das Messerartige Eisen heißt "Wegeisen"; das Eisen, welches die Furche reißt, wird "Jäch" geheißen.

I.Tiere: = Heizeli. Das weibl. Schwein heißt Mohr; das Verschnittene "Bick", wenns ein Männchen u. " Nonn(e)” wenns ein Weibchen war. Junge Hühner heißt man "Bibbeli"; das männl. Huhn wird Guller genannt. Die Ente heißt auch "Güttli"; die männl. Ente "Rache". Die Gans wird "Gaus" genannt; männl. "Gauser". Die männl. Katze heißt "Rolli". (Katze = Busi, Burli). Schmetterlinge = Summervogel; Wasserjungfern = Teufelsnadeln. Engerlinge = Maden; Eidechse = Egeis; Kröte = Buttseggel oder auch "Kornetti". Der Rabe heißt Kraier; alle Raubvögel nennt man "Hühnervogel", weil der Hühnerhabicht Hühner holt. Das Käuzchen hat den Namen "Totenweckerli"; die Elster "Agerst". Das Rind wird von Kindem "Mummi" genannt. Den Hühnem lockt man: Bibbeli, cham, cham, bi, bi, bi. Hundenamen: Spitz, Ami, Zäsar, Schnauzli, Karro, Peter. Statt "grunzen” sagt man "rochle"; statt "wiehern" hurchele. Bei Tauben sagt man girren; ruchsen oder rukkere"; bei Vögeln statt singen "pfife".

K. Pflanzen: Äpfele, Biere; Buxhose; (rote Pflaumen); Ziebarte (blaue Pflaume). Unreifes Obst heißt u zittig.) Heidelbeere = Heubeere; Stachelbeere = Christelbeere). (Preißelbeere!); Wachholder = Reckholder. Die Beeren werden im "Kratte" gesammelt. Den Thymian heißt man "Bolaje; den Hanf = Hanft. Kleine Wucherblumen oder Maaßliebchen = Gausblume.

L.Zahlworte. Vier Nüsse heißt man" e Hekli".

M. Eine Erzählung in der Mundart des Dorfes
(Schreiber dieses hielt nachfolgende Sätze für besonders geeignet die Eigentümlichkeit der hies. Mundart hervorzuheben. Angeschlossen sind Schülerarbeiten u. zwar ein kleines Lesestück " Die Bienen u. die Taube" in hies. Mundart. Absichtlich wurde keine Korrektur daran vorgenommen).  

Mariann gang abi un sag im Knecht, er soll zitli aschpanne un in d Stadt fahre mit em Holz für dr Bankepeter un er muß au dr Schafbock für dr Metzger Raibli mit ini neh. Dr soll m au e Viertili zahle. Dr will gangi uf Kirchzarte duri (usi) au e Nohhaltig. Vu dert gangi zum Dummeshansebur uf Stege go luge, was mit dene Stierlene, wennemer letzli atrait het. Hol mer au noi schnell e klei (chlei) Schnäpgerli (Schnäpsli); aber vum ittele. (gute der reine). Wa koch isch z Mittag ? da musch au emol zu dem Spick luge, s U gsiefer (Ungeziefer) isch drin. Wo lug esch mi a ? Hesch welleweg no ebbis sage welle. Sags nur frech (schnell) usi ! Dr Bankeheiner isch mer gestrig au bigegnet. I han en aber erst g kennet, wu er mi frech (forschend, starr, er wollte bemerkt sein) a gluget het. Er hat si selli veränderet; isch ganz schnägerlig (mager, bleich) worde; r isch mer vorkumme wie wenner dr Rezer (Auszehrung, Siechtum) am Hals hät. S duret (dauert) aber au eim e sone Mensch. S Wetter isch aber au drno (darnach); der Wind hület un pfifet, ma meint, er well alles abi duri jage.
So, jetzt willi aber goh ! Lebe wohl ! Halt mir d Völcher (Dienstboten) in Ornig (Ordnung). Montrigs (Morgen) kummidier i wieder. Dr Bläsi (Blasius) soll au di Klee (die Kle=e zweisilbig statt der Klee!) abhaun. Lueg mer au selli Huh a (Schau mir auch jenes Huhn an !) Die verrecket weger. (dies stirbt, wie es scheint).

N. Die hies. Mundart unterscheidet sich nicht von derjenigen der benachbarten Orte. Alles ist katholisch.

 

Johanna Wilh.Metzger 
5. Schuljahr

                        s Bienli un Dub

                        Ne Bienli isch in Bach in gheit; des het

                        vu owe ne Dub gs in un het vu der Bau-

                        we un Blatt abbroche un het s im Bienli

                        zui gworfen. S Bienli isch nui gschwumme

                        un het sie usem Bach grettet, Ne Wili druf

                        isch Dub in Friede wieder uf der Bauwe ghuket.

                        Ne Jäger het schu der Hahna uf si gschpannt

                        ka. Mi Bienli isch kumme, pik! hätte in D Hand

                        gschtoche; buff ! isch der ganz Schutz dernewe

                        gange. Dub isch dervu gfloge. Wem hat sis

                        s Lewa verdanke ?

 

Theresia Holzmann
7. Schuljahr

                        S Bienli un Dub.

                        Na Bienli isch a mol in Bach ini keit;

                        des het a Dub gsihna un het a Blättli vu

                        der Bauwa abbrocha un heträs zua gworfa.

                        s Bienli isch nui gschwumma un het sie

                        Usm Bach rus gholfa. In kurzer Zit isch isr

                        Dub im Frieda wider uf dr Bauwa ghuket.

                        Na Jäger het schu dr Hahna uf si gschpannt.

                        Mi Bienli isch kumma, un pick, hatza in

                        Dhand gschtocha; puff, dr ganz Schutz isch

                        drnewa gange. Dub isch davu gfloge.

                        Wem het sie Lewa zverdanke ?

 

Maria Anna Bank.
5. Schuljahr

                        s Bienli un Dub.

                        A Bienli isch amol in a Bach ini keit;

                        des siht vu owa a Dub un bricht a

                        Blättli vu dr Bauwa un wirfts ihr zu.

                        S Bieli isch drufflos gschwumma un

                        het sich glückli us ein Bach ußa gholfa.

                        In kurzer Zit sitzt iseri Dub im Frieda

                        wieder uf dr Bauwa. N Jäger het

                        scho lang dr Hah uf sie gspanna.

                        Mi Bienli kunt - pik stichts ihn in

                        d Hand; puff ! goht dr ganz Schutz

                        drunnwa. Dub fliegt davu. Wem dankt

                        Sie jetzt ihr Läwa ?

 

Amalia Frei
8. Schuljahr.

                        S Bienli un Duba.

                        Sisch a mol a Bienli in Bach

                        keit; des het a Dub vu owa gsihna

                        un het a Blattli vu dr Bauwa

                        grissa un het us zui gworfa.

                        S Bienli ischm nui gschumma im

                        het sie gligli usm Bach gholfa.

                        In ere kurze Zit isch is r Dub im

                        Friede wieder uf dr Bauwa

                        gfluged. Na Jäger het schu dr

                        Hahna uf sie gschpannt ka.

                        Mi Bienli isch kumma - bik ! het

                        Sn in d Hand gschdocha; buff !

                        isch dr ganz Schutz dr nebi gang-

                        ga. D Dub isch dr vu gfloga. Wem

                        het sie Lewa z verdanke ?

 

In Schreibmaschinenschrift geschrieben
Stegen, 29.12.2000
Oskar Steinhart, Wittental